Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Offensichtlich Kurzschluss bei Versorgeranwälten
RR-E-ft:
@Fredericus Rex
Der Sinn und Zweck des § 315 BGB besteht gerade darin, einen Vetragsabschluss entgegen § 154 Abs. 1 BGB auch dann zu ermöglichen, wenn sich die Parteien gerade nicht über alle vertragswesentlichen Punkte (etwa den Preis) geeinigt haben (vgl. Protokolle und Motive zum BGB).
Bei echten Tarifkundenverträgen bzw. Grundversorgungsverträgen fehlt dem Lieferanten im Gegensatz zu Sonderverträgen bereits regelmäßig der Bindungswille auf einen vereinbarten Preis.
Der Versorger ist wegen der gesetzlichen Versorgungspflicht regelmäßig daran gehindert, den Vertrag selbst zu kündigen.
Er will sich keinesfalls mit dem Kunden auf einen für die gesamte Vetragsdauer geltenden Preis einigen, kann dies auch gar nicht:
Der Versorger muss vielmehr in die Lage versetzt sein, unabhängig vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, im laufenden Vertragsverhältnis den Preis jederzeit an seine betriebswirtschaftlichen Erfordernisse anzupassen, um seiner gesetzlichen Versorgungspflicht gegenüber allen Anspruchsberechtigten jederzeit genügen zu können.
Zudem besteht eine Gleichbehandlungspflicht gegenüber den Kunden, die eine Preisspaltung gegenüber verschiedenen Tarifkunden mit gleichen Abnahmeverhältnissen ausschließt.
Weil der Versorger deshalb den Preis jederzeit - im Extremfall auch schon einmal wenige Minuten nach Vertragsabschluss- einseitig ändern können muss, kommt es gerade zu keiner Bindungswirkung des Versorgers durch die Einigung auf einen bestimmten Preis bei Vertragsabschluss.
Zugleich hat auch der Kunde kein Interesse an einer solchen Bindung durch eine Preisvereinbarung.
Diese würde nämlich auch verhindern, dass der Lieferant im laufenden Vertragsverhältnis die Preise einseitig absenkt, wenn es die Kosten- und Erlöslage des Versorgers zulässt bzw. einen Aufsichtsbehörde anordnet, wie etwa aktuell bei mehreren Thüringer Stadtwerken.
Somit entspricht es den anerkannten Interessen beider Parteien, dass dem Versorger von Anfang an ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird.
Die Einigung geht deshalb in diesen Fällen allein darauf, dass die Belieferung des Kunden zu den jeweiligen - vom Versorger einseitig festgelegten Preisen erfolgt, vgl. etwa § 4 AVBEltV/ AVBGasV.
Zutreffend hat etwa der Präsident des LG Duisburg den Leiter der Rechtsabteilung der Wuppertaler Stadtwerke (diesmal in der Rolle eines Prozessvertreters) darauf hingewiesen, dass es in Deutschland üblich ist, dass der Versorger die jeweils geltenden Allgemeinen Preise gem. § 4 AVBV einseitig festlegt und nicht etwa der Kunde und dass der Kunde an der Festlegung des neuen Preises auch überhaupt nicht beteiligt wird.
Das hätte der Herr Kollege womöglich aufgrund seiner Erfahrung bei den Tariffestsetzungen der eigenen Stadtwerke auch schon allein wissen können, so dass es eines solchen richterlichen Hinweises gar nicht bedurfte.
Diese einseitigen Preisfestlegungen unterliegen deshalb der Billigkeitskontrolle in direkter Anwendung des § 315 BGB.
Dabei kann die Überprüfungsmöglichkeit auch nicht erst an einen Preisänderungsakt des Versorgers anknüpfen:
Möglicherweise sinken nach Vertragsabschluss dessen Kosten bei der Beschaffung oder anderen preisbildenden Faktoren erheblich, ohne dass er dies zu Preissenkungen zum Anlass nimmt, weil es auch sonst keinen entsprechenden Druck auf die Preise gibt.
Der von Anfang an einseitig bestimmte Preis kann deshalb im laufenden Vertragsverhältnis auch dann und gerade deshalb unbillig werden, weil der Versorger die Preise überhaupt nicht abändert, obschon seine geänderte Kostensituation dies gebietet.
Mancher hat gern einen konkreten Fall:
So wollten etwa die Stadtwerke Jena nach ihrem Ermessen die Strompreise in der Grundversorgung zum 01.01.2007 erhöhen - womöglich, weil dies im Trend liegt und auch sie Trendsetter sein wollen.
Die (noch) zuständige Preisaufsichtsbehörde lehnte dieses Ansinnen ab.
Im Februar verfügte die Bundesnetzagentur eine Absenkung der wohl seit langem überhöhten Netzentgelte um 9 Prozent zum 01.02.2007.
Die Stadtwerke nahmen diese erhebliche Kostensenkung nicht zur Veranlassung, die Strompreise sogleich abzusenken, sondern es bedurfte erst einer Verfügung der Strompreisaufsicht, mit welcher die höchstzulässigen Strompreise gem. § 12 BTOElt abgesenkt wurden.
Die Stadtwerke Jena reagierten auf diese Verfügung dergetsalt, dass sie mit neuen, abgesenkten Strompreisen die verfügte Preisobergrenze nach ihrem Ermessen voll ausschöpfen.
Demgegenüber hatten etwa die Stadtwerke Düsseldorf eine Tariferhöhung bei der Preisaufsicht zum Jahresbeginn beantragt und auch genehmigt bekommen, ihr Ermessen bei der Festsetzung der Grundversorgungstarife indes dahingehend ausgeübt, den genehmigten Rahmen vorerst nicht voll auszuschöpfen und die Strompreise vorerst nicht zu erhöhen.
Ermessen über Ermessen....
Obschon fraglich ist, ob den Stadtwerken Jena gegenüber Sondervertragskunden ein entsprechendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht überhauupt wirksam vertraglich eingeräumt wurde, machten sie diesen gegenüber nach eigenem Ermessen zum 01.01.2007 von einem einseitigen Leistungsbetimmungsrecht Gebrauch und erhöhten die Vertragspreise einseitig über die seinerzeitige Preisobergrenze für den Allgemeinen Tarif hinaus, so dass die Sondervertragspreise bereits zum Jahresanfang über den Allgemeinen Tarifen lagen.
Nachdem die Aufsichtsbehörde nunmehr die Preisobergrenze für den Grundversorgungstarif noch einmal deutlich abgesenkt hat, die von den Stadtwerken einseitig festgelegten Sondervertragspreisen noch einmal deutlich weiter über dieser liegen, senken die Stadtwerke wohlmöglich nach ihrem Ermessen die Sondervertragspreise auch nicht wieder ab.
Das sind alles einseitige Bestimmungen gegenüber den jeweiligen Vertragspartnern, die sich ggf. gerichtlich überprüfen lassen müssen, wofür bekanntermaßen § 315 Abs. 3 BGB zur Verfügung steht.
Weil es im Gasbereich schon keine Preisaufsicht gibt, im Strombereich eine solche entfallen soll, sich an den laufenden Verträgen indes nichts ändert, könnte die direkte Anwendung des § 315 BGB zukünftig eine noch großere Bedeutung erlangen.
Im Fall der Strompreise der Stadtwerke Jena sieht es jedenfalls so aus, dass die Stadtwerke ihr Ermessen wohl offensichtlich in mehrerlei Hinsicht gegenüber verschiedenen Vertragpartnern falsch ausgeübt haben, indem sie nur ihren eigenen Vorteil gesucht haben ohne auf die berechtigten Belange der Vetragspartner, deren rechtlich anerkanntes Interesse in einer möglichst preisgünstigen Versorgung besteht, Rücksicht zu nehmen.
Dies soll die Billigkeitskontrolle gem. § 315 Abs. 3 BGB gerade verhindern bzw. nachträglich über einen entsprechenden Rückerstattungsanspruch hinsichtlich des rechtsgrundlos Geleisteten korrigieren.
Diese ersichtlich weithin bestehenden praktischen Bedürfnisse nach einer Billigkeitskontrolle kommen bei Zenke/ Wollschläger zu kurz, weil keine praktikablen Lösungsvorschläge für den Kunden aufgezeigt werden, wie er sich vor der falschen Ermessensausübung durch den Versorger schützen kann bzw. rückwirkend schnell und unproblematisch eine entsprechende, angemessene Kompensation erfährt.
Haben Sie etwas Entsprechendes gefunden?
Die Experten von FPS haben anscheinend auch keine praktikablen Lösungsvorschläge.
All die Kollegen, die die Auffassung vertreten, in echten Tarifkundenverträgen sei kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zugunsten der EVU vereinbart, stehen folgenden dringenden Fragen gegenüber:
Sind viele Verträge mangels Einigung auf einen konkreten Vertragspreis für die Dauer des Vertragsverhältnisses gar nicht wirksam zustande gekommen, mit der Folge, dass oft nur bereicherungsrechtliche Ansprüche des Versorgers bestehen?
Waren die Versorger zu einseitigen Preisneubestimmungen in den laufenden Vertragsverhältnissen mangels eines vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechts gar nicht berechtigt?
Erfolgten mithin alle Zahlungen der Kunden in den vergangenen Jahren auf die erhöhten Preise deshalb rechtsgrundlos und unterliegen der Rückforderung gem. § 812 BGB?
Wie und in welcher Höhe hätten die Versorgungsunternehmen in diesem Fall ggf. Rückstellungen zu bilden, um diesem unternehmerischen Risiko ggf. rechtssicher Rechnung zu tragen?
Ab welchem Zeitpunkt wären ggf. Insolvenzanträge zu stellen, wenn keine Mittel zur Verfügung stehen und aufgebracht werden können, um entsprechend erforderliche Rückstellungen nachträglich zu bilden?
Dies wären die drängendsten Fragen, welche die Energiewirtschaft dann heute beschäftigen müssten. :idea:
Haben Sie irgendwo eine Antwort darauf gefunden?
Dabei wäre ja dann davon auszugehen, dass die Versorger wussten, dass sie zu einseitigen Leistungsbestimmungen in den laufenden Vertragsverhältnissen nicht berechtigt sind, denen per Einzugsermächtigung von den Kundenkonten abgebuchten Beträgen kein Rechtsgrund zu Grunde lag, mithin bösgläubig von den Kunden gar nicht geschuldete Beträge von deren Konten eingezogen wurden, was eine verschärfte Haftung auslöst.
Ich bin mal gespannt sehr gespannt, wer dafür dann in letzter Konsequenz die Verantwortung übernehmen wollte.
Zu denken ist auch an die Haftung der Kollegen, welche die Unternehmen entsprechend beraten hatten. :shock:
Motz:
Hallo, ich verstehe den § 315 BGB nun gar nicht mehr - habe mir die Antworten mal angesehen. Ist er nun anwendbar oder nicht? Würde gern meine Rechnung kürzen twisted, trau mich aber nicht. Habe mir auch Zenke/Wollschläger bestellt. Hoffe, dann klar zu sehen. Oder geht auch alles in einfachen Wortn?
RR-E-ft:
@Motz
In dem Werk der Versorgeranwälte Zenke/ Wollschläger wird man als Verbraucher sicher die richtige Antwort finden. :wink:
Es ist ganz einfach:
§ 315 BGB findet nur dann und soweit Anwendung, wie der Preis vom Lieferanten bei Vertragsabschluss oder später im laufenden Vertragsverhältnis einseitig festgelegt wurde.
Er findet deshalb keine Anwendung auf Preise, auf die man sich konkret geeinigt hat, und die wegen dieser Einigung als richtig gelten.
Preisen, auf die man sich nicht geeinigt hat, sondern die einseitig festgelegt wurden, fehlt hingegen diese "Richtigkeitsgewähr" und sie sind deshalb gerichtlich kontrollierbar.
In der Regel weiß man aus Kindertgen schon, wie eine Einigung funktioniert, ob mit Handschlag oder ohne.
Man kann also leicht beurteilen, ob man sich auf den Preis, der auf der Rechnung erscheint, geeinigt hatte oder aob dieser vom Lieferanten einseitig festgesetzt wurde.
Im Übrigen sei auch Energidepesche Sonderheft empfohlen.
Motz:
Aber, habe ich mich denn nicht geeinigt? Ich meine, wer macht denn Handschlag? Ich habe dort angerufen und mein Energieversorger, also die dame am Telefon, hat gesagt O.k., junger Mann, wir senden Ihnen gern unseren Strom. D Und ich habe gesagt, danke sehr, das wäre super P
Was meinen Sie denn mit "Versorgeranwälten"? Wenn das Anwälte sind, dann müssen die doch das Recht gut kennen, oder? ?
RR-E-ft:
@Motz
Möglicherweise hatten Sie sich gerade wegen eines bestimmten Preises Ihren Stromlieferanten gewählt. Möglicherweise hatten Sie aber auch nur die Telefonnummer eines einzigen Stromlieferanten, weil Sie sich vielleicht nicht besser informiert hatten.
Man kauft schließlich nicht immer gleich ein Buch für 49 EUR. :D
Ein fernmündlicher Vertragsabschluss ist zwar ungewöhnlich, aber nicht völlig ausgeschlossen.
Regelmäßig gibt es eine schriftliche Vertragsbestätigung, in denen der Inhalt des Vereinbarten wiedergegeben ist.
Wenn man dabei einen konkreten Vertragspreis vereinbart hat, dann gilt dieser aufgrund der Vereinbarung (Einigung) undzwar für beide Seiten, ohne dass einer der Vertragspartner den Preis einseitig neu festlegen kann.
Der Kunde hat dann Anspruch auf Stromliferungen zu dem konkret vereinbarten Preis und der Lieferant hat nur Anspruch auf diesen vereinbarten Preis.
Ohne Einigung auf einen konkreten Preis kommt wegen § 154 Ab. 1 BGB kein Vertrag wirksam zustande, es sei denn, man überlässt ausnahmsweise dem Lieferanten ein einseitiges Leistungsbetimmungsrecht und dieser übt dieses aus, in dem er den vom Kunden zu zahlenden Preis einseitig festlegt.
Wenn man sich also nur darauf geeinigt hat, dass Strom ab einem bestimmten Zeitpunkt über einen bestimmten Zähler geliefert werden soll, ohne eine konkrete Einigung auf einen zu zahlenden Preis und ohne einseitiges Leistungsbetimmungsrecht des Lieferanten in Bezug auf die Festlegung des Preises, ist demnach ein Energielieferungsvertrag nicht wirksam abgeschlossen worden.
Dann gibt es gar keinen Energielieferungsvertrag. Ebenso kommen andere Kaufverträge nicht zustande, wenn man sich nicht auf einen Preis geeinigt hat. Es fehlt dann an einer Einigung über einen vertragswesentlichen Punkt.
Na klar kennen Anwälte das Recht.
Möglicherweise ist auch Ihnen schon einmal aufgefallen, dass Anwälte - etwa vor Gericht - immer die Interessen ihrer speziellen Klientel vertreten. Das behalten sie regelmäßig auch bei, wenn sie gerade nicht im Gericht sind.
Herrn Kollegen Wollschläger kenne ich aus Verfahren, die wir vor verschiedenen Landgerichten führen, wobei er jeweils die Versorger vertritt.
Es stand deshalb nicht zu erwarten, dass er etwas veröffentlicht, was seiner Argumentation in den laufenden Verfahren zuwider liefe.
Indes war er auch bisher ersichtlich der einzige Kollege, der sich in einem nicht widerrufenen gerichtlichen Vergleich für ein Stadtwerk bereit fand, jeweils vor einer Preiserhöhung im laufenden Vertragsverhältnis die komplette Preiskalkulation gegenüber dem Kunden offen zu legen.
Ich schätze, dass er das nicht getan hätte, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass seine Mandantin sonst auch dazu gerichtlich verpflichtet worden wäre, denn der Kollege ist sicher ein guter Anwalt und gesteht deshalb nicht mehr zu als notwendig.
Ich bin mir ganz sicher, dass Sie das ganz gut verstanden haben und wenn nicht, einfach noch einmal von vorn mit Ihren Überlegungen beginnen, bis der Groschen ggf. fällt. :wink:
Falls Sie weiter zu keinem Ergebnis gelangen sollten, wenden Sie sich an einen Anwalt, dem Sie haarklein schildern, was seinerzeit am Telefon besprochen wurde, was ggf. danach schriftlich kam und welche Rechnungen hiernach gelegt und bezahlt wurden, damit dieser den Sachverhalt in Ihrem ganz speziellen Fall umfangreich prüft.
Sollte etwa eine Firma wie VARTA den Strom mit Batterien und Akkus gesandt haben, teilen Sie dies dem Anwalt unbedingt mit. Dann gilt wieder etwas anderes. :wink:
P.S.: Handschlag machen traditionell die Händler auf dem Viehmarkt. Handschlagfreudig sind aber auch die kernigen Menschen in den neuen Bundesländern.
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