1. Konzessionsabgaben keine Kosten, sondern Teil der "Aktionärsrendite"Im Prozess der Stadtwerke Würzburg gegen mich wurden auch die Konzessionsabgaben thematisiert, vgl. im Schriftsatz vom 25.10.2011 der Würzburger Kanzlei Bohl & Colegen auf Seite 32 - 36 unter
http://www.ra-bohl.de/Schriftsatz_an_OLG_Nurnberg_v._25.10.2011.pdf. Dort heißt es auf Seite 33/34:
...
Herbert Wolf, der kaufmännische Geschäftsführer des WVV-Konzerns und Vorstand der Klägerin von 1986 bis zum 31.12.2005, rechnete im Jahr 2002 in der Zeitung für Kommunale Wirtschaft (ZfK) die Konzessionsabgabe zur „Aktionärsrendite“ der Stadt Würzburg. Wörtlich heißt es in dem ZfK-Heft 1/2002 auf Seite 5:
„
Die WVV als operative Holding gehört allein der Stadt Würzburg. Die weiß den Wert ihres Unternehmens zu schätzen. Und obwohl die Stadt zu den vom Finanznotstand besonders hart betroffenen Kommunen gehört, denkt man nicht an einen Verkauf der produktiven Tochter. Die Ar-beitsteilung zwischen dem kommunalen Infrastrukturdienstleister und der Kommune beschreibt Wolf so: Stadt/Kommunalpolitik geben der WVV die notwendige Rückendeckung, damit diese unternehmerisch handeln kann; es wird kontrolliert, aber nicht ins operative Geschäft reingeredet. Die WVV bedankt sich dafür mit ordentlichen Ergebnissen. Konkret heißt das, daß der Umwelt-konzern (im Geschäftsjahr 2000) 34 Mio. DM Verkehrsverlust trug, mit 17 Mio. DM die volle Kon-zessionsabgabe leistete, gut 8 Mio. DM Gewerbesteuer abführte und in diesem Jahr zusätzlich weitere 2 Mio. DM als Gewinn ausschüttet. Das entspricht einer auf das Eigenkapital bezogenen Aktionärsrendite von fast 55 %.“
B e w e i s : ZfK-Heft 1/2002, Seite 5 in Kopie, Anlage B25 (
http://zfk.ve.m-online.net/navframe/firm/02_1_wuerzburg.html)
Als Teil der „Aktionärsrendite“ kann die Konzessionsabgabe keine Kosten bezeichnen, die zur Leistungserstellung für die Strom-, Gas- oder Wasserversorgung der Klägerin betriebsnotwendig wären. Durch die von der Klägerin am 10.08.2011 behauptete Rückerstattung derartiger Millionenbeträge von der Hauptgesellschafterin an die Klägerin wird bestätigt, dass mit der Konzessionsabgabe keine Güter oder Dienstleistungen verbraucht werden, wie es zur Bewertung der Konzessionsabgabe als betriebswirtschaftliche Kosten notwendig wäre. Auch wenn die Klägerin mit Schriftsatz vom 05.10.2011 ihre eigene Aussage zu den Konzessionsabgaben aus dem Schriftsatz vom 10.08.2011 zu korrigieren sucht, stellen die Konzessionsabgaben – zumindest im vorliegenden Fall wegen der Gesellschafter-beziehung zur Stadt Würzburg – offenbar keine Kosten dar. Nach dem zitierten Ansatz des früheren Vorstandes der Klägerin bilden auch die Gewerbesteuern, die von der Klägerin an ihre Hauptgesellschafterin entrichtet werden, keine Kosten, sondern sind Teil des Gewinns.
Auf Seite 4 in Abschnitt II.1 ihres Schriftsatzes vom 30.09.2011 bestätigt die Klägerin, dass auch nach ihrer heutigen Auffassung die Konzessionsabgabe zum Gewinn gehört:
„
Die Stadt Würzburg beauftragte die Klägerin, mit dem Verkauf von Strom und Gas die Gewinne zu erzielen, die notwendig sind, dass die der Stadt Würzburg geschuldete Konzessionsabgabe und das im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) jährlich zwangsläufig entstehende Defizit erwirtschaftet wird.“
2. Grenze für die Höhe der Gewinne von StadtwerkenDer User "Black" behauptet, es existierten keine gesetzlichen Vorgaben für die Höhe der Gewinne von Stadtwerken. Die Gewinne wären nur durch den Markt begrenzt, da bei zu hohen Preisen Kunden abwandern würden. Diese Behauptung unterschlägt, dass Stadtwerke, so weit sie sich noch mehrheitlich in öffentlicher Hand befinden, zum hoheitlichen Handeln der Kommune gehören und Teil der öffentlichen Verwaltung sind. Dadurch sind Stadtwerke unmittelbar an die Grundrechte gebunden und dürfen insbesondere durch ihre Preisgestaltung die Eigentumsrechte und Entfaltungsrechte ihrer Kunden nicht beeinträchtigen. Die Städte und Gemeinden dürfen sich nicht über das Instrument eines städtischen Betriebes in verfassungswidriger Weise Einnahmen verschaffen und gegen den Gleichheitsgrundsatz bei der Auferlegung öffentlicher Lasten verstoßen.
Laut ihren Geschäftsberichten und ihren Satzungen ist die Hauptaufgabe eines Stadtwerks die Versorgung und Sicherung der Energie- und Trinkwasserversorgung für Bevölkerung und Wirtschaft in einer bestimmten Region. Der Betrieb eines gemeindlichen Unternehmens unterliegt speziellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und gehört zum schlicht-hoheitlichen Handeln, selbst wenn sich die Gemeinde bei der Ausführung einer privatrechtlichen Unternehmensform bedient. Dies hat schon der Bundesgerichtshof in seinem Leitsatzurteil VI ZR 19/68 vom 23.09.1969 am Fall eines nordrhein-westfälischen Verkehrsbetriebes festgestellt, vgl. BGHZ 52, 325. Demnach ist die Daseinsvorsorge für die Beklagte Teil ihrer hoheitlichen Tätigkeit. In den Gründen des BGH-Urteils vom 23.09.1969 heißt es, zitiert nach
http://sorminiserv.unibre.ch:8080/tools:
„
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, daß die Stadt DL ihr Verkehrsunternehmen nicht in der Form eines Eigenbetriebes (§ 74 GO NW), sondern als rechtlich selbständiges Wirtschaftsunternehmen (§ 72 GO NW: Eigengesellschaft) organisiert hat. Die Rechtsform entscheidet nicht darüber, ob die öffentliche Hand dem Verwaltungs- und nicht dem Privatrecht unterworfen und damit an den Gleichheitssatz gebunden ist. Alles, was funktionell zur Daseinsvorsorge gehört, ist nach den Grundsätzen des öffentlichen und nicht des privaten Rechts zu beurteilen (Forsthoff, Verwaltungsrecht I 9. Aufl. S. 382,484; Wolff, Verwaltungsrecht 7. Aufl. Bd. I § 23 II b1; vgl. BGH Urt. V. 10. Juli 1969 – KZR 13/68-, Betrieb 1969,1790). Infolgedessen ist die Tarifgestaltung der Beklagten nicht Sache des privaten Beliebens, sondern gehört zur öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge.“
2.1 wirtschaftliche Betätigung von Stadtwerken als Teil der Verwaltung In der Zeitschrift GEWERBEARCHIV (GA) Zeitschrift für Gewerbe- und Wirtschafts-verwaltungsrecht ist am 10. Januar 2005 der Artikel „Die wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden zwischen Grundrechtsrelevanz und kommunalem Selbstverwaltungsrecht“ von dem Kommunalrechtsexperten Dr. Christian Scharpf erschienen. In Kapitel „C. Reichweite und Grenzen wirtschaftlicher Betätigung nach Grundgesetz und Bayerischer Verfassung“ heißt es unter „I. Reichweite und Grenzen aufgrund der Grundrechte Privater“ in Abschnitt „2. Kritik an der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte“:
„
Betätigt sich eine Gemeinde wirtschaftlich, so bleibt sie, auch wenn sie ihre einem öffentlichen Zweck dienenden Gemeinwohlaufgaben mit einem Unternehmen in der Rechtsform des Privatrechts erfüllt, trotzdem öffentliche Verwaltung. Dies macht nicht zuletzt Art. 86 BayGO deutlich, wenn er sagt, dass die Gemeinde Unternehmen außerhalb ihrer allgemeinen Verwaltung in den dort genannten Rechtsformen betreiben kann, was klar macht, dass der Betrieb von Unternehmen zur besonderen Verwaltung gehört. Der Einwand, dass die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG nur die vollziehende Gewalt binden würden, die fiskalische Tätigkeit der Verwaltung aber keine vollziehende Gewalt sei, greift nicht und würde ansonsten dazu führen, dass der Staat sich durch die Wahl zivilrechtlicher Organisationsformen seinen grundrechtlichen Verpflichtungen entziehen könnte. Würde man zwischen hoheitlicher Verwaltung und (privat-)wirtschaftlicher Betätigung kommunaler Unternehmen unterscheiden, würde man die Reglementierung der Kommunalwirtschaft als solche in Frage stellen, denn für die Bindung an einen öffentlichen Zweck oder die Festlegung auf die Grundrechte wäre damit die Grundlage entzogen. Eine solche Sichtweise ist jedoch verfassungsrechtlich nicht haltbar, denn sie würde zur Fiktion eines Doppelgängers führen, der neben der hoheitlichen Verwaltung in Form der öffentlichen Unternehmen keinen öffentlichrechtlichen Bindungen unterworfen wäre. Für diese Konstruktion findet sich in der Verfassung keine Stütze.“
D. h., aus Artikel 86 BayGO lässt sich ableiten, dass Kommunalunternehmen sehr wohl zur Verwaltung der Kommune gehören, wenn auch nicht zur „allgemeinen Verwaltung“. Damit unterliegen sie selbstverständlich auch kommunalrechtlichen Vorschriften u. a. zur Gewinnbegrenzung, zur Äquivalenz, zur Gleichbehandlung und zum Kostendeckungsprinzip.
2.2 Bindung der Stadtwerke an Prinzipien öffentlichen FinanzgebarensIn dem Leitsatzurteil III ZR 12/83 vom 5.4.1983 hat sich der Bundesgerichtshof mit der Frage beschäftigt, inwieweit die in den Formen des Privatrechts handelnde öffentliche Verwaltung an die Vorschriften über die Zulässigkeit der Erhebung öffentlicher Abgaben (hier: Kosten der Löschwasserversorgung) gebunden ist. In Abschnitt II 3. b) der Urteilsgründe in dem Verfahren STAWAG (Stadtwerke Aachen AG) gegen das Land Nordrhein-Westfalen heißt es (Hervorhebungen durch Verfasser):
aa) Der Verwaltung selbst stehen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben nur die privatrechtlichen Rechtsformen, nicht aber die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zu. Nimmt die Verwaltung in den Formen des Privatrechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, so werden die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert (sog. Verwaltungsprivatrecht, vgl. Wolff/Bachof, VerwR I 9. Aufl. § 23 II; von Münch aaO § 3 II 2 S. 49; Ehlers DVBl 1983, 422, 423; Stober NJW 1984,449 ff.). Dabei besteht Einigkeit darin, daß die Verwaltung im Bereich des Verwaltungsprivatrechts nicht nur die Grundrechte zu beachten hat, sondern weitergehenden Bindungen unterworfen ist (Ehlers aaO S. 425 ff.; Stober aaO S. 452 ff.; vgl. auch Erichsen/ Martens aaO § 32 S. 310; für eine Verpflichtung jedenfalls auf die substantiellen öffentlich-rechtlichen Grundsätze im Fall der privatrechtlichen Ausgestaltung des Entgeltverhältnisses bei Leistungen der Daseinsvorsorge Bauernfeind/Zimmermann aaO § 6 Rn. 2). Wenn auch keine Bindung an alle Grundsätze des Verwaltungsrechts besteht (Frotscher aaO S. 29), ist doch davon auszugehen, daß die in den Formen des Privatrechts handelnde Verwaltung jedenfalls die grundlegenden Prinzipien öffentlicher Finanzgebarung zu beachten hat (Ossenbühl DVBl 1974, 541, 543; vgl auch Frotscher aaO S. 33). Die Flucht in das Privatrecht darf nicht zum Mittel der Erschließung illegaler Finanzquellen werden (Ossenbühl aaO). Der erkennende Senat hat es im Urteil vom 25. März 1982 (III ZR 159/80 = LM Vorb. zu § 145 BGB Nr. 15 = NVwZ 1983, 58, 60) als unbedenklich bezeichnet, daß eine Gemeinde durch Allgemeine Geschäftsbedingungen eine nach dem Kommunalabgabengesetz zulässige Maßnahme in entsprechender Weise in ein privatrechtliches Nutzungsverhältnis übertragen hat. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken würde es dagegen begegnen, wollte man durch Allgemeine Geschäftsbedingungen dem einzelnen Bürger Entgelte für Leistungen abverlangen, für die bei öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses Abgaben nicht erhoben werden dürften.
bb) Die Bindungen des Verwaltungsprivatrechts sind der Verwaltung auferlegt, wenn sie selbst in privatrechtlichen Formen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt. Damit ist der Anwendungsbereich des Verwaltungsprivatrechts aber nicht erschöpft. Die typischen öffentlich-rechtlichen Bindungen sind vielmehr auch dann anwendbar, wenn die Verwaltung nicht selbst oder durch einen Eigenbetrieb in privatrechtlicher Form handelt, sondern in Gestalt eines von der Verwaltung beherrschten, privatrechtlich verfaßten Rechtssubjekts - etwa einer Gesellschaft des Handelsrechts - dem Bürger gegenübertritt. Ein Betrieb, der einer öffentlichen Aufgabe gewidmet ist, übt Verwaltung im funktionellen Sinne aus (Rudolf in: Erichsen/Martens aaO § 56 II 3 S. 555). Ein solches Unternehmen stellt nur eine besondere Erscheinungsform dar, in der öffentliche Verwaltung ausgeübt wird (BVerfGE 45, 63, 80); es ist daher nicht nur in der Frage der Grundrechtsfähigkeit (dazu BVerfG aaO), sondern auch in den Fragen der Grundrechtsbindung und der weiteren Folgen der Anwendbarkeit des Verwaltungsprivatrechts wie der Verwaltungsträger selbst zu behandeln. 2.3 verfassungsrechtliche Grenzen des SteuerstaatesWenn in der Gemeindeordnung eines Bundeslandes nur die Frage geklärt wird,
ob eine Kommune sich wirtschaftlich betätigen darf, und wenn in der Bayerischen Gemeindeordnung über das Wie der Wirtschaftstätigkeit keine Vorgaben gemacht werden, dann ist die Art und Weise,
wie sich die Kommune wirtschaftlich betätigt, nicht beliebig, sondern Landes- und Bundesverfassung füllen diese Regelungslücke. In seiner Dissertation befasst sich Dr. Christian Scharpf u. a. mit der Reichweite und den Grenzen wirtschaftlicher Betätigung von Kommunen nach allgemeinen Verfassungsgrundsätzen. Die Dissertation trägt den Titel „
Kommunales Unternehmensrecht in Bayern – Voraussetzungen und Grenzen kommunaler Wirtschaftstätigkeit nach Art. 87 BayGO“ und ist 2004 im Münchener Herbert-Utz-Verlag erschienen. Im Abschnitt „Steuerstaatskonzeption“ auf Seite 19/20 hält Dr. Christian Scharpf fest:
„
Schließlich wird durch die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde das staatsrechtliche Steuerstaatskonzept tangiert. Diese im Grundgesetz zwar nicht explizit genannte Konzeption lässt sich aus den Wirtschaftsgrundrechten und der Finanzverfassung des Grundgesetzes ableiten und wurde vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt. Danach ist der Staat zur Finanzierung seiner Ausgaben auf die Erhebung von Abgaben, vor allem Steuern, verwiesen, während die Einnahmebeschaffung durch wirtschaftliche Betätigung grundsätzlich den Privaten vorbehalten bleibt. Der Staat soll an den mittels wirtschaftlicher Betätigung erzielten Gewinnen der Privatunternehmer durch die Vereinnahmung von Steuern nur teilhaben. Ein Verbot kommunalwirtschaftlicher Tätigkeit lässt sich daraus freilich nicht ableiten. Vielmehr wurde mit der Steuerstaatskonzeption nur eine ordnungspolitische Grundentscheidung getroffen, die für die Bestimmung der Reichweite kommunalunternehmerischer Betätigung zu berücksichtigen ist.“
In den zugehörigen Fußnoten verweist Dr. Christian Scharpf auf die drei folgenden, viel zitierten Leitsatz-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts:
- „Fehlbelegungsabgabe für Sozialwohnungen“ unter den Aktenzeichen 2 BvL 9/85 und 2 BvL 3/86 vom 08.06.1988, siehe BVerfGE 78, 249 und NJW 1988, 2529
- „steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen bei der Vermögen-steuer“ unter Aktenzeichen 2 BvL 37/91 vom 22.06.1995, siehe BVerfGE 93, 121 und NJW 1995, 2615
- „Wasserpfennig“ unter Aktenzeichen 2 BvR 413/88 und 2 BvR 1300/93 vom 07.11.1995, siehe BVerfGE 93, 319 und NJW 1996, 2296
Die sogenannte bundesstaatliche Finanzverfassung des Grundgesetzes ist in den Artikeln 104a – 109 des Grundgesetzes geregelt. Der Verfassungsgeber ist bei der Schaffung der Finanzverfassung davon ausgegangen, dass sich die Gemeinden vor allem aus Einnahmen durch Abgaben und nicht durch die Selbstbewirtschaftung von Eigentum oder durch Gewerbetriebe finanzieren. So formuliert es Dirk Hauser in seiner 2004 vorgelegten Dissertation „
Wirtschaftliche Betätigung von Kommunen – Beschränkungen durch Verfassung, Gemeindeordnung und Wettbewerbsrecht“ auf Seite 117 in dem Abschnitt über das Prinzip des Steuerstaats. Das Bundesverfassungsgericht drückt den Gedanken in den juris-Randnummern 149, 153 und 166 der „Wasserpfennig“-Entscheidung 2 BvR 413/88 vom 7.11.1995 wie folgt aus:
„
Der Finanzverfassung liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden in erster Linie aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmequellen erfolgt (Prinzip des Steuerstaates). ...
Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans ist berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, daß das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden. ....
Die für die Abgrenzung zur Steuer unerläßliche Abhängigkeit der Wasserentnahmeentgelte von einer Gegenleistung bleibt allerdings nur erhalten, wenn deren Höhe den Wert der öffentlichen Leistung nicht übersteigt. Andernfalls würde die Abgabe insoweit - wie die Steuer – ‚voraussetzungslos’ erhoben. Sie diente dann nicht mehr nur der Abschöpfung eines dem Abgabeschuldner zugewandten Vorteils, sondern griffe zugleich auf seine allgemeine Leistungsfähigkeit im Blick auf die Finanzierung von Gemeinlasten zu. Das Heranziehen des Einzelnen zur Finanzierung von Gemeinlasten ist jedoch allein im Wege der Steuer zulässig.“
Das Bundesverfassungsgericht hat sich 1994 mit dem sogenannten Kohlepfennig beschäftigt. Der Kohlepfennig war ein Preisaufschlag auf die Strompreise der Energieversorgungsunternehmen in Deutschland, den die Verbraucher der alten Bundesländer von 1974 bis 1995 zu entrichten hatten. Ziel war die Finanzierung des Steinkohlebergbaus in Deutschland, der ohne den Kohlepfennig gegenüber dem Ausland nicht konkurrenzfähig gewesen wäre. Die Subventionierung des deutschen Steinkohlebergbaus war nach Ansicht des Gesetzgebers aus energie-, sozial- und regionalpolitischen Gründen erforderlich. Am 11. Oktober 1994 entschied der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts jedoch, dass der Kohlepfennig verfassungswidrig ist. Das Verfassungsgerichtsurteil vom 11. Oktober 1994 unter Aktenzeichen 2 BvR 633/86 findet sich z. B. unter
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv091186.html. Seit dem 1.1.1996 wird der Steinkohleabbau aus dem Staatshaushalt subventioniert.
Die beiden Leitsätze des Urteils vom 11.10.1994 lauten:
1. Um die bundesstaatliche Finanzverfassung wie auch die Budgethoheit des Parlaments vor Störungen zu schützen und den Erfordernissen des Individualschutzes der Steuerpflichtigen im Blick auf die Belastungsgleichheit Rechnung zu tragen, ist eine Sonderabgabe nur in engen verfassungsrechtlichen Grenzen zulässig; sie muß deshalb eine seltene Ausnahme bleiben.
2. Die Ausgleichsabgabe nach § 8 Drittes Verstromungsgesetz (sog. Kohlepfennig) ist nicht als Sonderabgabe zu rechtfertigen, weil sie eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern belastet, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgabe trifft, den Steinkohleneinsatz bei der Stromerzeugung zu sichern.In Abschnitt C II 2 der Begründung zum Urteil vom 11.10.1994 stellt das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Abgabe des Kohlepfennigs fest:
„
Die mit der Abgabe belasteten Stromverbraucher bilden eine den Trägern von Verbrauchsteuern ähnliche Allgemeinheit von Betroffenen, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Kohleverstromung trifft. … Die Sicherstellung der Strom- oder Energieversorgung aber ist ein Interesse der Allgemeinheit, das deshalb als Gemeinlast - durch Steuer - finanziert werden muß. … Die Befriedigung eines solchen Interesses ist eine Gemeinwohlaufgabe des Parlaments, das Finanzierungsinstrument die Gemeinlast der Steuern.“
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zeigt, dass gerade Energiepreise nicht mit sachfremden Abgaben belastet werden dürfen, selbst wenn deren Verwendungszweck dem Allgemeinwohl dient. Wenn es gute umwelt-, sozial- und verkehrspolitische Gründe gibt, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu subventionieren, dann muss das im zuständigen Parlament auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene erörtert und entschieden werden. Ob und in welchem Umfang der ÖPNV oder Schwimmbäder mit öffentlichen Mitteln gefördert wird, ist auf Basis der verfügbaren Steuereinnahmen im Rahmen des Haushaltes vom demokratisch gewählten Parlament festzulegen. Die parlamentarisch gewollte Subvention des ÖPNV darf aber nicht in völlig intransparenter Weise über die Energie- und Trinkwasserpreise finanziert werden, sondern ist über Steuern aus dem allgemeinen Haushalt zu bezahlen.
Auch der Bundesgerichtshof hat sich mehrfach mit dem Kostendeckungsprinzip und den grundlegenden Prinzipien öffentlichen Finanzgebarens befasst. Exemplarisch sei verwiesen auf die beiden Leitsatzurteile VIII ZR 7/05 und VIII ZR 8/05 des BGH vom 21.09.2005, die sich mit Baukostenzuschüssen in der Wasserversorgung befassen.