Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Fristenlösung durch EU-Gerichtshof überprüfen lassen?

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bolli:

--- Zitat von: h.terbeck am 22. Mai 2015, 10:47:27 ---Hab mich vor Lachen in die Ecke geworfen.

--- Ende Zitat ---
Ich hoffe, Sie sind ohne größere Blessuren aus dieser Ecke wieder raus gekommen.

Bei dieser Äußerung ging es erkennbar darum, dass man die von @berghaus gewünschten Fachanwälte, die ein solches Verfahren trotz geringer Streitwerte bis zum EuGH vorantreiben, eventuell dadurch "ködern" könnte, dass sie in der Folge, wenn der EuGH mal zugunsten der Verbraucher entschieden hat, sich an den dann angestrengten Verfahren an unteren Gerichten der zahlreichen Verbraucher, die nun klagen, erkennbar entschädigen könnten. Da aber ein großer Teil unserer Gerichte, brav die Oberrechtsprechung anwendet und nicht zuviel selbst nachdenkt (zumindest hat man manchmal das Gefühl, das dem so ist), diese aber ja nach einem EuGH-Urteil zumindest modifiziert werden müsste, braucht's diese Spezial-Fachanwälte letztlich MEIST (und dieses Wort hatte ich beim letzten Posting auch schon benutzt) nicht mehr unbedingt, weshalb dieses Lockargument nicht ziehen dürfte. Da sind reine Enthusiasten gefragt, die auch noch "guten Boden" (wie @uwes ausführt, z.B. ein Obergericht, welches eine abweichende Meinung wie der BGH vertritt und welches einen europarechtlichen Anknüpfungspunkt sieht) benötigen. Also alles nicht so einfach.



--- Zitat von: h.terbeck ---Anscheinend schert die Entscheidung des EuGH deutsche Gerichte nicht, zumindest nicht Landgerichte.
Oder heißen Landgerichte etwa so weil sie auf dem Land hausen ?
--- Ende Zitat ---
Falls Sie mit dieser Bemerkung beim Thema "Fristenlösung" geblieben sind, so gilt wohl die Aussage von @RR-E-ft, dass der EuGH sich mit der ergänzenden Vertragsauslegung (Fristenlösung) noch nicht befasst hat und insofern die Landgerichte diesbezüglich auch nichts zu beachten haben (außer der höchstrichterlichen BGH-Rechtssprechung  ;) )..

berghaus:

--- Zitat ---von bolli:
.......die von @berghaus gewünschten Fachanwälte, ….
--- Ende Zitat ---

berghaus hatte nur nach dem Weg gefragt, der die 'Fristenlösung' vor den EU-Gerichtshof bringt.

h.terbeck hatte vorgeschlagen, dass der BdE Mittel einsetzt, mit Hilfe 'unserer' Fachanwälte  (wer sonst?) ein dafür geeignetes Verfahren vor den europäischen Gerichtshof zu bringen.

Aber es ist sicher so, wie uwes  es beschreibt, dass sich erst mal ein Oberes Gericht finden lassen muss, dass die Fristenlösung in Frage stellt.

'Mein' Landgericht war es im Juli 2014 jedenfalls nicht trotz aller Bemühungen meiner Fachanwältin mit Hinweisen auf die Aussagen von Zimmerlin und Markert in der Zeitschrift ZNER 2012/2013 zu der unhaltbaren Rechtsprechung des BGH.

Ich war letzten Endes ja auch mit dem Ergebnis der Fristenlösung zufrieden und zwar insofern, als der Preis von 2003 (3,48 CT/kWh/108 € +19%) bei einem durchschnittlichen Verbrauch von 34.000 kWh/Jahr letztendlich ab 2006 – Ende 2013 Anwendung fand und von 2006 bis 2008  unberechtigte Nachforderungen auf der Basis der in Rechnung gestellten Preise in Höhe von rd 3.000 € verjährt waren.

Soviel wollten wir bei unseren Widersprüchen mit den Musterbriefen 2005/2006 (+ 2 %) ja gar nicht mal erreichen.

Der Vertragspreis von 1975 (1,06 CT/kWh/92 € + 19 %) hätte zwar noch eine weitere Ersparnis von rd. 5.000 € gebracht und wäre immerhin ein kleiner Ausgleich für 30 Jahre zu hohe monopolistische Preise gewesen.

berghaus 09.06.15

bolli:

--- Zitat von: berghaus am 09. Juni 2015, 00:38:24 ---
--- Zitat ---von bolli:
.......die von @berghaus gewünschten Fachanwälte, ….
--- Ende Zitat ---

berghaus hatte nur nach dem Weg gefragt, der die 'Fristenlösung' vor den EU-Gerichtshof bringt.

h.terbeck hatte vorgeschlagen, dass der BdE Mittel einsetzt, mit Hilfe 'unserer' Fachanwälte  (wer sonst?) ein dafür geeignetes Verfahren vor den europäischen Gerichtshof zu bringen.

--- Ende Zitat ---
Sorry, Sie haben natürlich Recht !!!

tangocharly:
Die Fristenlösung des BGH und damit die hierbei angewendeten Grundsätze der "Ergänzenden Vertragsauslegung" kollidieren mit dem verbraucherrechtlichen Grundsatz des "Verbots geltungserhaltender Reduktion" und stehen im Widerspruch zum unionsrechtlich kodifizierten Verbraucherschutz (Richtlinie 93/13).

Hierzu hat sich der EuGH bereits am 14.06.2012, Az.: C-618/10 (Rdz. 65 ff.) geäußert:

--- Zitat --- 65    Aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 ergibt sich demnach, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Vertragsklausel nur für unanwendbar zu erklären haben, damit sie den Verbraucher nicht bindet, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern. Denn der betreffende Vertrag muss – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist.

66      Für diese Auslegung sprechen auch der Regelungszweck und die Systematik der Richtlinie 93/13.

67      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs stellt diese Richtlinie nämlich insgesamt eine Maßnahme dar, die für die Erfüllung der Aufgaben der Union und insbesondere für die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität in der ganzen Union unerlässlich ist (vgl. Urteile Mostaza Claro, Randnr. 37, Pannon GSM, Randnr. 26, und Asturcom Telecomunicaciones, Randnr. 51).

68      Aufgrund von Art und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruht, der den Verbrauchern gewährt wird, weil sie sich gegenüber den Gewerbetreibenden in einer Position der Unterlegenheit befinden, verpflichtet die Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten, wie sich aus ihrem Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergibt, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, „damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird“.

69      In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass, wie die Generalanwältin in den Nrn. 86 bis 88 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, wenn es dem nationalen Gericht freistünde, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in solchen Verträgen abzuändern, eine derartige Befugnis die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden könnte, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13 verfolgt wird. Diese Befugnis trüge nämlich dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben (vgl. in diesem Sinne Beschluss Pohotovosť, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung); die Gewerbetreibenden blieben nämlich versucht, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass, selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, der Vertrag gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass das Interesse der Gewerbetreibenden auf diese Art und Weise gewahrt würde.

70      Würde dem nationalen Gericht eine solche Befugnis zugestanden, könnte sie deshalb von sich aus keinen genauso wirksamen Schutz des Verbrauchers garantieren wie den, der sich aus der Nichtanwendung der missbräuchlichen Klauseln ergibt. Außerdem ließe sich diese Befugnis auch nicht auf Art. 8 der Richtlinie 93/13 stützen, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Unionsrecht vereinbare strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, soweit ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher gewährleistet ist (vgl. Urteile vom 3. Juni 2010, Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid, C‑484/08, Slg. 2010, I‑4785, Randnrn. 28 und 29, sowie Pereničová und Perenič, Randnr. 34).

71      Aus diesen Erwägungen ergibt sich daher, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nicht dahin verstanden werden kann, dass er es dem nationalen Gericht gestattet, wenn es eine missbräuchliche Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher entdeckt, den Inhalt dieser Klausel abzuändern anstatt schlicht deren Anwendung gegenüber dem Verbraucher auszuschließen.
--- Ende Zitat ---

Aber, damit hierbei keine falschen Vorstellungen entstehen, ist auch der Fingerzeig des EuGH (14.06.2012, Az.: C-618/10) an die innerstaatlichen Gerichts zu beachten  (Rdz. 72 ff.):

--- Zitat --- 72     Insoweit obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, welche nationalen Vorschriften auf den bei ihm anhängigen Rechtsstreit anwendbar sind, sowie unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Januar 2012, Dominguez, C‑282/10, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Im Licht der vorstehenden Ausführungen ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er einer mitgliedstaatlichen Regelung wie Art. 83 des Decreto Legislativo 1/2007 entgegensteht, wonach das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann.
--- Ende Zitat ---

bolli:
Da die Unwirksamkeit einer Klausel nicht automatisch zur Nichtigkeit führt, wäre in Hinblick auf Ziffer 73 der Entscheidung natürlich interessant, ob es für eine entsprechende Auslegung durch das Gericht zwingend einer salvatorischen Klausel in den AGB bedarf ?

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