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Autor Thema: Strom - Tarifkunde  (Gelesen 5287 mal)

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Offline Miguel

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Strom - Tarifkunde
« am: 17. November 2006, 20:32:14 »
Hallo alle hier!

Wenn ich die für mich relevanten Beiträge richtig verstanden habe, dann kann ich als Stromkunde in der Grundversorgung, trotz der einfacheren Möglichkeit einen anderen Anbieter zu finden, dennoch die ganze Palette des  § 315 BGB ansetzen und anweden... oder sollte ich mich so getäuscht haben!?

D.h. doch im Detail folgendes:

a) ich rüge den Gesamtpreis an sich, als unbillig und unangemessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB und lege Widerspruch dagegen ein

b) ich erbitte die Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen, die verständlich und nachvollziehbar sein muss

c) ich verweise das EVU darauf, dass der Einwand der Unbilligkeit gemäß § 315 BGB, die Nichtfälligkeit der Ansprüche insgesamt zur Folge hat. Es ist NICHTS so lange fällig, bis die Billigkeit nachgewiesen oder durch Gerichtsurteil bestimmt wurde. "Nichts" heisst in diesem Fall tatsächlich NICHTS (null, nada, nothing), da ich nur bereit bin den billigen Preis zu zahlen, diesen aber nicht im stande bin selber zu ermitteln. Dennoch besteht KEIN Zahlungsverzug, noch kann ich als Zahlungsverweigerer behandelt werden!


Ist mein Fazit korrekt? - Auch als Stromkunde?

Danke vielmals!

MfG
Miguel

Offline RR-E-ft

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Strom - Tarifkunde
« Antwort #1 am: 17. November 2006, 20:43:05 »
@Miguel


Da ist einer wohl ganz schön aufgeweckt.

So sehe ich das und mit mir wohl das Landgericht Gera.

LG Gera: Stromversorger soll nun Kalkulation offen legen

Praktisch auch kein Problem:

http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/10/0,1872,3017130,00.html
http://www.swr.de/report/archiv/sendungen/050228/02/frames.html

Der Versorger wird das naturgemäß wohl deutlich anders sehen. :wink:

Verbraucherverbände starten schon mal Aufrufe, die mir aber insoweit halbherzig erscheinen, als man denkt, man könne selbst einen angemessenen Preis bestimmen, was ich selbst indes gänzlich für unmöglich halte:

Strompreise: Aufruf zum Preisboykott

Es gibt wohl einige, die zum Kürzen aufrufen. Die praktischen Erfahrungen dürften naturgemäß unterschiedlich sein, je nachdem, ob und in welchem Umfang man selbst kürzt.

Ggf. sollte man sich bei denjenigen, die etwa gar zum Kürzen aufrufen, erkundigen, welche Erfahrungen sie selbst damit über die Zeit konkret gesammelt haben.

Offline uwes

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Strom - Tarifkunde
« Antwort #2 am: 20. November 2006, 18:40:06 »
Zitat von: \"RR-E-ft\"
So sehe ich das und mit mir wohl das Landgericht Gera.


Hierfür spricht einiges. Dagegen könnte die Entscheidung des LG Düsseldorf http://www.zner.org/pdf/200602U14.pdf
stehen, das sich erklärtermaßen aber nur mit dem Einwand des Kunden zu den Erhöhungen zu befassen hatte.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Strom - Tarifkunde
« Antwort #3 am: 20. November 2006, 19:13:02 »
@uwes

Im Zweifel die BGH- Rechtsprechung zu Rate ziehen:

http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/BGH_911002_VIIIZR240-90.pdf

Offline uwes

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Strom - Tarifkunde
« Antwort #4 am: 20. November 2006, 19:43:16 »
Was hat die genannte - und allseits bekannte - BGH- Entscheidung damit zu tun, wie ein Gericht heute über eine Sperrandrohung entscheiden würde, wenn ein Kunde gar nichts mehr zahlt?
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Strom - Tarifkunde
« Antwort #5 am: 20. November 2006, 19:54:05 »
@uwes

Die Frage beantwortet sich ggf. von selbst, wenn man nicht davon ausgeht, wir hätten etwa ein angelsächsisches Case Law, und zudem eine ganz genaue Prüfung in der notwendigen Reihenfolge vornimmt.

Hinsichtlich einer Sperrung wäre zu klären, ob das EVU ein Zürückbehaltungsrecht hat, welches dessen  gesetzliche Lieferverpflichtung überhaupt nur suspendieren könnte.

Gesetzliche Lieferverpflichtung ist die Regel, Versorgungseinstellung demgegenüber die Ausnahme.

Ein solches ZBR kann nur hinsichtlich fälliger Gegenansprüche bestehen.

Wenn der Tarifkunde  die vom EVU einseitig vorgenommene Tariffestlegung  gem. § 315 Abs. 3 BGB als unbillig rügt, sich gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB auf die Unverbindlichkeit beruft, ein Billigkeitsnachweis nicht erbracht wurde, so geht aus dem BGH- Urteil ganz deutlich hervor, dass dann derzeit kein begründeter, fälliger Zahlungsanspruch besteht.

Denknotwendig kann dann  auch kein ZBR wegen eines solchen, derzeit begründeten Zahlungsanspruches bestehen. Letzterer fehlt ja gerade.

Fehlt also ein ZBR verbleibt es denknotwendig bei der gesetzlichen Lieferverpflichtung, so dass deshalb gerade nicht gesperrt werden kann und darf (so auch LG Köln, RdE 2004, 306 re.Sp.).

Dieses letzte Stück wird man hoffentlich immer selber denken können.

Unverbindlichkeit bedeutet Nichtschuld, auch im Sinne  von § 814 BGB. Die Unverbindlichkeit ist das Gegenteil von einer Verbindlichkeit, also einer Schuld.

Der BGH hat es in dieser allseits bekannten, aber wohl oft nicht zu Ende gelesenen Entscheidung zurecht abgelehnt, selbst eine billige Bestimmung zu treffen, die überhaupt nur verbindlich sein könnte und also eine Verbindlichkeit (Forderung/ Schuld) überhaupt begründen könnte.

Es nutzt eben nichts, wenn Entscheidungen allseits bekannt sind, aber nicht zu Ende gelesen wurden oder nicht zu Ende gedacht verstanden wurden....

Auch in der Entscheidung BGH NJW 2003, 3131 konnte sich der Kunde auf die Unverbindlichkeit der Tariffestsetzung durch das Versorgungsunternehmen berufen.

Vorprozessual kann die Einrede der Unverbindlichkeit gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB gegen einseitig festgesetzte Entgelte keine andere Wirkung haben, als wenn diese erst noch im Zahlungsprozess des Versorgers erhoben wird, wo sie unzweifelhaft auch erst noch erhoben werden kann (vgl. BGH NJW 2005, 2919).

 

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