Energiepreis-Protest > Stadtwerke Dinslaken

Terminsbericht 28.05.08 BGH VIII ZR 138/07 Wrede - Stadtwerke Dinslaken

<< < (3/7) > >>

uwes:
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Fragestellung anknüpfen, ob ein mehrheitlich staatlich beherrschtes Gasversorgungsunternehmen bzgl der Bezugskosten den grundrechtlichen Schutz von Betriebsgeheimnissen in Anspruch nehmen kann.

Diese Fragestellung stellt sich in dem Verfahren des Delmenhorster swd-Kunden vor dem VIII Zivilsenat des BGH (VIII ZR 314/07)
Die swd GmbH - Delmenhorst ist zu 100 % in kommunaler Hand.

Ob dies auch für den Dinslakener Gasversorger gilt, weiß ich nicht, da ich die Gesellschaftsverhältnisse nicht kenne.

Zur Sache:

Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 16.05.1989 (NJW 1990, 1783) die Grundrechtsfähigkeit einer Aktiengesellschaft, die sich zu 72 % in öffentlicher Hand befindet und der Stromversorgung dient, verneint. Es handelte sich dabei m.W. um die hamburgischen Elektrizitätswerke.

Dementsprechend kann sich die swd GmbH nicht auf einen grundrechtlich verbürgten Schutz der Geschäftsgeheimnisse berufen.

Uwes

RR-E-ft:
@uwes

BVerfG NJW 2000, 1783 betraf die Grundrechtsfähigkeit der HEW Hamburgische Electricitätswerke AG, die das oberste Gericht verneint hat.  

Weitere Entscheidungen BVerfGE 45, 63 - Stadtwerke Hameln; BVerfGE 95, 172- Sparkassen; BGHZ 91, 84 - Verwaltungsprivatrecht; wohl zuletzt BGH, Urt. v. 10.02.2005 - III ZR 294/ 04 (ZNER 2005, 150).

Soweit ersichtlich sind Kommunen außerhalb des Art. 28 GG und mit ihnen kommunale Unternehmen, die sich im Bereich der Daseinsvorsorge betätigen, wohl nicht grundrechtsfähig. In jedem Falle sind die von einseitigen Leistungsbestimmungen betroffenen Bürger Grundrechtsträger.

ESG-Rebell:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
BVerfG NJW 2000, 1783 betraf die Grundrechtsfähigkeit der HEW Hamburgische Electricitätswerke AG, die das oberste Gericht verneint hat.  

Soweit ersichtlich sind Kommunen außerhalb des Art. 28 GG und mit ihnen kommunale Unternehmen, die sich im Bereich der Daseinsvorsorge betätigen, wohl nicht grundrechtsfähig. In jedem Falle sind die von einseitigen Leistungsbestimmungen betroffenen Bürger Grundrechtsträger.
--- Ende Zitat ---
Und welche Rechte kann ich als Grundrechtsträger daraus ableiten?

Die fehlende Grundrechtsfähigkeit kommunaler Unternehmen soll wohl zumindest zur Folge haben, dass deren Geschäftstätigkeiten nicht der Geheimhaltung unterliegen können.

Angenommen ich würde ins Rathaus marschieren und mir die Vorlage sämtlicher Unterlagen zu sämtlichen Geschäftsvorgängen der Stadt und aller kommunaler Unternehmen zwecks Einsicht oder Anfertigung von Kopien verlangen.

Mit welchen Argumenten könnte mir die Stadt dieses Anliegen effektiv auch dann verwehren, wenn ich es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen ließe?

Gruss,
ESG-Rebell.

Kampfzwerg:

--- Zitat ---Original von ESG-Rebell
Angenommen ich würde ins Rathaus marschieren und mir die Vorlage sämtlicher Unterlagen zu sämtlichen Geschäftsvorgängen der Stadt und aller kommunaler Unternehmen zwecks Einsicht oder Anfertigung von Kopien verlangen.

Mit welchen Argumenten könnte mir die Stadt dieses Anliegen effektiv auch dann verwehren, wenn ich es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen ließe?

--- Ende Zitat ---

In NRW gibt es das

Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen - IFG NRW)

§ 4 IFG NRW(Gesetz) - Landesrecht Nordrhein-Westfalen
Informationsrecht

(1) Jede natürliche Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.

(2) Soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Im Rahmen dieses Gesetzes entfällt die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit.


http://www.lexsoft.de/lexisnexis/justizportal_nrw.cgi

tangocharly:
Wie sich in der Diskussion gezeigt hat, will sich der VIII. Senat nun mit der Frage der Offenlegungspflichten von Versorgern im Rahmen der Billigkeitsprüfung näher befassen (vgl. Terminsbericht über die mdl. Verhandlung vom 28.05.2008 ).

Da es in der gerade laufenden Sache nicht um E.ON,  RWE oder EnBW geht, sondern um ein Stadtwerk (der öffentlichen Hand  oder bei dem ich hier unterstelle - ohne Detailkenntnis - dass dieses Stadtwerk wenigstens von der Öffentlichen Hand beherrscht wird), müßte der VIII. Senat bei seinen Überlegungen die Entscheidung des IIII. Senats vom 10.02.2005  beherzigen.

In dieser Entscheidung differenziert der III. Senat zwischen den Privaten und den Betrieben der Öffentlichen Hand, die zwar als Private organisiert werden, aber zur Erfüllung Öffentlicher Aufgaben geschaffen wurden und von der Öffentlichen Hand beherrscht werden. Und warum dann diese Unternehmen zur Auskunftserteilung verpflichtet sind, ergibt sich aus Ziff. 3.b der Entscheidungsgründe:


--- Zitat ---b) Da die Beklagte bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben unter
richtungsweisendem Einfluß der öffentlichen Hand steht, ist sie nicht in jeder
Hinsicht mit einem Unternehmen (völlig oder überwiegend) in privater Hand zu
vergleichen. Deswegen ist es gerechtfertigt, die Beklagte Auskunftspflichten zu
unterwerfen, denen ihre etwaigen privat beherrschten Mitbewerber nicht unterliegen.
Soweit bei \"gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften\", wie hier, auch
\"private (Minderheits-)Gesellschafter\" von der Auskunftspflicht tangiert werden,
haben deren private Interessen - vorbehaltlich eines Auskunftsverweigerungsrechts
(§ 4 Abs. 2 Nr. 3 NdsPresseG) - hinter den überwiegenden öffentlichen
Interessen zurückzutreten.
--- Ende Zitat ---

Warum geht der VIII. Senat bei der Frage der Offenlegungspflichten wohl schon wieder einen anderen Weg ?

Das Stichwort findet sich am Ende der obig zitierten Passage \"überwiegendes öffentliches Interesse\".

Wenn man dem EnWG schon keine \"staatstragende Bedeutung\" zumisst (denn dem VIII. Senat ist es ja völlig Wurst, was die Vorlieferanten mit den Verbrauchern {im Endeffekt} für Spielchen treiben, ebenso wie es ihm völlig Wurst ist, was mit dem Sockelpreis passieren soll (Stichwort: Niemand ist davon abzuhalten \"Kaufmann von Venedig\" sein zu wollen), dann kommt man schnell in der Frage der Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass die Belange der Stadtwerke von Art. 28 GG geschützt sein könnten.

M.E. entlarvt sich der VIII. Senat immer stärker, und zwar als Kind welcher Sache er steht. Nach meinem Eindruck haben einige andere Senate des BGH (einschließlich des VIII. Senats in seiner früherern Besetzung) in diesen Sachfragen schon längst gewürfelt und diese in Entscheidungen zementiert, die von dem VIII. Senat nun konterkariert werden sollen.

Es ist höchste Zeit, dass diese Fragen, und vornehmlich die Offenlegungsfrage, vor den Großen Senat des BGH wandern.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln