Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Fernwärmeabrechnungen: Anzeige wegen Wucher (StGB §291) möglich ?
Will Kane:
--- Zitat von: jogie56 am 16. Mai 2013, 17:22:26 ---Ich bin zwar nicht der Fachmann auf dem Gebiet, eine Beschwerde wegen Verstoß gegen § 19 GWB bei der Landes- oder Bundeskartellbehörde könnte ich mir bei Vorliegen des Tatbestandes am ehesten vorstellen; hinsichtlich der genannten Tatbestände sollten Sie sich doch mal die aktuelle Rechtsprechung anschauen.
--- Ende Zitat ---
Die Bundeskartellbehörde ist meines Wissens beim Thema Fernwärme nur dann zuständig, wenn die betroffenen Kunden in mehr als einem Bundesland angesiedelt sind.
Was die mögliche Bürgereingabe an die Landeskartellbehörde (NDS) angeht, würde ich angesichts der hiesigen Situation beim §19 (4) auf den Unterpunkt 3. abzielen:
"Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen...
3. ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das marktbeherrschende Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkten von gleichartigen Abnehmern fordert, es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist;".
Der lokale Versorger hat zwei Haupttarife mit zwei (gemessen am Umsatz) in etwa gleich großen Kundengruppen, von denen er eine gegenüber der anderen preislich wesentlich schlechter stellt.
D.h. meine Beschwerde würde auf dem Vergleich der Preise zweier Kundengruppen desselben Versorgers untereinander aufbauen. Den typischen Quervergleich mit anderen Versorgern [etwa gemäß §19(4) Unterpunkt 2.] würde ich mir komplett ersparen, weil er in diesem speziellen Fall zu nichts führt. Gemessen an seinem Durchschnittspreis ist der Versorger im Quervergleich mit anderen komplett unauffällig.
PLUS:
--- Zitat von: Stadt/Versorger am 16. Mai 2013, 18:37:58 ---Ich bin gern bereit entsprechende Vorschläge in die pol. Diskussion zu bringen. Gerade die FDP könnte sich hier mal für die Betroffenen einbringen. :)
Bitte jetzt nicht generell über die FDP schimpfen . :) Wie will man sonst etwas ändern ,wenn nicht über die pol. Schiene.?Dies scheint ggf. effektiver zu sein ,als nur zu protestieren ,prozessieren etc.
--- Ende Zitat ---
Das ist wie beim Gasmonopol, da haben die zuständigen Ministerien oder ihre Behörden z.B. in B-W vor Jahren auch zu bestimmten Stichtagen Listen erstellt und Durchschnitte gebildet. Wer nicht deutlich über dem Schnitt lag wurde nicht behelligt. Solche Listen ersetzen ganz sicher keine ordentliche Prüfung und ein Durchschnitt ist kein Maßstab. Der Durchschnitt aus neun "Unbilligen" und einem "Billigen" bringt kein brauchbares Ergebnis. Diese Listendurchschnittsvergleiche führen im Zeitablauf nur zu einer Nivellierung der Preise auf immer höherem Niveau.
Nun ist bei der Fernwärme ja §315 BGB durch die Rechtssprechung aus dem Spiel. Es wird auf die Missbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden verwiesen. Nur haben die Richter geprüft ob diese auch tatsächlich stattfindet?
Eine wirkliche Prüfung ist halt aufwändig und wenn man sieht, wie die Landeskartellbehörden personell ausgestattet sind, darf man sich über die Praxis nicht wundern. Ja, vielleicht kann man politisch etwas bewegen. Zuerst braucht es ausreichendes und qualifiziertes Personal! Da sollte man aber alle Abgeordneten und alle Parteien ansprechen. Wer Beziehungen zur FDP hat, dort etc.pp..
Aber es sind dicke Bretter. Fernwärme ist in der Regel eine umwelt- und klimafreundliche Energieversorgung. Der Gesetzgeber sollte die Bedingungen dringend für die Verbraucher verbessern und die Fernwärme attraktiver machen. So wie das heute geregelt ist, ist die Fernwärme für viele Verbraucher eher abschreckend. Wer sich auf Fernwärme einlässt, sollte sich die Abhängigkeit nach den gegebenen Bedingungen genau überlegen.
Auch wenn der Wettbewerb noch unzureichend ist und kartellähnlich organisierte Anbieter sich am Markt tummeln, bei Gas und Strom gibt es wenigsten die Möglichkeit den Versorger zu wechseln.
Nur StGB §291 ist hier wirklich fehl am Platz. Wucher liegt sicher nicht vor, das führt zu nichts!
Will Kane:
--- Zitat von: Stadt/Versorger am 16. Mai 2013, 18:37:58 ---Da müssen Sie aber Glück haben,wenn die Kartellbehörden dem Fernwärmeversorger"einheizen".
Habe ich auch schon versucht. Ohne Erfolg. Die Landesbehörde in MV wollte wohl die Sache schnell vom Tisch haben. Da werden dann einfach verschiedene Fenwärmevesorger in vergleichbarer Größe verglichen und schon ist die Sache vom Tisch,weil eben alle diese FW Versorger hohe Preise haben.
--- Ende Zitat ---
In meinem Fall wäre die Landeskartellbehörde NDS der Adressat für eine Bürgereingabe. Allerdings würde ich die Behörde auffordern, die Preise der beiden Haupttarife unseres Versorgers untereinander zu vergleichen, weil der Verdacht besteht, dass eine große Kundengruppe im Vergleich zur anderen massiv benachteiligt wird. Quervergleiche mit den Preisen anderer Versorger würde ich garnicht erst einfordern. Ich konnte schon in der Sektoruntersuchung des Bundeskartellamts nachlesen, dass unser lokaler Versorger gemessen an seinem Durchschnittspreis unauffällig im MIttelfeld lag.
--- Zitat von: Stadt/Versorger am 16. Mai 2013, 18:37:58 ---Die Staatsanwaltschaft wird sich wohl auch nicht für den Fall interessieren,denn es ist aus deren Sicht sicherlich legal,wenn die Preise etwas höher sind als normal.
--- Ende Zitat ---
Was mein ursprüngliches Posting mit dem Thema "Wucher (StGB §291)" angeht, war ich von Anfang an nicht besonders optimistisch. Allerdings wollte ich als juristischer Laie erst die Meinung anderer Personen abwarten, bevor ich diesen Ansatz abschreibe. Ich denke, die Antworten sind eindeutig und ich kann mich den anderen Ansätzen zuwenden.
Die Staatsanwaltschaft werde ich vermutlich im Zusammenhang mit einer Anzeige wegen Betrugsverdacht kontaktieren, die auf drei unterschiedlichen Verdachtsmomenten aufgebaut sein wird. Dabei wird es weder um Monopolmissbrauch noch um Wucher gehen. Vielmehr wird es dabei um konkrete Berechnungsfehler bzw. -manipulationen in den Fernwärmeabrechnungen verschiedener Jahre und um deren finanzielle Folgen für die Kunden gehen. Ein komplett anderes Thema.
--- Zitat von: Stadt/Versorger am 16. Mai 2013, 18:37:58 ---Da können die Bürger prozessieren,bis zum Umfallen,es wird seitens der Bürokraten wohl eher geschmunzelt über diese Einzelkämper,die letztendlich nichts bewegen können.
--- Ende Zitat ---
Um mir das zu ersparen, werde ich versuchen, die Behörden auf den Versorger anzusetzen. Der persönliche Aufwand für eine Bürgereingabe oder eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft hält sich doch sehr in Grenzen und es ist entsprechend leichter zu verschmerzen, wenn die Sache im Sande verläuft. Kein Vergleich mit einer Zivilklage über mehrere Instanzen...
--- Zitat von: Stadt/Versorger am 16. Mai 2013, 18:37:58 ---Wenn Sie etwas ändern wollen,gehen Sie zu den Stadtverordnetenversammlungen und sagen Sie Ihre Meinung den Abgeordneten und der Verwaltung.
--- Ende Zitat ---
Ich verfolge bisher eine 4-Phasen Strategie.
Die erste Phase bestand im Versuch, direkt auf den Versorger einzuwirken bzw. mit dessen Vertretern das Gespräch zu suchen. Klingt vielleicht naiv, aber es war durchaus interessant, dem einen oder anderen Teamleiter des lokalen Versorgers bei einem persönlichen Gespräch mal in die Augen zu schauen. Die Gespräche verliefen sachlich, aber im Ergebnis hat sich bisher - wenig überraschend - nichts getan.
In Phase zwei habe ich die Parteien des lokalen Stadtrats kontaktiert und ihnen zuerst eine umfangreiche E-Mail zum Thema versandt. Dazu gab es einige Telefonate und auch persönliche Treffen mit einigen unserer Bürgervertreter. Dabei konnte ich feststellen, wie wenig die hiesigen Lokalpolitiker vom Themenbereich Fernwärmeabrechnungen und Monopolmissbrauch wissen. Trotz des guten Willens einiger kleinerer Parteien hat sich auch hier nichts getan. Das mag daran liegen, dass denjenigen größeren Parteien, die im hiesigen Stadtrat das Sagen haben, die Einnahmen aus der städtischen Beteiligung am lokalen Versorger wichtiger sind als dessen Geschäftsgebaren. Die FDP hat sich übrigens nie zurückgemeldet. Da war mir allerdings egal, weil sie im Stadtrat ohnehin die kleinste Fraktion stellt und praktisch nichts zu melden hat. ;)
Phase drei wäre das Einschalten der Behörden (Staatsanwaltschaft und Landeskartellbehörde) und Phase vier das Einschalten der Presse. Ursprünglich dachte ich daran, die Presse vor den Behörden einzuschalten, aber das könnte der eine oder andere Staatsanwalt als Versuch einer Meinungsmache auffassen. Wenn ohnehin schon die Gefahr besteht, dass die eigene Anzeige im Mülleimer landet, dann sollte man die Wahrscheinlichkeit dafür nicht auch noch künstlich erhöhen. ;)
--- Zitat von: Stadt/Versorger am 16. Mai 2013, 18:37:58 ---Unsere Stadtwerke haben sich von der verlustreichen KW Kopplung verabschiedet und die Motoren nach Holland verkauft .
--- Ende Zitat ---
Unser lokaler Versorger produziert selbst keine einzige Kilowattstunde Fernwärme. Er ist ein reiner Zwischenhändler, der außer den eigenen Netzkosten und überschaubaren Personalkosten so gut wie keine Fixkosten hat. Trotzdem hat er es geschafft, den Grundkostenanteil an den Gesamtheizkosten für eine seiner beiden Hauptkundengruppen mit Hilfe komplett realitätsfremder Berechnungsformeln auf über 50% zu schrauben. Nach meinen Schätzungen liegt der auf diese Kundengruppe entfallende Anteil der Kosten für das Fernwärmenetz nicht einmal bei 10% der abgerechneten Erlöse für den entsprechenden Bereitstellungspreis. Wenn man aus diesem Preis auch nur eine Teil der enthaltenen "Luft" ablassen würde, könnte man damit wahrscheinlich auf dem Mond eine neue Atmosphäre erschaffen. :S
Stadt/Versorger:
sh. auch hier:
http://forum.energienetz.de/index.php/topic,4311.msg17837.html?PHPSESSID=8ghbhf54tkdirqcciuqait4dl2#msg17837
Will Kane:
--- Zitat von: Stadt/Versorger am 19. Mai 2013, 13:44:48 ---sh. auch hier:
http://forum.energienetz.de/index.php/topic,4311.msg17837.html?PHPSESSID=8ghbhf54tkdirqcciuqait4dl2#msg17837
--- Ende Zitat ---
Danke für den Tipp. Sieht für mich aber so aus, als wenn das GWB hat seit jenem Posting offenbar einige bedeutende Änderungen erfahren hat. Der §103 ist gestrichen bzw. zu großen Teilen in den §29 überführt worden. Der lautet nun wie folgt:
§ 29 Energiewirtschaft
Einem Unternehmen ist es verboten, als Anbieter von Elektrizität oder leitungsgebundenem Gas (Versorgungsunternehmen) auf einem Markt, auf dem es allein oder zusammen mit anderen Versorgungsunternehmen eine marktbeherrschende Stellung hat, diese Stellung missbräuchlich auszunutzen, indem es
1.
Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, die ungünstiger sind als diejenigen anderer Versorgungsunternehmen oder von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten, es sei denn, das Versorgungsunternehmen weist nach, dass die Abweichung sachlich gerechtfertigt ist, wobei die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nur in Verfahren vor den Kartellbehörden gilt, oder
2.
Entgelte fordert, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten.
Kosten, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden, dürfen bei der Feststellung eines Missbrauchs im Sinne des Satzes 1 nicht berücksichtigt werden. Die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.
Siehe dazu:
http://www.gesetze-im-internet.de/gwb/index.html
Ich denke, mein möglicher Bürgereinwand wird sich somit um Teile der §§19 und 29 drehen.
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