Die Anwendung der Billigkeitskontrolle setzt voraus, dass eine Partei die Leistung bestimmen soll.
Dies kann auch die vom anderen Vertragspartner zu erbringende Gegenleistung, etwa das Entgelt betreffen.
Die Bestimmungspflicht kann sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben.
Die st. Rspr. des VIII.Zivilsenats des BGH geht seit dem Urteil vom 28.03.07 Az. VIII ZR 144/06 davon aus, dass mit Abschluss eines Grundversorgungsvertrages insbesondere bei konkludentem Vertragsabschluss durch Energienentnahme eine Preisvereinbarung hinsichtlich des Anfangspreises zustande kommt, welche die Billigkeitskontrolle dieses Anfangspreises ausschließt.
Dabei wird m.E. verkannt, dass eine solche Preisvereinbarung für den wirksamen Vertragsabschluss schon nicht notwendig ist. Es genügt, wenn sich aus Vertrag oder Gesetz ergibt, dass eine Partei das Entgelt festsetzen bzw. bestimmen soll. Eine solche Entgeltbestimmungspflicht ergibt sich m.E. aus § 36 Abs. 1 EnWG, weil der Grundversorger die jeweiligen Allgemeinen Preise jeweils festsetzen muss, bevor er sie öffentlich bekannt gibt.
Der Grundversorger kann dabei eigentlich schon nicht auf (individuelle) Preisvereinbarungen mit den grundversorgten Kunden abstellen. Denn dann müsste er ausgehend vom individuellen Widerspruchsverhalten der Kunden (Widerspruch bereits seit 2004 oder erst seit 2013...) auf vollkommen unterschiedliche vereinbarte Preissockel abstellen. Er muss indes alle Kunden zu den gleichen von ihm öffentlich bekannt gegebenen Allgemeinen Preisen beliefern, die er selbst festgesetzt und öffentlich bekannt gegeben hat.
Bei Lichte betrachtet besteht die Einigung der Parteien auch beim konludenten Vertragsabschluss eines Grundversorgungsvertrages wohl nur darin, dass die Energielieferungen zu den jeweiligen Allgemeinen Preisen mithin Entgelten erfolgen sollen, die der Grundversorger [gem. § 36 Abs. 1 EnWG] jeweils einsetig bestimmt und öffentlich bekannt gibt.
Eine Preisakzeptanz ist in diesem Fall für einen wirksamen Vertragsabschluss schon überhaupt nicht notwendig.
Woher wollte der Kunde vor oder bei konkludentem Vertragsabschluss eines Grundversorgungsvertrages auch wissen, ob der Versorger nicht seit seiner letzten einseitigen Entgeltbestimmung und Preisveröffentlichung etwa stetig erheblich gesunkene Kosten zu verzeichnen hatte und deshalb gegenüber den grundversorgten Kunden längstens zur erheblichen Preisabsenkung gesetzlich verpflichtet war?
Wenn nun der Versorger infolge solcher rückläufigen Kosten längstens schon zur Preisabsenkung verpfllichtet war, warum sollte dann gerade nur der neu hinzukommende Grundversorgungskunde allein den längst zu hohen Preis mit Vertragsabschluss akzeptieren und zahlen müssen, während alle anderen grundversorgten Kunden aus der Verpflichtung des Versorgers auf Preissenkung längst einen Anspruch auf eine solche haben?
Ergibt sich aus der Einigung der Parteien, dass eine von ihnen das jeweilige Entgelt jeweils einseitig festsetzen soll, so unterliegt das jeweilige einseitig festgesetzte Entgelt jeweils der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB.
Siehe zur Mindermeinung Th. Fricke, ZNER 2011, 130 und Markert Festschrift für Säcker 2011, 845 ff..
Nimmt man hingegen mit dem VIII.Zivilsenat des BGH an, dass die vertragliche Einigung der Parteien nicht dahin geht, dass der Versorger das jeweilige Entgelt jeweils einseitig festsetzen soll, sondern am Anfang ein Preis vereinbart wird, hat § 315 BGB keinen vertraglich vereinbarten Anwendungsbereich.
Dann könnte der Anwendungsberich des § 315 BGB nur noch aus einer gesetzlichen Regelung eröffnet sein.
Der BGH meint, dies sei bei § 4 AVBV und § 5 GVV der Fall gewesen.
Der EuGH hat jedoch festgestellt, dass die gesetzliche Regelung des § 4 AVBV und des § 5 GVV in der bis zum 30.10.14 gültigen Fassung seit dem 01.07.04 mit den EU-Richtlinien zum Schutz der Haushaltskunden nicht vereinbar und deshalb unwirksam war.
Mithin konnte in Folge dieser Unwirksamkeit dieser gesetzlichen Regelungen aus diesen auch nicht mehr der Anwendungsbereich des § 315 BGB eröffnet sein.
Deshallb geht der BGH seit dem Urteil v. 24.2.16 Az. VIII ZR 216/12 davon, dass eine Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB aufgrund § 4 AVBV seit 01.07.04 nur noch für Nicht- Haushaltskunden- Tarifkunden zur Anwendung kommt, weil diesen gegenüber die gesetzliche Regelung des § 4 AVBV (anders als bei Haushaltskunden) nach der Entscheidng des EuGH nicht unwirksam ist.
Laut VIII. Zivilsenat des BGH waren gegenüber Haushaltskunden (nur solche befinden sich in der Grundversorgung!) die Regelungen der § 4 AVBV und § 5 GVV jedenfalls in der Zeit vom 1.7.04 bis zum 31.10.14 unwirksam und deshalb der Anwendungsbereich des § 315 BGB nicht mehr eröffnet, so dass für eine Billigkeitskontrolle kein weiterer Raum mehr war.
Folgt man dem VIII. Zivilsenat des BGH, so hatten Preisänderungen in der Grundversorgung seit 1.7.04 keine gesetzliche Grundlage mehr und unterlagen deshalb auch keiner Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB mehr.
§ 315 BGB fand deshalb in diesem Bereich keine Anwendung mehr.
An deren Stelle setzt dieser Senat seine nicht unumstrittene ergänzende Vertragsauslegung....
Und deshalb kann es geschehen, dass Kollegen, die der Rechtsprechung dieses Senats halbwegs kritiklos folgen, zu § 315 BGB nichts mehr ausführen und in ihren Schriftsätzen schreiben.