[ KZR-10-03 13-07-2004 ; 10-O-3613-05 30-06-2006 ; U-1426-06-Kart 11-12-06 ; KZR-2-07 ]
Der Kartellsenat des OLG Dresden hat über die Berufung der Enso gegen das Urteil des LG Dresden vom 30.06.2006 verhandelt.
Das Gericht überraschte die Beteiligten.
Herr Kollege
Dr. Kunth soll ratlos gewirkt haben und in eine gewisse Sprachlosigkeit verfallen sein.
Es gibt keinen einheitlichen Wärmemarkt, weil es an einen notwendigen, wirksamen Substitutionswettbewerb fehlt.
Dem Versorger sei zu Gute zu halten, dass er eine Monopolstellung inne hat und deshalb wegen § 19 Abs. 4 GWB seinen Kunden gegenüber zur Diskriminierungsfreiheit verpflichtet sei, was eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der verschiedenen Kunden verbiete.
Dies führe im Ergebnis dazu, dass § 307 BGB nicht so streng wie sonst greife, weil dies andernfalls zu einer Diskriminierung führe, wenn sich dadurch unterschiedliche Preise für Bestands- und Neukunden ergeben.
Deshalb liege wohl ein
einseitiges Preisbestimmungsrecht des Monopolisten vor.
Es müsse sich dann aber aus der Preisänderungsmitteilung gem. § 315 Abs. 2 BGB die Notwendigkeit und Angemessenheit der Preisänderung zweifelsfrei und nachvollziehbar ergeben, so dass nicht allein auf gestiegene Beschaffungskosten verwiesen werden könne.
Die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung über die Ausübung des Gestaltungsrechts müsse deshalb für die notwendige Transparenz sorgen und eine nachvollziehbare Begründung enthalten.
Wurden bei dieser Preisänderungsmitteilung Fehler gemacht, weil es an den notwendigen Darlegungen darin fehlt, könne der Fehler nachträglich nicht mehr geheilt werden, so dass die Preisänderung dann unwirksam sei.
Da es im Monopolbereich keinen Marktpreis gebe, könne nicht auf einen solchen abgestellt werden. Aufgrund der Monopolstruktur auf dem gesamten Gasmarkt könne deshalb nicht auf das Vergleichsmarktkonzept abgestellt werden.
Es könne auch nicht auf die Kosten des Unternehmens abgestellt werden.
Vielmehr sei nach dem Preis zu fragen, der sich in einem wirksamen Wettbewerb als Marktpreis herausbilden würde (wohl gemeint: wettbewerbsanaloger Preis).
Der wettbewerbsanaloge Preis läge dann wohl beim Grenzkostenpreis entsprechend dem Marktpreis im vollkommenem Wettbewerb. Um diesen zu ermitteln, müsste man indes die effizienten Kosten innerhalb der gesamten Lieferkette kennen.....
Im vorliegenden Verfahren sei das Gericht bisher zu der Überzeugung gelangt, dass die Erklärungen in den Preiserhöhungsschreiben es an der notwendigen Nachvollziehbarkeit fehlen ließen, so dass im Ergebnis das Urteil des LG Dresden aufrechterhalten bleiben muss.
Hätte der Versorger hingegen keine Monopolstellung und kämen deshalb die Überlegungen im Zusammenhang mit § 19 Abs. 4 GWB nicht zum Tragen, so verbliebe es bei § 307 BGB und der Unwirksamkeit der Preisänderungsklauseln und der Preisänderungen....
Angesichts der Tatsache, dass es sich bei Freshfields Bruckhaus Deringer um eine international tätige Großkanzlei handelt, lehnte es das OLG Dresden zurecht ab, Ausführungen dazu zu machen, wie eine wirksame Preisänderungsklausel oder entsprechende Preisänderungsmitteilungen auszusehen hätten, damit diese zu wirksamen Preisänderungen führen.
Nach dieser Verhandlung wäre es vollkommen überraschend, wenn das Urteil des LG Dresden nicht bestätigt werden sollte. Dafür müsste wohl schon die Verhandlung wiedereröffnet werden.
Entsprechendes steht indes nicht zu erwarten.
Eine Entscheidung soll am
11.12.2006 ergehen.
Fazit:
Alle Versorger, die sich bei Sonderverträgen bisher so positioniert hatten, dass sie keine Monoplstellung inne haben und auch kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB gegenüber den Kunden bestehe, sind vollkommen in die falsche Richtung gerannt, den falschen Propheten gefolgt.
Denn
allenfalls aus der Monopolstellung und dem daraus resultierenden Diskrimnierungsverbot könnte sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gem. § 315 BGB ergeben....
Wie auch sonst ?
Fraglich, ob das OLG entgegen dem Bestreiten des beklagten EVU zu dessen Gunsten eine Monopolstellung des selben
unterstellen durfte.
Denn natürlich hatte der Versorger in der I. Instanz vehement bestritten eine
Monopolstellung inne zu haben, da man sich ja in einem
scharfen Wettbewerb auf einem Wärmemarkt befinde....
Über das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot des Monopolisten und ein daraus folgendes Preisbestimmungsrecht kann man aber wohl schon in
Energiedepesche Sonderheft etwas erfahren.
Das OLG Dresden knüpft dann wohl an die althergebrachte sog.
Monopolrechtsprechung des BGH an und verlangt zum Nachweis der Billigkeit einer Preisbestimmung wohl Darlegungen zum
wettbewerbsanalogen Preis, der sich nach aller Theorie bei den (effizienten) Grenzkosten der gesamten Lieferkette einstellen sollte.
Darlegungen dazu dürften in jedem Falle mit Spannung erwartet werden, weil diese zugleich das Preissenkungspotential in den bisherigen Monopolpreisen offen zu Tage treten lassen würden.
Auch ohne bestehenden Wettbewerb könnten von Monopolisten demnach immer nur die Preise verlangt werden, die sich bei wirksamen Wettbewerb auf allen Handelsstufen einstellen würden. Dabei wäre daran zu denken, dass es bestimmte Wertschöpfungsstufen im wirksamen Wettbewerb überhaupt gar nicht mehr gäbe.
Das Eigentor dürfte darin bestanden haben, dass man auf die Ausführungen von
Säcker (RdE 2006, 65 ff.) verwies, wonach niemand Anspruch auf einen billigeren Preis denn den
wettbewerbsanalogen Preis habe.
So kann es gehen. :wink:
Anmerkung:
Besteht dann aber ein einseitiges Preisbestimmungsrecht des Monopolisten, so ist der Anfangspreis nicht weniger einseitig bestimmt wie der Folgepreis und die Sondervertragskunden sind nicht anders gestellt als die Tarifkunden. Darauf zielt der Aufsatz von
Dres. Kunth/ Tüngler in RdE 2006, 257 ff. ab.
Tarifkunden können indes die
Tariffestsetzung als solche als unbillig rügen und hiernach bis zum Nachweis der Billigkeit (vgl. oben) nur noch das zahlen, was jeweils derzeit gerade fällig ist (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Dies folgt aus § 17 Abs. 1 Satz 3 GasGVV.
So hat man sich nach dem Aufsatz von
Dres. Kunth/ Tüngler (RdE 2006, 257-
Scheinwerfer auf Fußnote 56) in eine Lage versetzt, wonach die Gaswirtschaft bald zum
Prekariat gehören könnte, wenn sie nicht schnellstmöglich für allumfassende Transparenz sorgt, die von den Kunden gefordert wird.
Gasversorger haben also zu erklären, dass sie eine Monopolstellung inne haben und trotz dieser Monopolstellung jedoch keine höheren Preise verlangen, als wenn es bereits einen allumfassenden,
scharfen Gas- zu- Gas- Wettbewerb gebe und dies nachvollziehbar und prüffähig belegen.
Eine solche Darlegung dürfte aufgrund der bisher bestehenden Denkmuster schwer fallen. Es erfordert eine absolute Umkehr.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt