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Autor Thema: BGH-Urteil VIII ZR 240/11  (Gelesen 10555 mal)

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Offline Christian Guhl

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BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« am: 29. Oktober 2012, 17:08:53 »
Im Unterforum "Gerichtsurteile" können "Normalsterbliche" nicht schreiben. Deshalb eröffne ich das Thema mal hier. Wenn ich das alles richtig verstanden habe, hat das Urteil eine enorme Auswirkung auf unseren Protest. Zum Ersten sind Rechnungen auch fällig, wenn mit den unwirksam erhöhten Preisen abgerechnet wurde. Der Kunde muss sich dann selbst ausrechnen, welchen Teilbetrag der Rechnung er zu zahlen hat. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass bei Rechnungen, die nach einem entsprechenden Urteil mit den unwirksam erhöhten Preisen erstellt wurden, ein offensichtlicher Fehler nach § 17 GVV vorliegt und ein Zahlungsverweigerungsrecht für die gesamte Rechnung besteht. Jedenfalls solange, bis der Versorger eine Rechnung mit den wirksam vereinbarten Preisen erstellt. Zum Zweiten schützt auch ein begonnener Prozess nicht vor der Verjährung der Rückforderungsansprüche. Wenn ich das Urteil richtig interpretiere, wird die Verjährung nur gehemmt, wenn ich auf Rückzahlung klage, nicht, wenn ich eine Feststellungsklage auf Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel führe.

Offline Didakt

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #1 am: 29. Oktober 2012, 23:00:43 »
Da gibt’s doch kein Vertun. Forderungen aus Verbrauchsabrechnungen waren grundsätzlich schon immer bis auf den Anteil fällig, der auf die streitgegenständlichen ‒ den vereinbarten Ausgangspreis übersteigende - Preiserhöhungsbeträge entfällt, gegen die sich der Widerspruch im Einzelfall richtet (§ 315 BGB oder unwirksame Preisanpassungsklausel). Zu dokumentieren ist die Kürzung des Rechnungsbetrages verbraucherseits durch eine selbst aufgestellte Kostenberechnung, die dem Versorger mit dem Widerspruch zur Begründung der Kürzung vorzulegen ist (gängige Praxis).

Es ist auch davon auszugehen, dass Rückforderungsansprüche der normalen Verjährungsfrist von 3 Jahren unterliegen. Hemmung bei Klageerhebung auf Rückforderung.

Offline RR-E-ft

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #2 am: 30. Oktober 2012, 08:47:27 »
Abrechnungen, die nicht vereinbarte Preise ausweisen, sind - nur -  insoweit fällig, wie sie auf dem vertraglich vereinbarten Preis beruhen.

Soweit ein einseitiges Preisanapassungsrecht gesetzlich oder vertraglich wirksam eingeräumt wurde
und die Abrechnung auf einseitig geänderten Preisen beruht,
die nicht zwischenzeitlich zu vereinbarten Preisen wurden,
sind die auf einseitigen Preisanpassungen beruhenden Forderungen nur verbindlich,
wenn die einseitige Preisänderung der Billigkeit entsprach, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB (so schon BGH, Urt. v. 19.11.08 VIII ZR 138/07).

Rückforderungsanspruche des Kunden aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 BGB unterliegen der dreijährigen Verjährung.
Der Rückforderungsanspruch entsteht nicht bereits mit einer Abschlagszahlung, sondern erst mit der Verbrauchsabrechnung,
wenn Abschlagszahlungen vertraglich oder gesetzlich zu leisten waren.

Die Erhebung einer Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner Preisänderungen hemmt die Verjährung von Rückforderungsansprüchen nicht.
Eine Hemmung tritt insoweit ein mit Erhebung einer Rückzahlungsklage oder einer Klage auf Feststellung, dass eine Rückzahlungspflicht besteht.   
« Letzte Änderung: 30. Oktober 2012, 08:49:02 von RR-E-ft »

Offline Christian Guhl

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #3 am: 30. Oktober 2012, 20:28:18 »
@Didakt
Das ist alles soweit klar. Es geht mir darum, ob der Versorger eine Rechnung mit dem Ausgangspreis erstellen muss, damit dieser fällig wird. Es kann doch nicht sein, dass eine Rechnung über insgesamt 1.000 € (aktueller Preis) nur über 500 € (Anfangspreis) fällig ist. Gibt es eine teilweise Fälligkeit ? Der Kunde bekommt eine Rechnung und muss sich selber ausrechnen, was er davon bezahlen muss ? Wenn eine Rechnung mit den aktuellen Preisen erstellt wird, obwohl ein rechtskräftiges Urteil besteht, dass nur der Anfangspreis geschuldet wird, liegt meiner Meinung nach "die ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" vor. Es kann doch sein, dass der unwirksam erhöhte Preis trotz Kenntnis des Gerichtsurteils "aus Versehen" berechnet wurde. (Obwohl ich darin eher versuchten Betrug sehe.) Und dann ist die gesamte Rechnung erst fällig, wenn die Preise korrigiert wurden. Es gibt Versorger die auch nach rechtskräftigen Urteilen weiterhin fröhlich Rechnungen mit den erhöhten Preisen verschickt haben. Ich kenne eine Menge Kunden, die den Versorger dann aufgefordert haben, eine korrigierte Rechnung zu erstellen und erst mal gar nichts gezahlt haben. Die Rechnungskorrekturen lassen bis heute auf sich warten.

Offline RR-E-ft

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #4 am: 30. Oktober 2012, 21:25:45 »
@Didakt
Das ist alles soweit klar. Es geht mir darum, ob der Versorger eine Rechnung mit dem Ausgangspreis erstellen muss, damit dieser fällig wird. Es kann doch nicht sein, dass eine Rechnung über insgesamt 1.000 € (aktueller Preis) nur über 500 € (Anfangspreis) fällig ist.

Nehmen wir an, es sei ein Sondervertrag abgeschlossen worden, bei dem ein Preis von 3,00 Ct/ kWh vereinbart wurde.
Die Kaufpreisforderung des Versorgers soll nach der vertraglichen Abrede jeweils erst nach Zugang einer Verbrauchsabrechnung beim Kunden fällig werden (Abweichung von § 271 Abs. 1 BGB).

Eine Preisänderungsklausel wurde nicht wirksam einbezogen oder ist unwirksam.

Der Versorger hat, ohne dazu berechtigt zu sein, den Preis im zweiten Vertragsjahr  auf 4,00 Ct/ kWh erhöht.

Dem Kunden geht nach dem zweiten Vertragsjahr eine Verbrauchsabrechnung des Versorgers zu,
mit welcher dieser die tatsächlich im Abrechnungszeitraum
im Umfange von 10.000 kWh gelieferte Energiemenge  abrechnet,
dabei jedoch den erhöhten Preis in Höhe von 4,00 Ct/ kWh zu Grunde legt
und deshalb eine Forderung in Höhe von 400,00 EUR beansprucht.

Tatsächlich schuldet der Kunde vertraglich für den
zutreffend abgerechneten Verbrauch
von 10.000 kWh nur 300,00 EUR,
weil nur der vertraglich vereinbarte Preis von 3,00 Ct/ kWh geschuldet ist.

Nach dem Zugang dieser Verbrauchsabrechnung ist nach den vertraglichen Abreden deshalb
ein Zahlungsanspruch iHv. 300,00 EUR zur Zahlung fällig.
Ein weitergehender Zahlungsanspruch des Versorgers besteht jedoch von Anfang an nicht.

Merke:

Der Zahlungsanspruch und dessen Fälligkeit ergibt sich aus der vertraglichen Abrede,
die bei Vertragsabschluss getroffen wurde,
und gerade nicht aus der Verbrauchsabrechnung des Versorgers.

Es ist also keinesfalls so, dass nach dieser Verbrauchsabrechnung noch gar keine fällige Forderung
des Versorgers bestünde, weil diser erst noch eine (neue) Abrechnung unter Zugrundelegung des tatsächlich
vertraglich geschuldeten Preises in Höhe von 3,00 Ct/ kWh über 300,00 EUR zu erstellen und zu übersenden habe.

Nach dem Zugang der o. g. Verbrauchsabrechnung besteht bereits eine fällige Forderung
des Versorgers in Höhe von 300,00 EUR,
mit deren Zahlung der Kunde ohne Weiteres in Verzug geraten kann.

Aus der vertraglichen Vereinbarung ergibt sich, dass der Preis 3,00 Ct/ kWh beträgt
und die Zahlungspflicht des Kunden für die verbrauchten Energiemengen entgegen § 271 Abs. 1 BGB
erst nach Zugang einer Verbrauchsabrechnung fällig wird.

Dem Kunden ist eine Verbrauchsabrechnung zugegangen,
mit welcher ein Verbrauch im Umfange von 10.000 kWh zur Abrechnung gestellt wird.
 
Die daraus resultierende, vertraglich geschuldete Kaufpreisforderung beträgt
- wie sich unschwer ermitteln lässt- 300,00 EUR  und wird nicht erst fällig,
wenn dem Kunden eine korrigierte (Ab-)Rechnung vorliegt.

Mit einer "offensichtlichen Fehlerhaftigkeit" der Verbrauchsabrechnung hat dies nichts zu tun:

Die für die Fälligkeit notwendige Verbrauchsabrechnung  betrifft allein die Abrechnung der gelieferten Energiemenge
(des Verbrauchs)  im Abrechnungszeitraum,  die sich vorliegend tatsächlich auf 10.000 kWh belief. 

Der abgerechnete Verbrauch, der Voraussetzung für die Fälligkeit einer Kaufpreiszahlung ist,
beläuft sich auf 10.000 kWh und nicht etwa auf 400,00 EUR.

Aus dem Vertrag ergibt sich, dass der Kaufpreis 3,00 Ct/ kWh beträgt.
Der fällige Kaufpreisanspruch beläuft sich demnach auf 300,00 EUR.

Dies ergibt sich aus §§ 433, 271 BGB.
« Letzte Änderung: 31. Oktober 2012, 00:44:46 von RR-E-ft »

Offline RR-E-ft

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #5 am: 31. Oktober 2012, 01:11:03 »
Die Kaufpreisansprüche des Versorgers nach solchen Verbrauchsabrechnungen,
die wie aufgezeigt bereits fällig sind,
unterliegen selbstverständlich selbst der regelmäßigen Verjährung.
 
Ohne jegliche Fälligkeit könnte die Verjährung nicht zu laufen beginnen.

 

Offline berghaus

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #6 am: 31. Oktober 2012, 02:50:13 »
Wenn nun der Kunde schon mehrere Jahre tapfer auf den Anfangs=Vertragspreis gekürzt hat und die Gerichte folgen dem (umstrittenen) Urteil des BGH vom 14.03.2012, wonach den Berechnungen in etwa der Preis 3 Jahre vor dem ersten Widerspruch zugrunde zu legen ist, dann war wohl meist bei jeder folgenden Jahresrechnung ein höherer Preis als der Anfangspreis fällig!?

Das bedeutet dann wohl auch, dass für diese Differenzbeträge vom Versorger Verzugszinsen in Rechnung gestellt werden können?

Und, das bedeutet auch, dass der Kunde in einem Prozess, in dem dieser höhere Preis als der Anfangspreis festgestellt wird, einen Teil der Gerichtskosten und aller Anwaltskosten tragen muss.

Hier wird einmal mehr die Willkür des Urteils des BGH deutlich.

berghaus 31.10.12
« Letzte Änderung: 31. Oktober 2012, 02:56:22 von berghaus »

Offline bolli

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #7 am: 31. Oktober 2012, 09:50:02 »
Wenn nun der Kunde schon mehrere Jahre tapfer auf den Anfangs=Vertragspreis gekürzt hat und die Gerichte folgen dem (umstrittenen) Urteil des BGH vom 14.03.2012, wonach den Berechnungen in etwa der Preis 3 Jahre vor dem ersten Widerspruch zugrunde zu legen ist, dann war wohl meist bei jeder folgenden Jahresrechnung ein höherer Preis als der Anfangspreis fällig!?
Ich will ja nicht behaupten, dass ich das Urteil des BGH vom 14.03.2012 richtig finde oder gar nachvollziehen kann, aber eines ist doch meines Erachtens auch klar:
Zu Beginn des Preisprotestes ist (so gut wie) niemand auf die Idee gekommen, auf den Anfangspreis zu kürzen. Der weit überwiegende Teil hat doch lediglich den Preis irgendwann "eingefroren" UND dabei dieses mit einem Widerspruch gegen die Preise begründet, zunächst auf der Basis von § 315 BGB. Erst später hat uns der BGH darüber aufgeklärt, dass bei Sonderverträgen meist § 307 BGB die Anspruchsgrundlage ist. Da es sich um vereinbarte Preise handelte und somit § 315 in der Regel nicht zieht, hat man sich die Preisanpassungsklauseln angeschaut und deren überwiegende Unwirksamkeit wegen Intrasparenz festgestellt, somit einen Verstoß gegen § 307 BGB. Insofern sollten diesen Fällen keine übermäßigen Minderzahlungen stattgefunden haben.
Erst mit den ersten unterinstanzlichen Urteilen in 2010, in denen der Anfangspreis als maßgeblicher Preis zugrunde gelegt wurde, entstanden diese "Begehrlichkeiten" (die ja aus meiener Sicht durchaus berechtigt sind), jedoch dürften aus diesem Grunde nur wenige Fälle vorhanden sein, in denen "über mehrere Jahre tapfer auf den Anfangs=Vertragspreis gekürzt" wurde. Gleichwohl sind diese Fälle möglicherweise natürlich bei dieser Rechtslage bzw. Rechtsprechung ärgerlich.  :(

Offline Didakt

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #8 am: 31. Oktober 2012, 11:04:44 »
@ Christian Guhl,

Ihre Verärgerung über das Vorgehen des betreffenden Versorgers (wahrscheinlich Avacon und deshalb typisch) ist zwar verständlich, aber aus solcher Rechnung ist halt der vertraglich geschuldete Betrag fällig und zu entrichten. RR-E-ft hat dies als ausgewiesener Rechtsexperte ja absolut nachvollziehbar dargestellt. Besser geht’s nicht!

Hier stellt sich nur die Frage, was man als Betroffener weiterhin tun sollte. Wenn ein einschlägiges Urteil vorliegt, das die Rechnungskürzung rechtfertigt, braucht man eigentlich nicht noch aus lauter Höflichkeit die Kürzung zu begründen und sich damit noch eigenen Aufwand bereiten. Soll der Versorger doch tun, was er will. Irgendwann wird und muss er wohl einsichtig werden! Bei der Intelligenz der dort Beschäftigten kann das allerdings einige Zeit dauern! ;)

Offline Black

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #9 am: 31. Oktober 2012, 11:20:45 »
Und, das bedeutet auch, dass der Kunde in einem Prozess, in dem dieser höhere Preis als der Anfangspreis festgestellt wird, einen Teil der Gerichtskosten und aller Anwaltskosten tragen muss.

Hier wird einmal mehr die Willkür des Urteils des BGH deutlich.

Wo ist das Problem? Die Rechtsprechung des BGH zum Anfangspreis ist nun bekannt. Jeder Widerspruchskunde der nun künftig trotzdem auf den Anfangspreis kürzt und damit in ein gerichtliches Verfahren geht ist selber schuld, wenn er die Rechtsprechung nicht beachtet.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline berghaus

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #10 am: 31. Oktober 2012, 12:00:39 »
Sollte man denn jetzt, nachdem man jahrelang tapfer auf den Anfangspreis oder wegen Rückforderungen sogar auf Null gekürzt hat, nun die Differenz zum '3 Jahre vorher Preis' für unverjährte Zeiträume fleißig nachzahlen?

Oder sollte man damit warten bis ein Mahnbescheid oder eine Klage kommt?

berghaus 31.10.12

Offline bolli

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #11 am: 31. Oktober 2012, 12:46:39 »
Wie immer dürfte das das individuelle Risiko jedes einzelnen sein. Auch kommt es ja darauf an, wann man seine Kürzungen vorgenommen hat. Schließlich gilt auch für Forderungen des Versorgers die Einrede der Verjährung. Insofern muss man seinen Fall in Ruhe betrachten, dass bisherige Verhalten seine Versorgers berücksichtigen und dann eine persönliche Entscheidung treffen.

Nur wer was riskiert kann mehr erreichen als die Allgemeinheit, die nur auf hundertprozentig gesicherte Positionen setzt.  ;)

Offline berghaus

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #12 am: 31. Oktober 2012, 15:42:49 »
Erinnert werden sollte in diesem Zusammenhang auch noch mal, dass ein Schriftverkehr mit dem Versorger z.B. darüber, man wäre nun bereit, den '3 Jahre vorher Preis' zu zahlen,
nach den §§ 203 BGB die Verjährung unterbrechen könnte.
z. B. Zitat: Verhandlungen schweben schon dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, die der jeweils anderen Seite die Annahme gestatten, der Erklärende lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs oder dessen Umfang ein.
BGH - 12.05.2011 - IX ZR 91/08

berghaus 31.10.12

Offline Didakt

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #13 am: 31. Oktober 2012, 15:58:00 »
@ berghaus,

welcher Art sind denn Ihre Verhandlungen mit dem Gläubiger/Versorger? Ist denn von einer Partei etwa ein Vergleichsangebot unterbreitet worden?

Offline RR-E-ft

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Re: BGH-Urteil VIII ZR 240/11
« Antwort #14 am: 31. Oktober 2012, 18:09:58 »
Mit der ergänzenden Vertragsauslegung entsprechend der Urteile des BGH vom 14.03.12 Az. VIII ZR 93/11 und VIII ZR 113/11 ist es so eine Sache. Diese führt jedenfalls zu keinem Automatismus, da die Voraussetzungen im Einzelfall jeweils vom Gericht geprüft werden müssen. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht Sache der Parteien, sondern Sache des Gerichts.

Zitat
BGH, B. v. 24.04.12 Az. VIII ZR 278/11, juris Rn. 6:

Die vom Senat für den Fall der Unwirksamkeit einer vertraglich vereinbarten Preisanpassungsklausel entwickelte Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung (vgl. Senatsurteile vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, unter II 3, und VIII ZR 93/11, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 4) kommt vorliegend nicht in Betracht, weil es hierzu an einem ausreichenden Vortrag in den Tatsacheninstanzen fehlt. Die Klägerin hat - trotz eines entsprechenden Hinweises des Berufungsgerichts - weder den vertraglich vereinbarten Ausgangspreis vorgetragen, noch hat sie dargelegt, dass sich aus den Zahlungen des Beklagten ergibt, dass dieser auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht (vgl. Senatsurteile vom 14. Juli 2010 - VIII ZR 246/08, BGHZ 186, 180 Rn. 52; vom 14. März 2012 - VIII ZR 113/11, aaO und VIII ZR 93/11, aaO).

Der auf Zahlung verklagte Kunde bestreitet in seiner Klageerwiderung die Zahlungsverpflichtung und macht geltend, dass Preise zur Abrechnung gestellt wurden, die vertraglich nicht vereinbart wurden und auf die der Versorger auch sonst keinen Anspruch hat.
Welcher Preis anfänglich vereinbart war, braucht der beklagte Kunde nicht vortragen. Entsprechender Vortrag ist Sache des klagenden Versorgers.

Im Falle einer solchen ergänzenden Vertragsauslegung soll zunächst auch von Anfang an kein weiterer Zahlungsanspruch des Versorgers bestanden haben, erst nach Ablauf von drei Jahren soll der Kunde bei unterlassenen Widersprüchen fortan nicht mehr geltend machen können, dass die einseitigen Preisänderungen unwirksam waren.

Wie und wann dabei höhere Zahlungsansprüche des Versorgers, die über den vertraglich vereinbarten Anfangspreis hinausgehen, entstehen sollen, ist nicht recht nachvollziehbar.

Ansprüche können verwirken. Unter einem Anspruch versteht man das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen.  Um einen solchen Anspruch handelt es sich beim vertraglichen Zahlungsanspruch des Versorgers. Auch der bereicherungsrechtliche Rückzahlungsanspruch des Kunden ist ein solcher Anspruch, der verwirken kann.

Ein nachträgliches Erwirken von Ansprüchen ist in der Rechtsordnung hingegen eigentlich nicht vorgesehen.
Denn wo nichts ist, da kann nichts werden. 

Das ist aber schon wieder eine weitere Problematik, die mit dem eigentlichen Thema des Threads (BGH, Urt. v. 26.09.12 Az. VIII ZR 240/11 bzw. Leitsatzentscheidung VIII ZR 249/11) nicht unmittelbar etwas zu tun hat.
« Letzte Änderung: 31. Oktober 2012, 19:43:40 von RR-E-ft »

 

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