@Hennessy
Zunächst freue ich mich, dass wieder an der Diskussion hier teilgenommen wird.
Die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB gilt nur bei einseitigen Preisanpassungen innerhalb von Dauerschuldverhältnissen, dort aber vollkommen unabhängig von einem Monopolbereich.
Es kommt lediglich darauf an, dass der einen Vertragspartei wirksam das Recht eingeräumt wurde, die Gegenleistung (neu) zu bestimmen.
Diese einseitige Bestimmung muss gem. § 315 BGB im Zweifel der Billigkeit entsprechen.
Diese gesetzliche Regelung gilt für die gesamte \"freie\" Wirtschaft, wenn die Preisanpassung nicht etwa durch Angebot und Annahme zur Vertragsänderung gem. §§ 145 ff. BGB i.V.m. Vorschriften des HGB oder sonstigen vertraglichen Regelungen wirksam als Vertragsanpassung/ Vertragsänderung vertraglich vereinbart wurde.
Unbillig ist es nach der Rechtsprechung des BGH, wenn der eigene Gewinnanteil am Preis erhöht wird, also nicht nur tatsächliche Kostensteigerungen über die Preise an die Kunden weitergegeben werden.
Das gilt also grundsätzlich bei allen langfristigen Austauschverträgen.
Bei kurzfristigen Austauschverträgen ist eine Preisanpassung ja schon oft AGB- rechtlich unzulässig.
Bei Tupper- Parties schließt man wohl Verträge, die auf einen einmaligen Leistungsaustausch gerichtet sind, jedoch keine langfristigen Bezugsverträge. In Einzelfällen mag das anders sein....
Entsprechendes gilt an Tankstellen etc. pp.
§ 315 BGB kann auch auf Versicherungsbeiträge, Bankgebühren und-zinsen Anwendung finden, vgl. hierzu nur die umfangreiche Kommentierung, obschon auch diese Unternehmen im Wettbewerb stehen. Darauf kommt es schlicht nicht an.
Es war auch nicht die Rede davon, dass § 315 BGB etwa eine gesetzliche Sonderregel für den Bereich der sog. Daseinsvorsorge wäre. Nur in diesem Bereich kann die Vorschrift nach der Rechtsprechung auch analoge oder entsprechende Anwendung finden , selbst wenn man einen Preis in Form des Allgemeinen Tarifs vertraglich vereinbart hatte.
Es geht beim § 315 BGB allein darum, dass das einmal aufgrund eines Vertrages begründete als gerecht empfundene und geltende Gleichgewicht des Austauschverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung nicht zu Gunsten des Leistungsbestimmungsrecht - Berechtigten zu verändern. Dessen Gewinn aus dem einzelnen Vertrag soll nicht steigen.
Dass der bei einem Vertragsabschluss zugrunde gelegte, vereinbarte Preis kostendeckend und auskömmlich ist, liegt in der Risikosphäre des Verkäufers. Dieser soll durch spätere einseitige Preisanpassungen hinsichtlich seines eigenen Gewinns nicht besser gesetellt werden.
Das leuchtet wohl ein und ist nicht nur sachgerecht.
Somit unterfallen auch Preisanpassungen von Stromhändlern außerhalb ihres Versorgungsnetzes oder von Stromhändlern ohne Versorgungsnetz grundsätzlich der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.
Der Versorger kann sich hiervor schützen, indem er nur kurzfristige Verträge anbietet, für die er die Preise mit den wirtschaftlichen Unsicherheiten kalkulieren kann oder aber selbst jeweils nur mit Änderungskündigungen versucht, Preiserhöhungen durchzusetzen.
Ob die Kunden das akzeptieren, wird sich erweisen.
Oft werden diese die Kündigung benützen, um den Versorger zu wechseln. Die Kündigungsfrist muss natürlich entsprechend lang bemessen sein, damit ein Versorgerwechsel überhaupt möglich ist.
Das belebt das Geschäft und den Wettbwerb.
Die Frage der Billigkeitskontrolle stellt sich nicht mehr.
Jeder hat nur noch den Preis, den er vertraglich vereinbart und akzeptiert hat. Ein solcher im fairen Wettbewerb gebildeter Preis ist nach unserer Wirtschafts- und Rechtsordnung immer ein gerechter Preis.
Anders sieht es aus, wenn der Preis diktiert wird.
Diese \"Billigkeit\" der einseitig bestimmten Preisanpassung auch von Stromhändlern muss sich also gerichtlich überprüfen lassen undzwar durch Offenlegung der Kalkulation, vgl. zur Konsequenz der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB nur LG Köln , Urteil vom 23.07.2003 - 81 O (Kart) 207/01, RdE 12/2004, S. 306, rechte Spalte, 3.Absatz:
\"
Es genügt dass der Vertragspartner die \"Billigkeit\" bestreitet und es ist dann Sache des Anderen, seine Kostenkalkulation- also die intimsten Geschäftsgeheimnisse - offen zu legen; bis zum Abschluss des Verfahrens, das heißt bis zur Rechtskraft des \"billigen\" Entgelts wäre dann vom Zahlungsverpflichteten überhaupt nichts (Anm: bei Preisanpassungen nur der bisherige Preis)
zu leisten, obwohl er seinerseits nach wie vor Anspruch auf die Leistung hat.\"Diese Rechtsauffassung wird ja gerade auch in den BGH- Urteilen vom 30.04.2003 - VIII ZR 278/02 und 279/02 gerade für den Bereich der Daseinsvorsorge und des Massengeschäfts bestätigt.
Der Offenlegung der Kostenkalkulation kann man sich ganz einfach entziehen. Eine Binsenweisheit:
Man lässt den Kunden einfach mit der Zahlung des bisherigen Preises gewähren und klagt gar nicht erst auf die weitergehende Zahlung.
Das wäre dann auch schon meine Empfehlung an alle, die ein schlechtes Gewissen haben müssen. Die anderen müssten klagen, um das \"billige\" Entgelt gerichtlich feststellen zu lassen.
Weil man die Kalkulation auch schon vorgerichtlich offen legen kann, damit der Kunde die Erforderlichkeit und Angemessenheit der Preiserhöhung prüfen kann, sollte man diese dem Kunden vorprozessual eröffnen, zumal wenn der Kunde dies bereits gefordert hatte, um nicht der Gefahr der Prozesskostentragungspflicht gem. § 93 ZPO bei sofortigem Anerkenntnis zu laufen.
Damit man nicht seine gesamte Kostenkalkulation offenlegen muss, sondern nur die für das Vertragsverhältnis maßgebliche, ist ein Unbundling sinnvoll. Bisher gibt es teilweise schon eine buchhalterische Trennung von Unternehmensaktivitäten. Ein gesellschaftsrechtliches Unbundling ist gefordert.
Schlussendlich ist der Vertriebsbereich eines bisher integrierten EVU nicht schlechter gestellt, als ein gebietsfremder Händler, der ebenso seine Kosten nachzuweisen hat. die Netznutzungsentgelte sind dabei für beide Kosten und müssen wohl wegen § 6 EnwG bei beiden gleich hoch sein.
Die NNE sollten in einem gesonderten Vertrag mit dem Kunden vereinbart werden. Dann kann er auch diese gesondert als unbillig rügen.
Bisher hat nur der gebietsfremde Stromhändler die Möglichkeit, die Netznutzungsentgelte zivilkartellrechtlich überprüfen zu lassen. Die Gerichte sehen nunmehr die Bestimmungen nach §§ 19 Abs. 4 GWB, 6 EnWG als jüngere spezialgesetzliche Sonderregelungen gegenüber dem § 315 BGB an.
Da kann man sich wohl vortrefflich drüber streiten, hatte doch der BGH noch im Urteil vom 02.05.2003 - VIII ZR 111/02 am Ende deutlich herausgestellt, dass die Grenzen der Billigkeitsprüfung nach § 315 BGB nicht mit den Grenzen der kartellrechtlichen Preismissbrauchsaufsicht und des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbotes übereinstimmen.
§ 315 BGB findet zudem dort Anwendung, wo der Preis vom Verkäufer aufgrund seiner Marktmacht quasi diktiert werden kann, weil er schon keine Preisverhandlungen im eigentlichen Sinne zulässt, der andere Vertragsteil jedoch auf die Leistungen angewiesen ist.
Diese Situation stellt sich nach wie vor im Bereich der Daseinsvorsorge mit lebenswichtigen Gütern und der Monopolstellung der Netzbetreiber.
Der örtliche Versorger als Netzbetreiber ist im Bereich des § 10 EnWG nach wie vor Monopolist, danur ihn allein die Anschluss- und Versorgungspflicht trifft, vgl. auch faktischer Vertragsschluss gem. § 2 Abs. 2 AVBV, und er als Inhaber des Netzes zudem über die Durchleitungsentgelte auch mittelbar die Preise seiner Wettbewerber mit bestimmen kann und bestimmt.
Neuere Rechtsgutachten zu der Billigkeitskontrolle von Netznutzungsentgelten von Prof. Dr. Schwintowski, Humboldt- Univ. Berlin und RA von Hammerstein Berlin vom 08.03.2005 finden sich hier:
http://www.neue-energieanbieter.de/aktuelles/schwerpunkt/index.htmlZur Kritik, die ich teilweise als berechtigt einräume:
Dass der Fall von \"Wechselkunden\", deren Stromhändler in Insolvenz gefallen ist und der nicht mehr liefert, so eindeutig nicht liegt, wird aus der Rechtsprechung ersichtlich:
Hilfe EDIS Energie Nord AG will wegen Altschulden speerenDer Kunde kann sich eben wegen §§ 33 Abs. 2, 30 AVBV oft zunächst nur mit § 315 BGB behelfen, um § 30 zu durchbrechen und die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 AVBV vorerst aus der Welt zu schaffen.
Natürlich ist das in einer solchen Situation ein \"Winkelzug\".
Aber wie sollte sich der von einer solchen Situation betroffene Kunde sonst zunächst wehren, um nicht etwa zu Unrecht zahlen zu müssen, damit weiter geliefert wird?
Zumal im geschilderten Fall Abschläge pünktlich geleistet wurden und Ratenzahlungen durch den Versorger abgelehnt wurden.
Die Durchsetrzung eines möglicherweise unberechtigten Zahlungsanspruches mit dem Druckmittel einer Versorgungseinstellung ist nicht nur aus meiner Sicht höchst problematisch.
Zahlung durch das Sozialamt mit Begründung einer eigenen Verbindlichkeit gegenüber diesem und dann ungewisser Rückerstattungsprozess?
Jedenfalls derzeit sind doch die Versorger finanziell wohl so gut aufgestellt, dass sie das Risiko und die Verzögerung durch einen Zahlungsprozess
im Einzelfall tragen könnten.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt