Energiepreis-Protest > Stadtwerke Bielefeld
Antwort der Stadtwerke Bielefeld
J.S.:
Hallo zusammen,
ich habe am 12.4.05 per Musterbrief Widerspruch gegen die Preiserhöhungen der Stadtwerke Bielefeld GmbH eingelegt und die Einzugsermächtigung beschränkt (siehe auch meinen Thread ca. 10 Zeilen tiefer). Nun habe ich Antwort bekommen und wie erwartet geben sie sich nicht damit zufrieden. Immerhin haben sie bislang noch nichts abgebucht.
Ich zitiere mal die wichtigen Stellen aus dem Brief:
--- Zitat ---Zunächst zur Unbilligkeit gemäß § 315 BGB:
[...] Wir möchten jedoch darauf hinweisen, dass unsere Preisanpassung begründet und angemessen ist.
Infolge des dramatischen Preisanstieges an den internationalen Rohölmärkten sind die deutschen Heizölnotierungen seit Frühjahr 2004 kontinuierlich gestiegen. Die bundesweit an die Heizölpreise gebundenen Gasbezugskonditionen der Stadtwerke-Vorlieferanten folgen dieser Entwicklung. So sind auch unsere Gasbezugspreise deutlich gestiegen. Eine entsprechende Preisanpassung war daher unumgänglich.
Dabei möchten wir betonen, dass wir nicht einmal die volle Bezugspreiserhöhung an unsere Kunden weitergeben. Diese kundenorientierte Preispolitik wurde uns zwischenzeitlich auch durch das Testat eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers bestätigt.
Die in Ihrem Schreiben getroffene Aussage, unsere Erhöhung der Erdgaspreise sei unbillig, weisen wir deshalb zurück.
In Ergänzung zu dem pauschalen Verweis auf § 315 BGB möchten wir Sie auf folgende, in der aktuellen Diskussion oftmals unerwähnte Rechtsprechung hinweisen:
Nach einem Urteil des Landgerichts Hannover ist die Regelung des § 315 BGB auf Versorgungsverhältnisse gar nicht anwendbar. Der Gesetzgeber habe vielmehr in den - auch Ihrem Versorgungsvertrag zugrunde liegenden - Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden (AVBGasV) spezielle Regelungen getroffen, die gegenüber § 315 BGB vorrangig seien. § 315 BGB beträfe nur individuelle Vertragsverhältnisse und sei für eine Preiskalkulation bei Massenschuldverhältnissen, die nach Gruppen von Kunden erfolgt, nicht anwendbar. Der Verbraucher sei vor unbilligen Preisen insoweit geschützt, da die Preisgestaltung der Versorgungsunternehmen der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht unterliege.
Unabhängig davon hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass eine Preisbestimmung dann als billig anzusehen sei, \"wenn das verlangte Entgelt im Rahmen des Marktüblichen liegt und dem entspricht, was regelmäßig als Preis für eine vergleichbare Leistung verlangt wird.\" Entscheidend für die Billigkeit eines Preises ist demnach ein Vergleich mit den in der Branche anzutreffenden Preisen. Ein Preis, der unter dem statistischen Durchschnittswert liegt, kann nicht unbillig sein.
--- Ende Zitat ---
Nun folgt, dass die Preise der Stadtwerke im bundesweiten Mittelfeld liegen (auch nach Erhöhung) und daher nicht unbillig sind.
Weiter:
--- Zitat ---Wir weisen darauf hin, dass Kunden gemäß § 30 AVBGasV zur Zurückbehaltung von Teilbeträgen nicht berechtigt sind. Nach dieser Vorschrift sind Kunden grundsätzlich verpflichtet, Rechnungsbeträge vollständig innerhalb der Zahlungsfrist zu begleichen und etwaige Einwände im Rahmen eines Rückforderungsprozesses geltend zu machen.
--- Ende Zitat ---
Es folgen Bemerkungen zur von mir bestimmten Abschlagsbegrenzung. Zunächst eine allgemeine Erläuterung, warum sich die Anschläge erst am Ende des Abrechnungszeitraumes erhöhen.
Dann:
--- Zitat ---Eine Kürzung der monatlichen Abschlagszahlungen unter Verweis auf eine angebliche Unbilligkeit der Preiserhöhung nach § 315 BGB ist nicht zulässig. Nach § 25 AVBGasV käme eine Kürzung allenfalls dann in Betracht, wenn Sie glaubhaft machen könnten, dass Ihr Verbrauch erheblich geringer sei als bislang angenommen. Dazu liegen uns jedoch keine Informationen Ihrerseits vor.
Zur Beschränkung der Einzugsermächtigung:
--- Ende Zitat ---
Das bezieht sich wohl auf die Beschränkung der Restforderung aus dem letzten Jahr.
--- Zitat ---Mit o.g. Schreiben haben Sie uns weiterhin mitgeteilt, dass Sie Ihre uns erteilte Einzugsermächtigung auf eine Teilbetrag reduzieren möchten.
Sofern Sie trotz der uns testierten Bestätigung unserer kundenfreundlichen Preispolitik weiterhin an einer Beschränkung der Einzugsermächtigung festhalten, beachten Sie bitte Folgendes:
1. Ein teilweiser Widerruf der Einzugsermächtigung ist nicht möglich, sondern gilt als Widerruf der gesamten Einzugsermächtigung.
2. Bleibt Ihr Widerruf der Einzugsermächtigung bestehen, müssen wir Sie aus dem Lastschriftverfahren herausnehmen. Sie überweisen dann ab sofort Ihre Abschläge/Zahlungen zum jeweils fälligen Termin unter Angabe Ihrer Vertragskontonummer auf eines unserer Konten.
--- Ende Zitat ---
Es folgt noch ein dritter Punkt, wie ich wieder am Lastschriftverfahren teilnehmen kann.
Zum Schluss:
--- Zitat ---Wir hoffen, Ihnen die Notwendigkeit und Angemessenheit unserer Gaspreiserhöhung ausreichend erläutert zu haben. Wir gehen daher davon aus, dass Sie unsere Erdgaslieferungen ohne Zurückbehaltung von Teilbeträgen begleichen werden.
--- Ende Zitat ---
Was ist von den aufgeführten Gerichtsurteilen zu halten? Wie gehe ich jetzt am besten weiter vor?
Vielen Dank,
Jan Schaefer
Cremer:
hallo J.S.
man versucht Sie hier mit den vielen Begriffen und Verweisen auf Urteile unsicher zu machen, damit Sie vielleicht doch noch einlenken sollen
Lassen Sie sich aus dem Lastschridftverfahren rausschmeißen, war bei mir auch der Fall, dass die meine Einzugsermächtigung nach Beschränkung der Abschlagshöhe zurückgegeben haben.
Überweisen Sie doch künftig per online-Banking.
Besser noch, ärgern Sie ihn zuvor noch:
Fragen Sie schriftlich den Versorger an, wie er künftig gedenkt die Abschlagszahlungen haben zu wollen:
- Dauerauftrag
- Scheck
- Bareinzahlung bei denen
Pelikan:
Hallo Jan,
Dein GV soll doch bitte mal das genaue Urteil angeben. Sonst könnte man das Ganze als Einschüchterung werten.
...und gaanz ruhig bleiben.
Mit Gruß vom Pelikan
RR-E-ft:
@J.S.
Von der Rechtsprechung des BGH zur Billigkeistkontrolle von Tarifen für Leistungen der Daseinsvorsorge (Strom, Gas, Wasser) können Sie sich selbst überzeugen, ebenso davon, dass auch gerade im Massenverkehr § 30 AVBV den Einwand der Unbilligkeit nicht ausschließt:
BGH Urteil vom 05.02.2003, VIII ZR 111/02
BGH Urteile vom 30.04.2003, VIII ZR 278/02 und 279/02
sämtlich abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de (Entscheidungen)
Zur Offenlegungspflicht der Preiskalkulation eines Gasversorgers vergl. Beschluss des AG Heilbronn auf der Seite unter \"Neuigkeiten\" wie auch Beschluss des Amtsgerichts Marienberg.
Zur Beschränkung der Einzugsermächtigung gibt es hier schon viele Beiträge.
Lesen Sie auch unter www.zfk.de am rechten Rand den \"Hintergrund\" zum Artikel in Heft 1/2005, S. 2 \"Die Rechtslage ist unklar\".
Die Rechtsprechung ist Ihrem Versorger hinlänglich bekannt:
Am Landgericht Bielefeld ist gerade ein Verfahren anhängig, wo das Gericht den Unbilligkeitseinwand gem. § 315 BGB auch nicht wegen § 30 AVBV ausgeschlossen sieht, Az. 25 O 398/04.Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen, jedoch bei Ihrem Versorger gut bekannt, da es diesen selbst betrifft. Dabei geht es um die Billigkeit von dessen Strom-, Erdgas- und Wassertarifen. Erst nach einer Zahlungsklage des Versorgers hatte dort ein Verbraucher die Unbilligkeit gegen alle Spartenpreise eingewandt. So konnte der Versorger nicht mehr entscheiden, ob er nach dem Unbilligkeitseinwand überhaupt klagt. Der Prozess war schon anhängig gemacht worden. Bisher konnten die Stadtwerke in dem Verfahren noch nicht einmal eine Strompreisgenehmigung gem. § 12 BTOElt präsentieren. Ohne eine solche sind alle Strompreisforderungen gegenüber Tarifkunden schwebend unwirksam (§§ 12 BTOElt, 134 BGB vgl. Palandt, BGB, § 134 Rn. 12, vgl. auch den Fall Klein . /. RWE auf der Seite berichtet unter Neuigkeiten).
Zu dem vom Versorger zitierten Urteil des LG Hannover vom 12.03.1992, NJW-RR 1992, S. 1198 ff. führt das AG Heilbronn im Urteil vom 15.04.2005 (heute), Az. 15 C 4394/04 vollkommen zutreffend aus:
\"Die anders lautende Entscheidung des LG Hannover, wonach im Verhältnis zwischen Tarifkunde und Gasversorgungsunternehmen eine Billigkeitskontrolle nach § 315 III BGB nicht vorzunehmen ist, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
Dies schon deshalb nicht, weil das LG Hannover sich in seiner Argumenmtation auf Rechtsvorschriften stützt, die inzwischen geändert sind.
So verneint das LG Hannover die Notwendigkeit einer Billigkeitskontrolle von Gaspreisen nach § 315 III BGB deshalb, weil der Gesetzgeber u.a. durch die BTOGas in die Ausgestaltung des Energieversorgungsvertrages eingegriffen habe.
Die BTOGas ist aber gem. Art. 5 II, 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts im Jahre 1998 außer Kraft getreten.
Weiter führt das LG Hannover aus, dass für eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB kein Bedürfnis bestehe, weil die Preisgestaltung des GVU gem. § 7 EnWG staatlicher Kontrolle (Energieaufsichtsbehörde) unterliege.
Nach dem neuen Energiewirtschaftsgesetz gibt es eine solche Kontrolle nur noch hinsichtlich der Elektrizitätsversorgungsunternehmen.
Weiter sah das LG Hannover den Tarifkunden auch wegen der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht gem. § 103 GWB (a. F.) als nicht schutzlos an.
Dabei hat das LG Hannover sich überhaupt nicht mit der Entscheidung des BGH vom 02.10.1991 (NJW- RR 1992, 183,185) auseinandergesetzt, wonach die Bestimmung des § 103 IV 2,2 GWB nicht den Zweck verfolgt, die Frage der Billigkeit der Leistungsbestimmung im Sinne des § 315 BGB zu regeln, die kartellrechtlichen Bestimmungen vielmehr allein diejenigen Nachteile ausgleichen wollen, die sich aus dem fehlenden Wettbewerb ergeben. Aus dieser Entscheidung des BGH ergibt sich eindeutig, dass nach der Rechtsprechung des BGH von einem unterschiedlichen Regelungszweck auszugehen ist. (Anmerkung: Dies wurde im Urteil des BGH vom 05.02.2003, NJW 2003, 1449, 1450 nochmals bestätigt). Dies wird von der Entscheidung des LG Hannover nicht beachtet.\"
Die Argumentation ihres Versorgers ist zudem verquer:
Nach der Legende von der Ölpreisbindung soll angeblich folgendes gelten:
steigende Rohölpreise -> steigende Preise für leichtes Heizöl -> steigende Erdgaspreise
Ihr Versorger hat den Determinismus verwechselt und schließt von gestiegenen Preisen für leichtes Heizöl auf gestiegene Rohölpreise.
Auch in dem SWR- Film \"Das Gas-Kartell\" ging schon die Argumentation des BGW verquer:
Von den gestiegenen Heizölpreisen sei darauf zu schließen, dass auch die Erdgaspreise gestiegen seien.
Die Widersprüche werden immer offensichtlicher.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt
J.S.:
Hallo zusammen,
erst mal vielen Dank fuer die vielen Antworten. Mir fehlt in der ganzen Sache ein wenig der Ueberblick, da ich leider keine Ahnung habe, wo und wie man Gerichtsurteile am besten einsehen kann. Ich habe zwar mal auf der Website des LG Hannover geguckt, fand aber keine Moeglichkeit, aeltere Urteile einzusehen. Mir fehlt auch sonst jegliche juristische Kompetenz, habe da noch keine Erfahrung gesammelt.
Wie gehe ich denn nun am besten weiter vor? Die Stadtwerke haben mir bis zum 20. Zeit gegeben, zu entscheiden, ob ich weiterhin am Lastschriftverfahren teilnehmen will und sonst selbst zu ueberweisen. Bis dahin wird also von deren Seite nichts passieren. Ueberweise ich dann anschliessend die reduzierten Betraege, muss ich wahrscheinlich mit einer Mahnung rechnen. Wenn ich der Mahnung widerspreche, muessten die Stadtwerke ein Verfahren gegen mich einleiten. Ob der Billigkeitseinwand in meinem Fall ueberhaupt zulaessig ist, muesste dann also waehrend des Mahnverfahrens vom LG festgestellt werden. Ist das soweit richtig?
Soweit ich das jetzt aus den Verweisen von Herrn Fricke entnommen habe, ist es nicht ganz klar wie diese Entscheidung ausgehen wird, aber das derzeit laufende Verfahren laesst Hoffnung aufkommen? Wuerde das LG entscheiden, dass der Billigkeitseinwand unberechtigt ist, muesste ich die Gerichtskosten tragen?
Mit wieviel Aufwand muss man bei einem solchen Verfahren rechnen? Besteht das lediglich aus Briefeschreiben?
Was antworte ich den Stadtwerken am besten? Soll ich auf die von Herrn Fricke genannten Gerichtsurteile und das laufende Verfahren in Bielefeld eingehen, oder einfach garnichts sagen, die von mir berechneten Betraege ueberweisen und mal abwarten was passiert?
Viele Gruesse aus Bielefeld,
Jan Schaefer
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