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Autor Thema: Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen  (Gelesen 183926 mal)

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Offline RR-E-ft

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Die Frage ist, ob die deutsche Richterschaft tatsächlich nur an ihre Karriere denkt oder sich aber als unabhängiger kritischer Bewahrer des geltenden Rechts versteht, so wie es im Grundgesetz vorgesehen ist.  

Wohin führen wohl unkritische, karriereorientierte deutsche Richter und Juristen, die das Recht vergessen?!

Ein Klassiker.

Ich teile Ihre Einschätzung über die heutige deutsche Richterschaft nicht.
Wer einen eigenen Kopf zum Denken mitbekommen hat, benutzt ihn in der Regel auch.

Aber gewiss ist es am Kunden, vorzutragen, dass die zur Abrechnung gestellten und geleisteten Entgelte weder bei Vertragsabschluss noch später vertraglich vereinbart wurden und dafür auch auf die Entscheidung BGH VIII ZR 199/04 ausdrücklich hinzuweisen und diese in die eigene Argumentation einzubeziehen. Das mag hie und da bisher verabsäumt worden sein. Und ich möchte auch nicht ausschließen, dass die merkwürdige Konstruktion des 8. Zivilsenats auf reiner Rechtsvergessenheit beruht. Ich halte dies sogar für überwiegend wahrscheinlich. Weit weniger wahrscheinlich - und für einen Juristen fast undenkbar - erscheint, dass sich der Senat bewusst über das geltende Allgemeine Schuldrecht hinweggesetzt hat. Wer letzteres behaupten wollte, der sollte es auch beweisen können.

Suspekt ist mir persönlich, wer die Anwendung des geltenden Allgemeinen Schuldrechts als rein theoretische juristische Lehre aus einem angeblichen Elfenbeinturm verdächtig macht. Wer so redet, vergisst seine Ausbildung und will diese wohl vergessen machen.

Offline reblaus

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@Black
Sie können eine Preisbestimmung, die auf einer unwirksamen Vertragsklausel beruht, nicht mit einer fehlerhaften Preisbestimmung nach § 315 BGB vergleichen.

Vergleichbar wären die Fälle nur dann, wenn der Versorger die Preisbestimmung, zu der er durch eine wirksame Vertragsklausel berechtigt war, fehlerhaft vorgenommen hätte. In diesem Falle beziehen sich die von Ihnen angenommenen konkludenten Willenserklärungen nur auf die Festsetzung eines Preises.

Im Falle der unwirksamen Vertragsklausel müssen die Willenserklärungen aber zusätzlich umfassen, dass dem Versorger überhaupt das Recht eingeräumt werden soll, Preise einseitig festsetzen zu dürfen, denn dieses Recht besteht bisher gar nicht. Diese Willenserkärung wollen die Parteien aber mit Sicherheit nicht abgeben, weil sie irrigerweise der Meinung sind, dass ein solches Recht bestehe.

Es ist sicherlich äußerst ratsam, diesen Unterschied intensiv und detailliert auszuarbeiten. Die Erdgaspreise in den 90er Jahren lagen unter 2,5 ct./kWh. Und die meisten Sonderverträge werden aus den 90er Jahren oer gar früher stammen. Selbst wenn nur die letzten drei Abrechnungen zurückgefordert werden können, könnte dies bei manchem Versorger bis zu einem Jahresumsatz ausmachen, wenn sämtliche Kunden von diesem Recht Gebrauch machen würden. Welcher Richter will für die Insolvenz eines Gasversorgers verantwortlich sein?

Bisher sind mir nur Vertragsklauseln von Banken bekannt, durch deren Unwirksamkeit Kunden massenhaft Rückerstattungsansprüche zugesprochen bekamen. Für Banken sind Gebühren aber nur ein Nebengeschäft.

@RR-E-ft
Die Frage stellt sich, ob der BGH die Preisänderung überhaupt als Angebot angesehen hat, oder ob er das Angebot erst in der Übersendung der Jahresabrechnung sieht, die der Preisbestimmung erst Monate nachfolgt. Soweit der Saldo der Abrechnungen ausgeglichen wird, wirkt dies als deklaratorisches Schuldanerkenntnis (so ständige Rechtsprechung bei Betriebskostenabrechnungen). In BGH Az. XII ZR 35/00 wurde in einer jahrelangen (6x) unbeanstandeten Bezahlung von Nebenkosten, die laut Vertrag nicht umzulegen waren, eine stillschweigende Vertragsänderung angenommen.

Offline RR-E-ft

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@reblaus

Insolvenzgefahr mag die Folge sein, wenn sich unternehmerische Risiken tatsächlich in entsprechendem Umfang realisieren, bisher gebildete Rückstellungen zu gering sind, von den Gesellschaftern auch keine Kapitalerhöhung zu erreichen ist (Nachschuss), Kreditlinien nicht zur Verfügung stehen. Zudem bestehen Regeressansprüche gegen die Rechtsberater. Dafür ist man Unternehmer geworden. Die unternehmerische Betätigung birgt neben unternehmerischen Chancen auch unternehmerische Risiken. Oftmals wurde bewusst die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gewählt. Das hat jedoch mit der Frage, ob entsprechende Ansprüche bestehen, schlicht und ergreifend nichts zu tun. Den Kunden darf das unternehmerische  Risiko unwirksamer Entgeltbestimmungsvorbehalte in den Verträgen gerade nicht übergewälzt werden, vgl. nur BGH VIII ZR 199/04.

Worauf der 8.Senat seine merkwürdige Konstruktion überhaupt stützen will, ist nicht ersichtlich. Das ließ er nämlich (etwa mit Bedacht?) im Dunklen. Hätte er sich der Mühe einer detaillierten Begründung unterzogen, hätte wohl auffällig werden müssen, dass die Auffassung in Anbetracht des geltenden Allgemeinen Schuldrechts nicht haltbar ist.

In der Entscheidung vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 verweist er (immerhin) auf einen angbelichen konkludenten Vertragsabschluss gem. § 2 AVBGasV, obschon nach seiner eigenen Rechtsprechung ein konkludenter Vertragsabschluss gerade dann ausgeschlossen ist, wenn ein Vertragsverhältnis bereits besteht (vgl. nur BGH, B. v. 15.01.2008 - VIII ZR 351/06):


Zitat
Diese Richtung kommt einem Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens nur dann nicht zu, wenn der Abnehmer der Versorgungsleistung bereits anderweitig feststeht, weil das Versorgungsunternehmen oder der Abnehmer zuvor mit einem Dritten eine Liefervereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer die Leistung in ein bestehendes Vertragsverhältnis eingebettet ist (Senatsurteile vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, WM 2005, 1089, unter II 1 b aa und bb sowie VIII ZR 1/04, ZNER 2005, 63, unter II 1 a und b; Senatsurteil vom 17. März 2004 - VIII ZR 95/03, WM 2004, 2450, unter II 2 a).

Besteht bereits ein Vertragsverhältnis fehlt dem Abnehmer für eine konkludente Neuvereinbarung das Erklärungsbewusstsein, vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Rn. 20:

Zitat
Zwar nimmt nach ständiger Rechtsprechung (RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003, aaO, unter II 1 a m.w.N.) derjenige, der aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt, hierdurch das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an.

Das gilt aber nicht, wenn zwischen den Parteien bereits ein ungekündigtes Vertragsverhältnis besteht, auf dessen Grundlage die betreffenden Versorgungsleistungen erbracht werden. Dem Schweigen des Beklagten auf das Schreiben vom 15. April 2002 sowie seiner weiteren Abnahme des Stroms kam unter diesen Umständen keine Erklärungsbedeutung zu.

Ein Umstand, der auch der Rechtsvergessenheit anheim gefallen sein mag.

Offline reblaus

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@RR-E-ft
Da bin ich ja ganz bei Ihnen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es einigen Mut erfordert, damit ein Richter diese Konsequenz auch ausspricht.

Offline RR-E-ft

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@reblaus

Es gab in Deutschland gewiss schon Zeiten, wo es von einem Richter weit mehr Mut erforderte, dem geltenden Recht auch Geltung zu verschaffen. Die Richtetr werden dafür ausgebildet und staatlich alimentiert, dass sie ein Rückgrad haben und dieses nicht verbiegen müssen. Besser A. in der Hose als mit dem A. an der Wand.

Offline reblaus

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@RR-E-ft
Ich sehe den Unterschied zwischen einem Bankräuber und manchen Gasversorgern (insbesondere einen Besonderen) nur im Delikt. Meine Wünsche werden daher nicht nur durch Rückzahlungen sondern auch durch Haftantritte erfüllt.

Offline RR-E-ft

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@reblaus

Jeder darf träumen, wovon er will. Träume und Wünsche sind hier nicht unser Thema. Deswegen wäre es auch nicht von Interesse, ob Black etwaig davon träumt, dass wir nun tatsächlich alle das geltende Recht vergessen hätten.

Offline reblaus

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@RR-E-ft
Das von Ihnen zitierte Urteil BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 ist nicht einschlägig. Dort geht es um die konkludente Vereinbarung eines Vertrages in einem Fall, in dem bereits ein Vertrag vorlag. Wer bereits über einen Liefervertrag verfügt, dem fehlt es an dem Erklärungsbewusstsein, einen neuen Vertrag abzuschließen.

In der Entscheidung vom 13.06.2007, VIII ZR 36/06 geht es nicht um einen Vertragabschluss sondern um eine Vertragsänderung. Neufestsetzungen von Preisen sind alltägliche Vertragsänderungen. Diese können selbstverständlich konkludent erfolgen. Wie das OLG Koblenz insoweit noch richtig annimmt, erfolgt die Preisänderung durch Zusendung und unbeanstandete Bezahlung der Jahresabrechnung und nicht wie von Ihnen angenommen durch die unterjährige Preisfestsetzung gem. § 315 BGB. Nur in diesem Falle kommt man zu einer fehlenden Annahme des Angebots. In der Entscheidung des BGH, Urt. v. 13.06.2007, VIII ZR 36/06 gibt es keinen Anhaltspunkt, dass das Angebot in der Preisfestsetzung zu suchen sei. Es ist daher davon auszugehen, dass auch der BGH Angebot und Annahme in der Jahresabrechnung sieht.

Fehlerhaft geht das OLG Koblenz aber davon aus, dass es in allen Fällen einseitiger Preisfestsetzungen ausreichend sei, wenn die Parteien darüber einig sind, dass die Preisfestsetzung richtig war, und der neue Preis zukünftig gelten solle.

Dieser Erklärungswille reicht nicht aus, wenn die Klausel, welche zur einseitigen Preisfestsetzung berechtigt, unwirksam ist. Dann muss nämlich auch noch die Vereinbarung hinzukommen, dass der Versorger zur einseitigen Preisfestsetzung berechtigt sein soll. Und an diesem Erklärungswillen fehlt es, weil die Parteien glauben, diese Vereinbarung sei bereits wirksam erfolgt.

Als Ergebnis kommt man in Fällen der Preisfestsetzung nach § 315 BGB dazu, dass der letzte unbeanstandet hingenommene Preis der wirksame Preis ist. Bei Sonderverträgen mit unwirksamen Preisänderungsklauseln ist der ursprüngliche Vertragspreis der wirksame Preis.

Offline Black

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Zitat
Original von RR-E-ft
Ich teile Ihre Einschätzung über die heutige deutsche Richterschaft nicht.
Wer einen eigenen Kopf zum Denken mitbekommen hat, benutzt ihn in der Regel auch.
(...)
Suspekt ist mir persönlich, wer die Anwendung des geltenden Allgemeinen Schuldrechts als rein theoretische juristische Lehre aus einem angeblichen Elfenbeinturm verdächtig macht. Wer so redet, vergisst seine Ausbildung und will diese wohl vergessen machen.

Also unterstellen Sie dem 8. Zivilsenat des BGH das Allgemeine Schuldrecht mal eben \"vergessen\" zu haben?
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline tangocharly

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Original von Black
Zitat
Original von RR-E-ft
Ich teile Ihre Einschätzung über die heutige deutsche Richterschaft nicht.
Wer einen eigenen Kopf zum Denken mitbekommen hat, benutzt ihn in der Regel auch.
(...)
Suspekt ist mir persönlich, wer die Anwendung des geltenden Allgemeinen Schuldrechts als rein theoretische juristische Lehre aus einem angeblichen Elfenbeinturm verdächtig macht. Wer so redet, vergisst seine Ausbildung und will diese wohl vergessen machen.

Also unterstellen Sie dem 8. Zivilsenat des BGH das Allgemeine Schuldrecht mal eben \"vergessen\" zu haben?

Ob Sie die Rechtsprechung des VIII. Senats gut finden oder nicht, bleibt ja Ihre eigene Angelegenheit. Und ob die Herren in Rot, den \"Allg. Schuldrechtsteil\" des BGB \"vergessen\" haben oder ob nicht, braucht auch nicht eruriert zu werden.

Wenn aber die Rechtsprechung beliebig wird, dann muß dies schon zu denken geben.

Denn wenn der VIII. Senat im Mietrecht genau das Gegenteil davon für Recht befindet, was er im Energiewirtschaftsrecht als gegeben ansieht, dann ist da schon ein gewisses \"Gschmäckle\" dran. Gemeint ist die Rechtsprechung zur Zahlung von nichtgeschuldeten Betriebs-/Nebenkosten durch den Mieter.

Aber richtig, man befindet sich ja auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge. Und hier wird ein vom Bundesgesetzgeber geknechteter Versorger zur Belieferung von Querulanten, Drückebergern und \"Ich-rüge-die-Unbilligkeit-Psychopathen\" unfreiwillig gezwungen. Da sieht die Situation ja völlig anders aus, als auf Gebieten, wo noch Vertragsautonomie herrscht und sich die Vertragsparteien auf Augenhöhe einander gegenüber stehen, so wie z.B. auf dem Gebiet (ähm) des Mietrechts (hüstel).
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline Black

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Original von reblaus
@RR-E-ft
Ich sehe den Unterschied zwischen einem Bankräuber und manchen Gasversorgern (insbesondere einen Besonderen) nur im Delikt.

Es ist immer \"das Delikt\" was den normalen Bürger vom Bankräuber unterscheidet.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

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Original von Black
Also unterstellen Sie dem 8. Zivilsenat des BGH das Allgemeine Schuldrecht mal eben \"vergessen\" zu haben?

Ich unterstelle nichts, sondern würde dies dem Senat zu Gute halten wollen, weil ich mich nach wie vor weigere, die andere Alternative gedanklich überhaupt nur in Erwägung zu ziehen, nämlich dass geltendes Recht sehenden Auges unzutreffend angewandt wurde.   Das habe ich nun schon mehrfach zum Ausdruck gebracht.


@reblaus

Die Entscheidung des BGH vom 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 betrifft hinsichtlich der von mir zitierten Passage, ob der Abnehmer eines Energielieferanten nach Vertragsabschluss des Liefervertrages Erklärungsbewusstsein hinsichtlich einer (konkludenten) Neuvereinbarung hat. Dies wurde dort - zutreffend - verneint.

Auch in der Entscheidung vom 20.07.2005 - VIII ZR 199/04 ging es um die Frage des Erklärungsbewusstseins hinsichtlich einer vertraglichen Neuvereinbarung. Dieses wurde auch dort - zutreffend - verneint.

In den Entscheidungen vom 13.06.2007 - VIII ZR 36/06 wie auch in der Entscheidung vom 19.11.2008 - VIII ZR 138/07 ist hingegen für den Tarifkundenbereich von einer nachträglichen konkludeneten Neuvereinbarung die Rede, ohne dass diese nachvollzogen werden könnte.

Der Senat sagt in diesen Entscheidungen schon nicht, worin überhaupt das Angebot liegen sollte, welches der Tarifkunde (konkludent) annehmen könnte. Das sieht man schon daran, dass jeder diesbezüglich etwas anderes hineinzuinterpretieren sucht, was der Seanat selbst schon gar nicht gesagt hat.

Der Senat verweist nicht auf die Rechnung, sondern auf § 2 Abs. 1 und 2 AVBGasV (vgl. BGH, VIII ZR 138/07 Tz. 16).

Diese Norm regelt aber allenfalls den (erstmaligen) konkludenten Abschluss (\"Zustandekommen\") eines Versorgungsvertrages gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV, nicht jedoch eine vertragliche  Neuvereinbarung innerhalb eines bereits bestehenden, ungekündigten Vertrages.

Wer bereits einen Energieliefervertrag abgeschlossen hat, der ungekündigt fortbesteht, für den ist jedenfalls der reine Weiterbezug von Energie nicht mit einem Erklärungswirkung hinsichtlich vertraglicher Neuvereinbarungen verbunden und auch das Schweigen auf Versorgerschreiben zeitigt ausdrücklich keine Neuvereinbarung, vgl. BGH, Urt. v. 28.03.2007 - VIII ZR 144/06 Rn. 20.

Ich meine deshalb, dass es sich rechtlich gesehen um eine Mogelpackung des Senats handelt.

@all

Wäre gut, wenn wir alle weiter auf der Sachebene diskutieren.

Offline Black

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Nochmal zur Frage des Verjährungsbeginns:

OLG Brandenburg, 11.03.2008, Kart U 2/07

Zitat
die Klägerin bzw. die a…, auf deren Kenntnis abzustellen ist, hatte bereits bei Zahlung, spätestens aber bei Abfassung des Schreibens vom 16.11.2001 Kenntnis davon, dass die von der Beklagten geforderten Netznutzungsentgelte unangemessen sein könnten. Die Klägerin hat im übrigen vorgetragen, dass ihre sämtlichen Zahlungen auf von der Beklagten geforderte Netznutzungsentgelte unter Vorbehalt einer Überprüfung auf Angemessenheit gestanden hätten. Bei einer derartigen Sachlage ist von einer Kenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen auszugehen. Die Kenntnis von der konkreten Höhe des Anspruchs ist nicht Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Sie sind weiter bei der Frage eines Rückforderungsanspruches bei Unbilligkeit. Hier geht es aber eigentlich um die Frage der Rückforderung im Falle unwirksamer vertraglicher einseitiger Entgeltänderungsrechte ( wie BGH, Urt. v. 20.07.2005 - VIII ZR 199/04). Bei diesen geht es gerade nicht um Billigkeit (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2008 - VIII ZR 274/06 Tz. 25), resp. um die Kenntnis von einer etwaigen Unbilligkeit. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar.

Offline reblaus

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@RR-E-ft

BGH, Urt. v. 13.06.2007 - VIII ZR 36/06
Zitat
Kommt zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Kunden - ob ausdrücklich oder konkludent gemäß § 2 Abs. 2 AVBGasV durch Entnahme von Gas aus einem Verteilungsnetz eines Versorgungsunternehmens - ein Gaslieferungsvertrag zu den jeweiligen allgemeinen Tarifen zustande (vgl. auch RGZ 111, 310, 312; BGHZ 115, 311, 314; Senatsurteil vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131, unter II 1 a m.w.N. zum Stromlieferungsvertrag), so ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007, aaO, unter II 1 a). Nicht anders kann es liegen, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer gemäß § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 4 Abs. 2 AVBGasV öffentlich bekannt gegebenen einseitigen Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung des Versorgungsunternehmens akzeptiert hat, indem er weiterhin Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener Zeit gemäß § 315 BGB zu beanstanden. In diesem Fall wird der zum Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltende, zuvor einseitig erhöhte Tarif zu dem zwischen den Parteien vereinbarten Preis.

Das Angebot liegt in der Übersendung einer Jahresabrechnung, die auf der Grundlage zuvor einseitig veränderter Preise erstellt wurde

Ich sehe in diesem speziellen Fall kein Problem darin, ob der BGH nun annimmt, für diese Preisänderung müsse zuerst der bestehende Liefervertrag gekündigt und dann nach § 2 Abs. 2 AVBGasV ein neuer Vertrag abgeschlossen werden, oder ob er meint, dass nach § 2 Abs. 2 AVBGasV bestehende Verträge auch geändert werden können. Es kommt doch nur darauf an, dass die Willenserklärungen der Vertragsparteien alles beinhaltet, was zum Vertragsschluss oder Vertragsänderung erforderlich ist. Die Parteien waren sich hier einig, dass der Preis geändert und alle anderen Vertragskonditionen bestehen bleiben sollten. Ob das nun über einen Neuabschluss oder eine Änderung erfolgt ist eine rechtstechnische Frage, über die die Parteien in der Regel sowieso keine Vorstellung haben.

Im Regelfall ist es nicht möglich, dass ein Vertrag konkludent gekündigt und ein neuer Vertrag konkludent abgeschlossen werden kann, da Verträge eine Vielzahl von Klauseln umfassen. Der Erklärungswille müsste alle diese geänderten Regelungen umfassen, was nur in ganz einfachen Fällen möglich sein dürfte.

Wichtig an dem Zitat erscheint mir aber noch, dass der BGH deutlich auf den zuvor einseitig erhöhten Tarif Bezug nimmt. Die Willenserklärung beschränkt sich nicht darauf, dass irgendein beliebig gefundener Preis Vertragsbestandteil wird, sondern dass der spezielle auf einer einseitigen Erhöhung basierende Preis Vertragspreis werden soll. Deshalb ist das Urteil des OLG Koblenz nach meiner Ansicht fehlerhaft.

@Black
Ich glaube auch, dass bei allen Sondervertragskunden die Ansprüche auf Rückforderung von Beträgen vor 2006 verjährt sind. Da braucht man schon eine zusätzliche Anspruchsgrundlage, wegen der die Preiserhöhungen unwirksam sind, um weiter zurückliegende Beträge einfordern zu können. Aber ab 2006 haben die Versorger erst richtig zugelangt. Vorher haben sie sich nur warmgemacht.

Nur deshalb bin ich so interessiert an Haftantritten, wegen möglicherweise interessanter zivilrechtlicher Konsequenzen :D

Kennen Sie jemanden der noch nie eine Straftat begangen hätte und über 25 Jahre alt ist? 8o

 

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