Energiepreis-Protest > Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest
BGH, Urt. v. 17.12.2008, VIII ZR 274/06 (Regionalgas Euskirchen) Preiserhöhungen unwirksam
RR-E-ft:
Das Verfahren betrifft Gaspreiserhöhungen der Regionalgas Euskirchen GmbH. Siehste hier.
Verhandlungsbericht
Bezeichnenderweise argumentierten die Prozessvertreter des Versorgers in der Verhandlung damit, auch einem Sondervertragskunden müsse es möglich sein, über eine Billigkeitskontrolle eine Absenkung des bisherigen Gaspreises zu verlangen, weil diese Möglichkeit für Tarifkunden eröffnet sei (\"Vereinbarter Preissockel\"?!). Nach der Rechtsprechung des Senats unterliegen jedoch auch die mit einem Monopolisten vereinbarten Preise keiner Billigkeitskontrolle (BGH NJW-RR 1990, 1204).
Es steht ein Fall zur Entscheidung an, bei dem das LG Bonn eine Monopolstellung des Gasversorgers angenommen hatte. Nach den Feststellungen der Tatsachensinstanz handelt es sich um einen Sondervertrag, bei dem das Preisänderungsrecht einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliege.
Das LG Bonn hatte ausgeführt:
Grundlage für die beanstandete Preiserhöhung ist die Regelung in § 2 Ziff. 2 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Gas- Sondervertrages, die wie folgt lautet: \"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Allgemeinen Tarife erfolgt.\"
Damit hatte sich zuletzt das Urteil des Kartellsenats des BGH vom 29.04.2008 - KZR 2/07 befasst. Danach setzt die Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln in Erdgas- Sonderverträgen klare Termine in solchen Klauseln voraus, zu denen die Preise geändert werden können. Diese Termine müssen von vornherein in der Klausel selbst festgelegt sein und bereits bei Vertragsabschluss feststehen.
Aus der Klausel geht indes nicht hervor, wann genau und vor allem in welche Richtung und in welchem Umfang sich der vereinbarte Gas- Sonderpreis ändert. Die Klausel scheint deshalb nach der Rechtsprechung des BGH wegen des Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB unwirksam. Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des BGH besteht auch kein Leitbild des § 4 AVBGasV, aus dem sich etwas anderes ergeben könnte. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht demnach nicht.
Fraglich, wie der achte Zivilsenat des BGH damit umgeht, ob er von der Rechtsprechung des Kartellsenats abweichen will. Offensichtlich eignet sich dieser Fall wohl nicht gerade für eine weitere Grundsatzentscheidung zur Billigkeitskontrolle von Gaspreisen, die der Senatsvorsitzende Ball laut Presseberichten anstrebt. Es fehlt schon am vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrecht als Voraussetzung einer Billigkeitskontrolle.
Der Kartellsenat des BGH hatte bereits am 29.04.2008 (KZR 2/07) grundsätzlich entschieden, dass Preisänderungsklsaueln in Gas- Sonderverträgen der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB unterliegen, sich insoweit kein Preisfestsetzungsrecht des Gasversorgers aus § 4 AVBGasV ergibt. Die Fälle sind insoweit identisch.
In § 1 Abs. 2 AVBGasV war klar geregelt, dass diese nur für Tarifkunden gilt. Nur für diesen Bereich gab es in § 7 EnWG 1935/ § 11 EnWG 1998 eine Ermächtigungsgrundlage. Zu einer gesetzlichen Regelung für Gas- Sonderverträge fehlt nicht nur eine Rechtsgrundlage in einer Verordnung, sondern auch eine Ermächtigungsgrundlage für den Verordnungsgeber selbst. Der Verordnungsgeber hätte die Gas- Sonderverträge überhaupt nicht inhaltlich gestalten dürfen und hat es auch nicht getan.
Selbst bei einer Einbeziehung des § 4 AVBGasV in einen Sondervertrag ergibt sich aus diesem kein Preisänderungsrecht in Bezug auf vereinbarte Sonderpreise. Denn diese Vorschrift verhält sich im Tatbestand wie auf der Rechtsfolgenseite nur zu den (nicht vertragsgegenständlichen) Allgemeinen Tarifen für die Belieferung im Rahmen der Allgemeinen Versorgungspflicht gem. § 10 Abs. 1 EnWG 1998, nicht aber zu den vereinbarten Sonderpreisen eines Sondervertrages.
Dies hat der Kartellsenat des BGH in seiner grundsätzlichen Entscheidung vom 29.04.2008 - KZR 2/07 (dort Tz. 29) auch bereits zum Ausdruck gebracht. Auch in dem vom Kartellsenat des BGH dabei entschiedenen Fall war nämlich unter Ziffer 6 der Norm- Sonderverträge geregelt, dass die Bestimmungen der AVBGasV Anwendung finden.
Zudem hielte die Regelung der Inhaltskontrolle des § 307 BGB nicht stand.
Insbesondere sieht § 310 Abs. 2 BGB keine Beschränkung der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB vor. (Amtliche Begründung zu § 310 Abs. 2 BGB in BT-Drs. 14/6040 S. 160 f.)
--- Zitat ---Absatz 2 übernimmt die bisherige Ausnahme des § 23 Abs. 2 Nr. 3 AGBG. Danach gelten die bisherigen §§ 10, 11 AGBG (= §§ 308, 309 RE) nicht für Verträge mit Sonderabnehmern von Strom und Gas, es sei denn, dass die Verträge Abweichungen von den Verordnungen über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität bzw. Gas, die für den Regelfall der typisierten Vertragsbeziehungen der Versorgungsunter-nehmen zu Tarifkunden den Inhalt der Versorgungsverträge bestimmen, vorsehen.
Hinter dieser Ausnahme steht der Gedanke, dass Sonderabnehmer, auch wenn sie Verbraucher sind, keines stärkeren Schutzes bedürfen als Tarifabnehmer, so dass es den Versorgungsunternehmen frei stehen muss, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Sonderabnehmern entsprechend den Allgemeinen Versorgungsbedingungen auszugestalten.
Der Anwendungsbereich dieser Ausnahme ist durch die zunehmende Liberalisierung auf dem Energieversorgungsmarkt gestiegen. Daraus folgt nämlich, dass zunehmend auch Verbraucher mit Versorgungsunternehmen Verträge abschließen, die nicht von vornherein den Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität, Gas usw. unterliegen,
und insoweit zu „Sonderabnehmern“ werden. Das Bedürfnis für eine Parallelgestaltung der Vertragsbedingungen der Versorgungsunternehmen gegenüber Verbrauchern als Tarifkunden und Verbrauchern als Sonderabnehmern besteht mithin weiterhin, so dass der Entwurf die Ausnahmeregelung beibehält.
Zugleich wird die Ausnahmeregelung des Absatzes 2 um eine entsprechende Regelung für Verträge mit Sonderabnehmern über die Versorgung von Wasser und Fernwärme sowie die Entsorgung von Abwasser ergänzt. Insoweit lag nämlich nach bisherigem Recht eine „planwidrige Lücke“ (Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 23 Rdnr. 39) vor. Auch für diese Bereiche sieht nämlich der geltende § 27 AGBG, der als Artikel 242 in das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche integriert werden soll (vgl. Artikel 2 Nr. 3 des Entwurfs) eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung der Ver- bzw. Entsorgungsbedingungen vor. Die entsprechenden Verordnungen über die Allgemeinen Versorgungsbedingungen für Wasser und Fernwärme für Verträge zwischen Versorgungsunternehmen und ihren (Tarif-)Kunden sind inzwischen auch mit Wirkung vom 1. April 1980 erlassen worden. Der Erlass einer entsprechenden Verordnung über die
Allgemeinen Entsorgungsbedingungen für Abwasser steht bevor. Gründe, die für eine divergierende Regelung sprechen könnten, sind nicht ersichtlich, so dass der Gesetzgeber die Lücke im Rahmen einer Fortschreibung der Vorschriften zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen schließen sollte.
--- Ende Zitat ---
Ausgenommen von dieser Beschränkung bleibt also weiterhin die Inhalts- und Transparenzkontrolle gem. § 307 BGB, die auch zuvor - geregelt in § 9 AGBG - schon eindeutig von der Beschränkung ausgenommen war. Eine Einschränkung auch der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB bei Erdgas- Sonderverträgen wäre deshalb vom Gesetz nicht mehr gedeckt und verstieße somit gegen geltendes Recht.
Das einseitige Leistungsbestimmungsrecht für Verträge innerhalb der gesetzlichen Anschluss- und Versorgungspflicht rechtfertigt sich daraus, dass der Versorger zu den entsprechenden Bedingungen jedermann beliefern musste. Auch das einseitige Leistungsbestimmungsrecht gem. § 5 II GasGVV findet seine alleinige Rechtfertigung darin, dass der Grundversorger gem. § 20 Abs. 1 Satz 3 GasGVV den Vertrag grundsätzlich nicht kündigen darf und zu den allgemeinen Preisen liefern muss. Bei (zeitlich befristeten) Sonderverträgen außerhalb dieser gesetzlichen Versorgungspflicht besteht deshalb schon keinerlei innere Rechtfertigung für ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht, welches der gesetzlichen Regel widerspricht, wonach sich die Vertragspartner bei Vertragsabschluss gem. § 433 BGB auf einen Preis einigen, an den sie hiernach gleichermaßen kraft dieser Einigung gebunden sind.
Für diese Inhaltskontrolle von Preisänderungsvorbehalten gem. § 307 BGB gilt (BGH; Urt. v. 15.11.2007 - III ZR 247/06):
--- Zitat ---1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die von der Beklagten verwendete Preisanpassungsklausel als Preisnebenabrede gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB der Inhaltskontrolle nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unterzogen.
a) In Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene sogenannte Kostenelementeklauseln, die wie die hier in Rede stehende Bestimmung eine Preisanpassung wegen und auf der Grundlage sich verändernder Kosten vorsehen, sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen zwar nicht grundsätzlich zu beanstanden. Sie sind ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Lieferverträgen. Sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher, ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 - III ZR 63/07 - Rn. 19; BGH, Urteile vom 21. September 2005 - VIII ZR 38/05 - NJW-RR 2005, 1717 unter II. 2.; vom 13. Dezember 2006 - VIII ZR 25/06 - NJW 2007, 1054, 1055 Rn. 20; jeweils m.w.N.).
Die Schranke des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird allerdings nicht eingehalten, wenn die Preisanpassungsklausel es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; BGH, Urteile vom 21. September 2005 aaO und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 21; jeweils m.w.N.).
Dementsprechend sind Preisanpassungsklauseln nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders zu Preisanhebungen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht wird und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offen gelegt werden, so dass der andere Vertragsteil bei Vertragsschluss die auf ihn zukommenden Preissteigerungen einschätzen kann (Senatsurteil vom 11. Oktober 2007 aaO; vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 - NJW 1980, 2518, 2519 unter II 2. c); vom 19. November 2002 - X ZR 253/01 - NJW 2003, 746, 747 unter III. 2. a) m.w.N.; vom 21. September 2005 aaO S. 1717 f unter II. 3.b) und vom 13. Dezember 2006 aaO Rn. 23 ff).
b) Diesen Anforderungen wird die beanstandete Preisanpassungsklausel nicht gerecht. Sie verstößt zum einen gegen das aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB folgende Transparenzgebot. Sie ist deshalb zu unbestimmt, weil sie ganz allgemein an eine Erhöhung der nicht näher umschriebenen Bereitstellungskosten anknüpft und weder die Voraussetzungen noch den Umfang einer Preiserhöhung näher regelt. Insbesondere werden die Kostenelemente und deren Gewichtung im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Kalkulation des Abonnementpreises nicht offen gelegt. Für den Abonnenten ist deshalb weder vorhersehbar, in welchen Bereichen Kostenänderungen auftreten können, noch hat er eine realistische Möglichkeit, etwaige Preiserhöhungen anhand der Klausel auf ihre Berechtigung hin zu überprüfen.
Zum anderen führt die Klausel auch nach ihrem Inhalt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Abonnenten, weil sie Preiserhöhungen nicht auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt und sogar dann gestattet, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wird. Somit ermöglicht die Bestimmung der Beklagten, die Abonnementpreise ohne jede Begrenzung zu erhöhen und nicht nur insgesamt gestiegene Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen. Gerade eine solche Verschiebung des vertraglichen Gleichgewichts durch einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum will § 307 BGB verhindern.
--- Ende Zitat ---
Nach der Rechtsprechung des BGH genügt der \"weite Spielraum der Billigkeit\" gerade nicht den Anforderungen an Konretisierung und Begrenzung, die § 307 BGB erfordert.
BGH, Urt. v. 13.07.2004 (KZR 10/03) unter II.6:
--- Zitat ---Die Unangemessenheit der Klausel läßt sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit dem Argument ausräumen, eine einseitige Leistungsbestimmung habe gemäß § 315 BGB nach billigem Ermessen zu erfolgen und sei andernfalls unverbindlich. § 315 BGB scheidet als unmittelbare Rechtfertigung einer Klausel schon deshalb aus, weil die Vorschrift eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 307 BGB, § 9 AGBG richtet (BGHZ 89, 206, 213). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs einer Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten, weil der weite Spielraum der Billigkeit nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen genügt (BGHZ 89 aaO).
--- Ende Zitat ---
Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht folgt auch nicht aus der vom Berufungsgericht festgestellten Monopolstellung des Versorgers. Wäre dies der Fall, unterläge materiell- rechtlich der Gesamtpreis, der sich aus Grund- und Arbeitspreis zusammensetzt, der Billigkeitskontrolle. Dieser wiederum könnte im konkreten Fall die prozessuale Beschränkung gem. § 308 ZPO entgegenstehen, wenn die Kläger nur die Unbilligkeit der Erhöhung festgestellt haben wollten.
Fehlt es aber am einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB, kommt auch keine Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB in Betracht. Besteht hingegen ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 Abs. 1 BGB, so ist die gerichtliche Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB zwangsläufig die Kehrseite der selben Medaille. Wenn ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht, besteht auch eine Verpflichtung zur Preissenkung, wenn dies für die Kunden günstig ist.
Wollte der achte Zivilsenat von der Rechtsprechung des Kartellsenats abweichen, müsste der Große Senat angerufen werden.
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
RR-E-ft:
Im Rückblick hat der Branchenverband der Gaswirtschaft auch in Pressemitteilungen darauf hingewiesen, dass bei Heizgas- Sonderkunden keine gerichtliche Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB zu erfolgen hat. Im Ergebnis richtig, weil schon kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht besteht.
--- Zitat ---Amtsgericht Euskirchen: Billigkeitskontrolle unzulässig
Berlin, den 16. August 2005 – Das Amtsgericht Euskirchen hat in einem Verfahren eines Kunden gegen die Regionalgas Euskirchen GmbH die Rechtsauffassung der deutschen Gaswirtschaft zur Anpassung der Erdgaspreise bestätigt. Eine Billigkeitskontrolle im Sinne von § 315 BGB ist bei Heizgas-Sonderkundenverträgen danach unzulässig.
--- Ende Zitat ---
Mit dieser Einschätzung lag der Verband m. E. richtig. Nur hat er eben verkannt, dass mangels vertraglichem Preisänderungsrecht einseitige Preisänderungen insgesamt unwirksam sein können. Von ihrer Rechtsauffassung aus 2005 will die deutsche Gaswirtschaft heute nichts mehr wissen. Amnesie.
Derweil bietet man teure Seminare an, in denen glatt das Gegenteil propagiert wird. Teilweise von den selben Referenten, die 2005 auf eben so teuren Seminaren noch die Rechtsauffassung der deutschen Gaswirtschaft prägten. Jede Rechtsauffassung aus diesem Bereich erscheint mithin käuflich.
RR-E-ft:
OLG Oldenburg entschied, dass eine gerichtliche Billigkeitskontrolle bei den Heizgas- Sonderkundenverträgen unzulässig ist.
Oberlandesgericht bestätigt damit Rechtsauffassung der deutschen Gaswirtschaft.
--- Zitat ---Eine Billigkeitskontrolle im Sinne von § 315 BGB ist bei Heizgas-Sonderkundenverträgen danach unzulässig.
--- Ende Zitat ---
Ob der BDEW die Entscheidung wieder einmal begrüßt, war noch nicht in Erfahrung zu bringen.
RR-E-ft:
Eine Rückfrage bei der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofes ergab, dass die für den 15.10.2008 angekündigte Entscheidung wegen zu Tage getretener Schwierigkeiten auf den 17.12.2008 verschoben worden sei.
Eine Schwierigkeit mag darin begründet liegen, dass der Kartellsenat des BGH mit der Entscheidung vom 29.04.2008 (KZR 2/07) bereits Vorgaben zur Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln in Erdgas- Sonderverträgen vorgegeben hatte.
Eine weitere Schwierigkeit mag darin begründet liegen, dass das Landgericht Bonn § 315 BGB zumindest als entsprechend anwendbar erklärt hatte, weil der Gasversorger eine Monopolstellung gegenüber dem Verbraucher einnahm.
Vgl. Urteil LG Bonn v. 06.09.2007 Rn. 72 ff.
Nach der Entscheidung des achten Zivilsenats vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) dort Rdn. 35 wäre der BGH als Revisionsgericht an diese Feststellung einer Monopolstellung des Gasversorgers durch das Berufungsgericht gebunden....
--- Zitat ---Dem steht auch nicht die - Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskos-ten gemäß § 9 Abs. 4 und § 10 Abs. 5 Satz 2 AVBGasV betreffende - Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Dezember 1986 (VII ZR 77/86, WM 1987, 295, unter II 2 b, c) entgegen. In dem dort entschiedenen Fall hatte das beteiligte Gasversorgungsunternehmen nach den Feststellungen des dortigen Berufungsgerichts eine Monopolstellung inne, so dass § 315 BGB nach der so genannten Monopol-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechend anzuwenden war. Im Gegensatz dazu hat das Berufungsgericht vorliegend - von der Revision unangefochten - festgestellt, dass die Beklagte einem Substitutionswettbewerb auf dem Wärmemarkt ausgesetzt war.
--- Ende Zitat ---
Da vorliegend der Kunde des Versorgers in Revision gegangen ist, ist davon auszugehen, dass dieser die Feststellung des Berufungsgerichts zur Monopolstellung des Versorgers mit seiner Revision nicht angefochten haben wird. Dann ist der achte Senat nach seiner eigenen Rechtsprechung an diese Feststellung gebunden.
Tatsächlich hatte schon das Landgericht Heilbronn einen solchen wirksamen Substitionswettbewerb mit guten Gründen verneint.
Vgl. Urteil LG Heilbronn vom 19.01.2006
--- Zitat ---
Die von der Beklagten zum 01.10.2004 vorgenommene Erhöhung der Gaspreise für Tarifkunden unterliegt in – zumindest analoger - Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB der gerichtlichen Billigkeitskontrolle.
Nach seinem Wortlaut setzt § 315 Abs. 3 BGB voraus, dass die Vertragsparteien ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart haben, dass einer Partei ein Leistungsbestimmungsrecht zusteht. Eine derartige ausdrückliche Vereinbarung wurde zwischen den Prozessparteien jedoch nicht getroffen.
Für die Versorgung des Klägers mit Gas durch die Beklagte gelten vielmehr die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) und die Allgemeinen ergänzenden Versorgungsbedingungen Gas (AVG - Anl. B2) der Beklagten. Danach werden Änderungen der allgemeinen Tarife und Bedingungen allein durch öffentliche Bekanntgabe wirksam, die die Beklagte hier in der H.-zeitung vom 30.09.2004 vorgenommen hat.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass die Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge, auf deren Inanspruchnahme der andere Teil angewiesen ist, einer Kontrolle nach § 315 BGB (jedenfalls analog) unterworfen sind (Palandt/Heinrichs, BGB 65. Auflage, § 315 Rn 4). Dies hat die Rechtsprechung bereits entschieden für Strompreise (BGH NJW-RR 1992, 183 und BGH NJW 2003, 1449), für Baukostenzuschüsse und Hausanschlusskosten nach AVBGasV [BGH NJW 1987, 1828], für Wasserentgelte (BGH NJW 2003, 3131) und Abwasserentgelte (BGH NJW 1992, 183) und für Krankenhauspflegesätze (BGHZ 73, 114).
Diese Rechtsprechung gilt nicht nur für sog. Zwischenlieferungsverträge, die überwiegend Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen waren, sondern auch für das Verhältnis zwischen Energieversorgungsunternehmen und (End-)Verbrauchern (vgl. auch BGH NJW 2003, 1449 zu den Strompreisen), wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat.
...
Eine Unanwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB folgt schließlich auch nicht daraus, dass Gas im (Substitutions-)Wettbewerb mit anderen Energieträgern steht.
Es trifft im Ausgangspunkt zwar zu, dass es - anders als etwa auf dem Strommarkt jedermann möglich ist, seinen Wärmebedarf auf die von ihm gewünschte Weise zu decken, wofür neben dem Erdgas auch leichtes Heizöl, Strom, Kohle, Flüssiggas und Fernwärme in Betracht kommen. Deshalb gibt es in der jüngsten obergerichtlichen Rechtsprechung Stimmen, die eine Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB im Hinblick auf den Wettbewerb auf dem Wärmemarkt für ausgeschlossen halten.
So hat etwa das OLG Brandenburg in seinem Urteil vom 10.01.2001 (7 U 16/99, abgedruckt in GWF/Recht und Steuern 2001, 17-20; Anlage BK 4) zur Zulässigkeit einer Mindestabnahmeregelung in einem Gassonderkundenvertrag obiter dictu ausgeführt:
Die Anwendbarkeit des § 315 Abs. 3 BGB scheitert auch daran, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten keine Monopolstellung zukommt. Im Bereich der Gasversorgung mag die Klägerin zwar ein Monopol haben, für die Energieversorgung der Beklagten insgesamt gilt dies aber nicht. Der Beklagten stand nämlich die Möglichkeit offen, die benötigte Energie über die Verbrennung schweren Heizöls zu erlangen, so dass sie auf eine Energieversorgung durch die Klägerin nicht angewiesen war. Damit ist auch aus dieser Sicht eine Inhaltskontrolle des Gaslieferungsvertrages zu verneinen.
Auch das OLG Düsseldorf spricht sich in seinem Urteil vom 23.02.2005 (VI-U (Kart) 19/04; abgedruckt in RdE 2005, 169 ff.), das einen Fernwärmelieferungsvertrag betraf, für eine weite Abgrenzung aus:
Der Angebotsmarkt der Energieversorgung im Raum K.-L. beschränkt sich nicht - wie die Beklagte meint - auf die Belieferung mit Fernwärme. Er umfasst vielmehr auch die Lieferanten der - aus der Sicht der nachfragenden Kunden funktional austauschbaren Energieträger Öl, Gas und Elektrizität.
Nach Auffassung der Kammer würde dies aber voraussetzen, dass alle oder zumindest die meisten Wärmeträger für jeden Verbraucher jederzeit verfügbar sind und ein Umstieg auf einen anderen Wärmeträger und/oder einen anderen Energieversorger auch faktisch problemlos möglich ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Zunächst sind die hohen Transaktionskosten zu berücksichtigen, die beim Wechsel von einem Wärmeträger zu einem anderen anfallen würden. So können sich die Kosten eines Haushalts mit Gasheizung, der etwa auf Ölheizung übergehen will, unter Berücksichtigung der Beschaffung eines Tanks, einer modernen Heizungsanlage und der Anpassung des Schornsteins leicht auf 5.000,00 bis 8.000,00 EUR belaufen (so Derleder/Rott, WuM 2005, 423, [426]), vom zusätzlichen Raumbedarf ganz zu schweigen. Gegen eine solche echte Wettbewerbssituation spricht ferner, dass auch derjenige, der sich für den Wärmeträger Erdgas entschieden hat, wiederum anders als etwa auf dem Strommarkt nicht die Möglichkeit hat, zwischen verschiedenen Gasanbietern auszuwählen. So ist der Kläger auf die Belieferung mit Gas gerade durch die Beklagte angewiesen; ein Ausweichen auf einen anderen Anbieter ist ihm nicht möglich.
--- Ende Zitat ---
Besteht jedoch eine solche Bindung hinsichtlich der Feststellung einer Monopolstellung, so unterläge bei einer Anwendbarkeit des § 315 BGB der Gesamtpreis, bestehend aus Grund- und Arbeitspreis, der Billigkeitskontrolle. Der Kartellsenat des BGH hatte in der Entscheidung vom 29.04.2008 (KZR 2/07) festgestellt, dass ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie nicht besteht, die leitungsgebundene Belieferung von Endkunden mit Gas einen sachlich eigenständigen Markt bildet, auf denen Gasversorgungsunternehmen eine marktbeherrschende Stellung zukommt.
Man sieht, dass es dem achten Zivilsenat des BGH schwer fällt, an seinen in der Entscheidung vom 13.06.2007 (VIII ZR 36/06) aufgestellten Grundsätzen noch weiter festzuhalten. Auch der Verkündungstermin in dem einen Gas- Tarifkunden betreffenden Verfahren (Az. VIII ZR 138/07) wurde immer wieder verschoben, bisher zuletzt auf den 19.11.2008.
Janus:
siehe hier:
Unwirksame Preisanpassungsklausel in
einem Gasversorgungs-Sondervertrag
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die in einem Gasversorgungs-Sondervertrag enthaltene Preisanpassungsklausel \"Der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der allgemeinen Tarifpreise eintritt\" nicht klar und verständlich und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam ist.
In dem Verfahren streiten die Parteien um die Wirksamkeit von einseitig vorgenommenen Gaspreiserhöhungen. Die Beklagte ist ein regionales Gasversorgungsunternehmen; die Kläger sind Eigentümer eines Hausgrundstücks. Sie schlossen mit der Beklagten im Mai 2003 einen \"Gasversorgungs-Sondervertrag\" zur Versorgung ihres Wohnhauses mit Erdgas ab. In dem von der Beklagten vorformulierten Vertrag ist die zitierte Preisanpassungsklausel enthalten. Nachdem der Arbeitspreis zunächst zum 1. Januar 2004 gesenkt worden war, erhöhte ihn die Beklagte zum 1. Januar 2005 um 0,5 Cent/kWh, zum 1. Oktober 2005 um 0,4 Cent/kWh und zum 1. Januar 2006 um 0,46 Cent/kWh auf zuletzt 4,51 Cent/kWh (jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer).
Mit ihrer Klage haben die Kläger die Feststellung begehrt, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unwirksam seien. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Revision der Kläger hatte Erfolg. Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat festgestellt, dass die von der Beklagten gegenüber den Klägern vorgenommenen Erhöhungen der Erdgaspreise zum 1. Januar 2005, 1. Oktober 2005 und 1. Januar 2006 unwirksam sind. Ein Recht zur einseitigen Änderung des Gaspreises steht der Beklagten nicht zu, weil die Preisanpassungsklausel unwirksam ist. Sie ist nicht hinreichend klar und verständlich und benachteiligt die Kunden der Beklagten deshalb unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Klausel regelt zwar die Voraussetzung für eine Preisänderung. Nicht hinreichend klar geregelt ist aber, wie sich die Gaspreise bei Vorliegen der Voraussetzung ändern sollen. Unklar ist insbesondere, ob die Änderung in einem bestimmten Verhältnis zur Änderung der allgemeinen Tarifpreise erfolgen und welches Verhältnis dies gegebenenfalls sein soll. Die Bestimmung ist in diesem Punkt objektiv mehrdeutig. Es ergeben sich zumindest drei Auslegungsmöglichkeiten (nominale Übertragung der Tarifpreisänderung, prozentuale Übertragung der Tarifpreisänderung oder ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ohne feste rechnerische Bindung an die Tarifpreisänderung).
Der Bundesgerichtshof hat offen gelassen, ob Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen einer Prüfung nach § 307 BGB standhalten, wenn sie entsprechend den Regelungen in § 4 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) gestaltet sind, an deren Stelle ab dem 8. November 2006 die Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) getreten ist. Eine Entscheidung darüber war nicht erforderlich. Denn eine entsprechende Übernahme der Regelungen der AVBGasV lässt sich der von der Beklagten verwendeten Preisanpassungsklausel schon deshalb nicht entnehmen, weil keine Klarheit darüber besteht, in welcher Weise die Preisänderungen bei Vorliegen der Voraussetzungen zu erfolgen haben. Insbesondere folgt aus der Klausel nicht klar und verständlich, ob der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zustehen soll, wie es sich aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV ergibt (Urteil vom 13. Juni 2007, BGHZ 172, 315; Urteil vom 19. November 2008 – VIII ZR 138/07; dazu Pressemitteilungen Nr. 70/2007 und Nr. 211/2008 ).
Urteil vom 17. Dezember 2008 – VIII ZR 274/06
AG Euskirchen – Urteil vom 5. August 2005 – 17 C 260/05
LG Bonn– Urteil vom 7. September 2006 – 8 S 146/05 (RdE 2007, 84)
Karlsruhe, den 17. Dezember 2008
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln