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Autor Thema: Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?  (Gelesen 13662 mal)

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Offline arebel

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« am: 19. September 2009, 23:22:46 »
Hallo zusammen !
Bin nun wieder mal etwas verunsichert, aufgrund der neuesten Urteile zum Thema Sondervertragskunde  - Tarifkunde.
Mein EVU rechnet nach automatischer Bestpreisabrechnung ab. Es gibt 5 verschiedene Stufen, sowohl die Arbeitspreise als auch die Grundpreise sind bei jeder Stufe unterschiedlich. Bisher ging ich davon aus, Tarifkunde zu sein.
Aber nach den neueren Urteilen sind auch die Kunden, die nach solchen Preismodellen - also automatische Einstufung je nach Verbrauch - abgerechnet werden, Sondervertragskunden.

Wie seht Ihr das, ist das wirklich so sicher ?

Offline reblaus

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #1 am: 20. September 2009, 07:55:47 »
Ich habe noch kein Urteil gelesen, in dem das so entschieden wurde.

Der Meinungsstreit geht momentan darum, ob nur der Kleinverbrauchstarif der Grundversorgungstarif darstellt, und alle anderen Tarife für größere Gasabnahmen Sondertarife sind, weil hierfür auch nur die geringeren Konzessionsabgaben bezahlt werden.

Wenn man dem folgen würde, wäre jeder Tarif der Bestabrechnung anbietet, ein Sondertarif.

Diese Sichtweise ist aber nicht zwingend. Es könnte schließlich auch sein, dass das Versorgungsunternehmen einfach nur Konzessionsabgaben hinterzieht, wenn es für seine als Grundversorgungskunden einzustufenden Heizgaskunden nur die geringere Abgabe für Sonderverträge entrichtet.

Würde das EVU für diese Umsätze lediglich 7% Mehrwertsteuer statt 19% abführen, wäre das Erdgas deshalb schließlich auch nicht als Grundnahrungsmittel einzustufen, für die der geringere Mehrwertsteuersatz gilt.

Es empfiehlt sich daher seine Unterlagen genau zu studieren, ob nicht andere Hinweise zu finden sind, die darauf schließen lassen, dass man zu besonderen, der Allgemeinheit nicht zugänglichen Konditionen beliefert wird.

Offline Cremer

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #2 am: 20. September 2009, 08:22:06 »
@arebel,

Ihr versorger bietet garantiert auch Grundversorgungs- und Klein(st)abnehmertarife an.

Alle anderen, teilweise bezogen auf die Abnahmemenge, z.B. 10.000 bis 15.000 kWh, also \"in Stufen sind Sondertarife für Heizzwecke. Hier findet bei vielen Versorgern \"Bestpreisabrechnung\" Anwendung.

Zweitens sollten Sie einen Blick auf Ihren Vertrag mit den AGB\'s werfen.

Die Preisdifferenz vieler Sondertarife werden vielfach, bis zu 50%, alleine schon durch die geringere Konzessionsabgabe des Sondertarifes, wie bei den SW KH, bestimmt.
MFG
Gerd Cremer
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Offline Christian Guhl

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #3 am: 20. September 2009, 10:58:36 »
Zitat
Original von reblaus
Es könnte schließlich auch sein, dass das Versorgungsunternehmen einfach nur Konzessionsabgaben hinterzieht, wenn es für seine als Grundversorgungskunden einzustufenden Heizgaskunden nur die geringere Abgabe für Sonderverträge entrichtet.
Es wäre doch mal sehr interessant eine Aussage von den Versorger darauf zu bekommen, warum man die geringere KA zahlt und gegenüber den Kunden behauptet, es wäre die Grundversorgung. Es gibt nur zwei Antwortmöglichkeiten : 1. Wir versuchen bei den KA zu betrügen. 2. Wir versuchen gegenüber den Kunden Preiserhöhungen durchzusetzen, obwohl wir keine rechtliche Grundlage dazu haben.

Offline reblaus

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #4 am: 20. September 2009, 11:10:03 »
3. Wir hatten in der Vergangenheit keine Ahnung, auf welcher rechtlichen Grundlage wir unsere Geschäfte betrieben haben.

Offline Christian Guhl

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #5 am: 20. September 2009, 16:23:13 »
Wenn die rechtliche Grundlage jetzt per Gerichtsurteil klargestellt wurde und sie weicht von dem ab, was bisher als richtig angenommen wurde, muss dann eigentlich die Differenz nachgezahlt werden ? Oder, als eher unwahrscheinlichen Fall, muss die Kommune etwas erstatten, wenn herauskommt, das die Grundversorgung ein Sondervertrag war ? In der KAV sind Höchstbeträge festgesetzt, die natürlich von den Kommunen ausnahmslos ausgereizt wurden. Eine Vorschrift über eine Mindestabgabe gibt es nicht.  Kann der Versorger sich damit herausreden, dass der geringere Betrag auch für die Grundversorgung ausdrücklich vereinbart wurde ?

Offline Cremer

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #6 am: 20. September 2009, 16:56:15 »
Das gesamte Abrechnungsverfahren der Konzessionsabgaben mit Versorgern ist hier m.E. noch garnicht richtig bekannt.

Außer den beiden Sätzen (Grundversorgung/Sondervertrag) laut KAV ist nichts bekannt.

Mich würde interessieren:

- Auf welcher Grundlage wird überhaupt berechnet? Anzahl der Kunden (Grundversorgung/Sondertarif) am 1.1. oder 30.6. oder 31.12. eines jeden Jahres?

- Erfolgt überhaupt eine Korrektur/Ausgleich, wenn Kunden zwischen den beiden Verträgen im Laufe eines Jahres wechseln?

- Erfolgt eine Korrektur, wenn neue Kunden dazukommen bzw,. wenn Kunden weggehen?

- Wann wird gezahlt? Abschläge gibt es laut KAV nicht.
MFG
Gerd Cremer
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Offline Wolfgang_AW

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #7 am: 20. September 2009, 18:52:41 »
@reblaus

ich denke, dass das Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf schon ein Zeichen in diese Richtung ist, auch wenn es noch nicht höchstrichterlich bestätigt wurde

In den
Bemerkungen von RAin Leonora Holling
heißt es dazu:

Zitat
Dabei wurde seitens des Oberlandesgerichtes festgestellt, dass der Kläger nicht Tarif - sondern tatsächlich Sondervertragskunde ist. Aufgrund der durch die Beklagte vorgenommenen \"Bestabrechnung\" ist nicht von einem \"Allgemeinen Tarif\" auszugehen. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass das Versorgungsverhältnis durch Entnahme von Gas aus dem Netz der Beklagten zu Stande gekommen ist.
(...)
Das Oberlandesgericht Düsseldorf urteilt auch mit erfreulicher Klarheit, selbst eine Bestabrechnung benachteilige den Verbraucher \"wider Treu und Glauben\".

Diesem würden nämlich einseitig Preise vorgegeben, deren Billigkeit er mangels Tarifkundeneigenschaft nicht gemäß § 315 BGB überprüfen lassen kann.

Ein Preisänderungsrecht in Sondervertrag habe vielmehr den Erfordernissen der §§ 305, 307 BGB zu genügen.

Bei der Bestabrechnung fehlt es jedoch mangels schriftlichem Sondervertrages an einer Preisänderungsklausel. Ein Hinweis auf ein veröffentlichtes Preisblatt, selbst wenn mit Vertragsschluss erfolgt, reicht nicht aus.

Mit freundlichen Grüßen

Wolfgang_AW
„Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.“

(Alfred Polgar)

Offline reblaus

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #8 am: 20. September 2009, 19:59:07 »
@Wolfgang_AW

Zitat
BGH Urt. v. 15.07.2009, Az. VIII ZR 56/08
aa) Die Frage ist dahin zu beantworten, dass es für die Beurteilung, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Ta-rif- bzw. Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen (§ 6 Abs. 1 EnWiG), Allgemeinen Tarifen (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998) oder Allgemeinen Prei-sen im Sinne von § 36 Abs. 1 EnWG 2005 handelt, darauf ankommt, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt
gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vor-schriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (vgl. Hempel, in: Hempel/Franke, Recht der Energie- und Wasserver-sorgung, Stand: Dezember 2008, § 1 AVBEltV Rdnr. 42 ff.; KG, Urteil vom 28. Oktober 2008 - 21 U 160/06, ZMR 2009, 280, unter II B 2 b (4) - Revision anhängig unter VIII ZR 312/08).
(...)
Nicht nur, aber insbesondere im Interesse letzterer (d. Kleinabnehmer; d. Verf) blieb gleichwohl die Verpflichtung von Energieversorgungsunternehmen erhalten (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998), für Gemeindegebiete, in denen sie die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern durchführen, zu öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Tarife jedermann an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und zu versorgen

Der BGH hat die Argumentation des OLG Düsseldorf nicht übernommen. Er geht nicht davon aus, dass die Grundversorgung ausschließlich dem Interesse der Kleinverbrauchern dient. Er sieht den Unterschied zwischen Sondervertrag und Grundversorgung darin, ob für den durchschnittlichen Verbraucher erkennbar ist, dass er zu besonderen Bedingungen versorgt wird.

Er hätte die Entscheidung des OLG übernehmen können. Da er es nicht tat, ist diese Entscheidung vermutlich überholt.

Offline Kampfzwerg

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #9 am: 20. September 2009, 20:47:40 »
Die ganzen 8) waren wohl weniger beabsichtigt. ;)
Welcher BGH? \"vermutlich\" heisst i. d. F. ganz sicher \"nicht sicher\" :D


@arebel

4. soll heissen, denn wir wissen nicht, welchen Vertrag wir ehemals abschlossen haben.

ganz sicher ist, dass die \"Suchfunktion\" noch mehr Informationen liefern würde.

Offline RuRo

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« Antwort #10 am: 20. September 2009, 20:51:03 »
Zitat
Original von Cremer
Die Preisdifferenz vieler Sondertarife werden vielfach, bis zu 50%, alleine schon durch die geringere Konzessionsabgabe des Sondertarifes, wie bei den SW KH, bestimmt.

Können Sie dass mal mit Zahlen hinterlegen?
Ich hatte es so verstanden, wenn Sondervertrag (= Sondertarif), dann einheitlicher geringerer Konzessionsabgabensatz und keine weitere Differenzierung.

Zitat
Original von Cremer
Das gesamte Abrechnungsverfahren der Konzessionsabgaben mit Versorgern ist hier m.E. noch garnicht richtig bekannt.

Abgabepflichtig ist nicht der Versorger sondern der Netzbetreiber, denn nur er kann die Energiemengen der Drittlieferanten kennen.

@Wolfgang_AW
Ich denke, dass sich Ihre Hoffnung nicht erfüllen wird. Die Höhe der abgeführten KA war bei noch keiner Gerichtsentscheidung ausschlaggebend für die Unterscheidung \"Sondervertragskunde - Tarifkunde\".

Mit dem BGH-Urteil vom 15.07.09 fand schon die gedankliche Gleichstellung von \"Norm-Sondervertragskunden\" und Tarifkunden statt.

Zitat
Original von reblaus
3. Wir hatten in der Vergangenheit keine Ahnung, auf welcher rechtlichen Grundlage wir unsere Geschäfte betrieben haben.

Rebellen machen keine Konzessionen
Leiderln hoits z\'sam, sonst gehts nimma recht lang

Offline reblaus

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #11 am: 20. September 2009, 20:57:39 »
@RuRo
Bei der Erdgas Schwaben scheint es sich ja um ein ganz besonders freches Exemplar seiner Gattung zu handeln.

Zitat
Blümm weist darauf hin, dass die Kunden von Erdgas Schwaben in jedem Fall profitiert hätten, da die Konzessionsabgabe wie die Energie- und Mehrwertsteuer ein Preisbestandteil sei. Das Unternehmen werde keine Nachforderungen an seine Kunden stellen oder Preise erhöhen, egal wie der Streit endet.

Ich bin überzeugt davon, dieser Blümm meint das ernst.

Offline Cremer

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #12 am: 21. September 2009, 13:24:34 »
@RuRo,

Auszug aus dem Schreiben an die Mitglieder der BIFEP vom 22.6.09:

Nach §2 Abs. 2 Nr. 1b) der KAV dürfen bei der Belieferung von Tarifkunden bei Strom in gemeinden bis 100.000 Einwohner max. 1,59 Cent/kWh genommen werden.

Nach §2 Abs. 3 Nr. 1 der KAV dürfen bei Sonderverträgen bei Strom max. 0,11 Cent pro kWh genommen werden.

Somit bei den Stadtwerken Kreuznach:

Normalstrom   21,60 Cent/kWh, Konzessionsabgabe 1,59 Cent/kWh
Kreuznacher Stadtstrom 19,00 Cent/kWh, Konzessionsabgabe 0,11 Cent/kWh.
Differenz: 2,60 Cent/kWh, Konzessionsabgabedifferenz 1,48 Cent/kWh

Der tatsachliche Preisnachlass von den Stadtwerken Kreuznach beträgt somit 2,60 Cent minus 1,48 Cent = nur 1,12 Cent/kWh.


Nun wäre allerdings zu hinterfragen, ob §2 Abs. 7 grundsätzlich gilt.
MFG
Gerd Cremer
BIFEP e.V.

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Offline Lothar Gutsche

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #13 am: 21. September 2009, 16:18:12 »
@ reblaus

Zitat
Der BGH hat die Argumentation des OLG Düsseldorf nicht übernommen. Er geht nicht davon aus, dass die Grundversorgung ausschließlich dem Interesse der Kleinverbrauchern dient. Er sieht den Unterschied zwischen Sondervertrag und Grundversorgung darin, ob für den durchschnittlichen Verbraucher erkennbar ist, dass er zu besonderen Bedingungen versorgt wird.  

Er hätte die Entscheidung des OLG übernehmen können. Da er es nicht tat, ist diese Entscheidung vermutlich überholt.

Das Urteil des OLG Düsseldorf datiert vom 24.6.2009 und wurde am 2. Kartellsenat des OLG gefällt, wie auch das Aktenzeichen VI-2 U (Kart) 14/08 zeigt. Wenn dieses Urteil angegriffen und aufgehoben werden soll, muss sich der Kartellsenat des BGH damit befassen. Die von Ihnen zitierte Rechtsprechung vom 15.7.2009 stammt vom VIII. Zivilsenat des BGH, wie das Aktenzeichen VIII ZR 56/08 verrät. Insofern kann ein Zivilsenat wie der VIII. Senat des BGH nicht die Rechtsprechung anderer Senate wie die des Kartellsenats aufheben. Z. B. findet die viel diskutierte Preissockel-Theorie mit der Aufspaltung des Gesamtpreises in einen vertraglich vereinbarten Anfangspreis und spätere Preiserhöhungen im Kartellsenat keine Unterstützung. Möglicherweise gibt es bei der Unterscheidung zwischen Tarifkunden und Sondervertragskunden Meinungsverschiedenheiten zwischen den BGH-Senaten.

Beim VIII. Zivilsenat des BGH ist es in den letzten Jahren zu mehreren seltsamen Entscheidungen gekommen, die nicht zu der Rechtsprechung anderer BGH-Senate passt, wie hier mehrfach im Forum diskutiert wurde. Die Entscheidungen des VIII. Senats passen nicht einmal zu der langjährigen Rechtsprechung des VIII. Senates, die vor dem Wechsel im Vorsitz am 1.7.2006 ergangen ist. Am 30.6.2006 trat Frau Dr. Katharina Deppert als Vorsitzende Richterin des VIII. Zivilsenates in den Ruhestand - und Richter Wolfgang Ball übernahm den Vorsitz. Über dessen Person und seine Beziehungen zur Energiewirtschaft durch gut bezahlte Vortragstätigkeit ist auch schon öfter berichtet worden.

Vor dem Hintergrund würde ich nicht mehr von \"dem\" BGH sprechen, oder behaupten, \"der\" BGH habe etwas entschieden. Es sind einzelne Senate und Personen, die vielleicht einmal strafrechtlich oder verfassungsrechtlich für ihre Fehlurteile zur Verantwortung gezogen werden. Ein Kandidat wäre Gerd Nobbe, der viele Jahre den Vorsitz im XI. Senat des BGH innehatte und durch eine sehr bankenfreundliche Rechtsprechung bekannt wurde. Es gibt Autoren wie Nico Nissen, die das Debakel um die Hypo Real Estate (HRE) in der Rechtsprechung des Richter Nobbe mitverursacht sehen, siehe http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30253/1.html unter dem Titel \"Der Weg der Hypo Real Estate in die Pleite\". Wer weiß, ob wir nicht auch zu \"Ehren\" von Wolfgang Ball die Verantwortung der Justiz in der Energiewirtschaft beklagen müssen. Dabei setze ich persönlich auf die Hilfe der von mir sehr geschätzten Kartellsenate.

Mit freundlichen Grüßen
Lothar Gutsche

Offline reblaus

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Neue Sichtweise Sondervertragskunde - Tarifkunde ?
« Antwort #14 am: 21. September 2009, 18:03:32 »
@Lothar Gutsche

Die Punkte, die dem Kartellsenat missfallen haben, hat der VIII Zivilsenat doch längst wieder abgeräumt. Der Wärmemarkt ist nicht mehr Teil der Rechtsprechung und bei der Ölpreisbindung hat der VIII Zivilsenat längst entschieden, dass ein kartellrechtswidriger Bezugsvertrag keine wirksame Basis für eine Preiserhöhung wegen gestiegener Bezugskosten ist.

Der Sockelpreis beruht in weiten Teilen auf der ständigen Rechtsprechung zum deklaratorischen Schuldanerkenntnis. Wenn das hier im Forum bisher nicht so gesehen wurde, liegt das eher an der Uneinsichtigkeit der Diskussionsteilnehmer als an mangelndem Sachverstand des Vorsitzenden Ball. Dass Sie hierin einen Disput zwischen Kartell- und VIII Zivilsenat sehen, beruht wohl mehr auf Wunsch als auf Tatsachenerkenntnis.

Tatsache ist, dass eine rechtliche Ungleichbehandlung der Verbraucher allein aus der Tatsache, dass der eine mehr Gas verbraucht als der andere, eine verfassungsrechtlich äußerst gewagte Theorie darstellt. Dies wird sich spätestens dann herausstellen, wenn ein Kleinverbraucher für sich ebenfalls den Abschluss eines Sondervertrages in Anspruch nimmt, und seine anderslautende BGH-Entscheidung mit Hinweis auf die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf vor dem BVerfG angreift. Dann wird zu entscheiden sein, ob § 2 GasGVV verfassungswidrig ist. Das BVerfG wird aber zu dem Ergebnis kommen, dass Rechtsnormen so auszulegen sind, dass sie mit der Verfassung übereinstimmen. So lautet jedenfalls bisher die ständige Rechtsprechung.

 

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