Widerspruchskunden, welche ihre Zahlungen gekürzt haben, bekommen Post von der Kanzlei Becker Büttner Held, wobei sich die Kollegen auf ein angeblich rechtskräftiges
Urteil des AG Augsburg vom 19.1.2012 ( Az. 23 C 5149/09) beziehen, bei dem ein gerichtliches Sachverständigengutachten die Billigkeit der Preiserhöhungen zwischen 2004 und 2009 erbracht haben soll.
Es liest sich etwa so:
Sehr geehrte.....,
wir nehmen Bezug auf die in der Vergangenheit geführte Korrespondenz über die Rechtmäßigkeit der Preisanpassungen der Stadtwerke Augsburg. Sie haben Widerspruch gegen die Preisanpassungen erhoben und den Preis für das an Sie gelieferte Erdgas nur teilweise beglichen. Dadurch sind Sie in Zahlungsrückstand geraten, obwohl die Stadtwerke Augsburg Ihnen die Rechtmäßigkeit der Preisanpassungen versichert und durch Testate einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nachgewiesen hatte.
Wie Sie vielleicht bereits aus den Zeitungen erfahren haben, wurde die Rechtmäßigkeit der Preisanpassungen nunmehr gerichtlich bestätigt. In einem von uns geführten Musterverfahren hat das Amtsgericht Augsburg mit Urteil vom 19.01.2012 (Az.: 23 C 5140/09) festgestellt, dass die Gaspreisanpassungen der Stadtwerke Augsburg in der Zeit von 2004 bis 2009 rechtmäßig gewesen sind.
Das Gericht hat mit Hilfe eines gerichtlichen Sachverständigen sämtliche Preisanpassungen im vorgenannten Zeitraum untersucht. Das Ergebnis der Untersuchung ist, dass die Kosten der Stadtwerke Augsburg für die Beschaffung von Erdgas stärker gestiegen sind als die Endkundenpreise. Darüber hinaus sind auch die sonstigen Kosten gestiegen. Damit haben die Stadtwerke Augsburg das vorhandene Preissteigerungspotential nicht vollumfänglich ausgenutzt, sondern sind bei der Anpassung der Endkundenpreise hinter dem rechtlich Zulässigen zurückgeblieben.
In dem dem rechtskräftigen Urteil heißt es daher:
\"Nach durchgeführter Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die streitgegenständlichen Preisanpassungen der Billigkeit gem. § 315 BGB entsprechen. Sie sind somit für den Beklagten bindend.”
Das Amtsgericht Augsburg hat den beklagten Kunden daher zur Zahlung sämtlicher Beträge zuzüglich Zinsen verurteilt, die der Kunde aufgrund seines Widerspruchs gegen die Preisanpassungen einbehalten hatte.
Zudem wurde der Kunde zur Zahlung der vollen Verfahrenskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten) sowie der Kosten für das gerichtliche Sachverständigengutachten verurteilt.
Wir möchten Sie nochmals darauf hinweisen, dass die Stadtwerke Augsburg jeher von der Rechtmäßigkeit ihrer Preisgestaltung überzeugt gewesen sind. Diese Überzeugung wurde durch Testate einer Wirtschaftprüfungsgesellschaft bestätigt, die wir Ihnen entweder zugesendet haben oder die Sie auf der Internetseite bzw. im Kundencenter unserer Mandantin einsehen konnten. Deshalb hatten wir Sie bereits in der Vergangenheit zum Ausgleich des Zahlungsrückstands aufgefordert. Nunmehr hat das hierfür zuständige Gericht diese Auffassung auf Grundlage eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nochmals bestätigt.
Aus diesen Gründen steht Ihnen ein Zahlungsverweigerungsrecht in Form der von Ihnen vorgenommenen Einbehaltung der Differenzbeträge der jeweiligen Preisanpassungen nicht zu. Vielmehr sind Sie zum Ausgleich dieser noch offenen Rechnungsbeträge zuzüglich bereits entstandener und entstehender Nebenkosten sowie Verzugszinsen verpflichtet.
Wir fordern Sie daher nochmals auf, die offene Gesamtforderung gemäß anliegender Forderungsaufstellung bis spätestens
Montag, den 14.05.2012
auf das Konto unserer Mandantin bei der Stadtsparkasse Augsburg, Konto-Nr. 810012740, BLZ 720 500 00 unter Angabe Ihrer Vertragskontonummer zum Ausgleich zu bringen.
Sollte keine fristgerechte Wertstellung auf dem Konto unserer Mandantin erfolgen, sehen sich die Stadtwerke Augsburg gegenüber den ordnungsgemäß zahlenden Kunden zur gerichtlichen Durchsetzung ihrer rechtmäßigen Forderung verpflichtet. Das Urteil des zuständigen Amtsgerichts Augsburg vom 19.01.2012 ist rechtskräftig, ein Rechtsmittel mithin nicht zulässig. Ein erneutes Verfahren vor dem Amtsgericht Augsburg wird zu keinem anderen Ergebnis führen. Insofern haben Sie nochmals Gelegenheit, in dieser Angelegenheit ein schnelles und für Sie kostengünstiges Ende zu erreichen.
In Erwartung eines fristgerechten Zahlungseingangs verbleiben wir mit
freundlichen Grüßen
Das genannte Urteil liegt nicht vor, so dass dessen Begründung nicht beurteilt werden kann. Es soll jedoch laut BBH rechtskräftig geworden sein. BBH geben ihrer Einschätzung Ausdruck, dass das Amtsgericht Augsburg in weiteren Fällen nicht anders entscheiden würde.
Dieser Schluss ist nicht zwingend.
Allein gegenüber grundversorgten Tarifklunden kann sich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht aus dem Gesetz ergeben, wenn die gesetzliche Regelung wirksam ist.
Die Wirksamkeit der gesetzlichen Regelung steht jedoch bisher mit Rücksicht auf Europarecht in Frage.
Siehe hierzu:
BGH, B. v. 18.05.11 Az.
VIII ZR 71/10BGH, B. v. 29.06.11 Az.
VIII ZR 211/10BGH, B. v. 24.01.11 Az.
VIII ZR 236/10BGH, B. v. 24.01.12 Az. VIII ZR 158/11
Wie die Stadtwerke Augsburg das Ergebnis des dem EuGH vorgelegten Streits darüber, ob die gesetzliche Regelung wirksam ist und dem Gasversorger gegenüber grundversorgten Tarifkunden tatsächlich wirksam ein Preisanpassungsrecht einräumt, dem Kunden versichern wollen, bleibt unerfindlich.
Schon die Frage, ob dem Gasversorger ein einseitiges Preisanpassungerscht zusteht, ist bisher offen.