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Autor Thema: WANN müssen Kostensenkungen weitergegeben werden?  (Gelesen 3830 mal)

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Offline Gas-Rebell

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WANN müssen Kostensenkungen weitergegeben werden?
« am: 22. Juni 2009, 18:53:27 »
Nach einem Urteil des BGH v. 21.04.2009 (XI ZR 78/08, Tz. 32) zur Frage der (Un-)Wirksamkeit von Zinsanpassungsklauseln in Bank-AGB, das direkt auf Preisanpassungsklauseln in Energieverbraucherverträgen übertragbar ist, benachteiligt eine Anpassungsklausel die Kunden nur dann nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist, die Klausel mithin eine Bindung des Verwenders an den Umfang des Kostenanstiegs vorsieht und weiterhin dessen Verpflichtung enthält, Kostenminderungen an die Kunden weiter zu geben, ohne dass er insoweit ein Ermessen hat.

Dazu auch RR-E-ft hier:

Zitat
„So müssen zur Wahrung eines bestehenden Äquivalenzverhältnisses nachträgliche Kostensenkungen zwingend unverzüglich und vollständig, mithin ohne ein Ermessen an den Vertragspartner weitergegeben werden, weil sich andernfalls nachträglich der Gewinnanteil am vereinbarten Entgelt erhöht (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08 Tz. 35.)“

Hier stolpere ich über den Begriff „unverzüglich“ und frage mich, inwieweit den Energieversorgern ggf. dennoch die Möglichkeit einer zeitlich verzögerten Weitergabe von Kostensenkungen offenstehen könnte, z.B. unter Berufung darauf, dass der BGH in seinem Urteil zur Frage der „Unverzüglichkeit“ explizit nicht Stellung genommen habe. Zumindest nehmen – wie die aktuelle Praxis zeigt - die Energieversorger ein solches „Recht“ ganz offensichtlich für sich in Anspruch.

Wie zum Beispiel in einem aktuellen Fall, wo ein Energieversorger nach einer ersten Preissenkung i.H.v. 10,4% zum 01.04.2009 eine erneute, mindestens schon zum 01.07.2008 fällige Weitergabe verminderter Bezugskosten mit der Begründung um 3 Monate auf den 01.10.2009 verschob und betragsmäßig auch auf nur 10% festsetzte, dass man „gegenüber einem Gewinn in 2007 von rund 7 Mio. Euro in 2008 nur noch einen Gewinn von 0,8 Euro“ zu verzeichnen gehabt habe. Dieser Gewinneinbruch müsse wieder ausgeglichen werden, sodass sich eine frühzeitigere und deutlichere Preissenkung verbiete. Denn der Gewinneinbruch sei darauf zurückzuführen, dass man in 2008 zum einen durch nicht vollständige Weitergabe eigener Erdgas-Bezugskosten 6 Mio. Mehrkosten gehabt habe und zum anderen, dass „aufgrund eines Urteils des BGH eine Rückstellung von 6,7 Mio. für Netzentgelte“ zu bilden gewesen sei.

Da fragt man sich doch: Ist das rechtens?? Oder können Kunden von ihren Energieversorgern verlangen, dass bereits eingetretene Bezugskostenminderungen unverzüglich in vollem Umfang an sie weiter gegeben werden? Und sich darauf berufen, dass es nicht angehen kann, dass sie nachträglich dafür gerade stehen sollen, dass der Energieversorger wieder das Niveau von Vorjahresgewinnen erreicht, auf die das Versorgungsunternehmen selbst vorher in freier unternehmerischer Entscheidung verzichtet hat? (Abgesehen von den nicht weitergegebenen Kosten: Was ist das überhaupt für ein ominöses Urteil des BGH zu „Netzentgelten“, die Rückstellungen in Millionenhöhe erfordern sollen?)

Auffällig auch: Angesichts der fraglichen Wirksamkeit ihrer Preisanpassungsklauseln haben Energieversorger vielen Sondervertragskunden mit Wirkung zum 01.09. oder 01.10.2009 gekündigt. Mit der Verschiebung der Weitergabe von Kostensenkungen auf den 01.10.2009 werden solche Kunden also vollständig von einer an sich schon zum 01.07.2009 fälligen Preissenkung ausgeschlossen. Rechtens??

Und, angenommen eine derartige Praxis eines Energieversorgers wäre nicht rechtens: Was wäre sinnvollerweise zu tun? Widerspruch einlegen? Klagen?

Bin mal gespannt, was unsere Experten dazu sagen.

Gas-Rebell

Offline Münsteraner

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WANN müssen Kostensenkungen weitergegeben werden?
« Antwort #1 am: 22. Juni 2009, 19:51:22 »
@ Gas-Rebell

Folgendes BGH-Urteil v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26 nimmt auch Stellung zur Frage des Zeitpunktes der Weitergabe der Kostensenkung:

Zitat
Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen.

Was sich daraus für den genannten Beispielsfall ergibt, vermag ich als Nichtjurist allerdings nicht zu beurteilen.

Münsteraner

Offline RR-E-ft

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WANN müssen Kostensenkungen weitergegeben werden?
« Antwort #2 am: 22. Juni 2009, 20:00:56 »
I.

In einem Sondervertrag müssen Kostensenkungen ohne Ermessen, d.h. unverzüglich und vollständig dann weitergegeben werden, wenn es eine Preisänderungsklausel so vorsieht.

Sieht eine Preisänderungsklausel Entsprechendes nicht vor, so ist sie jedenfalls  bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH in der Entscheidung vom 21.04.2009 XI ZR 78/08 Tz. 25 wohl unwirksam.

Ist eine Preisanpassungsklausel jedoch unwirksam, so gilt der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis für beide Seiten gleichermaßen fort,  besteht also weder ein Recht zu nachträglichen Preiserhöhungen noch eine Pflicht zu nachträglichen Preisenkungen, so dass sich hierdurch Chancen und Risiken für beide Vertrragsteile ausgleichen [vgl. LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 Az. 2 HK O 95/08].

Das ist fair.

II.

Bei Tarifkunden (bzw. Grundversorgung) besteht hingegen ein Ermessen hinsichtlich Preiserhöhungen und Preissenkungen bei geänderten Kosten (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26).

Würde man mit dem VIII.Zivilsenat davon ausgehen, dass der Tarifkunde durch einen widerspruchslosen Weiterbezug und vorbehaltloser Zahlung der nachfolgenden Verbrauchsabrechnung den erhöhten Preis neu vereinbart, so wäre durch eine solche Neuvereinbarung ggf. ein  neues Äquivalenzverhältnis geschaffen, ohne dass es darauf ankommen kann, ob vorangegangene Kostensteigerungen vollständig weitergegeben wurden oder nicht.

Die Neuvereinbarungsfiktion des VIII. Zivilsenats schafft hier ein ein Manko, auch aus Sicht der Versorger, wenn diese zuvor Kostensteigerungen nicht vollständig weitergeben hatten. Denn ein neu vereinbartes Äquivalenzverhältnis wäre zu wahren, gleichviel ob es nun dem Versorger oder aber dem Kunden besonders günstig ist.  Ein  solches neu vereinbartes Äquivilanzverhältnis wird verletzt, wenn nach der Neuvereinbarung eingetretene Kostensenkungen nicht zügig und vollständig weitergegeben werden, weil sich dadurch der Deckungsbeitrag des Versorgers am Preis und damit sein Geinnanteil am Preis nachträglich erhöht würde, was unmittelbar mit einer Verschiebung des neu vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zu Lasten des Kunden einherginge.

Die Netzentgeltrückstellungen betreffen den Strombereich (Stichwort Mehrerlösabschöpfung). Die Rückzahlungspflicht hinsichtlich bisher überhöhter Stromnetzentgelte an die Netznutzer hat mit der Gassparte rein gar nichts zu tun. Sie dürfen deshalb auch nicht als Begründung herangezogen werden, um eine wegen eines Kostenrückgangs in der Gassparte mögliche Gas- Preissenkung zu verschieben etc..

Insoweit gilt die Aussage des BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 40 spiegelbildlich:

Zitat
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann es für die Billigkeit einer Gaspreiserhöhung nicht darauf ankommen, ob die Beklagte die Steigerung der Gasbezugskosten durch zurückgehende Kosten in anderen Unternehmensbereichen hätte auffangen können. Die Beklagte ist nicht zur Quersubventionierung der Gassparte verpflichtet. Die Frage, wie ein Unternehmen seine in dem einen Geschäftsbereich erzielten Gewinne verwendet, ist eine Entscheidung, die im Ermessen des Unternehmers liegt und der für die Billigkeit einer Preiserhöhung in einem anderen Geschäftsbereich keine Bedeutung zukommt (LG Bonn, ZNER 2006, 274, 278 = RdE 2007, 84, 89, Revision anhängig unter VIII ZR 274/06). Der Abnehmer von Gas hat insbesondere keinen Anspruch darauf, dass ein regionaler Versorger wie die Beklagte Kostensenkungen etwa bei der Strom-, Wasser oder Fernwärmeversorgung gerade zur Entlastung der Gaskunden verwendet, was auch zur Folge hätte, dass dieses Potential zugunsten der Kunden der betroffenen Unternehmenssparten nicht mehr zur Verfügung stünde.

Ein Versorger, der nicht zur Quersubventionierung der Gassparte durch Spartenüberschüsse in anderen Bereichen  verpflichtet ist, ist ebenso verpflichtet, Quersubventionen anderer Sparten wie Strom, Fernwärme, Wasser, Nahverkehr, Bäderbetrieb bei dort steigenden Kosten  aus den Gaspreisen  zu unterlassen. Kostensenkungspotentiale der Gassparte müssen zugunsten der Gaskunden ausgeschöpft werden.

Jede Sparte und die Kostenentwicklung innerhalb dieser sind vollkommen getrennt zu betrachten. Innerhalb einer Sparte können noch die Deckungsbeiträge innerhalb der Preise für verschiedene Kundengruppen, welche unterschiedliche Preise zahlen,  zu berücksichtigen sein. So darf nicht beabsichtigt werden, gesunkene Deckungsbeiträge (Gewinnanteil am Preis) bei einer Kundengruppe (zB. leistungsgegemessene Grokunden) innerhalb ein und derselben Sparte (z.B. Gas) durch steigende Deckungsbeiträge (Gewinnanteil am Preis) bei einer anderen Kundengruppe (zB. nichtleistungsgemessene Kleinkunden/ Standardlastprofilkunden) auszugleichen.

Immer hat derjenige Kunde, bei dem der Gewinnanteil am Preis nachträglich erhöht wird, eine Unbilligkeit zu beklagen.  

Es geht mithin niemals darum, ob sich das gesamte Jahresergebnis eines Versorgers oder auch nur sein Ergebnis in einer bestimmten Sparte (z.B.  Gas) erhöht oder verringert, sondern es geht immer (nur) darum, ob sich der Deckungsbeitrag am konkreten Vertragspreis und damit der Gewinnanteil des Versorgers an diesem Preis erhöht, was unzulässig wäre, weil es das vereinbarte vertragliche Äquivalenzverhältnis verletzt.  

Erhöht sich also der Gewinnanteil am eigenen Preis, liegt eine Unbilligkeit vor. Letzteres ist grundsätzlich dann der Fall, wenn effektive Kostensenkungen, welche die preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Vertragspreises betreffen, nicht unverzüglich und vollständig weitergegeben werden.


BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26:

Zitat
Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist

Fazit:

Bei effektiv rückläufigen Kosten der preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Gaspreises muss einer Preissenkung erfolgen und darf diese nicht unter dem Gesichtspunkt verschoben werden, dass sich die Kosten in der Wasser- oder Stromsparte oder aber beim Nahverkehr erhöht haben und durch die Kosteneinsparungen beim Gaspreis wunderbar kompensiert werden könnten, genauso wie sich die Gaspreise nicht wegen höherer Kosten der Stromsparte erhöhen lassen. Die Mehrerlösabschöpfung bei den Stromnetzentgelten betrifft in Vorperioden zu Unrecht vereinnnahmte Stromnetzentgelte, die an die Netznutzer wieder auszukehren sind. Daran kann und darf man die Gaskunden und auch die eigenen Stromkunden nicht beteiligen.

Wurden wegen zuvor unrechtmäßig überhöhter Netzentgelte die eigenen Strompreise zu hoch kalkuliert, müssten nicht nur die Lieferanten, die die überhöhten Netzentgelte gezahlt hatten eine Rückvergütung innerhalb der sog. Mehrerlösabschöpfung bekommen, sondern wohl auch die eigenen Stromkunden. Wären von Anfang an die geringeren Stromnetzentgelte zur Anwendung gekommen, hätten die anderen Lieferanten auf dem betreffenden Markt günstiger anbieten können und auch die eigenen kostenbasierten Strompreise hätten wohl entsprechend geringer ausfallen müssen.

Zu den Problemen bei der sog. Mehrerlösabschöpfung  Und auch hier.

\"Mehrerlösabschöpfung\" findet sich auch bei http://www.pwc.de

Offline Gas-Rebell

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WANN müssen Kostensenkungen weitergegeben werden?
« Antwort #3 am: 22. Juni 2009, 23:21:03 »
@ Münsteraner

Vielen Dank für den Hinweis! Das hilft schon mal weiter.

@ RR-E-ft

Ebenfalls vielen Dank für die aufschlussreichen Hinweise!

Zitat
„Ein ... neu vereinbartes Äquivilanzverhältnis wird verletzt, wenn nach der Neuvereinbarung eingetretene Kostensenkungen nicht zügig und vollständig weitergegeben werden, weil sich dadurch der Deckungsbeitrag des Versorgers am Preis und damit sein Geinnanteil am Preis nachträglich erhöht würde, was unmittelbar mit einer Verschiebung des neu vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zu Lasten des Kunden einherginge.“

Frage zur Klärung, damit ich Sie richtig verstehe:

Angenommen das in dem Beispiel genannte EVU hätte mit diversen Kunden in einem laufenden Sondervertragsverhältnis eine dahingehende Änderung der Preisanpassungsklausel vereinbart, dass das EVU nicht mehr nur zu Preisanpassungen berechtigt, sondern bei Kostensenkungen auch zu Preissenkungen verpflichtet sei (allerdings ohne Zusatz „unverzüglich“ und „in vollem Umfang“).

Läge dann hier ebenfalls ein neu vereinbartes Äquivalenzverhältnis vor, dass verletzt würde, wenn das EVU wie im genannten Beispiel eingetretene Kostensenkungen nicht sofort, sondern erst nach 3 Monaten und auch dem Anschein nach (siehe das Thema „Rückstellungen„ und „Quersubventionierungen“ in obigem Beispiel) nicht in vollem Umfang weitergibt?

Oder wäre die Preisanpassungsklausel aufgrund der Tatsache, dass dort die Kriterien „unverzüglich“ und „in vollem Umfang“ nicht explizit erwähnt sind, als unwirksam einzustufen, sodass sich daraus ergeben würde, dass das EVU zwar nicht mehr zu Preiserhöhungen berechtigt, aber auch zu Preissenkungen nicht mehr verpflichtet wäre?

Gas-Rebell

Offline RR-E-ft

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WANN müssen Kostensenkungen weitergegeben werden?
« Antwort #4 am: 22. Juni 2009, 23:33:27 »
@Gas-Rebell

Sie verkennen womöglich, dass eine wirksame Preisanpassungsklausel weitere Voraussetzungen hat.

So bedarf es schon der Offenlegung der Preiskalkulation innerhalb der Klausel, Termine und Richtlinien für Preisrevisionen müssen möglichst genau geregelt sein.....

Wenn in der Klausel nur steht, der Versorger sei bei rückläufigen Kosten auch zur Preissenkung verpflichtet, so genügt das den Anforderungen auch nicht. Man müsste schon wissen, was denn überhaupt die maßgeblichen Kosten sind, welche Gewichtung diese am Gesamtpreis haben, wann überprüft wird, ob sich diese geändert haben (täglich, wöchentlich/ monatlich/ quartalsweise) und dann auch noch anhand der Klausel selbst kontrollieren können, ob Kostensenkungen tatsächlich vollständig weitergegeben wurden.

Denn die Weitergabe nur zu einem Bruchteil würde ja auch das Äquivalenzverhältnis zu Lasten des Kunden verschieben. Jede Klausel, die eine solche  Verschiebung zu Lasten des Kunden ermöglicht, ist aber gerade  wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam.

Wenn nun dazu gar nichts geregelt wäre, müssten ja die Verpflichtung zur Preissenkung gem. § 315 BGB im Zweifel wieder nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Dieses \"billige Ermessen\" genügt aber denzu stellenden  Anforderungen gerade nicht, weil der viel zu weite Spielraum der Billigkeit nicht in das enge Korsett passt, welches § 307 BGB erfordert (vgl. BGH, Urt. v. 21.04.2009 - XI ZR 78/08 Tz. 25 und BGH, Urt. v. 13.07.2004 - KZR 10/03 unter II.6). Siehste hier.

Was die Folge einer unwirksamen Klausel aus meiner Sicht ist, habe ich anhand der Rechtsprechung des LG Gera dargestellt:

Der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis ist für beide Teile gleichermaßen verbindlich und - außer einer ausdrücklichen Neuvereinbarung- unverrückbar. Die Frage der Weitergabe gestiegener oder gesunkener Kosten stellt sich dabei nicht bzw. dürfte sich nicht stellen.

Kunden, die mit dem Versorger Preisänderungsbestimmungen individuell nachträglich aushandeln/ vereinbaren, denen ist nicht mehr zu helfen, weil sie sich dadurch des gesamten Schutzes der §§ 305 ff. BGB begeben. Siehste hier.  Mir ist auch nicht klar, warum sich ein Kunde auf eine entsprechende Regelung nachträglich einlassen sollte. Für eine nachträgliche Änderung der AGB bedarf es der Zustimmung des Kunden.

Immer dann, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Äquivalenzverhältnis wirksam vereinbart wurde, bei dem der zu zahlende Preis sich naturgemäß zusammensetzt aus zu deckenden Kosten und Gewinnanteil, wird das Äquivalenzverhältnis nachträglich zu Lasten des Kunden verschoben, wenn die Kostenbestandteile des vorgenannten Preises nachträglich sinken und diese Senkung nicht unverzüglich und vollständig an den Kunden weitergegeben wird, weil sich dadurch denknotwendig und zwingend der im Preis einkalkulierte Gewinnanteil erhöht, was bei bestehendem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht unzulässig (unbillig) ist.

In Ihrem Beispiel kassiert der Versorger zumindest über drei Monate hinweg einen erhöhten Deckungsbeitrag/ Gewinnanteil, was sich nachträglich nicht mehr unbedingt ausgleichen lässt, vgl. LG Köln, B. v. 07.01.2009 (BHAG- Fall)

Offline Gas-Rebell

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WANN müssen Kostensenkungen weitergegeben werden?
« Antwort #5 am: 23. Juni 2009, 00:08:58 »
Zitat
Original von RR-E-ft
@Gas-Rebell

Sie verkennen womöglich, dass eine wirksame Preisanpassungsklausel weitere Voraussetzungen hat.

Danke für die Ergänzung. Das verkenne ich nicht.

Interessant finde ich die aufgeworfene Frage jedoch weiterhin im Hinblick darauf, was Kunden, die tatsächlich so unvorsichtig waren, mit dem EVU eine neue Preisanpassungsklausel zu vereinbaren, noch für Möglichkeiten offenstehen, wenn sie bemerken sollten, dass das EVU sich nun auch ganz offensichtlich nicht an die selbstaufgestellte klauselmäßige Verpflichtung zur Kostensenkung hält, zumindest diese nicht \"unverzüglich\" und \"in vollem Umfang\" umsetzt.

Mögen Sie hierzu noch was ergänzen? Um etwaigen Fehlgedanken vorzubeugen: Ich persönlich gehöre gottseidank nicht zu den solchermaßen Betroffenen und kenne auch niemanden aus diesem Kreis. Aber @Münsteraner: War da nicht mal sowas bei Ihnen in Münster?

Gas-Rebell

 

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