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BGH, Urt. v. 28.10.15 VIII ZR 13/12 Gas-Tarifkunden nach EuGH- Entscheidung

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tangocharly:
@RR-E-ft

Dass es dem 8.ZS. nicht genehm ist, die Entscheidungen seiner Kollegen zur Kenntnis zu nehmen (BGH , 18.10.05 KZR 36/04) hat sich ja schon herum gesprochen. Er, der 8.ZS., vertritt halt ein anderes Modell, also das vertragsrechtliche (sil. Preishauptabrede).

Aber selbst dann, wenn man im Modell (der Daseinsvorsorge) es so stehen läßt, dass die Bestimmungen gem. § 315 Abs. 3 S. 1 BGB die Preisbestimmung des Versorgers begrenzen, so hat dies (gerade bei der Daseinsvorsorge) seine Haken.

Einerseits nehmen weder die Bestimmungen gem. §§ 1 u. 2 EnWG auf den § 315 BGB Bezug und andererseits will ja der EuGH den "hohen Maßstab des  Verbraucherschutzes" gewahrt sehen.

Die Bestimmungen des § 315 Abs. 3 S. 1 BGB sprechen vom billigen Ermessen. Die Bestimmungen gem. §§ 1.u.2 EnWG wollen eine "möglichst preisgünstige Versorgung" sichergestellt sehen. Wie das nach billigem Ermessen vonstatten gehen soll, stellt sich als Frage dar.

Der "hohe Maßstab des Verbraucherschutzes" ist auch nicht mit dem § 315 BGB gewahrt. Denn diese Bestimmung befindet sich nicht im Abschnitt 3, Titel 1, Untertitel 2 (d.h. §§ 312 - 312 k BGB = Verbraucherverträge), sondern in einem eigenen Untertitel (Nr.3).

Erst wenn sich im Rahmen der Privatautonomie zwei Vertragspartner auf Augenhöhe begegnen, dann liegt die Dispositionsmacht in deren Händen, sich auf dieses Modell der einseitigen Bestimmung zu einigen.

Dass dies in der Daseinsvorsorge nicht der Fall ist, wo es von vorn herein um ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht gehen soll, und der Gesetzgeber diesem Bestimmungsrecht keine Kontur gegeben hat,  führt m.E. nicht aus dem Dilemma heraus, in welchem sich der 8.ZS. mit seiner "Sockel-Preis-Theorie" befindet.

RR-E-ft:
§ 36 Abs. 1 EnWG enthält m.E. wie aufgezeigt eine gesetzliche Preisbestimmungspflicht des Versorgers.
Auf diese findet § 2 Abs. 1 EnWG Anwendung, der zu einer Versorgung im Sinne des § 1 Abs. 1 EnWG verpflichtet, also zu einer möglichst preisgünstigen Versorgung.

Schon als das Energiewirtschaftsgesetz anders als heute keine Verpflichtung wie in § 2 EnWG enthielt, sondern in § 1 EnWG 1935 lediglich das Ziel einer möglichst preiswürdigen Versorgung, hat die Rechtsprechung daraus zutreffend  den Rahmen für die Billigkeitskontrolle hergeleitet (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 unter III.).

Der Lieferant, welcher Grundversorger ist, hat mit den Allgemeinen Preisen die (behördlich genehmigten) Netznutzungsentgelte des Netzbetreibers, die Kosten der Messung und Abrechnung, die Großhandelspreise für die Beschaffung auf dem Markt, die alle Lieferanten betreffende staatliche Umlagen und eigene Vertreibskosten abzudecken und darf dabei einen angemessenen Gewinnanteil generieren.

Strom- Grundversorger haben die nicht von ihnen beeinflussbaren Preisbestandteile transparent auszuweisen, so dass der Grundversorgeranteil am Allgemeinen Preis ersichtlich wird und tun dies auch schon:

http://forum.energienetz.de/index.php/topic,19311.0.html

Somit sind diese Grundversorgeranteile "gleichnamig" gemacht und lassen sich untereinander vergleichen.

Die Großhandelspreise und deren Entwicklung sind marktöffentlich und für alle Lieferanten gleich.

Tatsächliche Beschaffungskosten oberhalb dieser Marktpreise dürfen wegen der Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG nicht über die Allgemeinen Preise auf grundversorgte Kunden abgewälzt werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 Az. VIII ZR 138/07, juris Rn. 43 mwN).

Subtrahiert man vom Grundversorgeranteil am Allgemeinen Preis die marktöffentlichen Großhandelspreise, verbleiben die - mit anderen Grundversorgern vergleichbaren -  Vetriebskosten einschließlich Gewinnanteil.

Subtrahiert  man etwa von den genannten 8,69 Ct/ kWh einen Großhandelspreis von 4 Ct/ kWh für die Beschaffungskosten [derzeitige Großhandelspreise liegen eher bei 3,2 Ct/kWh], verbleiben dort immer noch 4,69 Ct/kWh für Vertriebkosten und Gewinnanteil.

Die eigentlichen Vertriebskosten stellen sich angesichts der Absatzmengen zumeist als eher vernachlässigaber marginal heraus.

Der Gewinnanteil der Grundversorger- Vertriebe nähert sich deshalb  den Großhandelspreisen und damit den Stromerzeugungskosten an oder übersteigt diese sogar!

Den gemeinsamen Monitoringberichten des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur kann entnommen werden, dass die Vertriebsmargen bei der Grundversorgung in den letzten Jahren nicht uenerheblich ausgeweitet wurden [hauptsächlich durch Nichtweitergabe gesunkener Beschaffungskosten].
   

tangocharly:
Dass die Bestimmungen des § 315 BGB keine ausreichende Konkretisierung und unzureichende Transparenzerfordernisse aufweisen, hatten wir schon einmal (BGH, 21.12.1983, Az.: VIII ZR 195/82, Tz. 17):

--- Zitat ---Beide Vorinstanzen haben demgegenüber die Vertragsklausel für wirksam gehalten, weil die Beklagte bei sinngemäßer Auslegung von ihrem Änderungsrecht nur unter Anwendung billigen Ermessens (analog § 315 BGB) Gebrauch machen dürfe. Diese Einschränkung möchte die Beklagte sowohl auf die Feststellung der Voraussetzungen als auch auf das Ausmaß zulässiger Maßnahmen angewandt wissen, wobei sie auf die Möglichkeit späterer gerichtlicher Nachprüfung (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) verweist. An der Unwirksamkeit der zu weit gefaßten Klausel ändert die Einbeziehung des Rechtsgedankens aus § 315 BGB jedoch nichts. Diese Bestimmung scheidet als unmittelbare Rechtfertigung der streitigen Klausel schon deshalb aus, weil sie eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 9 AGB-Gesetz bzw. den früher dazu entwickelten Grundsätzen richtet (Senatsurteil vom 18. Mai 1983 - VIII ZR 20/82 = NJW 1983, 1603 [BGH 18.05.1983 - VIII ZR 20/82] = WM 1983, 680 unter II 2 b cc). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten. Der weite Spielraum der Billigkeit genügt nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen (Senatsurteil vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 = NJW 1980, 2518 = WM 1980, 1120 unter II 2 d; wie hier auch Graf von Westphalen NJW 1982, 2465, 2468, 2471 f). Er läßt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, auf den es für die Wirksamkeit einer Formularklausel ankommt, keine Beurteilung der möglichen Anwendungsfälle zu und ist deshalb als inhaltsbestimmendes Tatbestandsmerkmal ungeeignet. Was insoweit für die abstrakte Prüfung einer AGB-Bestimmung nach § 13 AGB-Gesetz gilt (Senatsurteil vom 11. Juni 1980 a.a.O. unter II 2 c), kann in einem Individualprozeß der vorliegenden Art nicht anders beurteilt werden, weil für den Haupthändler - hier den Kläger - auch bei Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse und Umstände kein Kriterium ersichtlich ist, auf Grund dessen er bei Vertragsabschluß einschätzen könnte, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte eine Gebietsänderung für erforderlich halten werde (vgl. zu den Anforderungen im Individualprozeß auch BGHZ 82, 238 ff [BGH 01.12.1981 - K ZR 37/80]).

--- Ende Zitat ---

Zwar will man diesem Instrument deshalb Kontur geben, weil die Versorger nicht nur das Recht zur Anpassung haben sollen, sondern auch die Pflicht hierzu. Mit Blick auf die Praxis erweist sich auch dieser "Tiger als ein Bettvorleger", weil sich eine Verwässerung allenthalben (mit Blick auf angebliche praktische Unzulänglichkeiten) aufzeigt.

Das kommt ja auch schon in der Entscheidung vom 02.10.1991 (Az.: VIII ZR 240/90) zum Anklang, wenn man dort die Mühen betrachtet, wie sich der 8.ZS. um Begrenzung des in § 315 BGB eingeräumten Ermessens einzugrenzen bemüht, nachdem das Reichsgericht hierin noch einen sehr großzügigen Maßstab gebilligt hatte (Verbraucherrechte waren damals halt noch nicht geboren bzw. Stiefkinder).

Und wenn selbst heute schon Überlegungen im Gange sind, dem Richter hierbei großzügige Schätzungen nach § 287 ZPO zuzubilligen, dann gibt es in der Energieversorgung gegen den Verbraucherschutz kein Halten mehr (EuGH - das Pfeifen im Walde).

Und mir ist noch kein SV begegnet, der sich die Preisbildung so subtil angesehen hat, wie das (erhellend) von @RR-E-ft  beschrieben wurde (und dennoch des Richters Überzeugung von der Billigkeit ausschlaggebend bestimmt hat).

tangocharly:
zu #11 (@RR-E-ft)

Folglich könnte die Formel der Allgemeinen Preise eines Lieferanten, welcher Grundversorger ist,  auf den folgenden Nenner gebracht werden:

Arbeitspreis -AP- (a)
./.  (aa.) Netznutzungsentgelte des Netzbetreibers (behördlich genehmigt) ,
./.  (bb.) Kosten der Messung und Abrechnung,
./.  (cc.)  staatliche Umlagen

Zwischensumme (b)
   = Delta (a.) ./. (aa.- cc.) = Grundversorgeranteil am AP
./.  (dd.)  Großhandelspreise für die Beschaffung auf dem Markt,

Zwischensumme (c)
   = Delta (b.) ./. (dd.) = Gewinnanteil incl. (ee.) eigene Vertriebskosten


zu dd.)
Großhandelspreise und deren Entwicklung sind marktöffentlich und für alle Lieferanten gleich. Tatsächliche Beschaffungskosten oberhalb dieser Marktpreise dürfen wegen der Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG nicht über die Allgemeinen Preise auf grundversorgte Kunden abgewälzt werden (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.2008 Az. VIII ZR 138/07, juris Rn. 43 mwN).

zu c.)
Die eigentlichen Vertriebskosten (ee.) stellen sich angesichts der Absatzmengen zumeist als eher vernachlässigaber marginal heraus.
Den gemeinsamen Monitoringberichten des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur kann entnommen werden, dass die Vertriebsmargen bei der Grundversorgung in den letzten Jahren nicht uenerheblich ausgeweitet wurden [hauptsächlich durch Nichtweitergabe gesunkener Beschaffungskosten].

tangocharly:
Wenn das Orakel am 23.09.2015 spricht, dann wird die Welt der Energieversorgung

(a) neu
(b) anders
(c) nicht anders

geschrieben. Darüber könnte doch mal vorab abgestimmt werden.

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