Energiepreis-Protest > Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest
BGH, Urt. v. 17.12.2008, VIII ZR 274/06 (Regionalgas Euskirchen) Preiserhöhungen unwirksam
energienetz:
BGH-Entscheidung bestätigt Protestkunden
(17. Dezember 2008 ) Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass eine Preiserhöhung für Sondervertragskunden ungültig ist, soweit sie sich nur auf die Änderung der Tarifpreise bezieht (Aktenzeichen VIII ZR 274/06).
Damit wurde der Klage eines Verbrauchers recht gegeben, der gegen die Preiserhöhung der Regionalgas Euskirchen geklagt hatte. Das Amtsgericht Euskirchen hatte die Klage zunächst abgewiesen: Weil der Verbraucher nicht auf Gas angewiesen sei, komme es auf die vom Verbraucher kritisierte fehlende Billigkeit gar nicht an (Urteil vom 5. August 2005, 17 C 260/05). Das Landgericht Bonn hatte dieses Urteil bestätigt. Seiner Ansicht nach war die Preisklausel korrekt und die Erhöhung entsprach auch der Billigkeit (Urteil vom 7. September 2006, 8 S 146/05).Dieses Urteil wurde jetzt vom BGH aufgehoben.
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. April 2008 eine wichtige Entscheidung getroffen (Az KZR 2/07): Im Fall eines Sondervertragskunden hat der Versorger nicht automatisch das Recht auf Preiserhöhungen. Nur wenn eine Preisänderungsklausel vereinbart wurde und diese Klausel auch rechtlich zulässig ist, darf der Versorger den Preis erhöhen. Die meisten Gasverbraucher sind Sondervertragskunden, deren Preisänderungsklauseln einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten.
Der Bund der Energieverbraucher e.V. hat die Entscheidung begrüsst. \"Eine Überraschung war das aber nicht\", so der Verbandsvorsitzende Aribert Peters, \"denn bereits der Kartellsenats des BGH und das OLG Oldenburg am 5.9.2008 und das LG Dortmund am 18.1.2008 hatten so entschieden, daran ist nun auch der achte Zivilsenat des BGH nicht vorbeigekommen\".
Gasverbraucher sollten, soweit sie Sondervertragskunden sind, künftig nur den vom Verbraucherverein als \"fair\" bezeichneten Preis bezahlen - also den bei Vertragsschluss geltenden Preis, soweit keine gültige Preiserhöhung vereinbart wurde.
\"Wir stehen vor der Tatsache, dass Millionen Gasverbraucher in den vergangenen Jahre zuviel fürs Gas bezahlt haben, weil der Gasversorger zur Preiserhöhung nicht berechtigt war\", so Peters. Verbraucher können den zuviel bezahlten Betrag zurückfordern oder notfalls sogar auch vor Gericht einklagen. Einfacher ist es jedoch, die laufende Rechnung soweit zu kürzen, sofern man den Versorger nicht gewechselt hat. Den Gasversorgern ist diese Tatsache sehr wohl bekannt und sie haben bereits entsprechende Rückstellungen gebildet.
RR-E-ft:
Mit allzu großen Verallgemeinerungen sollte man vorsichtig sein.
Das Urteil betrifft eine Preisänderungsklausel in einem Sondervertrag, die mehrdeutig auslegbar (mindestens drei Auslegungsmöglichkeiten) war und allein deshalb für den Kunden unangemessen benachteiligend war.
Die Frage, welche Anforderungen etwa an Preisänderungsklauseln in Energielieferungsverträgen mit Rücksicht auf BGH, Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06 und BGH, Urt. v. 11.10.2007 - III ZR 63/07 zu stellen sind, hat der achte Zivilsenat bisher ausdrücklich offen gelassen.
--- Zitat ---Der Bundesgerichtshof hat offen gelassen, ob Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen einer Prüfung nach § 307 BGB standhalten, wenn sie entsprechend den Regelungen in § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) gestaltet sind, an deren Stelle ab dem 8. November 2006 die Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) getreten ist. Eine Entscheidung darüber war nicht erforderlich. Denn eine entsprechende Übernahme der Regelungen der AVBGasV lässt sich der von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklausel schon deshalb nicht entnehmen, weil keine Klarheit darüber besteht, in welcher Weise die Preisänderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erfolgen haben. Insbesondere folgt aus der Klausel nicht klar und verständlich, ob der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll, wie es sich aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ergibt (Urteil vom 13. Juni 2007, BGHZ 172, 315; Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07; dazu Pressemitteilungen Nr. 70/2007 und Nr. 211/2008.
--- Ende Zitat ---
Nach meiner Auffassung dürfen Preisänderungen nur vorbehalten werden um nachträgliche, bei Vertragsabschluss nicht vorhersehbare, vom Klauselverwender nicht beeinflussbare Kostensteigerungen weiterzugeben, um eine nachträgliche Verringerung der Gewinnspanne zu vermeiden. Denn eine Preiserhöhung ohne entsprechenden Kostenanstieg führt zur nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils und damit zur unzulässigen Verschiebung des Äquivalenzverhältnisses.
Voraussetzung ist aber, dass die Gewichtung der einzelenen Kostenelemente am Gesamtpreis bereits in der Klausel selbst offen gelegt wird, so dass der Klauselgegner eine Preiserhöhung anhand der Klausel selbst kontrollieren kann. Das ist dann nicht der Fall, wenn die preisbildenden Kosten und deren Gewichtung am Preis nicht aufgeführt sind. Erst recht fehlt bei einem im Rahmen von AGB eingeräumten Leistungsbestimmungsrecht die notwendige Konkretisierung (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.2004 , Az. KZR 10/03 unter II.6).
--- Zitat ---Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
--- Ende Zitat ---
Es gibt Übrigends schon seit längerem einen Thread im Forum zum heute entschiedenen Verfahren.
RR-E-ft:
Nachdem der Branchenverband BGW seinerzeit die heute aufgehobene Entscheidung des AG Euskirchen heftig begrüßt hatte, schmollt der BDEW nun.
--- Zitat ---\"Mit dem heutigen Urteil hat es der Bundesgerichtshof leider versäumt, endlich Rechtssicherheit bei der Gestaltung von Gaslieferverträgen zu schaffen. Nach diesem Urteil bleibt weiterhin unklar, wie in den Verträgen Preisanpassungsklauseln ausgestaltet sein müssen, damit sie auch gerichtsfest sind\", sagte Martin Weyand, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Berlin, in einer ersten Bewertung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes.
--- Ende Zitat ---
Der Verband vertritt ernsthaft die Auffassung es sei Sache der Gerichte, den Versorgern gerichtsfeste Klauseln zu formulieren. Das ist freilich nicht der Fall. Allenfalls ließen sich vielleicht Richter herab, gegen hohes Honorar Expertisen zu entsprechenden Klauseln abzugeben, wobei auch solche nicht sicher auszuschließen vermögen, dass solche Klauseln dann nicht vor Gericht für unwirksam erklärt werden.
Der Branchenverband sollte vielmehr die rechtswidrige Praxis vieler Gasversorgungsunternehmen geißeln, den eigenen Sondervertragskunden gegenüber die Gaspreise nach eigenem Ermessen bzw. Gutdünken undzwar für den Kunden unvorhersehbar und unkalkulierbar neu festzusetzen, was vorrangig einseitig der eigenen Interessenverfolgung dient.
RR-E-ft:
Anmerkung zum Urteil in \"Baurechtsexperte\"
Reaktion bei Regionalgas Euskirchen
--- Zitat ---Einen Sondervertrag schließen Kunden ab, die eine große Menge Gas zum Heizen oder Kochen benutzen“, erklärte Regionalgas-Chef Christian Metze. Laut seiner Kenntnis ist die Preisanpassungsklausel weit verbreitet bei Gasversorgern. Was das Urteil des BGH nun für die Regionalgas bedeutet, konnte er noch nicht absehen. „Wir werden die Urteilsbegründung in rund vier Wochen erhalten und analysieren. Dann schauen wir, welche Konsequenzen wir ziehen werden.“
--- Ende Zitat ---
Was vorher geschah
Der BGW meinte seinerzeit, der klagende Kunde müsse alles bezahlen. Von wegen. Die Kosten hat die vor dem BGH unterlegene Regionalgas Euskirchen zu tragen.
uwes:
--- Zitat ---Einen Sondervertrag schließen Kunden ab, die eine große Menge Gas zum Heizen oder Kochen benutzen“, erklärte Regionalgas-Chef Christian Metze. Laut seiner Kenntnis ist die Preisanpassungsklausel weit verbreitet bei Gasversorgern. Was das Urteil des BGH nun für die Regionalgas bedeutet, konnte er noch nicht absehen. „Wir werden die Urteilsbegründung in rund vier Wochen erhalten und analysieren. Dann schauen wir, welche Konsequenzen wir ziehen werden.“
--- Ende Zitat ---
Das ist doch gemeinhin Unfug.
Die Gasversorger, die sich meistenteils in kommunaler Hand befinden, bieten häufig noch nicht einmal Sonderkundenverträge an. Jeder Haushaltskunde muss daher die allgemeinen Tarife der Grundversorgung einschließlich der höher ausfallenden Konzessionsabgaben zahlen, unabhängig davon, wieviel er verbraucht.
Mir bekannte Beispiele sind die Versorger in der Versorgungsgebieten Lilienthal, Delmenhorst, Diepholz.
Uwes
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