Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Irrelevanz des Einwands nach § 315 BGB
tangocharly:
Wenn ich das richtig sehe, geht es in diesem thread um die "Irrelevanz des Einwands nach 315" und nicht um die Verjährung.
Um die Frage richtig zu beantworten, dann sehe ich das so, das m.E. der 8.ZS-BGH sich vom 315 verabschiedet hat, indem er zur Zauberformel der "ergänzenden Vertragsauslegung" (-eVa-) griff. Das bringt er auch recht deutlich in der Entscheidung vom 28.10.15 (Az.: VIII ZR 158/11 ) zum Ausdruck:
--- Zitat ---96
Wenn das Berufungsgericht bereits auf dieser Grundlage im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO, dessen Voraussetzungen es zutreffend bejaht hat, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die von der Klägerin vorgetragenen Bezugskostensteigerungen tatsächlich in diesem Umfang erfolgt sind und ihnen keine Einsparungen in anderen Kostenpositionen gegenüberstehen, durfte es rechtsfehlerfrei davon absehen, auch noch den von der Klägerin zusätzlich angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
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(2) Entgegen der Auffassung der Revision gilt für die von ihr - ohne nähere Bezeichnung des Beweisantrags - geforderte Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises nichts anderes.
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Zwar darf nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Beweisantrag nicht deshalb abgelehnt werden, weil das Gericht das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits als erwiesen ansieht (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67, BGHZ 53, 245, 259 f.; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, juris Rn. 9; jeweils mwN). Das Berufungsgericht durfte hier indes im Rahmen des § 287 Abs. 2 ZPO von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Zwecke des Gegenbeweises absehen, da
der Beklagte die vorbezeichneten Anknüpfungstatsachen nicht qualifiziert angegriffen hat (vgl. hierzu Musielak/Voit/Foerste, aaO Rn. 10; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. April 1997 - X ZR 2/96, NJW-RR 1998, 331 unter III 1 und 3). Das von der Revision insoweit in Bezug genommene Vorbringen des Beklagten in den Tatsacheninstanzen ist zudem nicht mit einem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unterlegt.
--- Ende Zitat ---
.
Dieses in diesem Punkt hin-und-her-argumentiere, ob 315 oder eVa, greife, weil schon das Berufungsgericht hier nicht differenziert hatte, wäre zwar nicht weiter dramatisch (weil die Prüfung nach Ermessen vorzunehmen sei), hätte der 8. ZS-BGH nicht noch frivoler weise in die Regelungen der Darlehens- und Beweislast eingegriffen.
Warum ?
Jetzt muß der Kunde "qualifiziert" vortragen und die Anknüpfungstatsachen qualifiziert angreifen und sogar noch einen ausdrücklichen Beweisantrag (Sachverständigengutachten) stellen, welcher sich konkret auf diese Angriffe stützt.
Und wenn er dies dann versucht, z.B. dass der Versorger keine alternativen Einkaufsbemühungen unternommen hat, dann setzt ihm der 8.ZS-BGH "den Stuhl wieder vor die Tür", weil darüber nichts nachgeprüft wird. Geschweige denn, dass der Verbraucher im Zweifel seine Gegengeschütze schon vom Ansatz her hierzu nicht in Position bringen kann.
userD0010:
Auf welcher Grundlage kann der BGH z.B. den § 315 BGB für unwirksam erklären, wenn es um die Interessen der EVU geht?
Und wie lange will/darf denn der EuGH im Winterschlaf verfallen, bis ihm dieses Getue des BGH sauer aufstößt ?
RR-E-ft:
Die Frage war, ob die Unbilligkeitseinrede bei einseitigen Preisänderungen noch Relevanz hat.
Eine solche Relevanz besteht weiterhin, wie sich aus den genannten Urteilen unzweifelhaft ergibt.
Der BGH hat § 315 BGB nicht für unwirksam erklärt, sondern wendet diesen innerhalb seiner ergänzenden Vertragsauslegung nicht an. Der EuGH kann keinen Anstroß nehmen, so lange ihm nichts vorgelegt wird.
Problematisch erscheint, dass das Preisänderungsrecht aus der ergänzenden Vertragsauslegung wohl noch weniger den Transparenzanforderungen der EU- Richtlinien entspricht als das für unwirksam befundene gesetzliche Preisänderungsrecht, wenn es wohl auch nicht auf eine öffentliche Bekanntgabe ankommt.
Diese Frage wird in einem der am 28.10.15 entschiedenen Fälle zum Bundesverfassungsgericht getragen. Wenn sich ergibt, dass die nationale Regelung, die der BGH mit seiner ergänzenden Vertragsauslegung gefunden hat, möglicherweise nicht mit EU- Recht vereinbar ist, so kann der EuGH als gesetzlicher Richter für die Entscheidung über diese Rechtsfrage angesehen werden und die Nichtvorlage an den EuGH deshalb den Entzug des gesetzlichen Richters und somit einen Grundrechtsverstoß bedeuten.
Im Falle eines Preiswiderspruches und eines einfachen Bestreitens trägt der Versorger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die (Bezugs-)Kosten entsprechend gestiegen sind und nicht anderweitig kompensiert werden konnten.
Problematisch erscheint, dass dabei wohl die Prüfung entfallen soll, ob der (Bezugs)Kostenanstieg überhaupt zur Anpassung an die Marktverhältnisse auf dem vorgelagerten Markt erforderlich war. Eine solche Prüfung ist bei gesetzlich wirksam eingeräumten Preisänderungsrecht notwendig (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.08 VIII ZR 138/07, juris Rn. 43). Dann müsste das im Falle eines erst im Wege ergänzender Vertragsauslegung eingeräumten Preisänderungsrechts erst recht erforderlich sein.
Man muss wohl davon ausgehen, dass mit § 5 GVV 2014 ein gesetzliches Preisänderungsrecht wieder wirksam eingeräumt wurde,so dass die auf dieses Recht gestützten Preisänderungen wieder - wie gehabt - der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB unterliegen.
Tatsachenvortrag so substantiiert zu bestreiten, dass gegenbweislich in zulässiger Weise ein Sachverständigengutachten aufgeboten werden kann und wird, war auch bisher schon angezeigt.
tangocharly:
Und dabei wird sich das BVerfG mit Sicherheit an der gefundenen Auslegung des objektiven Vertragswillens beider Parteien durch den 8.ZS in genannter Entscheidung stören 8):
--- Zitat ---83
(6) Da sich das aus der vorbezeichneten ergänzenden Vertragsauslegung ergebende Preisänderungsrecht der Klägerin allein auf die Weitergabe von (Bezugs-)Kostensteigerungen und -senkungen beschränkt, ist davon auszugehen, dass die Parteien die wirksame Ausübung dieses Rechts vernünftigerweise an keine weiteren als die in § 4 Abs. 2 AVBGasV genannten Voraussetzungen geknüpft hätten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen hier erfüllt.
--- Ende Zitat ---
courage:
--- Zitat von: RR-E-ft am 01. Dezember 2015, 11:41:25 ---... Problematisch erscheint, dass das Preisänderungsrecht aus der ergänzenden Vertragsauslegung wohl noch weniger den Transparenzanforderungen der EU- Richtlinien entspricht als das für unwirksam befundene gesetzliche Preisänderungsrecht, wenn es wohl auch nicht auf eine öffentliche Bekanntgabe ankommt.
Diese Frage wird in einem der am 28.10.15 entschiedenen Fälle zum Bundesverfassungsgericht getragen. ...
--- Ende Zitat ---
Unterstreichung von mir.
Wo findet man eine Fundquelle dafür, dass die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wird bzw. wurde?
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