Energiepreis-Protest > GEWS Singen (ehemals)

Sondervertrag - neue gesetzl. Rahmenbed. und Preissenkung

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elmex:
Versuche es mal untechnisch auszudrücken:

Ein Grundversorgungsvertrag ist ein Vertrag, den die lokalen Versorgungsunternehmen anbieten müssen, damit ausnahmslos jeder mit Energie versorgt werden kann. Dazu sind die lokalen Versorger gesetzlich verpflichtet. Er kommt üblicherweise dadurch zustande, dass der Kunde Energie aus dem Leitungsnetz entnimmt, ohne etwas besonderes zu vereinbaren (Sondervertrag). Üblicherweise ist der Grundversorgungs- oder allgemeiner Tarif etwas teuerer.

Wer sich hingegen vertraglich gesondert an seinen Versorger gebunden hat, kann meist etwas "günstigere" Tarife erhalten. Dies hängt bei den meisten Unternehmen von der Abnahmemenge ab. Bei einem Sondervertrag einigt man sich mit dem Versorger auf alle Vertragsumstände, so auch auf einen bestimmten Preis. Faustregel: Wer zum Erhalt von Energie etwas unterschrieben hat, hat in aller Regel einen Sondervertrag abgeschlossen.

In der Grundversorgung fehlt grundsätzlich eine solche Einigung, so dass der Versorger seine Leistung/Preise einseitig festsetzt, also quasi aufdiktiert, ohne dass man sich als Kunde einverstanden erklären muss. Erst in einem solchen Fall eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts greift der § 315 BGB ein.

Ein solches Leistungsbestimmungsrecht gibt es bei Sonderverträgen nicht,  weil man sich eben geeinigt hat, so dass eine Anwendung des § 315 BGB grundsätzlich ausscheidet.

RR-E-ft:
@elmex

Sie beschreiben nur die Einigung beim Vertragsabschluss auf einen Preis in konkreter Höhe.

Verlangt der Versorger nach Vertragsabschluss von den (ggf. vereinbarten) Anfangspreisen abweichende - in der Regel höhere Preise - so stellt sich die Frage, ob er zu solchen einseitigen Preiserhöhungen berechtigt ist und, wo dies der Fall sein sollte, ob die höheren Preise der Billigkeit entsprechen.

Für Sonderverträge galten die AVBGasV/ AVBEltV, nummehr GasGVV/ StromGVV als Rechtsverordnungen nicht, so dass sich ein Recht zu einseitigen Preisänderungen nur aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Versorgers ergeben kann.

Preisvorbehalte in solchen Allgemeinen Geschäftsbedingungen erweisen sich regelmäßig wegen unangemessener Benachteiligung des Kunden und Intransparenz gem. § 307 BGB als unwirksam, so dass keinerlei Preiserhöhungen darauf gestützt werden können (vgl. etwa LG Rostock, Urt. v. 26.04.2007; LG Kassel, Urt. v. 05.02.2007; LG Leipzig, Urt. v. 13.10.2006;  LG Dresden, Urt. v. 30.06.2006; LG Berlin, Urt. v. 19.06.2006; LG Bremen, Urt. v. 24.05.2006; LG Dresden, Urt. v. 11.05.2006).

Soweit einseitige Preisänderungen wirksam vorbehalten sind oder sich das Preisbestimmungsrecht aus dem Gesetz ergibt, etwa § 4 AVBGasV/ AVBEltV, unterliegen die einseitig erhöhten Preise der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB  (vgl. etwa LG Duisburg, Urt. v. 10.05.2006; LG Koblenz, Urt. v. 11.01.2007).

merkle:
Das ist ja ganz interessant.

D.h. bisher konnten wir (Freund, Kollegen und ich) uns nur deshalb auf den §315 berufen, weil der Versorger abweichend von dem ursprünglichen Vertrag die Preise einseitig erhöht hat bzw. sich das Preisbestimmungsrecht aus dem Gesetz ergeben hat, etwa § 4 AVBGasV/ AVBEltV. Ups - da waren wir als § Laien doch etwas leichtfüssig unterwegs.

Selbst wenn auch auf den neuen Vertrag der §315 anwendbar wäre, so könnten wir ausschließlich neue Preiserhöhungen damit anfechten. Mit der Unterschrift unter den Vertrag akzeptieren wir also auch die neuen Preis. Ist das korrekt?

Wenn sich der Versorger im neuen Vertrag ausschließlich auf das GasGVV bezieht, könnten wir dann bei erneuten Preiserhöhungen noch den §315 anwenden?

Diesen Teilsatz in deiner Antwort habe ich noch nicht ganz verstanden: "Soweit einseitige Preisänderungen wirksam vorbehalten sind..." - könntest du mir dies bitte erklären?

Vielen Dank, dass ihr uns mit euren Antworten weiterhelft und Licht ins Dunkel bringt. Gruß.

RR-E-ft:
@merkle

Einen Fall, wo Preisänderungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vorbehalten gewesen sein sollen, betrifft dieses Urteil des BGH:

http://www.jur-abc.de/cms/index.php?id=181 (= BGHZ 97, 212)

Dabei kam § 315 BGB auf die nach Vertragsabschluss geänderten Entgeltbestimmungen des Unternehmens zur Anwendung.

Schon der Anfangspreis bei Vertragsabschluss kann einer Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegen, wenn der Anbieter in seinem Leistungsbereich eine Monopolstellung hat oder wenn ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht hinsichtlich der zu zahlenden Entgelte vereinbart wurde.

BGH, Urt. v. 18.10.2005 - KZR 36/04, Rn.10:

http://www.rws-verlag.de/bgh-free/volltext6/vo113755.php


Das ist der Sache nach ein Leistungsbestimmungsrecht. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass etwa Zinsanpassungsklauseln in den Anwendungsbereich des § 315 BGB fallen (BGHZ 97, 212, 214). Das Recht des Netzbetreibers, künftige Netznutzungsentgelte ohne Mitwirkung des Netznutzers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden. Aber auch das zum Zeitpunkt des Vertragschlusses von dem Netzbetreiber geforderte Entgelt ist regelmäßig ein nach dem Willen der Vertragsparteien einseitig bestimmtes Entgelt, das der Netzbetreiber zu bestimmten Zeitpunkten ermittelt und das - schon zur Vermeidung einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung - für eine bestimmte Zeitdauer sämtlichen Vertragsbeziehungen mit gleichen Nutzungsprofilen unabhängig davon zugrunde liegen soll, wann der Vertrag geschlossen wird. Auch dann, wenn das Entgelt betragsmäßig bereits feststellbar ist, wird - wie im Streitfall der Verweis auf die "jeweils geltende Anlage 3" verdeutlicht - nicht dieser Betrag als Preis vereinbart. Der Betrag gibt vielmehr lediglich das für einen bestimmten Zeitpunkt ermittelte Ergebnis des gleichen Preisbestimmungsverfahrens wieder, das dem Netzbetreiber auch für die Zukunft zustehen soll, an dem der Netznutzer nicht teilnimmt, dessen konkrete preisbestimmende Faktoren ihm nicht bekannt sind und dessen Ergebnis er weder nachvollziehen noch beeinflussen kann. Es ist daher nicht weniger einseitig bestimmt als die künftige Höhe des Entgelts. Es wäre eine künstliche Aufspaltung der äußerlich und inhaltlich einheitlichen Preisvereinbarung und führte zu Zufallsergebnissen, wollte man einen vereinbarten Anfangspreis von (vom Zeitpunkt der ersten ausdrücklich oder stillschweigend vorgesehenen Neuberechnung an maßgeblichen) einseitig bestimmten Folgepreisen unterscheiden.

Dabei wird auf oben genannte Entscheidung BGHZ 97, 212 zu Zinsklauseln verwiesen.

Das Recht des Versorgers, künftige Entgelte ohne Mitwirkung des Abnehmers festzusetzen, kann nicht anders behandelt werden.

Das gilt dann, wenn der Versorger nach Vertragsabschluss die jeweils geltenden Entgelte durch Preiserhöhungen und Preissenkungen festlegen soll, wenn er also selbst an keinen Preis in konkret vereinbarter Höhe in der Zukunft gebunden ist.

Sollen sich die Preise aus den jeweils geltenden Preisblättern des Versorgers ergeben, ist demnach der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt als die Folgepreise, so dass auch schon der Anfangspreis der Billigkeitskontrolle unterliegt.

Das ist eine Auslegungsfrage.

elmex:

--- Zitat von: \"RR-E-ft\" ---@elmex

Sie beschreiben nur die Einigung beim Vertragsabschluss auf einen Preis in konkreter Höhe.


--- Ende Zitat ---



Das ist zutreffend. Um nicht den ganzen Inhalt des Forums erneut darzulegen, habe ich versucht, den wesentlichen Anwendungsbereich des § 315 BGB darzulegen, insbesondere im Hinblick auf den Unterschied zwischen Grundversorgung und Sondervertrag.

Ihren Ausführungen zur Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln und diesbezügliche Anwendung des § 315 BGB pflichte ich vollumfänglich bei. Da es im Regelfall aber an einer wirksamen -den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligenden- Klausel fehlen wird, bleibt die Anwendung des § 315 BGB innerhalb von Sonderverträgen eher die Ausnahme. Vorrangig ist m.E. in solchen Fällen wohl  eine Einwendung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Nur am Rande bemerkt: Mich würde in der Tat interessieren, wie eine wirksame Preisänderungsklausel auszusehen hat...

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