@Graf Koks
Hinsichtlich des genannten BGH- Urteils VIII ZR 111/02 vom 05.02.2003 (NJW 2003, 1449) ziehen sich die Vertreter der Energiewirtschaft darauf zurück, der BGH habe auf seine frühere Rechtsprechung Bezug genommen, ohne sich jedoch mit den Veränderungen durch die 6. GWB- Novelle auseinanderzusetzen (Einführung des Verbotstatbestandes mit der Rechtsfolge Unwirksamkeit gem. § 134 BGB sowie Einführung einer gesetzlichen Schadensersatzpflicht gegenüber Kunden in Fällen kartellrechtswidrigen Preishöhenmissbrauchs).
Wenn man diese Einschätzung evtl. noch für dieses Urteil vom 05.02.2003 gelten lassen wollte, wenn man das Urteil vollkommen eigenständig betrachtet, so wird jedoch negiert, dass der BGH sich ja bereits mit der Entscheidung aus 2001 zu den Kabel- Hausverteilern (BGH NJW 2001, 2541, 2544) explizit auch mit dem Nebeneinander von zivilrechtlicher Billigkeitskontrolle und kartellerechtlichen Bestimmungen, nämlich den neu eingeführten Schadensersatzansprüchen der vom Preishöhenmissbrauch betroffenen Kunden befasste.
Diese Entscheidung lässt man deshalb immer unter den Tisch fallen, um weiter am Standpunkt festzuhalten, der BGH habe sich nach der 6. GWB- Novelle gar nicht noch einmal explizit dazu geäußert, habe sich nur auf die alte Rechtsprechung bezogen und die durch die Gesetzesänderungen mit der 6.GWB- Novelle nicht in seine Erwägungen einbezogen....
Das ist die Kernaussage dazu sowohl in den Aufsätzen von
Berkner pp., aber auch
Ehricke JZ 2005, 499 und wohl auch
Kunth/ Tüngler NJW 2005, 1313 sowie
Salje, et 2005, 278, 280.
Es wird dabei immer von einer \"
alten höchstrichterlichen Rechtsprechung\" gesprochen. Diese Aussagen sind von Anfang an falsch, wie sich aus der Entscheidung BGH NJW 2001, 2541, (2544) eindeutig ergibt. Diese muss man also schlichtweg
leugnen, um daran festhalten zu können.
Nun mag es bisher so gewesen sein, dass man dieses Urteil aus 2001 vielleicht wirklich nicht kannte, weil es nicht unmittelbar mit energiwirtschaftlichen Fragestellungen zu tun hatte.
Aber sogar bei Zitierung meines Aufsatzes, in dem in Fußnote 18 diese BGH- Entscheidung ganz klar aufgezeigt wird,
immer noch an dieser Argumnetation festzuhalten und mir dann sogar noch zu unterstellen, ich habe etwas offensichtlich übersehen, ist schlicht nicht mehr nachvollziehbar.
In Fußnote 20 meines Aufsatzes habe ich das Urteil vom 05.02.2003 VIII ZR 111/02 (NJW 2003, 1449 f). ebenfalls genannt. Allenfalls auf dieses könnte die Argumentation der Vertreter der Energiewirtschaft wie oben aufgezeigt noch verfangen.....
Nun ist jedoch mit dem
Lichtblick- Urteil klar, dass es sich um keine \"alte höchstrichterliche Rechtsprechung\" handelt.
Vielleicht werden die Protagonisten der anderen Meinung nun konsequent nach dem Lichtblick- Urteil von einer
neuen Rechtsprechung des BGH sprechen, obschon sich diese zwischenzeitlich gar nicht geändert hatte.
Die Argumentation der Energiewirtschaft hatte also einige Raffinesse, konnte ja auch noch die Oberlandesgerichte bisher überzeugen....
Nach meinem Aufsatz und sogar unter Bezugnahme auf diesen, geht das jedoch nicht mehr. Nach dem Lichtblick- Urteil schon gar nicht.Wir dürfen gespannt sein auf den Text des Lichtblick- Urteils.
Es müsste sich meine Argumentation wohl bestätigen, dass es für eine entsprechende Anwendung des § 315 BGB gar nicht darauf ankommt, dass es sich um Leistungen der sog.
Daseinsvorsorge handelt.
Auch die Flughafengebühren waren ja schon keine Daseinsvorsorge.
Und die Nutzung der Stromnetze durch dritte Händler dürften auch nicht zur Daseinsvorsorge zählen.
Allein deshalb hatten ja viele Gerichte § 315 BGB in diesem Bereich unzutreffend für unanwendbar erklärt (vgl. nur LG Köln, RdE 2004, 306).
Meines Erachtens kommt § 315 BGB entsprechend auf Entgelte von Unternehmen zur Anwendung, die aufgrund eines Gesetzes oder aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung selbst einem Kontrahierungszwang unterligen.Aus dem Kontrahierungszawang des Unternehmens folgt zugleich der Leistungsanspruch desjenigen, der die Leistung in Anspruch nehmen möchte (
nicht muss).
Ein solcher Leistungsanspruch könnte nämlich immer durch das Fordern prohibitiver (verboten überhöhter) Preise vollkommen ausgehöhlt werden.
Deshalb ist derjenige, der entsprechende Leistungen in Anspruch nimmt,
schutzbedürftig.
Die Billigkeitskontrolle findet nicht auf alle Preise von Unternehmen Anwendung, sondern nur da und soweit ein entsprechender Kontrahierungszwang besteht.
So spricht auch die Literatur von der
Entgeltfindung unter Kontrahierungszwang, stellt aber wohl unzutreffend darauf ab, der Leistungsnachfrager unterfalle einem solchen:
http://shop.buecher.de/entgeltfindung_unter.htmEs ist noch einmal deutlich herauszustellen, dass nur ganz selten der Nachfrager der Leistung einem Kontrahierungszwang unterfällt.
Einem Kontrahierungszwang unterliegen vielmehr diejenigen Unternehmen, die bestimmte Leistungen anbieten.
So gesehen, ist es ggf. an der Zeit, die dogmatische Herleitung vom Kopf auf die Füße zu stellen im Sinne von fiat lux.
Meine Formel ist auch viel einfacher zu handhaben.
Fällt Ihnen etwas ein, was dagegen spräche?
Im Bereich der Energieversorgung muss eine Billigkeitskontrolle allein deshalb stattfinden, weil sich sonst überhaupt nicht kontrollieren ließe, ob nun preisgünstig versorgt wird oder eben nicht.
Freundliche Grüße
aus Jena
Thomas Fricke
Rechtsanwalt