Energiepreis-Protest > Stadtwerke Delmenhorst

Zahlungspflichtig auch nach Widerspruch auf §315-Grundlage?

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Anonymous:
Gerade wollte ich mich wegen der ständigen Mahnungen und Zinszahlungsforderungen unserer Stadtwerke an die Staatsanwaltschaft wenden, da erreicht mich folgender offener Brief vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Stadtwerke Delmenhorst GmbH, Sascha Voigt.

„Sehr geehrte Frau Sassen,
Sie lasten der SWD öffentlich an, illegal offene Rechnungen und Abschläge anzumahnen.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner jüngsten Entscheidung zu dieser Problematik vom 05.07.2005 (RdE 2005, 268 ff) entgegen Ihrer Darstellung ausdrücklich bestätigt, dass § 30 AVBV in den jeweiligen Rechtsverordnungen den Zweck hat, zu verhindern, dass die Tarifkunden mit nicht sofort prüfbaren Einwänden ihre Zahlungspflicht hinauszögern. Dieser Zweck könne nur erreicht werden, wenn auch der Einwand nach § 315 Abs. 3 BGB unter § 30 AVBV falle. Zumindest der Tarifkunde müsse daher zunächst zahlen und gegebenenfalls auf teilweise Rückzahlung klagen.

Deshalb ist es durch den Aufsichtsrat nicht zu beanstanden, wenn die fehlenden und absichtlich verweigerten Teilzahlungen von dem Unternehmen angemahnt wurden. Da nach der gültigen Rechtsverordnung als nächster Schritt die Versorgungssperre  anzudrohen wäre, werden wir mit diesem Brief die Presse über den aktuellen Stand der Rechtsprechung informieren, um den Betreffenden dadurch Gelegenheit zu geben, jetzt freiwillig ihrer gesetzlichen Zahlungspflicht nachzukommen.

Mit freundlichen Grüßen

STADTWERKE DELMENHORST GMBH
Der Aufsichtsratsvorsitzende“

Monaco:
Da wurde wohl jetzt der \"Fehdehandschuh\" geworfen. Dabei erstaunt, dass man jetzt sogar die örtlichen Medien für sich \"einspannen\" möchte. Es scheint, es bleibt unseren Rechtsexperten vorbehalten, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Delmenhorster Stadtwerke auf den \"rechten Weg\" zurückzuhelfen. Schließlich will doch keiner, dass die Öffentlichkeit für \"dumm\" verkauft wird.

In diesem Sinne.
Einen schönen 3. Advent.

Monaco.

Graf Koks:
Ich kann nur sagen: Das ist ein wiederholter Rechtsbruch mit Ansage ... wenn es ernst gemeint ist, woran ich Zweifel habe. Vermutlich ist es in erster Linie Getöse, an der tatsächlichen Rechtslage vorbei schwadroniert ...

Dies wäre eine mögliche Antwort an die Stadtwerke Delmenhorst:

Sehr geehrter Herr Sascha Voigt,

Ihre Bezugnahme auf die Entscheidungen X ZR 99/04 und 60/04 soll hier Anlass sein, den Wortlaut der o.g. Entscheidung einmal genauer zu betrachten. Hier führt der X. Zivilsenat auf S. 7 der Entscheidung aus:

Die entsprechende Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB hat zur Folge, daß die vom Versorgungsunternehmen angesetzten Tarife für den Kunden nur verbindlich sind, wenn sie der Billigkeit entsprechen (§ 315 Abs. 3 Satz 1 BGB). Entspricht die Tarifbestimmung nicht der Billigkeit, so wird sie, sofern das Versorgungsunternehmen dies beantragt, ersatzweise im Wege der richterlichen Leistungsbestimmung durch Urteil getroffen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB; vgl. Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 294 f.). Erst die vom Gericht neu festgesetzten niedrigeren Tarife sind für den Kunden verbindlich, und erst mit der Rechtskraft dieses Gestaltungsurteils wird die Forderung des Versorgungsunternehmens fällig und kann der Kunde in Verzug geraten (BGH, Urt. v. 24.11.1995 - V ZR 174/94, NJW 1996, 1054; MünchKomm./Gottwald, BGB, 4. Aufl., § 315 Rdn. 49; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 315 Rdn. 17; Staudinger/Rieble, aaO Rdn. 276); erst von diesem Zeitpunkt an besteht mithin eine im gerichtlichen Verfahren durchsetzbare Forderung des Versorgungsunternehmens.


Eigentlich eindeutig, oder ?  
Aber lesen wir noch ein wenig weiter auf S. 18:

(b) Weil die Klausel auch den Einwand der unbilligen einseitigen Leistungsbestimmung erfaßt, ist sie ferner auch mit § 315 Abs. 3 BGB nicht zu vereinbaren, der ein formularmäßig nicht abdingbares Gerechtigkeitsgebot enthält. Ist der Einwand der Unangemessenheit nach § 315 BGB gerechtfertigt, so ist, wie bereits dargelegt, von Anfang an nur der angemessene, im Ergebnis vom Gericht bestimmte Betrag geschuldet. Nur auf diesen hat die Klägerin Anspruch. Eine Rechtfertigung, ihr darüber hinaus die Befugnis zuzugestehen, zunächst eine unter Umständen gar nicht geschuldete Leistung zu vereinnahmen und den Abnehmer auf einen Rückforderungsprozeß zu verweisen, ist nicht zu erkennen. Das liefe dem Zweck des § 315 BGB zuwider (vgl. dazu BGH, Urt. v. 19.01.1983, aaO; Urt. v. 30.04.2003, aaO).


Der X. Zivilsenat nimmt hier ausdrücklich auf die Wertungen Bezug, die der VIII. Senat in der Entscheidung 278 und 279/02 in Hinblick auf § 30 AVBWasserV getroffen hat. Damit ist evident, dass auch der X. Zivilsenat vom Vorrang des Einwandes nach § 315 BGB ausgeht.

Soweit der BGH also in der Entscheidung X ZR 60/04 bezüglich der Auslegung der § 30 AVBGasV/AVBWasserV usw. die hierzu vertretenen Meinungen referiert, tut er dies zum Zweck der Auslegung der AGB- Klausel - die er dann in Hinblick auf den in § 315 BGB niedergelegten fundamentalen Rechtsgrundsatz des privaten Schuldrechts 10 Seiten später für unwirksam erklärt, weil sie mit diesem Grundsatz unvereinbar ist und also die Gegenpartei unangemessen benachteiligt.

Die Frage also, wie man eine Klausel oder eine untergesetzliche Norm auslegt, ist also nicht gleichzusetzen mit der Entscheidung, ob man Ihr den nach Ergebnis der Auslegung beabsichtigten Vorrang (hier: vor § 315 BGB) denn auch gewährt (es handelt sich um eine untergesetzliche Norm - im Gegensatz zum BGB)

Soweit die Stadtwerke Delmenhorst gegen ihre - vertragstreuen (!) - Kunden mit der Versorgungssperre vorzugehen beabsichtigen, sei auf die erst jüngst ergangene Entscheidung des OLG Düsseldorf (Kartellsenat) in Sachen VI-2 W 1/05 hingewiesen; es steht damit nunmehr auch von Seiten eines Beschwerdegerichts fest, dass der Kunde schon gegen die Androhung einer Versorgungssperre im Wege einer einstweiligen Verfügung vorgehen kann. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.


M.f.G. aus Berlin
Graf Koks

Cremer:
@Eva Sassen.

da sind die SW Kreuznach etwas \"geruhsamer\". Außer Versendung der monatlichen Zalungsrückstände und Mahnungen passiert da weiter nichts, da auch der Geschäftsführer bereits im Februar die Brisanz erkannte und auch aufgrund der Berichterstattung im Fernsehen  zur Zeit weiter nichts verlautet.

Über die \"Klippe\" §30 AVBGasV sind die schon hinweg. Manche lernen dies schneller, manche erst später, einige haben da eine andere Auffassungsgabe.

letztlich läuft es für alle Versorger darauf hinaus, dass sie vermutlich den Klageweg bestreiten müssen, wenn sie auf die Beträge pochen.

Insofern ist dies nur \"Geplänkel\" der SWD

BerndA:
@ Frau Sassen

auch hier mal die für Sie zuständige Energieaufsicht beim Landeskartellamt einschalten:

http://www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/service/LKB.shtml

Das wirkt oft Wunder !

Mit freundlichen Grüßen aus dem Münsterland :wink:

B. Ahlers

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