Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Rückforderung überzahlter Gaspreise gestaltet sich zäh

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khh:
Anmerkung: Bitte nicht weiter alles miteinander "vermengen" - in diesem Thread geht es um die
Rückforderungsansprüche der Sondervertragskunden aufgrund des EuGH-Urteils vom 21.03.2013.

Zu den Rückforderungsansprüchen der Grundversorgungskunden aufgrund des EuGH-Urteils vom 23.10.2014
gibt es unter "Grundsatzfragen" separate Threads !

khh:
Die Sondervertragskunden Gas und Strom, deren EVU ebenfalls diese sogen. "GVV-Klausel" als AGB-Preisänderungsklausel verwenden/verwendet haben, sollten Ihre Rückforderungsansprüche jetzt unverzüglich gegenüber dem Versorger geltend machen, bevor Forderungen aus 2011 zum Jahresende 2014 verjähren (vor Jahresende ggf. verjährungshemmende Maßnahmen auf den Weg bringen!).

Zur Erinnerung: Widerspruch ist möglich gegen alle Preiserhöhungen, die in Verbrauchsabrechnungen enthalten sind, welche innerhalb der zurückliegenden drei Jahre zugegangen sind (Beispiel: erstmaliger Widerspruch des Kunden am 24.11.2014, Eingang bei EVU am 26.11.2014 = Widerspruch möglich gegen die seit dem 26.11.2011 beim Kunden zugegangene Abrechnungen).

Fast wichtiger als eine Verjährungsvermeidung für die Ansprüche aus 2011 ist m.E., dass man sich einen möglichst weit zurückliegenden "vereinbarten" Preis sichert. Dazu ein Beispiel: In unserer Region werden die Strom-Sonderverträge des Grundversorgers (E.ON) immer Mitte Dez. des Jahres abgerechnet. Wenn hiesige Kunden kurzfristig den unwirksamen Preiserhöhungen erstmalig widersprechen, dann entfaltet dieser Widerspruch noch Wirkung auf die Mitte Dez. 2011 zugegangene Jahresrechnung und somit auch für eine bspw. am 01.01.2011 erfolgte Preiserhöhung. Für Rückforderungsansprüche aus 2012 und ggf. Folgejahre ist dann der vor dem 01.01.2011 geltende Preis zugrunde zu legen.

uwes:
Auch wenn ich zutiefst davon überzeugt bin, dass ein fehlender Widerspruch des Sondervertragskunden nicht schädlich ist, muss ich auf die folgende Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinweisen und auch darauf, dass meine Auffassung, die ich hier am 13.11.2014 geäußert habe ganz offensichtlich vom BGH nicht vertreten wird. 
http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=69580&linked=pm&Blank=1

Somit sehe ich zwar meine Auffassung hier http://forum.energienetz.de/index.php/topic,18522.msg111795.html#msg111795 weiterhin als richtig an, weise aber auf die entgegenstehende Rechtsprechung hin.

uwes:
Der Umstand, dass die Fristenlösung des VIII Zivilsenats europarechtswidrig ist, hatte Walter Zimmerlin bereits einmal näher ausgeführt. Dies ergibt sich aber unmittelbar aus der Entscheidung des EuGH Urt. v. 14. 6. 2012 − C-618/10 (Banco Español de Crédito SA/Joaquín Calderón Camino) in der ausgeführt wird, dass das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag nicht anpassen kann.

Ferner führt der EuGH aus,

--- Zitat --- [70] Würde dem nationalen Gericht eine solche Befugnis zugestanden, könnte sie deshalb von sich aus keinen genauso wirksamen Schutz des Verbrauchers garantieren wie den, der sich aus der Nichtanwendung der missbräuchlichen Klauseln ergibt. Außerdem ließe sich diese Befugnis auch nicht auf Art. 8 der Richtlinie 93/13/EWG stützen, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit lässt, auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Unionsrecht vereinbare strengere Bestimmungen zu erlassen oder aufrechtzuerhalten, soweit ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher gewährleistet ist (vgl. EuGH, NJW2010, 2265 Rdnrn. 28 u. 29− Caja de Ahorros y Monte de Piedad de Madrid, sowie NJW2012, 1781 Rdnr. 34 – Pereničová und Perenič).
--- Ende Zitat ---

Das bedeutet;

Wollte ein nationales Gericht die Rechtsprechung des BGH zur Fristenlösung anwenden, so müsste es von der Entscheidung des EuGH abweichen. Da die Rechtsprechung des VIII. Zivil(rechtserfindungs)senats gegen europäisches Recht verstößt, müsste das Gericht die Rechtsfrage dem EuGH vorlegen.
--- Zitat ---Nach Ansicht des VIII. Zivilsenats habe der EuGH damit aber nur die geltungserhaltende Reduktion unwirksamer AGB-Bestimmungen ausgeschlossen, nicht jedoch die davon zu unterscheidende ergänzende Vertragsauslegung mit dem Ziel, die durch die Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel entstandene planwidrige Regelungslücke im Vertrag in einer für beide Seiten zumutbaren Weise zu schließen.
--- Ende Zitat ---
(Zitat Markert Anm. zu BGH vom 23.1.2013 VIII ZR 80/12 in ZNER 2013, 152,156)

Wenn aber durch die Fristenlösung dem Vorsorger als Verwender einer AGB-rechtswidrigen Vertragsklausel - hier zur Preisanpassung - wegen der Unwirksamkeit der Klausel kein Preisanpassungsrecht zusteht, demgegenüber aber der Versorger infolge des fehlenden Widerspruchs des Kunden durch die Fristenlösung wieder dazu ermächtigt wird, doch die höheren Preise zumindest teilweise durchzusetzen, so ist das nichts anderes als eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel, was nicht nur nach deutschem Recht (BGH, Urteile vom 17. Mai 1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 116 f.; vom 19. September 1983 – VIII ZR 84/82, NJW 1984, 48 unter II 1 a bb))  sondern auch nach Art 6 Abs. 1 RL93/13 nicht möglich wäre.

Das nationale Gericht sollte dann die Vorlagefrage lieber selbst stellen, da der VIII "Zivilrechtsversorgerschutzsenat" die RL 93/13 immer noch nicht sauber anwendet, sondern vielmehr hiergegen verstößt.

Der EuGH hat entschieden, dass ein nationales Gericht im Falle einer missbräuchlichen Klausel den

Vertrag nicht anpassen kann!

RR-E-ft:
Ich teile die Kritik, wonach der Vertrag nicht angepasst werden darf.

Wo der Rückforderungsanspruch der Kunden begrenzt werden soll, geht es eigentlich um die Frage einer Verwirkung.
Was m.E.  gar nicht geht, ist dass dem Versorger nach Zeitablauf nicht bestehende Zahlungsansprüche (Forderungen) nachträglich zugesprochen werden, erwachsen können sollen.

Nicht ersichtlich, wie der Versorger solche Nichtforderungen und darauf geleistete Zahlungen bilanzieren soll.
Nichtforderungen sind keine Forderungen des Versorgers.
Auf Nichtforderungen geleistete Zahlungen begründen regelmäßig Rückforderungsansprüche der Kunden aus ungerechtfertigter Bereicherung, mithin neue Verbindlichkeiten für den Versorger.

Durch die umstrittene ergänzende Vertragsauslegung soll nach Zeitablauf nicht nur der Rückforderungsanspruch der Kunden untergehen, sondern aus den Nichtforderungen des Versorgers plötzlich vollwertige Forderungen werden.

Demnach könnte sich der Versorger durch die Verwendung unwirksamer Preisänderungsklauseln und darauf gestützte Preiserhöhungen eine Art Anwartschaftsrecht schaffen, wenn die Nichtforderungen nach Zeitablauf unter der Bedingung des unterlassenen Widerspruchs zum Vollrecht erwachsen, also die Forderung auf den erhöhten Preis (rückwirkend) entsteht und die Rückzahlungsverbindlichkeit unter der selben Bedingung erlischt.

Dies scheint im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH zu stehen, wonach das Zur- Abrechnung- Stellen- Lassen nicht geschuldeter Beträge eine Betrugsstrafbarkeit begründen kann (vgl. BGH, Urt. v. 09.06.09 - 5 StR 394/08).

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