Energiepreis-Protest > Stadtwerke Dinslaken
Terminsbericht 28.05.08 BGH VIII ZR 138/07 Wrede - Stadtwerke Dinslaken
ESG-Rebell:
--- Zitat ---Original von Cremer
woher nehmen Sie nur die Zeit daran teilzunehmen und noch so eine Fahrtstrecke auf sich zu nehmen?
--- Ende Zitat ---
Ich habe Gleitzeit und praktisch immer genug Überstunden um mir mal einen halben Tag frei zu nehmen. Und ein bis zwei Termine im Jahr sind ja auch nicht die Welt ;)
Des weiteren ist Waldbronn nur rund 15 km von Karlsruhe entfernt und hat eine recht gute Straßenbahnanbindung.
Auch wenn die mündlichen Verhandlungen i.d.R. nur gut eine Stunde dauern, finde ich es sehr spannend, diese zu beobachten.
Es macht schon einen Unterschied, die Argumente sachlich formuliert zu lesen oder sie - frei formuliert - zu hören.
Ohne meine Menschenkenntnis überbewerten zu wollen:
Insbesondere bei den Ausführungen des Herrn Ball glaube ich auch ganz gut \"zwischen den Zeilen\" hören zu können, wo \"ihn der Schuh drückt\" ;)
Findet sich später eigentlich ein detailliertes Verhandlungsprotokoll in den Akten wieder oder machen sich die Senatsmitglieder nur ihre eigenen Notizen? Bislang war der PC an der Senatsbank jedenfalls stets verwaist und niemand schien offenkundig zu Stenografieren.
--- Zitat ---Original von Cremer
Einfach toll.
--- Ende Zitat ---
Danke für die Blumen ;)
Gruss,
ESG-Rebell.
tangocharly:
--- Zitat ---Findet sich später eigentlich ein detailliertes Verhandlungsprotokoll in den Akten wieder (1) oder machen sich die Senatsmitglieder nur ihre eigenen Notizen (2)? Bislang war der PC an der Senatsbank jedenfalls stets verwaist und niemand schien offenkundig zu Stenografieren.
--- Ende Zitat ---
Zu 1.) = nein (unüblich). Nur das per Diktat ins Protokoll gezogene Verhandlungsgeschehen wird dokumentiert. Da gilt auch für das Revisionsgericht nichts anderes, wie in den unteren Instanzen, § 555 ZPO. Dabei hat das Protokoll dann aber Beweiskraft über wesentliche Verfahrensvorgänge, z.B. für fallengelassenes Bestreiten, Sachanträge, etc.
Zu 2.) = Ja, der Vorsitzende kann (und wird in der Regel) auf einen Protokollanten (Urkundsbeamten) verzichten.
e-Stromer:
@ESG-Rebell
danke für Deine Mühe :-) !!
--- Zitat ---Der Zivilsenat hat ein handfestes Praxisproblem:
Welche Grundsatzrechtsprechung kann das Problem der überhöhten Preise beseitigen
UND ist gleichzeitig in der Praxis umsetzbar und handhabbar?
Es sollte Aufgabe der kompetenten Mitstreiter unter uns sein, über Antworten
auf diese Frage nachzudenken!
--- Ende Zitat ---
Kurz & bündig meine unkompetente Meinung:
Wenn § 315 so angewandt werden würde wie im BGB,
dann würden langfristig kaum mehr Gerichtsverhandlungen nötig werden müssen.
Weiteres zum Thema bei verivox:
Einschätzung der Verhandlung vom Energieanwalt Hanno Blatzheim:
http://www.verivox.de/News/ArticleDetails.asp?aid=24298
ESG-Rebell:
--- Zitat ---Original von e-Stromer
Kurz & bündig meine unkompetente Meinung:
Wenn § 315 so angewandt werden würde wie im BGB,
dann würden langfristig kaum mehr Gerichtsverhandlungen nötig werden müssen.
--- Ende Zitat ---
Das ist es ja - dem BGB ist eben nicht zu entnehmen, wie und in welchem Umfang eine Billigkeitskontrolle statt zu finden hat.
Die Auslegung und Anwendung der Gesetze ist ja gerade Aufgabe der Gerichte.
Marktwirtschaft und Wettbewerb sind meines Erachtens keine schleichenden Prozesse. Wenn eine gewisse Zahl konkurrierender Unternehmen in ein Marksegment eindringen kann und dabei eine Art kritische Masse überschritten wird, dann fallen die Preise auf breiter Front weil auch die teuren Anbieter mitziehen müssen um nicht weiter Marktanteile zu verlieren.
Ob dieser Umbruch innerhalb von Monaten oder Jahren vonstatten geht, hängt natürlich auch vom Werbeaufwand der Unternehmen und der Flexibilität der Energiekunden ab.
In Verfahren wie dem o.g. sind stets konkrete Preise für einen konkreten Zeitraum strittig. Und für diesen lässt sich jeweils sehr wohl die Tatsache prüfen ob ein Wettbewerb bereits stattgefunden hat oder nicht. Ebenso lässt sich die Tatsache prüfen, ob Konkurrenzunternehmen bereits versucht haben, in nennenswertem Umfang in den Markt einzudringen.
Solange beides zu verneinen ist, solange besteht meines Erachtens keine Gefahr, das marktbeherrschende Unternehmen durch Veröffentlichung seiner Bezugspreise der Gefahr eines Wettbewerbsnachteils auszusetzen.
Wenn und sobald mindestens zwei Anbieter auf dem Markt auftreten, die allen Kunden - nicht nur den Neukunden - eine reale Wechselmöglichkeit anbieten und dementsprechend vergleichbar große Marktanteile erobern, erst dann kann sich ein Kunde ggf. darauf verweisen lassen, die durch den Wettbewerb gebildeten Preise zu akzeptieren und die Möglichkeiten des Wettbewerbs (Anbieterwechsel) selbst zu nutzen.
Bei dem oben Gesagten ist allerdings das Problem von Preistreibereien auf der Stufe der Vorlieferanten und den Energiebörsen noch komplett ausgeklammert.
Insgesamt gesehen finde ich die Andeutung des BGH, er könne eine Billigkeitskontrolle evtl. bereits heute nur noch durch Heranziehung von Preisvergleichen auf dem Energiemarkt - anstelle einer Kostenkontrolle - zulassen, reichlich verfrüht.
Gruss,
ESG-Rebell.
tangocharly:
Zu dem Terminsbericht des Kollegen von Verivox möchte ich zwei Dinge anmerken:
(1) Wenn ausgeführt wird:
--- Zitat ---Der BGH stellte weiter fest, dass für Verträge der leitungsgebundenen Energieversorgung (Strom, Gas und Fernwärme) der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden muss, dass die Energieversorgung – unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung – so preisgünstig wie möglich zu gestalten ist. Er führte weiter aus, dass das Prinzip der möglichst preisgünstigen Energieversorgung nur dann eingehalten wird, wenn sich die Preise an den Kosten der Erzeugung, der Weiterleitung sowie an der Erzielung eines Gewinnes orientieren, der in angemessenem Umfang die Bildung von Rücklagen, die Vornahme von Investitionen und die Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals erlauben. Eine solche Überprüfung ist nach der BGH-Rechtsprechung jedoch nur dann möglich, wenn die Preiskalkulation offen gelegt wird. Hierzu zählen insbesondere die Verträge mit Vorlieferanten, von denen beispielsweise die Stadtwerke Dinslaken ihr Erdgas beziehen.
--- Ende Zitat ---
so kann dies nur eine Wiedergabe der seit der Entscheidung des VIII.Senats vom 02.10.1991 manifestierten Auffassung sein (der VIII.Senat hat ja schon am 13.06.2007 begonnen, diese Linie zu brechen - ohne dies ausdrücklich zu erwähnen). Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass Richter Ball so argumentiert hatte.
(2) Wenn ausgeführt wird:
--- Zitat ---Es ist daher zu befürchten, dass ein rechtlicher Systembruch stattfindet, wenn der BGH ganze Preisbestandteile bei der Überprüfung nach § 315 BGB ausklammert oder sich schlicht nicht für zuständig hält, die Billigkeit entsprechend zu prüfen. Letzteres würde dazu führen, dass die bereits seit 100 Jahren bestehende rechtliche Überprüfungsmöglichkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB ad absurdum geführt würde.
--- Ende Zitat ---
so teile auch ich derzeitig diese Befürchtung und man fragt sich -- warum soll dies nötig sein ? Die Konsequenzen sind doch deutlich sichtbar, dafür braucht man schon keine Lupe (und warum da ausgerechnet der VIII. Senat dagegen Sturm läuft und in Kollision mit dem Kartellsenat geraten will, erzeugt nicht nur Verunsicherung bei Verbrauchern).
Über Geheimhaltungs- und Schutzbedürfnis der Versorger wurde andernorts auch schon höchstrichterlich nachgedacht und entschieden. Entweder findet eine Billigkeitskontrolle statt, dann müssen auch die Kalkulationsdaten bekannt gegeben werden oder man verzichtet auf Letzteres. Das bedeutet Abschied von dem Schutz der Interessen der Verbraucher auf die in der Daseinsvorsorge geltenden Regeln (\"... die das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschen.... \").
Warum hier der VIII. Senat \"das Rad neu erfinden\" muß, erzeugt schon Verwunderung. Und warum die Verbraucherinteressen des jeweiligen Normalbürgers weniger gewichtig sein sollen, als die Interessen der vom Kartellamt zu schützenden Gesamtheit der Bürger, vermag schon im Ansatz nicht zu überzeugen. Wenn die Politik vom Grundsatz her die jeweilig betroffenen Normlaverbraucher in die Preiskontrolle zwingt, dann gebietet das Prinzip der \"Waffengleichheit\" keine Ungleichbehandlung. Und wie sich der Kartellsenat den Geheimnisschutz vorstellt, das wurde bereits in der Entscheidung vom 19.06.2007 (dort RdNr. 48 ) - wenngleich im verwaltungsrechtlichen Verfahren - zum Ausdruck gebracht.
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