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Autor Thema: AG Oldenburg: Feststellungsklage abgewiesen  (Gelesen 5166 mal)

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AG Oldenburg: Feststellungsklage abgewiesen
« am: 23. Dezember 2005, 17:33:17 »
Das Amtsgericht Oldenburg soll eine Klage eines Verbrauchers gegen die Gaspreiserhöhung der EWE vom September 2004 abgewiesen haben.

Vorweg: Kein Grund zur Beunruhigung.


Die entsprechende Pressemitteilung der EWE:

http://www.ewe.de/363_5555.php?navpoint=1.1

Näheres ist noch nicht bekannt, insbesondere Aktenzeichen, Tag der Entscheidung  und Berufungsmöglichkeit.

Ein einzelner Verbraucher soll eine negative Feststellungsklage eingereicht haben. Hiervon wurde bereits im Zusammenhang mit dem Urteil des AG Euskirchen immer wieder - nicht ohne Grund-  abgeraten.

http://www.energieverbraucher.de/files.php?dl_mg_id=500&file=dl_mg_1124221290.doc


Eine vorläufige Stellungnahme dazu:


I. Zur Zulässigkeit

Die Klage war zulässig.

Damit steht in diesem Punkt ein weiteres Urteil gegen die Interpretation eines Urteils des AG Koblenz durch die deutsche Gaswirtschaft , welche breit pubiziert wurde:

http://www.bgw.de/de/presse/pressemitteilungen/article_2005_6_21.html

Es ist nicht bekannt, ob die deutsche Gaswirtschaft in diesem Punkt ihre Rechtsauffassung zwischenzeitlich geändert hat. Offensichtlich ist diese  Rechtsauffassung der deutschen Gaswirtschaft jedoch längst nicht mehr haltbar. Aus meiner Sicht war sie es noch nie.

Das Gericht hat offensichtlich eine zivilrechtliche Billigkeitskontrolle von Gaspreiserhöhungen somit für zulässig erachtet. Demnach unterfallen Gaspreiserhöhungen der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.

Eine solche ist nicht etwa durch kartellrechtliche und energiewirtschaftliche Sondervorschriften ausgeschlossen, wie immer wieder von Versorgerseite gern suggeriert wird.

Aus den Mitteilungen der EWE über das  Urteil des AG Oldenburg ist folgende Rechtsprechung zu folgern:

1.  

Gaspreiserhöhungen unterliegen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB
.

2.

Verbraucher können die Billigkeit von Gaspreiserhöhungen im Wege einer Feststellungsklage gerichtlich überprüfen lassen.

3.

Das gilt auch für die Gaspreiserhöhungen der EWE.


Bis auf Punkt 3. wird damit die Rechtsprechung vieler anderer Gerichte bestätigt.

Das ist schon ein wichtiges Zwischenergebnis zugunsten der Verbraucher.

Leider stellt EWE dieses Ergebnis in seiner Pressemitteilung nicht deutlich heraus- wohl, weil man die Schwerpunkte woanders sieht.


II. Zur Begründetheit

Die Klageabweisung beruht offenbar auf einem unzutreffenden Prüfungsmaßstab, der zur Anwendung gebracht wurde:


Das Gericht hat - anders als das LG Mannheim, LG Hamburg, AG Karlsruhe sowie AG Heilbronn und AG Neuwied unzutreffend auf \"marktübliche\" Preise abgestellt.

Hierzu wurden die Erdgaspreise der EWE mit denen anderer Gasversorger verglichen. Dabei schneidet EWE tatsächlich nicht schlecht ab. Dies war jedoch für die zu entscheidende Streitfrage bedeutungslos.

Das Gericht stellte dabei - im Gegensatz zum AG Euskirchen- zutreffend auf den sachlich relevanten Markt, nämlich ausschließlich die Erdgasversorgung ab.

Auf Heizöl, Kohle, Holz usw. stellt das AG Oldenburg offensichtlich nicht ab, weil es schon auf keinen Wärmemarkt abstellt, sondern eine zutreffende sachliche Marktabgrenzung trifft.

Auch dies ein weiterer Etappensieg für die Verbraucher.


Bis dahin stimmt die notwendig vorzunehmende Marktabgrenzung.

Ein solcher Preisvergleich kann indes schon zu keinen zutreffendem Ergbenissen führen, weil sich die Preise bei der Verpflichtung zu preisgünstiger Versorgung nun einmal schon an den unternehmensindividuellen Kosten zu orientieren haben.

Diese unternehmensindividuellen Kosten können bei EWE weit geringer sein, als bei anderen Unternehmen, so dass EWE von Anfang an weit günstiger sein muss.

Diese unternehmensindividuellen Kosten sind aufgrund verschiedener Einflussfaktoren höchst unterschiedlich, worauf auch der BGW hinweist:

http://www.erdgasfakten.de/de/gaspreise/so_bildet_sich_der_erdgaspreis

Dementsprechend müssen auch die Preise unterschiedlich sein und sind nicht als \"marktüblich\" untereinander vergleichbar.

Wenn man lediglich die Preise von Monopolanbietern vergleicht, die ihr Angebot auf ihr jeweiliges Versorgungsgebiet bzw. Netzgebiet beschränken, so treffen diese jeweils örtlich auf das eigene Netzgebiet beschränkten Angebote schon nicht zeitgleich  an einem Ort aufeinander, so dass schon nicht von einem gemeinsamen Markt gesprochen werden kann, auf welchem die Gaspreise verschiedener Gasmonopolisten etwa gegeneinander in einen Wettbewerb treten würden, so dass sich überhaupt ein Marktpreis bilden könnte.

Wo es also bisher gar keinen Markt gibt, auf dem die Angebote verschiedener Gasversorger für Haushaltskunden aufeinandertreffen, kann es insoweit auch keine \"marktüblichen\" Gaspreise  geben.

Eine \"Marktüblichkeit\" setzt denknotwendig einen entsprechenden gemeinsamen Markt voraus, der bisher nicht existiert, allenfalls im kommenden Jahr - vielleicht - geschaffen werden soll:

http://www.erdgasfakten.de/de/wettbewerb/wettbewerb_im_erdgasmarkt

Deshalb bedarf es einer Marktabrenzung nicht nur hinsichtlich des sachlich relevanten Marktes, sondern auch hinsichtlich des räumlich relevanten Marktes , die das Gericht offensichtlich nicht vorgenommen hatte.

Die entsprechende Marktabgrenzung des Bundeskartellamts und der Rechtsprechung bei der Erdgasversorgung findet sich etwa im Beschluss des Bundeskartellamtes B8-309-99 auf Seite 75, Textziffern 172 ff.:

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Fusion/Fusion99/B8_309_99.pdf

Das Gericht hätte demnach feststellen müssen, dass der räumlich relevante Markt für die Gasversorgung von Haushaltskunden auf das Versorgungs- bzw. Netzgebiet der EWE beschränkt ist und kein weiteres Gasversorgungsunternehmen auf diesem Markt tätig ist und deshalb auf diesem räumlich relevanten Markt keine marktüblichen Preise existieren (können). Auf dem räumlich relevanten Markt gibt es nur die Preise des einzigen Anbieters und somit Monopolisten EWE.

Auf dem Unterlassen dieser notwendigen Marktabgrenzung gründet deshalb das Urteil offensichtlich fehlerhaft.

Das Gericht hätte sonst erkennen müssen, dass auf dem räumlich relevanten Markt gar kein weiterer Anbieter neben EWE vorhanden ist und deshalb die Preise des Monopolisten auf dem räumlich relevanten Markt immer zugleich auch die marktüblichen Preise wären (typisch für einen Monopolmarkt), so dass es wegen eines offensichtlichen Zirkelschlusses aus Gründen der Logik ohne Verstoß gegen elementare Denkgesetze nicht möglich ist, die Angemessenheit der Preise eines Monopolisten mit den marktüblichen Preisen auf dem räumlich relevanten Markt zu vergleichen.

Die Notwendigkeit der Marktabgrenzung hinsichtlich des räumlich relevanten Marktes wird durch die Aussagen der deutschen Gaswirtschaft zu den unterschiedlich hohen Erdgaspreisen gerade bestätigt:

http://www.erdgasfakten.de/de/gaspreise/so_bildet_sich_der_erdgaspreis

Gäbe es keinen räumlich begrenzten relevanten Markt, würden auch unterschiedliche Kostenstrukturen keinerlei Rolle spielen können.

Eine solche Beschränkung auf einen räumlich relavanten Markt im Sinne eines Versorgungsgebietes gibt es übrigends beim Heizöl nicht. Heizöl wird bundesweit gehandelt. Deshalb ist es auch vollkommen verfehlt, plötzlich die notwendige Marktabgrenzung etwa wieder aufzulösen und auf die Heizölpreise abstellen zu wollen, die eben gerade nicht regional so unterschiedlich sein können. Mögen die Erdgaspreise in Sachsen aus verschiedenen Gründen besonders hoch sein gegenüber anderen Regionen, so gibt es jedoch keinen Grund dafür, dass auch Heizöl in Sachsen besonders teuer wäre. Löst man die Marktabgrenzung zum sachlich relevanten Markt unzulässig auf, so müsste man die regionalen Erdgaspreise genau an den regionalen Heizölpreisen messen und nicht etwa an den entsprechenden Notierungen auf der Rheinschiene. Dann bliebe übrig, dass die Erdgaspreise bundesweit genauso homogen sein müssten wie die Heizölpreise. Sie sind es jedoch gerade nicht, eben wegen der regional unterschiedlichen Kostenstruktur bei der Erdgasversorgung.


Der Logik des Urteils des Amtsgerichts Oldenburg folgend müssten sonst die Preiserhöhungen aller Gasversorger, die im bundesweiten Gaspreisvergleich vordere Plätze mit höchsten Preisen belegen (es hat sich bisher noch kein Unternehmen als Tabellenführer geoutet) - ohne jede weitere Prüfung als unbillig bezeichnet werden können.

Das selbe Gericht würde man sich deshalb wünschen, um über die Billigkeit der Gaspreiserhöhungen in Sachsen angesichts eines bundesweiten Preisvergleichs zu entscheiden....



Deshalb ist es zur Beurteilung der Frage der Billigkeit von Preisen für leitungsgebundene Energie unmöglich, unabhängig von den unternehmensindividuellen Besonderheiten nur die Preise verschiedener Monopolanbieter untereinander zu vergleichen.

Dies hatten gerade die o. g. Gerichte in ihren bisherigen Entscheidungen umfangreich wie zutreffend ausgeführt.

Es ist nicht bekannt, ob sich das AG Oldenburg mit der umfangreich bestehenden Rechtsprechung zur Billigkeitskontrolle von Ergaspreisen und mit der entsprechenden Literatur auseinandergesetzt hatte.

Bemerkenswert ist, dass das Gericht- insoweit zutreffend - auf den Gesamtpreis abgestellt hat, der der Billigkeit entsprechen muss und nicht lediglich auf gestiegene Bezugskosten, die an anderer Stelle kompensiert werden konnten.

Sollte jedoch verabsäumt worden sein, zunächst die gestiegenen Bezugskosten gesondert zu prüfen, wäre dies ein erheblicher Mangel:

Dann wäre nicht auszuschließen, dass die EWE sich mit ihren bis in das Jahr 2004 im bundesweiten Vergleich günstigen Erdgaspreisen auch ohne entsprechende Kostensteigerungen durch Preiserhöhungen an die \"marktüblichen\" höheren  Preise anderer Gasversorger, die jedoch dort durch eine andere Kostenstruktur gerechtfertigt sein konnten, angenähert hatte.

Sonst  könnte der günstigste Versorger auch ohne entsprechende Kostensteigerungen seine Preise bis auf den Durchschnitt erhöhen und dadurch unbillig seinen kalkulierten Gewinnanteil an den Preisen erhöhen.

Gerade dies fördert preistreiberische Tendenzen (vgl. schon Held, NZM 2004, 169, 170; m.w.N.).


Die Prüfung hat deshalb zutreffend immer in zwei Schritten zu erfolgen:

1.

Wurden nur gestiegene Kosten weitergegeben?

2.

Entspricht der Gesamtpreis danach überhaupt der Billigkeit im Sinne der BGH- Rechtsprechung (BGH NJW-RR 1992, 183, 185)?

Diese Prüfung muss erfolgen, um auszuschließen, dass die Preise schon zuvor zu hoch lagen, so dass Kostensteigerungen zunächst durch Gewinnabschmelzung zu kompensieren waren, bis nur noch angemessene Gewinne mit den Preisen realisiert werden.

Es ist nicht bekannt, ob es gegen das von EWE genannte Urteil eine Berufungsmöglichkeit gibt.

Soweit eine solche besteht, sollte sie genutzt werden, so wie beim Urteil des AG Euskirchen, welches nun vor dem LG Bonn in der Berufung ist.

Eine Berufung hat aus meiner Sicht aus genannten Gründen einige Aussicht auf Erfolg, weil die Billigkeit der Preiserhöhung bisher nicht zutreffend geprüft wurde.


Das klageabweisende Urteil erwächst allenfalls in Rechtskraft zwischen den Parteien.

Bei einer anderen Klage, insbesondere einer Sammelklage zu einem Landgericht, kann die Entscheidung deshalb anders aussehen.

Allein sollte kein Verbraucher eine solche Feststellungsklage versuchen.

Dies ist schon unnötig, weil ja der Versorger klagen muss.

Zudem richtet sich der Streitwert nach dem 3,5- fachen des Jahresbetrages der Preisdifferenz über die gestritten wird und ist damit weit höher als bei einer Zahlungsklage des Versorgers.

Demgemäß ist auch das Kostenrisiko bei einer Feststellungsklage eines einzelnen Verbrauchers gegen ein EVU weit höher, als wenn man sich selbst verklagen lässt.

In diesem Sinne sei weiterhin vor Feststellungsklagen einzelner abgeraten.

Entsprechende, konzentrierte  Sammelklagen gegen EWE sollen nach Medienberichten angedacht sein. Diese sind streitwertabhängig von den Landgerichten zu behandeln, wo auf eine noch gründlichere juristsische Sachbefassung gehofft werden kann.

Durch die Formulierung im Konjunktiv unter Bezugnahme auf das Urteil wird zudem deutlich, dass sich EWE nur vorsichtig zur Billigkeit seiner Preiserhöhung äußert. Eine gewisse Vorsicht und Distanz scheint auch angebracht.

\"Dem Urteil zufolge sind Erdgaspreise Marktpreise\".

Dem Unternehmen, insbesondere seinen Juristen wird bekannt sein, dass durch die Klageabweisung einer solchen negativen Feststellungsklage das prozessuale Gegenteil- die Billigkeit der Preiserhöhung - nicht rechtskräftig festgestellt ist und somit nach der BGH- Rechtsprechung Zahlungsansprüche immer noch nicht fällig sind.

Selbst der vor Gericht bisher unterlegene Verbraucher kann deshalb weiterhin Zahlungen kürzen und EWE sodann auf Zahlung klagen lassen, mit vollkommen offenem Ausgang, da möglicherweise auch ein anderes Gericht/ anderer Richter zuständig sein wird.

Von einer Fälligkeit durch rechtskräftige Entscheidung könnte allenfalls dann gesprochen werden, wenn EWE selbst eine entsprechende positive Feststellungsklage erhebt und über eine solche dann rechtskräftig zugunsten EWE entschieden wird. Die Rechtskraft erstreckt sich auch dabei lediglich auf die verklagten Verbraucher.

Bei Zahlungsverweigerungen ist indes eine solche Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage (Zahlungsklage) subsidiär, so dass EWE wiederum die Kunden wohl auf Zahlung verklagen müsste.

Es steht deshalb nicht zu erwarten, dass EWE eine entsprechende, notwendig  positive Feststellungsklage zugleich gegen alle von einer Preiserhöhung betroffenen Kunden richtet.

Dies wäre jedoch erforderlich, wenn EWE zu dem Ergebnis kommen wollte, ein Gericht habe rechtskräftig über die Billigkeit seiner Preiserhöhung entschieden.

Das entsprechende Risiko dürfte auch EWE zu hoch sein, sonst hätte man es schon gekonnt.

Richtig zu stellen ist noch, dass das Gericht  als einziger Unabhängiger entschieden haben kann:

Einen Privatgutachter kann man nicht als unabhängig in diesem Sinne bezeichnen.

Die notwendige Unabhängigkeit folgt auch nicht etwa aus einem internationalen Renomme, sondern nur durch die Art der Beauftragung, nämlich durch Bestellung als Sachverständiger durch ein unabhängiges Gericht.


Fazit:

Angesichts der hohen Verweigerungsquote bei EWE stehen noch ebenso viele Gerichtsentscheidungen aus, wenn die Verbraucher nicht nachgeben.

Was kann da ein einzelnes Urteil des Amtsgerichts Oldenburg bedeuten?

Kunden der EWE können nun immer darauf verweisen, dass nach einem Urteil des AG Oldenburg die Gaspreiserhöhungen des Unternehmens der gerichtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterfallen, EWE ihnen gegenüber den notwendigen Nachweis noch nicht erbracht hat und deshalb weiterhin keine fälligen Zahlungsansprüche bestehen (vgl. Fricke, WuM 2005, 547, 558, 550 mit weiteren Nachweisen).

Denn eines ist auch klar:

Das Urteil verhält sich nur zu einer Preiserhöhung (Welcher Tarif?) vom September 2004.

Danach folgten weitere, zu denen es bisher gleich gar keine Urteile gibt.


Frohe Weihnachten.


Freundliche Grüße
aus Jena




Thomas Fricke
Rechtsanwalt

 

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