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Autor Thema: Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Sondervertragskunden - Zeit der Gegenrechnungen  (Gelesen 183921 mal)

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Offline vn-mini

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Ich teile die Auffassung, dass es für die Verjährung allein auf die Kenntnis der Tatsachen ankommt, die zur Unwirksamkeit führen und dass es i.R. von § 814 um die (juristische) Kenntnis der (Nicht-)Schuld geht. Das zuletzt zitierte BGH-Urteil dürfte aber recht hilfreich sein, um die vom OLG Koblenz aufgestellte Hürde zu überspringen.

Im Zusammenhang mit der Verjährung rätsele ich derzeit noch darüber, ob zur Ermittlung der Differenz zwischen \"geschuldet\" und \"gezahlt\" tasächlich nur der Preis (aus dem Jahr 2005) herangezogen werden kann, für das infolge Verjährung keine Forderungen mehr gestellt werden können. Stammt der Gaslieferungsvertrag mit der einschlägigen  Klausel z.B. aus 1997, könnte auch die Differenz aus dem damaligen \"wasserdicht\" vereinbarten Preis im Verhältnis zu den gezahlten Beträgen (ab 2006) maßgeblich sein.
Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, bereicherungsrechtlich auf die Jahre 1997 bis 2005 zurückzugreifen; allein die höhere Differenz (1997er Preis im Verhältnis zu Zahlungen ab 2006) steht im Fokus. Man könnte sich insoweit auf den Standpunkt stellen, dass zwar Forderungen verjähren, nicht aber Rechenwege.

Offline RR-E-ft

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@vn-mini

Ich meine, die zurückzufordernde Differenz ermittelt sich aus dem bei Vertragsabschluss vereinbarten Preisen und den tatsächlich gezahlten Preisen, weil es innerhalb der Vertragslaufzeit aus genannten Gründen zu keiner wirksamen Preisneuvereinbarung zwischen den Parteien kommen konnte, so auch BGH, Urt. v. 20.07.2005 - VIII ZR 199/04 am Ende; LG Gera, Urt. v. 07.11.2008 - 2 HK.O 95/08.

Der Rückforderung unterliegen alle überzahlten Beträge ab Vertragsbeginn, wobei ein Teil davon verjährt/ verwirkt sein kann.

Die Verjährung bestimmt nicht die Ermittlung der Höhe der Rückforderungsansprüche, sondern nur die zeitliche Grenze dafür, wieweit sich der Bereicherungsschuldner auf die Verjährung berufen kann. Man ermittelt also zunächst den Rückforderungsanspruch ohne Rücksicht auf eine Verjährung und hat dann zu sehen, welcher Teil dieses Anspruchs in eine Zeit fällt, für die sich der Bereicherungsschuldner erfolgreich auf Verjährung berufen kann.

Offline reblaus

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@RR-E-ft
Ich befürchte wir werden uns mit der Ansicht von Black anfreunden müssen, was mich Unsummen kosten wird. Aber Ihre Idee mit der Untreue war cool, wenn auch der Vorsatz nur schwer beweisbar wäre.

Offline jofri46

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Ich fürchte, dass wir uns, was evtl. Rückforderungsansprüche betrifft, mit dem Urteil des OLG Koblenz vom 12.02.2009 (konkludentes Anerkenntnis durch vorbehaltose Zahlung) werden anfreunden müssen.

Das OLG Koblenz liegt damit wohl bereits auf der Linie der Rechtsprechung des BGH zu kaufvertraglichen Ansprüchen, und um solche geht es wohl auch bei Energielieferungsverträgen. Einen Unterschied zu dem zitierten Mietrechtsfall sehe ich, abgesehen von der Vertragsgrundlage, u. a. auch darin, dass der Kunde  vom Versorger ja regelmäßig eine spezifizierte Jahresabrechnung erhält, auf die der Kunde (bis zum erstmaligen Widerspruch) vorbehaltlos gezahlt hat.

Zum konkludenten Anerkenntnis bei vorbehaltloser Zahlung im kaufvertraglichen Bereich vgl. z. B. Urteil des BGH vom 09.05.2007 - VIII ZR 347/06 (auch wenn dem wohl kaufmännischer Geschäftsverkehr zugrunde lag).

Offline RR-E-ft

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@jofri46

Nicht vieles ist schlimmer als geheuchelte Furcht.

Es geht nicht um Kaufvertragsrecht oder Mietrecht, sondern um Allgemeines Schuldrecht, nämlich um die Regeln über Angebot und Annahme gem. § 145 ff. BGB einerseits und einseitig ausgeübte Leistungsbestimmungen andererseits.

Offline Black

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Eigentlich geht es ja um Verjährung....


...und das der durch vorbehaltslose Zahlung akzeptierte Preis als vereinbarter Preis anzusehen ist hat der BGH in jüngerer Zeit nun schon mehrfach entschieden (natürlich hat RR-E-ft vor und nach jeder Entscheidung dieser Rechtsprechung widersprochen, aber der BGH hat darauf bisher nicht gehört)
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Um Verjährung geht es auch, nämlich dann, wenn Ansprüche entstanden sind, die der Verjährung unterliegen können.

Richter können nicht anders, als den besseren Argumenten folgen. Dies kann auch dazu führen, dass sie dem BGH in einzelnen Auffassungen die Gefolgschaft verweigern.

Jüngst vor dem LG Dortmund:

Zitat
Die Vorsitzende Richterin Marlies Bons-Künsebeck deutete gestern jedenfalls schon an, dass sie nicht an das Karlsruher Urteil gebunden ist. Wenn sie der Meinung sei, dass das BGH-Urteil nicht haltbar sei, dann müsse sie sogar anders entscheiden, betonte die Richterin. Sollte der Prozess weitergehen, deutete Marlies Bons-Künsebeck schon an, dass neutrale Gutachten erforderlich werden könnten.

@jofri46

Keine Bange. Gegen das Urteil des OLG Koblenz vom 12.02.2009 wurde Revision eingelegt. Das Verfahren wird am BGH unter dem Aktenzeichen KZR 13/09 geführt. Dann schaun wir mal. Der Kartellsenat des BGH ist bisher nicht mit Götzendienst an bestimmten Branchen in Erscheinung getreten. Dort bereitet sich wohl auch niemand nebenher auf Vorträge a la \"Gute Chancen für Gasversorger bei Gaspreiserhöhungen!\" vor. Diejenigen, die an solchen Referaten ggf. immer noch Interesse haben, gehen wohl bald in den Ruhestand.

Offline Black

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Zitat
Original von RR-E-ft
Richter können nicht anders, als den besseren Argumenten folgen. Dies kann auch dazu führen, dass sie dem BGH in einzelnen Auffassungen die Gefolgschaft verweigern.

Jüngst vor dem LG Dortmund:

Zitat
Die Vorsitzende Richterin Marlies Bons-Künsebeck deutete gestern jedenfalls schon an, dass sie nicht an das Karlsruher Urteil gebunden ist. Wenn sie der Meinung sei, dass das BGH-Urteil nicht haltbar sei, dann müsse sie sogar anders entscheiden, betonte die Richterin..

.

Süß. Hatte ich auch schon. Zweimal. Und jedesmal in der nächsten Instanz aufgehoben worden. Beim drittenmal ist der Richter dann doch dem BGH gefolgt. Wollte seine Karriere wohl doch nicht am AG beschließen.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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@Black

Womöglich kennen Sie die resolute Vorsitzende Richterin am Landgericht Dortmund Frau Marlies Bons-Künsebeck noch nicht.
Fast legendär ihr Dialog mit Kollegen Dr. Kunth. ;)

Offline reblaus

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@Black
Sie müssen da aber schon ein Urteil beibringen, bei dem der BGH eine Preisvereinbarung in der vorbehaltlosen Zahlung angenommen hat, bei dem die Parteien davon ausgingen, dass sich der Preis aus einer Klausel ergebe, die sich nachträglich als unwirksam herausgestellt hat. Entweder will der Kunde einen Preis vereinbaren oder aber er glaubt, der Preis sei längst vereinbart, aber wie beides kombiniert werden kann, verstehe ich ehrlich gesagt nicht.

Wenn man Ihre Ansicht konsequent zu Ende denkt, wird jedes Fehlen eines rechtlichen Grundes durch einen neuen Rechtsgrund ersetzt. Keiner kann sich dann mehr ungerechtfertigt bereichern.

Offline vn-mini

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Mich würde interessieren, ob das OLG Koblenz seine Auffassung zur wundersamen Preisvereinbarung durch Schweigen aufrecht erhalten würde auch vor dem Hintergrund,  dass ein hiesiger Gasversorger aus Anlass einer Preisanhebungs-Protestwelle Ende 2005/Anfang 2006 in der örtlichen Presse verbreiten ließ, dass es gleichgültig sei, ob man gegen die Preisanpassung opponiere oder nicht. Derjenige, der sich nicht äußere, verliere dadurch keine Rechte und werde genau so behandelt wie der Protestler.

Offline Black

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Zitat
Original von reblaus
@Black
Sie müssen da aber schon ein Urteil beibringen, bei dem der BGH eine Preisvereinbarung in der vorbehaltlosen Zahlung angenommen hat, bei dem die Parteien davon ausgingen, dass sich der Preis aus einer Klausel ergebe, die sich nachträglich als unwirksam herausgestellt hat. Entweder will der Kunde einen Preis vereinbaren oder aber er glaubt, der Preis sei längst vereinbart, aber wie beides kombiniert werden kann, verstehe ich ehrlich gesagt nicht.

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.06.2007, VIII ZR 36/06 entschieden, dass ein vorbehaltslos gezahlter Preis zum \"vereinbarten Preis\" wird. Diese Entscheidung bezieht sich zwar auf § 315 BGB, aber da sich eine solche Aussage nicht aus § 315 BGB selbst herleiten läßt, müßte auch ein aufgrund von Sondervertragsklauseln gezahlter Preis zum vereinbarten Preis werden.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline berghaus

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Zitat
von Black:
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.06.2007, VIII ZR 36/06 entschieden, dass ein vorbehaltslos gezahlter Preis zum \"vereinbarten Preis\" wird.

Könnte es dann aber nicht so sein, daß dieser \'neu vereinbarte Preis\' nur für die Jahresrechnung gilt, die man vorbehaltlos bezahlt, bzw., die man nicht in angemessener Zeit beanstandet hat?

Kommt dann eine neue Jahresrechnung, kann oder könnte man sich doch wieder auf den Vertragspreis (von z.B.1997) berufen.

berghaus

Offline RR-E-ft

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@berghaus

Die Frage ist, ob die Vertragspartner sich nach Vertragsabschluss (nachträglich) auf einen erhöhtes Entgelt geeinigt haben, welche nach dieser vertraglichen Neuvereinbarung dann weiter fortgilt und also vertraglich fortan geschuldet wäre.

Verträge und vertragliche Vereinbarungen kommen durch Angebot und Annahme zustande. Für eine solche vertragliche Neuvereinbarung der Entgelthöhe bedarf es zunächst des Zugangs eines Angebotes eines Vertragsteils und sodann der fristgerechten Annahme durch den anderen Vertragsteil gem. §§ 145 ff. BGB.

Das soll nach der BGH- Rechtsprechung dann nicht der Fall sein, wenn der eine Vertragspartner davon ausging, zu einseitigen Entgeltänderungen ohne Zustimmung des anderen Vertragsteils berechtigt zu sein und von diersem nur dieses (vermeintliche) einseitige Änderungsrecht ausgeübt wurde, weil darin schon kein Angebot auf Abschluss einer Entgeltneuvereinbarung liegt.

@Black

Die merkwürdige Konstruktion des 8. Zivilsenats ist rechstdogmatisch nicht haltbar, weil eine einseitige unwiderrufliche Willenserklärung, mit welcher ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausgeübt wird per se kein auf Annahme gerichtetes Angebot gem. § 145 BGB sein kann:

Die Geltung der Bestimmung soll nämlich aus Sicht desjenigen, der das Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 2 BGB ausübt, allein davon abhängen, ob die einseitige Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, nicht aber davon, ob der andere Vertragsteil die Annahme erklärt. Die einseitige Leistungsbestimmung soll gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB selbst im Falle eines ausdrücklichen Widerspruchs Geltung beanspruchen können (so ausdrücklich der Fall der Entscheidung BGH, Urt. v. 19.11.2008 - VIII ZR 138/07).

Hingegen wird ein Angebot gem. § 145 BGB nicht nur im Falle einer nicht fristgerechten Annahme, sondern erst recht im Falle eines ausdrücklichen Widerspruchs nicht in vertragliche Geltung versetzt.

Eine angebotenen Preisänderung, der ausdrücklich widersprochen wurde, könnte folglich auch dann niemals in vertragliche Geltung erwachsen, selbst wenn sie als einseitige Bestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entspräche. Die Rechtsfolgen eines Angebotes gem. § 145 BGB einerseits und einer unwiderruflichen Erklärung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gem. § 315 Abs. 2 BGB andererseits sind also klar zu unterscheiden, so dass das eine auch nicht in das andere umgedeutet werden kann. Die merkwürdige Konstruktion des 8. Zivilsenats steht offensichtlich im Widerspruch zum geltenden Schuldrecht (Allgemeiner Teil des BGB über Verträge einerseits  und einseitige Leistungsbestimmungsrechte andererseits).

Ein Richter, der dies aufgrund seiner juristischen Ausbildung und Erfahrung erkennt, darf dieser Entscheidung des BGH in diesem Punkt nicht folgen. So habe ich die sehr erfahrene Vorsitzende Richterin am Landgericht Dortmund Frau Marlies Bons-Künsebeck verstanden.

Grob ausgedrückt:

Auch eine institutionalisierte Rechtsbeugung würde eine unzulässige Rechtsbeugung darstellen, wäre dem Richter also bei Strafe verboten.

Offline Black

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Man kann dieses Konstrukt des BGH sicherlich dogmatisch kritisieren, Fakt ist, dass es sich hierbei um Rechtsprechung handelt, die in den unterinstanzlichen Gerichten angenommen und angewendet wird, sich damit also verfestigt.

Wenn man nicht im Elfenbeinturm der theoretischen juristischen Lehre leben möchte, sondern praktische Rechtsstreitigkeiten austragen will, sollte man dies einkalkulieren. Der bewußt vom BGH abweichende Richter dürfte die absolute Ausnahme bleiben und wird selbst dann wohl in der nächsten Instanz aufgehoben werden.
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Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

 

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