I.
In einem
Sondervertrag müssen Kostensenkungen ohne Ermessen, d.h. unverzüglich und vollständig
dann weitergegeben werden, wenn es eine Preisänderungsklausel so vorsieht.
Sieht eine Preisänderungsklausel Entsprechendes nicht vor, so ist sie jedenfalls bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH in der Entscheidung vom 21.04.2009 XI ZR 78/08 Tz. 25 wohl unwirksam.
Ist eine Preisanpassungsklausel jedoch unwirksam, so gilt der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis für beide Seiten gleichermaßen fort, besteht also weder ein Recht zu nachträglichen Preiserhöhungen noch eine Pflicht zu nachträglichen Preisenkungen, so dass sich hierdurch Chancen und Risiken für beide Vertrragsteile ausgleichen [vgl.
LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 Az. 2 HK O 95/08].
Das ist fair.
II.
Bei
Tarifkunden (bzw. Grundversorgung) besteht hingegen ein
Ermessen hinsichtlich Preiserhöhungen und Preissenkungen bei geänderten Kosten (vgl. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26).
Würde man mit dem VIII.Zivilsenat davon ausgehen, dass der Tarifkunde durch einen widerspruchslosen Weiterbezug und vorbehaltloser Zahlung der nachfolgenden Verbrauchsabrechnung den erhöhten Preis neu vereinbart, so wäre durch eine solche
Neuvereinbarung ggf. ein
neues Äquivalenzverhältnis geschaffen, ohne dass es darauf ankommen kann, ob vorangegangene Kostensteigerungen vollständig weitergegeben wurden oder nicht.
Die Neuvereinbarungsfiktion des VIII. Zivilsenats schafft hier ein ein Manko, auch aus Sicht der Versorger, wenn diese zuvor Kostensteigerungen nicht vollständig weitergeben hatten. Denn ein neu vereinbartes Äquivalenzverhältnis wäre zu wahren, gleichviel ob es nun dem Versorger oder aber dem Kunden besonders günstig ist. Ein solches neu vereinbartes Äquivilanzverhältnis wird verletzt, wenn nach der Neuvereinbarung eingetretene Kostensenkungen nicht zügig und vollständig weitergegeben werden, weil sich dadurch der Deckungsbeitrag des Versorgers am Preis und damit sein Geinnanteil am Preis nachträglich erhöht würde, was unmittelbar mit einer Verschiebung des neu vereinbarten Äquivalenzverhältnisses zu Lasten des Kunden einherginge.
Die Netzentgeltrückstellungen betreffen den Strombereich (Stichwort Mehrerlösabschöpfung). Die Rückzahlungspflicht hinsichtlich bisher überhöhter Stromnetzentgelte an die Netznutzer hat mit der Gassparte rein gar nichts zu tun. Sie dürfen deshalb auch nicht als Begründung herangezogen werden, um eine wegen eines Kostenrückgangs in der Gassparte mögliche Gas- Preissenkung zu verschieben etc..
Insoweit gilt die Aussage des BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 Tz. 40
spiegelbildlich:
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann es für die Billigkeit einer Gaspreiserhöhung nicht darauf ankommen, ob die Beklagte die Steigerung der Gasbezugskosten durch zurückgehende Kosten in anderen Unternehmensbereichen hätte auffangen können. Die Beklagte ist nicht zur Quersubventionierung der Gassparte verpflichtet. Die Frage, wie ein Unternehmen seine in dem einen Geschäftsbereich erzielten Gewinne verwendet, ist eine Entscheidung, die im Ermessen des Unternehmers liegt und der für die Billigkeit einer Preiserhöhung in einem anderen Geschäftsbereich keine Bedeutung zukommt (LG Bonn, ZNER 2006, 274, 278 = RdE 2007, 84, 89, Revision anhängig unter VIII ZR 274/06). Der Abnehmer von Gas hat insbesondere keinen Anspruch darauf, dass ein regionaler Versorger wie die Beklagte Kostensenkungen etwa bei der Strom-, Wasser oder Fernwärmeversorgung gerade zur Entlastung der Gaskunden verwendet, was auch zur Folge hätte, dass dieses Potential zugunsten der Kunden der betroffenen Unternehmenssparten nicht mehr zur Verfügung stünde.
Ein Versorger, der nicht zur Quersubventionierung der Gassparte durch Spartenüberschüsse in anderen Bereichen verpflichtet ist, ist ebenso verpflichtet, Quersubventionen anderer Sparten wie Strom, Fernwärme, Wasser, Nahverkehr, Bäderbetrieb bei dort steigenden Kosten aus den Gaspreisen zu unterlassen. Kostensenkungspotentiale der Gassparte müssen zugunsten der Gaskunden ausgeschöpft werden.
Jede Sparte und die Kostenentwicklung innerhalb dieser sind vollkommen getrennt zu betrachten. Innerhalb einer Sparte können noch die Deckungsbeiträge innerhalb der Preise für verschiedene Kundengruppen, welche unterschiedliche Preise zahlen, zu berücksichtigen sein. So darf nicht beabsichtigt werden, gesunkene Deckungsbeiträge (Gewinnanteil am Preis) bei einer Kundengruppe (zB. leistungsgegemessene Grokunden) innerhalb ein und derselben Sparte (z.B. Gas) durch steigende Deckungsbeiträge (Gewinnanteil am Preis) bei einer anderen Kundengruppe (zB. nichtleistungsgemessene Kleinkunden/ Standardlastprofilkunden) auszugleichen.
Immer hat derjenige Kunde, bei dem der Gewinnanteil am Preis nachträglich erhöht wird, eine Unbilligkeit zu beklagen.
Es geht mithin niemals darum, ob sich das gesamte Jahresergebnis eines Versorgers oder auch nur sein Ergebnis in einer bestimmten Sparte (z.B. Gas) erhöht oder verringert, sondern es geht immer (nur) darum, ob sich der
Deckungsbeitrag am konkreten Vertragspreis und damit der Gewinnanteil des Versorgers an diesem Preis erhöht, was unzulässig wäre, weil es das vereinbarte vertragliche Äquivalenzverhältnis verletzt.
Erhöht sich also der Gewinnanteil am eigenen Preis, liegt eine Unbilligkeit vor. Letzteres ist grundsätzlich dann der Fall, wenn effektive Kostensenkungen, welche die preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Vertragspreises betreffen, nicht unverzüglich und vollständig weitergegeben werden.
BGH, Urt. v. 29.04.2008 - KZR 2/07 Tz. 26:
Aus der gesetzlichen Bindung des allgemeinen Tarifs an den Maßstab der Billigkeit (BGHZ 172, 315 Tz. 16 f.) ergibt sich nicht nur die Rechtspflicht des Versorgers, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen. Der Versorger ist vielmehr auch verpflichtet, die jeweiligen Zeitpunkte einer Tarifänderung so zu wählen, dass Kostensenkungen nicht nach für den Kunden ungünstigeren Maßstäben Rechnung getragen wird als Kostenerhöhungen, so dass Kostensenkungen mindestens in gleichem Umfang preiswirksam werden müssen wie Kostenerhöhungen. Die gesetzliche Regelung umfasst daher neben dem Recht des Versorgers zur Preisanpassung auch die Pflicht hierzu, wenn die Anpassung dem Kunden günstig ist
Fazit:Bei effektiv rückläufigen Kosten der preisbildenden Kostenfaktoren des konkreten Gaspreises muss einer Preissenkung erfolgen und darf diese nicht unter dem Gesichtspunkt verschoben werden, dass sich die Kosten in der Wasser- oder Stromsparte oder aber beim Nahverkehr erhöht haben und durch die Kosteneinsparungen beim Gaspreis wunderbar kompensiert werden könnten, genauso wie sich die Gaspreise nicht wegen höherer Kosten der Stromsparte erhöhen lassen. Die Mehrerlösabschöpfung bei den Stromnetzentgelten betrifft in Vorperioden zu Unrecht vereinnnahmte Stromnetzentgelte, die an die Netznutzer wieder auszukehren sind. Daran kann und darf man die Gaskunden und auch die eigenen Stromkunden nicht beteiligen.
Wurden wegen zuvor unrechtmäßig überhöhter Netzentgelte die eigenen Strompreise zu hoch kalkuliert, müssten nicht nur die Lieferanten, die die überhöhten Netzentgelte gezahlt hatten eine Rückvergütung innerhalb der sog. Mehrerlösabschöpfung bekommen, sondern wohl auch die eigenen Stromkunden. Wären von Anfang an die geringeren Stromnetzentgelte zur Anwendung gekommen, hätten die anderen Lieferanten auf dem betreffenden Markt günstiger anbieten können und auch die eigenen kostenbasierten Strompreise hätten wohl entsprechend geringer ausfallen müssen.
Zu den Problemen bei der sog. Mehrerlösabschöpfung Und auch hier. \"Mehrerlösabschöpfung\" findet sich auch bei
http://www.pwc.de