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Autor Thema: Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen  (Gelesen 183915 mal)

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Offline RR-E-ft

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Original von RR-E-ft
@Black

In medias res

(Ihre Fahne bitte woanders weiter diskutieren.)

Offline Black

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Der Kläger muss Tatsachen vortragen, die seinen geltend gemachten Zahlungsanspruch irgendwie stützen. Er muss sich auch gar nicht auf eine bestimmte Anspruchsgrundlage beziehen, da das Gericht sämtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht ziehen muss.*

Wenn also der Kläger per Klageantrag und Vortrag angibt, er wolle gezahltes Geld (= Leistung) zurück haben und dazu vorträgt warum er gezahlt hat (= vermeintlicher Rechtsgrund), muss das Gericht als (sich geradezu aufdrängende) Anspruchsgrundlage auch § 812 BGB von Amts wegen zumindest anprüfen. Im Rahmen der Prüfung muss das Gericht das Tatbestandsmerkmal \"ohne (wirksamen) Rechtsgrund\" prüfen. Da der Kläger einen Rechtsgrund vorgetragen hat, ist dieser von Amts wegen auf Wirksamkeit zu prüfen.

Es wäre also sogar unschädlich*, wenn der irrige Kläger von einer Anfechtung oder Formunwirksamkeit ausgeht und subjektiv seinen Anspruch gar nicht auf § 812 BGB stützt.


* wir reden hier vom Idealgericht im Sinne der ZPO. Das die Praxis oft etwas anders aussieht und einige Gerichte blind nur die von den Parteien selbst aufgeworfenen Rechtsfragen prüfen ist klar.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Reden wir nicht vom Idealgericht, sondern besser von der idealen Kondiktionsklage, an welcher auch jedes nicht ideale Gericht nicht vorbeikommt.

Der Kondiktionskläger wäre schon falsch beraten, wenn er vortrüge, warum er gezahlt hat.

Er muss nämlich nur erklären und beweisen, dass und in welcher Höhe er gezahlt hat, diese Zahlung beim Kondiktionsbeklagten angekommen und eingegangen ist  und weiter erklären, dass es keinen Rechtsgrund dafür gab. Dann ist die Kondiktionsklage schlüssig. Das allein ist wichtig.

Nur bei einer schlüssigen Klage ist ein Versäumnisurteil möglich. Stützt der Kondiktionskläger seinen Rückforderungsanspruch hingegen gleich zu Beginn auf die Unwirksamkeit einer Klausel, läuft er Gefahr, dass das Gericht der Argumentation dazu nicht folgt und deshalb - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - kein Versäumnisurteil oder aber sogar ein unechtes  Versäumnisurteil gegen den Kondiktionskläger erlässt.

Wer also über eine schlüssige Kondiktionsklage hinaus zuviel vorträgt, begibt sich aufs Glatteis.
Für einen Anwalt lauert an dieser Stelle ein Haftungsrisiko, wenn er nicht den sichersten Weg beschreitet.

Alles weitere im Prozess ergibt sich dann aus dem Wechselspiel von Darlegungs- und Beweislast und Bestreiten.

Will der Kläger seinen Rückforderungsanspruch auch noch auf weitere Anspruchsgrundlagen stützen, muss er freilich auch zu deren anspruchsbegründenden Umständen vortragen. Er kann seinen Anspruch aber auch erst noch später - entsprechend der Klageerwiderung - auf weitere Anspruchsgrundlagen stützen und zu diesen vortragen, was keine Klageänderung darstellt.

So verfährt man sicher und prozessökonomisch und nicht anders.

Offline Black

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Ich wäre da etwas vorsichtiger.

Wenn der Kläger trotz Kenntnis von der Existenz einer Preisanpassungsklausel als möglichem Rechtsgrund nur vorträgt, die Zahlung sei \"ohne Rechtsgrund\" erfolgt und die Klausel als solche nicht erwähnt, könnte man (wenn man die Aussage \"ohne Rechtsgrund\" zum Teil des Tatsachenvortrages zählt) im Falle eines VU und und doch wirksamer Klausel Prozessbetrug annehmen.

Denn dann hätte der Kläger objektiv wahrheitswidrige Tatsachen vorgetragen.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Wohl nicht. Der Kondiktionskläger geht nämlich davon aus, dass kein Rechtsgrund bestand. Worauf diese Rechtsansicht gründet, bedarf keiner Erklärung. Ihm fehlt schon der Vorsatz für einen Prozessbetrug.
Dass es sich bei \"Rechtsgrundlosigkeit\" um keine Tatsachenbehauptung handelt, haben Sie wohl weiter oben umfangreich selbst zu erklären versucht.

Sie schrieben uns wie folgt:

Zitat
Umgangssprachlich mag es eine Tatsache sein. Rechtlich unterscheiden wir aber zwischen Tatsachen und Rechtswertungen.

Tatsachen sind z.B. die Lage eines Grundstückes, das Material aus dem ein Gegenstand hergestellt ist, die Echtheit einer Antiquität etc. Tatsachen stellt ein Gericht durch Beweisaufnahme fest.

Rechtliche Wertungen dagegen sind z.B. die Wirksamkeit eines Kaufvertrages, die Rechtmäßigkeit einer Kündigung, die Zulässigkeit einer Vertragsklausel etc.. Diese stellt das Gericht nicht per Beweisaufnahme fest, sondern urteilt sie durch rechtliche Schlußfolgerungen aus. Insoweit handelt es sich rechtlich dabei nicht um Tatsachen.


Zitat
Der Kläger muss selber die Rechtsgrundlosigkeit bzw. Unwirksamkeit des Rechtsgrundes nichts vortragen, da diese ja erst Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist (iura novit curia). Durch sein Rückforderungsbegehren macht er deutlich den Rechtsgrund nicht anzuerkennen.


Zweifeln Sie an Ihren eigenen Ausführungen? ;)

Offline Black

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Nein ich bin frei von Selbstzweifeln. Aber mir schien es bislang, als würden Sie die Rechtsgrundlosigkeit als Tatsachenvortrag ansehen wollen um ihre späte Verjährung (Kenntniserlangung von Tatsachen ) hinzubie... rechtlich begründen zu können.

Es mag sein, dass objektiv der Vorsatz für eine Betrugsstrafbarkeit fehlt. Wer aber schon mal Staatsanwaltschaften/Strafprozesse erlebt hat, wird sich (anders als beim Zugang von AGB) nicht zwangsläufig darauf ausruhen können, der Vorsatz sei ihm sowieso nicht nachzuweisen.. ;)
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Ich rede nicht davon, dass Vorsatz nicht nachzuweisen sei, sondern davon, dass es schon gar keinen Vorsatz gibt. Das ist ein erheblicher Unterschied.
Ein entsprechender Vorsatz wäre nämlich vollkommen inakzeptabel, insbesondere für unabhängige Organe der Rechtspflege.

Rechtsgrundlosigkeit gehört zum notwendigen Vortrag für eine schlüssige Kondiktionsklage.
Aber das hatte ich ja schon mehrfach ausgeführt.

Wenn Sie Ihre Kondiktionsklagen anders aufbauen, wünsche ich Ihnen dafür viel Erfolg, kann Ihnen jedoch keine großen Hoffnungen machen.
Selbst oder gerade bei einem Idealgericht- sollten Sie einmal auf ein solches treffen -  wird es wohl sehr schwierig werden.

Offline Black

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Original von RR-E-ft
Ich rede nicht davon, dass Vorsatz nicht nachzuweisen sei, sondern davon, dass es schon gar keinen Vorsatz gibt.

Sehen Sie, und ich gehe davon aus, dass man im nichtidealen Strafverfolgungssystem ohne einen entalisten als Richter auch verurteilt werden kann, weil der Richter seinerseits vom Vorsatz überzeugt ist. Noch dazu wenn man Anwalt ist und eine Wirksamkeit von Preisklauseln zumindest bedingt einkalkulieren musste.


Zitat
Original von RR-E-ftWenn Sie Ihre Kondiktionsklagen anders aufbauen, wünsche ich Ihnen dafür viel Erfolg, kann Ihnen jedoch keine großen Hoffnungen machen.

Danke. Gleichfalls viel Erfolg beim einklagen 10 Jahre alter Rückzahlungsforderungen, bei denen der Kläger die Rechtsgrundlosigkeit \"gerade erst gestern aus der Presse\" erfahren hat.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Wir sehen uns vor Gericht!

Wie es sich mit den Strafverfolgungsbehörden - unter anderem in Bayern - verhält, sehen wir, wenn bei Land- und Amtsgerichten umfangreich gestellte Anträgen in einer Vielzahl von anhängigen Verfahren, Gerichtsakten nach Abschluss der Verfahren an die zuständigen Staatsanwaltschaften zur eigenständigen Prüfung weiterzuleiten, entsprochen wird. Dann zeigt sich unter Umständen auch, wie es sich mit manchen  unabhängigen Organgen der Rechtspflege diesbezüglich verhält.

Offline vn-mini

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Hab mich gerade als Foren-Frischling durch den jur. Disput gekämpft und möchte meinen bescheidenen Senf dazu geben:

Zur Schlüssigkeit einer Bereicherungsklage gehört m.E. substantiierter Sachvortrag zur Rechtsgrundlosigkeit:

\"Der Kläger meint, die Zahlung rechtsgrundlos erbracht zu haben.\"
(= Rechtsauffassung als Obersatz)
\"Der - hier - einzig in Betracht kommende Rechtgrund, nämlich eine einvernehmliche Vereinbarung der Parteien über eine nachträgliche Preisanhebung, liegt nicht vor.\"
(= negative Tatsachenbehauptung)  
\"Die im Vertrag vom ... enthaltene Anpassungsklausel ist nämlich unwirksam, Zitat BGH\".
(= Rechtsauffassung als Schlussfolgerung)

Gegebenenfalls sollte man das Gericht noch um rechtlichen Hinweis bitten, ob noch andere Rechtsgründe in Betracht kommen und ventiliert werden müssten.

Rechtsauffassungen sind zwar grundsätzlich entbehrlich, weil bekanntlich der iudex die curia novit, sie erleichtern aber das Verständnis der Argumentationskette. In jedem Fall kann ich mich aber noch an die allgemeine Lehrmeinung erinnern, derzufolge im Rahmen des § 812 BGB auch \"negative Tatsachen\" zum anspruchsbegründenen Sachvortrag gehören und nicht - wie man gelegentlich hört - der Bereicherungsschuldner den Rechtsgrund darlegen und beweisen muss.
Zuzugeben ist allerdings, dass sich die Substantiierungslast je nach Qualität des gegnerischen Vortrags \"hochschaukelt\".

Gruß, vn-mini

Offline RR-E-ft

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@vn-mini

Es ist so, dass man negative Tatsachen schlecht darlegen und beweisen kann.

Selbst bei Vertragsnichtigkeit kann ein bereicherungsrechtlicher Anspruch als Rechtsgrund vorliegen, den der Kondiktionskläger selbst aber gar nicht kennt.

Und auch bei den hier maßgeblichen Fällen sollte es ausreichen, dass man darlegt, dass die Preise einseitig erhöht wurden, eine Berechtigung zur Preiserhöhung  jedoch nicht bestand, diese einseitige Preiserhöhung außerdem jedoch jedenfalls auch unbillig war. Natürlich kann man dann noch weiter vortragen, dass der einseitig erhöhte Preis zudem auch einen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauch darstellt und deshalb gem. § 134 BGB unwirksam ist. .... Untunlich wäre es möglicherweise, nur einen Grund für die Rechtsgrundlosigkeit anzuführen.

Kein Schriftsatz endet ohne Bitte um einen gerichtlichen Hinweis gem. § 139 ZPO, wenn das Gericht weiteren Vortrag für notwendig erachten sollte.

Offline RR-E-ft

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@Black

Was sagt der Mann vom Fach denn dazu?

Der BGH hat die Fragen bereits entschieden undzwar so, wie ich es hier dargestllt habe. ;)

Offline Black

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Original von RR-E-ft
@Black

Was sagt der Mann vom Fach denn dazu?

Der BGH hat die Fragen bereits entschieden undzwar so, wie ich es hier dargestllt habe. ;)

Könnten Sie mal die Stelle zitieren, die Sie meinen? Beim Querlesen sehe ich, dass es um Mietrecht geht und um Angebote auf Mieterhöhung. Wo geht es da um Verjährung?
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Ein schlechter- wenig zur Abstraktion fähiger -  Jurist hätte wohl gesagt, es ginge dort um Mietrecht.

Ich meine, es geht in der dortigen Entscheidung um Rückforderungsansprüche gem. § 812 Abs. 1 BGB wegen vorbehaltloser Zahlungen auf (unwirksam) einseitig erhöhte Vertragsentgelte und u. a. auch darum, wer die positive Kenntnis des Bereicherungsgläubigers von der Rechtslage darzulegen und zu beweisen hat. Auf letztere kommt es wohl auch für den Beginn des Laufs der regelmäßigen Verjährungsfrist an, falls sich der Bereicherungsschuldner auf Verjährung zu berufen sucht. Die Nichtschuld ist Tatbestandsmerkmal für den Rückforderungsanspruch. Diese vermittelt sich erst über die positive Kenntnis von der Rechtslage.

Ich meine, das ginge aus der dortigen Entscheidung klar hervor.

Offline Black

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Wenn Sie aus einer realtiv längeren Urteilsbegründung zum eher fachfremden Mietrecht einen bestimmten Punkt für verallgemeinerungswürdig halten um ihre hier vertretene Position - der Verjährungsbeginn hängt von der Rechtserkenntnis der Rechtsgrundlosigkeit ab - belegen zu können, dann erwarten Sie nicht, dass ich diese Position für Sie zuerst herausarbeite um dann dagegen zu argumentieren.

Ich für meinen Teil finde lediglich eine Aussage dazu, wer im Rahmen der Geltendmachung des § 814 BGB (der anders als die Verjährungsvorschriften tatsächlich auf Rechtskenntnis abstellt) beweispflichtig ist. Aber § 814 BGB stand ja hier nicht zur Diskussion.
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