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Autor Thema: Tarif-Änderung nur als SPAM Mail verschickt - nicht erhalten, was nun?  (Gelesen 9301 mal)

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Offline craigs

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Eine etwas verfahrene Situation:
- Stromanbieter mit 2-Jahrevertrag, Preisgarantie nur im ersten.
- Anbieter zieht unabwendbar überhöhte Monatsbeträge ein und erzeugt somit Puffer von 360Euro am Ende von Jahr 1
- ohne briefliche Ankündigung erhöht er offenbar den Tarif für Jahr 2 um 15%, wie aus der ersten gerade erhaltenen 1. Jahresendabrechnung in deren ANHANG ersichtlich; die Abrechnung des 1. Jahres selbst ist korrekt.
- auf telef. Anfrage wird zugegeben, nur per Email (geschickt als SPAM kaschiert) im April 2012 die Ankündigung verschickt zu haben, Einspruch sei verjährt, müsse es bis 6.2013 hinnehmen, der neue Tarif sei rechtens.
- weitere Abbuchungen sind vorerst bis Jan 2013 ausgesetzt, um den zuviel einbehaltenen Betrag abzubauen

Laut OLG Hamm 2011 sowie der Grundversorgung (GVV) sind Tarifänderungen nur schriftlich per Brief erlaubt, der 'Online'-Anbieter bestreitet dies auf mündliche Anfrage.


Was nun?
Welche der beiden folgenden Strategien ist die juristisch und ökonomisch sinnvollste:

1) JETZT schriftlich Einspruch gegen die fehlende schriftliche Ankündigung einer Tarif-Änderung erheben (welche Frist habe ich, wenn ich nie offiziell von der Änderung oder deren Termin erfahren habe?)
Das Problem wird  sein, daß ich dann vermutlich die schriftlich notwendige Änderungs-Ankündung umgehend erhalten werde und sofort kündigen kann. Dann aber wird der Anbieter mein Restguthaben (ca 250Euro, wenn Vertrag innerhalb der nächsten 2 Monate endet) vermutlich nur noch durch Rechsanwalt/Klage herausrücken.

2) Abwarten, formell zum Ende des 2.Jahres kündigen, die letzten beiden Monats-Abschläge von der Bank zurückbuchen lassen (ca. 130Euro), dann die 2.Endabrechnung mit dem falschen Tarif anfechten und es auf 'Klage' ankommen lassen?  Nur in diesem Modell verhindere ich, daß der Anbieter auf meinem Geld sitzt.

Konkret:
Kann/'Darf' ich (ohne die Ankündigung je erhalten zu haben), den aktuell hohen Tarif überhaupt wissen, weil ich ihn am Ende der 1.Abrechnung in dessen Anhang 'sah'? Gilt der dort angebene Tarif bereits (ersatzweise) als 'Ankündigung', ohne Zeitangabe, Begründung, Befristung?
Ist das stillschweigende Anerkennung, wenn ich jetzt nichts dagegen unternehme?
Zudem: Jahresabrechnungen haben im Gegensatz zu Tarif-Änderungen lange Einspruchsfristen.
Kann ich die lange Frist in dem Fall nutzen und damit Zeit gewinnen, zB im Jan/Feb die eigentlich korrekte Abrechnung wg des dort augeführten falschen Preises anfechten?


Der deutsche Stromanbieter-Markt hat aus unserem Land eine Bananenrepublik gemacht, es ist zum Verzweifeln. Nur Ärger, bereits mit dem Voranbieter, der nur mit Hilfe der Bundesnetzentrale zu einer Abschlußrechnung und Gutschrft (nach 3.5 Monaten!) zu bewegen war.

Danke für jeden guten, FUNDIERTEN, Rat in dieser Situation!

m


Offline Cremer

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@craigs,

zunächst möchten wir alle gerne mal wissen welcher Anbieter dies ist.

Die Erhöhung muss in einem eigenen Brief mindestens 6 Wochen vor Wirksamwerden angekündigt werden.

Insofern ist die Erwähnung einer Tariferhöhung in einer Jahresrechnung m.WE. nicht rechtens.

Ich würde nach Nr. 1) verfahren und nicht abwarten. (der frühe Vogel fängt den Wurm :-))
Grundsätzlich haben Sie die Möglichkeit auch Lastschriften und Abbuchungen rückwirkend zu stonieren, welches ich in diesem Falle für ratsam halte. Sodann würde ich Widerspruch einlegen und ihn darauf verweisen, dass das Erhöhungsbegehren nichtig ist und Sie weiterhin an dem alten Preis festhalten. Sodann würde ich die Höhe der Abschläge begrenzen und die Lastschriften zurückweisen und eigene tätigen, sofern nach Verrechnung ihrer Ansprüche noch etwas übrig bleibt.

Sie müssen sich aber auch bewußt sein, dass der Versorger Ihnen den Vertrag komplett kündigt. Achten Sie auf die Kündigungsfristen.
MFG
Gerd Cremer
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Offline craigs

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Danke für die schnelle Antwort, sehr freundlich!
Namen hatte ich absichtlich zurückgehalten (Anfrage war auch in anderem Forum, dort war das zwingend).

Es geht um die berüchtigte Firma "HitStrom", ähnlich gelagerte Fälle (meist aber erst bei Schlußabrechnung bemerkt) fand ich haufenweise online.
 
Die Tarif-Anpassung per 'SPAM MAIL' Präzendenzfälle aus Hamm/2011 betrafen andere Anbieter im Rheinland, das Urteil ist aber rechtskräftig, wie online vielfach zitiert.
Zudem habe ich protokollierte Namen sowie das mündliche Eingeständnis, daß HitStrom NIE eine  Tariferhöhung postalisch verschickt hat. So weit so gut.
Übrigens: hätte ich die Tarif-Info erhalten, wäre ich selbstredend per Kündigung ausgestiegen. HitStrom operierte von Anfang an mit einem 'Lockvogel'-Preis des ersten Jahres, das 2. war auch OHNE eine Tarifanpassung recht teuer. Ich BRAUCHTE also genau diese Ankündigung, um rechtzeitig rauszukommen. Das war das Perfide von HitStrom: alle Mails AUSSER dem (unrechtmäßigen!) zeitkritischen Tarif-Mail kamen einwandfrei an. Ich weiß sogar, wie HitStrom es schaffte, das Tarif-Mail als SPAM zu kaschieren- ein ganz abgekartetes Spiel. Alles unter den Augen der Bundesnetz-Zentrale..

Weil Rückbuchungen zeitlich begrenzt sind (6 Wochen), kann ich meinen "Weg 1" nicht wirklich beschreiten. Die Firma hat es geschafft, bis heute einen Vorsprung von 400Euro anzuhäufen, da hilft die Rückbuchung der letzten Rate (68Euro) nichts.
Ich habe den falschen Tarif (aus dem Anhang der 1.Abrechnung, als geltend für das 2.Jahr) mündlich als nicht verbindlich abgewiesen, mehr nicht.

Die einseitige Kündigung seitens des Anbieters muß begründet sein, bisher bin ich selber ja nichts schuldig geblieben. Dies könnte durch eine schriftliche Anmahnung des Formfehlers (fehlende postalische Benachrichtigung einer geplanten Tariferhöhung) eher denkbar werden. Aber auch dann besteht die Gefahr des Verlustes alle meiner unfreiwilligen "Einlagen", die durch die raffinierte 50%ig zu hohe Ratenzahlung eingeheimst wurde.
Da aber Anwälte wiederum NOCH mehr kosten, hilft mir mein Recht nicht viel, es kostet hierzulande mehr Geld, Recht zu bekommen als Recht zu haben, eine traurige Kapitulation in einem 'Rechts-Staat'.

Persönlich denke ich, daß mein Weg "2" der bessere ist, brauche aber die juristische Bestätigung meiner Vermutung bzgl. der:
 'Kenntnis' (neuen Tarif nur indirekt erfahren, damit irrelevant und nicht bindend)
und
'Frist' ("Einspruch gegen Jahresbescheid" kann 12 Monate dauern, daher kann ich bis 2013 warten).
Ich würde in diesem Fall einfach im Feb Stromanbieter wechseln (zum Juni 2013), und den beschriebenen Buchungs-'Trick' anwenden, damit das Abschlags-Konto ausgeglichen ist (mit dem vertraglichen Normal-Tarif). Schulden will ich keine haben...

Wer hilft weiter?
Wie gesagt, total verfahren, ärgerlich und macht schlaflose Nächte, es ist zum K.tzen.
DANKE!
m

Offline Cremer

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@craigs,

also ich war bis zum 30.6.2012 auch Hitstromkunde. Das war ein Vertrag für 2 Jahre gewesen, Preisgarantie für 1 Jahr. Letztes Jahr hatte Hitstrom zum 1.7.2011 keine Preiserhöhung durchgeführt, der Bonus wurde ordnungsgemäß mit der Jahresrechnung verrechnet.

Dies Jahr hatte ich bereits 2 Monate vor Ablauf des Vertrages zum 30.6.12 ein mehrseitiges Schreiben von Hitstrrom erhalten, wo nach langen Passagen auf der letzten Seite dann konkret der neue Tarifpreis genannt wurde.
Preis ab 1.7.10 für 19,2 Cent/kWh
Preis ab 1.7.12 für 25,6 Cent/kWh
Bin dann gewechselt zu Grünwelt für 19,57 Cent/kWh. Zu Extraenergie mit 19,37 Cent/kWh war leider nicht möglich, da Hitstrom und Extraenergie zum gleichen Konzern gehören und Extraenergie somit keinen Neukundenbonus zahlen wollte.
Ich war also mit Hitstrom immer zufrieden gewesen, habe noch zweiVerträge beim gleichen Konzern als Hitgas laufen. Auch dort ist seit Okt. 2010 keine Preissteigerung gewesen. :)

Ich würde versuchen, das bisher "zinslose Darlehn" irgendwie zum Ablauf des Vertrages auszugleichen, ggf. die letzten 3 Monate rückbuchen lassen.
MFG
Gerd Cremer
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Offline Netznutzer

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Entscheidend werden die AGB's von Hitstrom sein. Sollte man dort ausdrücklich auf ausschliesslichen E-Mail-Verkehr sich einlassen, das kenne ich z.B. von energiehoch3, dann wird die Mitteilung per Mail rechtens sein. GVV und Ähnliches gilt auch nur für Grundversorgung, und ist ggüber Hitstrom nur schwer durchzusetzen. Hier wurde ein Sondervertrag geschlossen.

Gruß

NN

Offline craigs

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Danke für die Kommentare!

Man kann m.W. Rückbuchungen von eingezogenen Abschlägen nur 6 Wochen rückwirkend durchführen. Damit kann ich bestenfalls 2 der überhöhten Monatsbeiträge 'retten',  zum Ende der Vertragslaufzeit, da zZ aufgrund des exorbitanten Überhanges von 400Euro keinerlei Abbuchungen stattfinden, bis Jan 2013.

Nach meinem Rechts-Kenntnisstand sind 'indviduelle' Klauseln in AGB bzgl. der Tarif-Information NICHT rechtens, es gelten für alle Stromanbieter die Regeln des GVV. Eine schriftliche Information zur Tarifanpassung ist POSTALISCH per BRIEF vorgesehen, Emails gelten NICHT (eben wg des Mißbrauchs, zB Bulk-Mail als SPAM-Kaschierung).

Dies sah das OLG Hamm genauso, Zitat:
"23.11.2011 Oberlandesgericht Hamm kippt vage Strom- und Gaspreis-Klauseln: Preiserhöhungsankündigung per E-Mail unwirksam
Vertragsklauseln von Energieversorgern, die nicht einmal die vom Bundesgerichtshof festgelegten Mindestanforderungen an die ohnehin vagen Preisanpassungsregeln der Strom- und Gas-Grundversorgungsverordnung (Strom- bzw. Gas-GVV) erfüllen, sind unwirksam: Strom- und Gaspreiserhöhungen, die den Kunden nur per "individueller Bekanntgabe" angekündigt werden, genügen damit nicht den gesetzlichen Vorgaben. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm auf Klage der Verbraucherzentrale NRW gegen die Energiehoch3 GmbH (AZ: I-19 U 51/11) sowie die Gelsenwasser AG (AZ: I-19 U 122/11) jetzt entschieden. Die Richter ließen keine Revision zu; damit sind die Entscheidungen vom 22.11.2011 praktisch rechtskräftig."


Daß hier böswillige Absicht seitens des Anbieters dahintersteckt, erkennt man an vergleichbaren Fällen anderer Betroffener sowie der Tatsache, daß alle anderen Emails dieses Anbieters KEIN SPAM-Kriterium enthielten und ordnungsgemäß zugestellt wurden.
Um dies zu beweisen, würde ich EIN solches Beispiel-Email benötigen (meines wurde ja vom Mail-Dienst als Müll entsorgt). Man kann es dann gezielt an diverse Mail-Dienste senden und deren SPAM-Reaktion testen.
Damit wäre die Firma ggf. auch des versuchten Betruges überführbar.

Aber das ist letztendlich nicht der springende Punkt. Es geht um das JETZT notwendige richtige Vorgehen gegen  das Unternehmen, das sich solcher perfiden Tricks bedient.

Nochmals:
MUSS ich jetzt wissen, daß ein neuer Tarif angekündigt war, nur weil ein abweichender Wert im Anhang der 1.Jahresabrechung für das Folgejahr erwähnt war? Muß ich DIESEM und JETZT schriftlich widersprechen, ohne je offiziell und formell korrekt darüber informiert worden zu sein? Gilt es als stillschweigende Anerkennung, wenn ich einer nur indirekt mitgeteilten Tarifanpassung nicht schriftlich widerspreche? Wieviel Zeit habe ich zum Einspruch in solch' einem Fall, wo die "Info" in einer Vorjahres-Abrechnung versteckt wurde?
 
ODER

Kann ich die (dann falsche) 2.Jahresabrechnung zu ihrem Zeitpunkt in 2013 anfechten mit Verweis auf die geltende Gesetzes- und Rechtslage, und es ggf auf Klage ankommen lassen? Und zeitnah 2 Raten rückbuchen lassen, damit das Konto zum Vertragsende keinen unnötigen Überhang enthält?







 

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