[ VIII-ZR-270-05 11-10-2006 ]
BGH, Urt. v. 11.10.2006 - VIII ZR 270/05Entscheidend sind zunächst die Ausführungen in Tz. 18, wonach § 30 AVBV das Bestreiten der Billigkeit einer Preisbestimmung nicht ausschließt.
Weit entscheidender sind die Ausführungen in Tz. 19, wonach die Tarifbestimmungen einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen sind. Es ist dabei keine Rede mehr von einer "entsprechenden Anwendung", so dass § 315 Abs. 3 BGB
direkt angewendet wird.
Aufgezählt sind frühere Entscheidungen auch bezüglich Strom und Gas.
Dies gelte
grundsätzlich auch für die Preisgestaltung eines Fernwärmeversorgungsunternehmens.
Voraussetzung für die Überprüfung der Preisgestaltung nach § 315 Abs. 3 BGB ist stets, dass das EVU den
entsprechenden Tarif einseitig bestimmt und ihm hierbei ein gewisser Ermessensspielraum zusteht.
Dies sind exakt die Tatbestandsvoraussetzungen gem. § 315 Abs. 3 BGB bei direkter Anwendung der Norm.
Dies trifft auf einseitig festgelegte Grund- und Ersatzbelieferungstarife Strom/ Gas gem. §§ 36, 38 EnWG i.V.m. § 5 GVV wie auch auf einseitig festgelegte AllgemeineTarife der Allgemeinen Versorgung Strom/ Gas gem. § 10 Abs. 1 EnWG a.F i.V.m. § 4 Abs. 1 AVBV zu.
Dies sei aber bei einer vereinbarten Preisgleitklausel, die dem EVU
keinerlei Ermessensspielraum bei der Ermittlung des geänderten Preises belasse (sog. automatische Preisgleitklausel) nicht der Fall.
Weiterhin interessant die Ausführungen in Tz. 22, wonach ein konkludenter Vertragsabschluss nicht in Betracht kommt, wenn bereits ein Versorgungsvertrag besteht. Auch dies bereits länger bestehende Rechtsprechung des BGH. Auch der Einwand, nicht Kunde des EVU zu sein, wird von § 30 AVBV nicht ausgeschlossen.
Das Urteil bestätigt die bereits lange bestehende Rechtsprechung.
Zu den Einzelheiten vergleiche hier:
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=2006-10&Seite=5&nr=38026&pos=150&anz=201 Damit sind die Entscheidungen in den weiteren Verfahren zur Billigkeitskontrolle der von Gasversorgungsunternehmen einseitig bestimmten Tarife nach § 315 Abs. 3 BGB vorgezeichnet:
Verhandlungstermin BGH zu § 315 BGB GastarifkundenDer BGH erteilt der sog. Verdrängungsthese wieder eine klare Absage, wonach kartellrechtliche Vorschriften vorrangig und spezieller seien. Diese Absage liegt darin, dass der BGH diese abwegige Auffassung nicht einmal einer Erwähnung und Erwägung würdigt. Zutreffend für schlicht nicht diskussionswürdig befunden und somit abqualifiziert.
Nicht überzeugend ist indes die Gleichsetzung von §§ 24 AVBEltV, AVBGasV und AVBFernwärmeV in Textziffer 15.
Der Leitsatz bezüglich § 24 Abs. 2 AVBV ist zwar zutreffend.
Das eigentliche Problem des Falles dürfte indes bei § 24 Abs. 3 AVBFernwV gelegen haben.
AVBGasV und AVBEltV kennen keine Vorschrift wie den
§ 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV, die von der
Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen spricht.
Die
Kostenentwicklung der Wärmeerzeugung kann deshalb gerade nicht die Verkaufspreise meinen.
M.E. ergibt sich aus § 24 Abs. 3 AVBFernwärmeV etwas anderes.
Abzustellen ist auf die
Kosten des Fernwärmeversorgungsunternehmens, die insbesondere von der Entwicklung der Brennstoffkosten hinsichtlich des eingesetzten Energieträgers abhängen:
http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/Literatur/19820827_FWV_Dortmund_Bundeskartellamt.pdfDie zu beachtendenden Verhältnisse auf dem regionalen Wärmemarkt schaffen eine Preisbegrenzung, so dass ggf. nicht alle Kosten des FVU in die Preiskalkulation Eingang finden können. Fehlkalkulationen und überhöhte Brennstoffkosten u.ä. verbleiben als unternehmerische Risiken demnach beim FVU.
Bei einer Preisänderungsklausel gem. § 24 Abs. 3 AVBFernwV wird es sich grundsätzlich um eine AGB des Fernwärmeversorgungsunternehmens handeln (Argument: § 1 Abs. 1 AVBFernwV). Selbst ein nicht verhandelbarer Anfangspreis könnte eine solche AGB darstellen.
Entsprechende AGB können ihrerseits gem. §§ 307, 315 BGB unbillig und unwirksam sein, so wenn ein kommunales Unternehmen das
Kostendeckungsprinzip nicht beachtet (vgl. etwa BGH, Urt. v. 21.09.2005 - VIII ZR 7/05, Tz. 14, 15, 26):
http://lexetius.com/2005,2328Der dortigen klageabweisenden Entscheidung gegen den Versorger, einen Wasser- und Abwasserzweckverband, stand § 30 AVBWasserV ersichtlich auch nicht entgegen.
Insoweit könnte es sich um einen Wertungswiderspruch zwischen beiden Entscheidungen handeln.
Die Einschätzung des Lobbyverabandes AGFW beim VDEW zu dem Urteil ist hier zu lesen:
http://www.agfw.de/10.0.htmlEs handelt sich entgegen der dortigen Einschätzung um keine Grundsatzentscheidung. Eine Veröffentlichung in BGHZ ist gerade nicht vorgesehen. Wirklich Neues enthält das Urteil nicht, da es an der bisher bestehenden Rechtsprechung festhält.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt