@Graf Koks
Damit meinte ich selbstredend nicht Sie.
Dass § 315 BGB auch nach den jüngsten Kartellrechtsnovellen, insbesondere der 6. Kartellrechtsnovelle von 1999 - weiter neben den §§ 19, 20 GWB zur Anwendung kommt, hatte ich anhand eines lange Zeit weithin unbeachteten BGH- Urteils aus 2001 in meinem Aufsatz WuM 2005, 547, (548) in Fußnote 18 deutlich und exakt nachgewiesen: BGH NJW 2001, 2541, (2544).(Das hatte ich auch schon zuvor Herrn Kollegen Grigoleit mitgeteilt, der es sicher gut im
Lichtblick- Prozess vor dem BGH gebrauchen konnte).
In dem genannten Aufsatz in \"Energiewirtschaftliche Tagesfragen\" wird demgegenüber in den Fußnoten 56, 59 stumpf behauptet,
ich habe dabei
offensichtlich übersehen, dass sich der BGH noch gar nicht mit dem Verhältnis nach der 6.GWB-Novelle befasst habe:
http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/Gemeinschaftsaufsatz_Par315_et_0512.pdfÜbersehen hat man indes selbst offensichtlich etwas, nämlich das in dieser Frage vollkommen eindeutige BGH- Urteil zu den Kabel- Hausverteileranlagen:
http://www.uni-rostock.de/fakult/jurfak/Gersdorf/medienrecht/Rspr_BRD/BGH_Kabelhausverteilanlagen.htm Die entsprechende, vollkommen eindeutige Passage unter II 2 d bb) (2) (a) und (b)zum Verhältnis zwischen § 315 BGB und den
neuen kartellrechtlichen Vorschriften nach der 6. GWB- Novelle , nämlich der neuen Verbotsnormen und den neu eingeführten Schadensersatzansprüchen ist in dem BGH- Urteil denn auch ziemlich weit hinten etwas versteckt, jedoch für Leute vom Fach zu finden- vorausgesetzt, dass man sich der Erkenntnis nicht verschließen möchte.
http://www.ewerk.hu-berlin.de/content/ewerk/ausgabe.php?type=info&message_id=88Dieses Urteil war also bereits 2001 in Fachkreisen bekannt.
Daraus ergibt sich schon, dass wohl auch der interessengleitete Aufsatz von
Stappert, NJW 2003, 3177 ff. zugleich Besprechung zum BEWAG- Urteil BGH NJW 2003, 1449 f. von Anfang an eine falsche Spur legte, wonach Netznutzungsentgelte von Stromnetzbetriebern keiner zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterfallen:
http://www.freshfields.com/lawyers/pf_lawyers.asp?personnelID=31884&languageID=1Auf diesem Aufsatz gründeten dann viele in der Sache unzutreffende Urteile bis hin zum OLG Stuttgart und Karlsruhe.
Schlussendlich wird die gegenteilige Auffassung nunmehr durch das BGH- Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04 (
Lichtblick- Urteil) eindeutig widerlegt:
http://www.juris.de/jportal/portal/t/7wk/page/oportal.psml/js_peid/0114?cmsid=5400&action=controls.MaximizeWer dabei überrascht tun wollte, ist entweder ein Heuchler oder hat die BGH- Rechtsprechung zu § 315 BGB tatsächlich noch nie verstanden und äußert sich gleichwohl fortlaufend so, als lägen vertiefte Kenntnisse vor.
Nicht anders geht die Energiewirtschaft nun wieder bei den Fernwärmepreisen vor:
http://www.agfw.de/813.0.htmlhttp://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/AGFW_Gutachten_315_BGB_050225.pdfhttp://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/Kurzfassung_Ver_ffentlichung_EHP.pdfDamit hat man einen kurzen Erfolg errungen, der jedoch in der Berufung wohl nicht von Dauer sein kann:
http://www.agfw.de/fileadmin/dokumente/rec/LG_Ulm_08-04-2005_FUG-ameoo_01.pdfBei den Gaspreisen wollte man mit dem wieder wohl interessengeleiteten Aufsatz der Kollegen
Dr. Kunth/ Dr. Tüngler in NJW 2005, 1313 offensichtlich diese Strategie weiter vorteilhaft einsetzen:
http://www.freshfields.com/lawyers/pf_lawyers.asp?personnelID=20188&languageID=1http://www.freshfields.com/lawyers/pf_lawyers.asp?personnelID=51918&languageID=1http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?docid=146507&docClass=NEWS&from=njw.65Der Hintergrund:
http://www.juve.de/cgi-bin/juve/dhb_eintrag.cgi?ID=2935Diesmal gab es jedoch von Anfang an Gegenwind:
http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?sessionid=BE27888CDE6845EC99712E4112632663&docid=152171http://rsw.beck.de/rsw/shop/default.asp?sessionid=BE27888CDE6845EC99712E4112632663&docid=157027(Original dann erschienen in WuM 2005, 547 ff).
Weshalb nur ein kartellrechtswidriger und somit sogar gem. § 134 BGB verbotener Preis unbillig sein sollte, bleibt das Geheimnis.
Schließlich geht es bei § 315 BGB um die Wahrung des Äquivalenprinzips im laufenden Dauerschuldverhältnis, bei dem der bestimmende seinen Gewinnanteil am Preis nicht erhöhen darf, vgl. das Flüssiggaspreis -Urteil des BGH vom 21.09.2005.
Diese Frage vollkommen unabhängig davon zu beurteilen ist, ob derjenige, der den Preis später einseitig neu bestimmt, überhaupt eine marktbeherrschende Stellung oder gar Monopolstellung inne hat und welche Preise seine Wettbewerber bieten.
Es bleibt vollkommen offen, wie die Frage der unzulässigen nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils am Preis bei einem Vertragspartener zu beurteilen und zu überprüfen sein sollte, der in einem vollständigen Wettbewerb steht und deshalb gar keine marktbeherrschende Stellung hat, so dass die Vorschriften des GWB schon nicht zur Anwendung kommen.
Bei solchen müsste immer der strengere § 315 BGB mangels Alternative zur Anwendung kommen.
Anders dann angeblich bei marktbeherrschenden Unternehmen, die mit ihren Preisen immer sogar
bis an eine Verbotsgrenze (!!!) heran gehen dürften.
Dieser offensichtliche Wertungswiderspruch ist fundamental und sollte deshalb eigentlich jeden von Anfang an disqualifizieren, der ihn leugnet.
In dem Aufsatz wird auch die Behauptung aufgestellt, § 315 BGB sei auf Fernwäremepreise nicht anwendbar, obschon das in Fußnote 30 zitierte Urteil des BGH sogar genügen ließ, dass der Beklagte Zweifel an der Billigkeit hatte, um eine Billigkeitskontrolle einer Klausel zu rechtfertigen.
Dabei wurde vom BGH dem Fernwärmekunden zugestanden, Preisspitzen zu kürzen oder die Einrede der unbilligen Preisfestsetzung im Zahlungsprozess des Versorgers zu erheben und zur Entscheidung des Gerichts zu stellen.
Beides ist indes offensichtlich nur möglich, wenn § 30 AVBFernwärmeV den Einwand der Unbilligkeit gerade nicht ausschließt.
Der BGH hatte Fernwärmekunden nicht darauf verweisen wollen, geleistete Zahlungen zurück zu klagen. Obschon man dieses Urteil zitiert und erläutert, wird an anderer Stelle stumpf die Behauptung aufgestellt, es sei genau anders herum.
Dies mag an den vielen Co- Autoren liegen, die sich ggf. immer nur mit einzelnen Abschnitten des Aufsatzes befasst haben mögen.
Eine stimmige, widerspruchsfreie Argumentation ergibt sich nämlich daraus nicht. Es wimmelt eher vor solchen Widersprüchen.
Wenn der BGH von einer
entsprechenden Anwendung des § 315 BGB spricht, ist damit nicht unbedingt eine Analogie gemeint:
Schließlich \"verkünden\" die Energieversorger regelmäßig den \"Erlass\" über ihre Preise, was von Anfang an für eine direkte Anwendung des § 315 BGB spricht.
Zudem ist die zivilrechtliche Billigkeistkontrolle überhaupt nicht auf den Bereich der Daseinsvorsorge beschränkt: Versicherungen, Bankzinsen, Flughafenbenutzungsgebühren, welche durch Fluggesellschaften zu zahlen sind.
So kommt § 315 BGB auch etwa auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers zur Anwendung. Der Arbeitgeber ist indes weder Monopolist, noch marktbeherrschend. Daseinsvorsorgeanbieter ist er auch nicht.
Jeder Arbeitnehmer kann sich flugs einen anderen suchen (theoretisch).
Es kommt deshalb allein auf eine gestörte Vertragsparität und eine Ungleichgewichtslage an, bei der beide Vertragsteile nicht \"auf gleicher Augenhöhe\" miteinander verhandeln können, der eine aufgrund seiner Überlegenheit seine Vorstellungen durchsetzen kann.
Übrigends ging es bei der sog. Monopolpreisrechtsprechung des BGH wohl nicht unbedingt um einen Kontrahierungszwang, dem der Verbraucher unterliegt:
Der Verbraucher muss in der Regel nicht mit einem bestimmten Unternehmen einen Vertrag abschließen:
Aufgrund der Freizügigkeit kann er auch wegziehen... und somit regelmäßig immer ausweichen, anders nur Gefangene/ Untergebrachte.
Der Verbraucher ist also äußerst selten gesetzlich oder auch nur faktisch
verpflichtet, mit einem Unternehmen einen Vertrag zu schließen.
Wenn der Verbraucher/ Kunde jedoch nicht zu einem Vertragsabschluss
verpflichtet ist, so unterliegt er auch selbst keinem Kontrahierungszwang.
Es geht vielmehr insbesondere darum, ob etwa das marktbeherrschende Unternehmen selbst einem Kontrahierungszwang unterliegt, zumeist gerade aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung.
Ein solcher Kontrahierungszwang ergibt sich entweder aus dem Gesetz, vorliegend Energiewirtschaftsgesetz, der AVBFernwärmeV oder aus dem kartellrechtlichen Diskrimnierungsverbot oder spiegelbildlich aus einem Anschluss- und Benutzungszwang.
Unter diesem Blickwinkel betrachtet, zeichnet sich auf einmal ein völlig neues Bild....
Dann geht es nämlich nicht um die Frage, ob der Kunde auf eine bestimmte Leistung angewiesen ist, sondern vielmehr darum, ob der Versorger mit jedem, der eine bestimmte Leistung von ihm in Anspruch nehmen möchte, einen Vertrag abschließen muss.Bekanntlich ist in einer freien Marktwirtschaft grundsätzlich niemand gezwungen, mit jederman Verträge abzuschließen, es sei denn, er unterliegt aus bestimmten Gründen einem
Kontrahierungszwang.
Und schon sind alle entscheidenden Fragen hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 315 BGB wohl viel einfacher zu beantworten.
Die Nebel lichten sich.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt