Energiepolitik > Erneuerbare Energie
Verfassungsklage wegen sinkender Fördersätze?
superhaase:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Die Absichten des Gesetzgebers können und müssen sich ändern, wenn man merkt, dass der Kurs nicht stimmt.
--- Ende Zitat ---
Das stellt ja auch keiner in Abrede.
--- Zitat ---Die Diskussion um eine notwendige Kurskorrektur lief schon lange 2011.
--- Ende Zitat ---
Ja?
Ich erinnere mich, dass erst Ende Dezember bzw. im Januar der Aufschrei erfolgte, nachdem bekannt wurde, dass im Dezember offenbar 3 GWp PV-Leistung bei der Netzagentur angemeldet wurden.
Erst dies war doch der Anlasss, die regelmäßgen Schlussverkaufsszenarien beseitigen zu wollen und das frisch gebackene EEG erneut zu ändern.
Bis Dezember 2011 lag der PV-Zubau ja scheinbar nur bei etwa 4,5 GWp, was man mit der letzten EEG-Änderung auf dem Weg zurück in den Zielkorridor auch vorausgesagt hatte.
--- Zitat ---Vertane Projektaufwendungen sind wohl weit leichter zu verschmerzen als die wirtschaftlichen Folgen einer Förderung wie bisher auf die nächsten 20 Jahre infolge einer Übergangsregelung.
--- Ende Zitat ---
Die wirtschaftlichen Folgen von einigen Projekten, für die eine Übergangsfrist gelten wird, sind für die einzelnen Stromverbraucher wohl kaum messbar.
Die wirtschaftlichen Folgen für Investoren, die ein Großprojekt abbrechen müssen, dürften für den einzelnen Investor wesentlich schmerzhafter sein.
Fraglich, ob man einen sehr kleinen Schmerz für viele gegen einen großen Schmerz für wenige tauschen sollte.
Fraglich, ob man so nicht ganz allgemein den Investitionsstandort Deutschland beschädigt, was auch wiederum negative wirtschaftliche Folgen für viele hat.
--- Zitat ---Der Vertrauensschutz, sollte es einen solchen überhaupt geben, kann sich wohl allenfalls auf die bisher entstandenen Kosten, nicht jedoch auf die Gewinnaussichten in den nächsten 20 Jahren beziehen.
--- Ende Zitat ---
Da ist was dran.
Man könnte also einen Vertrauensschutz dahingehend gewähren, dass unvermeidbare Kosten vom Staat erstattet werden, wenn ein Projekt aufgrund der Gesetzesänderung während der Projektierungsphase zu einem Verlustgeschäft wird und deshalb abgebrochen wird.
Das ist aber wohl juristisch und finanzrechtlich ein unübersichtliches und schwieriges Unterfangen.
Gab es vergleichbares schon mal?
--- Zitat ---Schließlich bestehen unabhängig davon für solche Projekte auch wirtschaftliche Risiken darin, dass die Anlagenbauer, bei denen man die Anlagen bestellt hat, in Insolvenz gehen.
--- Ende Zitat ---
Sicher besteht auch hier auch ein Risiko. Ein entsprechender Entschädigungsanspruch gegen den insolventen Geschäftspartner würde wohl entstehen und rechtlich bestand haben, aber mangels Masse nicht befriedigt werden.
Bei einem Entschädigungsanspruch gegen den Staat als Gesetzgeber und Verursacher sieht es dagegen anders aus.
Deshalb haben viele Politiker ja auch die Gefahr einer Welle von Entschädigungsklagen gesehen und noch Übergangsfristen gefordert.
Was die Forderung nach verlässlichen und voraussehbaren rechtlichen Rahmenbedingungen für ein sinnvolles Wirtschaften in einem Rechtsstaat mit einer \"Vollkasko\"-Mentalität zu tun haben soll, kann ich nicht erkennen.
ciao,
sh
RR-E-ft:
Wenn ein Projekt seine wirtschaftliche Basis verloren hat, könnten daran gedacht werden, die dadurch bisher entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Mehr nicht.
Tatsächlich dürfte für Schadensersatzansprüche gegen den Staat wohl gar kein Raum sein, weil Erwartungen über eine künftige wirtschaftliche Entwicklung als solche allein schon nicht geschützt sind.
superhaase:
--- Zitat ---Original von RR-E-ft
Wenn ein Projekt seine wirtschaftliche Basis verloren hat, könnten daran gedacht werden, die dadurch bisher entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten. Mehr nicht.
--- Ende Zitat ---
Klingt gut.
Wird wohl nur in einem Prozess zu eroieren und zu regeln sein.
Oder bei einer Art Schiedsstelle, die man dazu einrichtet.
Fände ich gut.
Müsste nur noch der Herr Schäuble zustimmen und das Geld dafür rausrücken - das wird schwierig ... ;)
--- Zitat ---Tatsächlich dürfte für Schadensersatzansprüche gegen den Staat wohl gar kein Raum sein, weil Erwartungen über eine künftige wirtschaftliche Entwicklung als solche allein schon nicht geschützt sind.
--- Ende Zitat ---
Einverstanden.
Es ist durchaus geltende Rechtsprechung in Deutschland, dass ein Investor z.B. bei einer Prospekthaftungsklage auch den entgangenen Gewinn für eine vergleichbare Geldanlage als Entschädigung zugesprochen bekommt. In diesem Fall wäre aber das Kapital ja noch nicht eingesetzt oder zumindest nur sehr kurz gebunden gewesen, so dass es frei für andere Geldanlagen wird und somit praktisch kein \"entgangener Gewinn\" zustandekommt.
ciao,
sh
RR-E-ft:
Der Staat hatte wohl keinen Prospekt im Sinne des Prospekthaftungsgesetzes für eine Geldanlage herausgebracht.
Wenn für Schadensersatzansprüche gegen den Staat deshalb gar kein Raum sein sollte, weil Erwartungen über eine künftige wirtschaftliche Entwicklung oder Gesetzeslage als solche grundsätzlich allein schon nicht geschützt sind, erübrigt sich wohl alles Weitere.
Dass sich die Gesetzeslage durch ein Gesetzgebungsverfahren im verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen jederzeit ändern kann, liegt in der Natur der Sache.
Dass sich wirtschaftliche Erwartungen, die auf einer bisherigen Gesetzeslage gründen, nicht erfüllen können, wenn es zu einer solchen Änderung der Gesetzeslage kommt, ist die logische Folge.
Das ist naturgemäß stets und ständig der Fall, wenn der Gesetzgeber nur irgendwie tätig wird.
Wenn aber jede Tätigkeit des Gesetzgebers wegen deshalb enttäuschter wirtschaftlicher Erwartungen entsprechende Schadensatzansprüche gegen den Staat auslösen könnte und der Gesetzgeber mit Rücksicht darauf seine gesetzgeberische Tätigkeit einrichten wollte, wäre der Staat auf dem Gebiet der Gesetzgebung wohl alsbald vollständig handlungsunfähig.
Es kann demnach wohl keine geschützte wirtschaftliche Erwartung geben, die darauf gründet, dass sich eine bisherige Gesetzeslage nicht ändert.
superhaase:
OK.
Der Vergleich mit der Prospekthaftung passt wohl hier nicht.
Klar ist jedenfalls, dass ein Investor im diskutierten Fall einer für ihn \"schädlichen\" Gesetzesänderung allenfalls eine Erstattung der unvermeidbaren Kosten beanspruchen könnte, und keine erwarteten entgagenen Gewinne.
Insofern wären also Übergangsfristen für PV-Projekte, in denen die alten Vergütungssätze weiter angewendet werden sollen, die schlechtere Lösung, und es sollten stattdessen nur nachgewiesene unvermeidbare Kosten erstattet werden.
Jetzt haben wir nur noch das Problem, dass es dem Staat in Form seiner Regierung wohl sicher leichter fällt, die Mehrkosten der Übergangsregelung auf die Stromverbraucher abwälzen zu lassen, als über den Staatshaushalt die Kosten für z.B. eine Schiedsstelle und für die Entschädigungen zu übernehmen.
--- Zitat ---Dass sich die Gesetzeslage durch ein Gesetzgebungsverfahren im verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen jederzeit ändern kann, liegt in der Natur der Sache.
Dass sich wirtschaftliche Erwartungen, die auf einer bisherigen Gesetzeslage gründen, nicht erfüllen können, wenn es zu einer solchen Änderung der Gesetzeslage kommt, ist die logische Folge.
Das ist naturgemäß stets und ständig der Fall, wenn der Gesetzgeber nur irgendwie tätig wird.
Wenn aber jede Tätigkeit des Gesetzgebers wegen deshalb enttäuschter wirtschaftlicher Erwartungen entsprechende Schadensatzansprüche gegen den Staat auslösen könnte und der Gesetzgeber mit Rücksicht darauf seine gesetzgeberische Tätigkeit einrichten wollte, wäre der Staat auf dem Gebiet der Gesetzgebung wohl alsbald vollständig handlungsunfähig.
Es kann demnach wohl keine geschützte wirtschaftliche Erwartung geben, die darauf gründet, dass sich eine bisherige Gesetzeslage nicht ändert.
--- Ende Zitat ---
Das ist mir etwas zu oberflächlich.
Änderungen der Gesetzeslage sind selbstverständlich immer möglich, das wird wohl niemand bestreiten.
Der entscheidende Punkt dabei ist aber, dass es den Bürgern bzw. den Handelnden möglich sein muss, sich auf die neue Gesetzeslage einzustellen.
Dazu sind entsprechende Vorlauffristen bis zum Inkrafttreten eines neuen bzw. geänderten Gesetzes nötig.
Es ist rechtsstaatlich sicherlich nicht vertretbar und zeugt von einem gewissen Verfall der \"gesetzgeberischen Sitten\", wenn Gesetze immer öfter sehr kurzfristig geändert werden und dann rückwirkend in Kraft treten, ohne dass die Betroffenen daraus entstehende Nachteile vermeiden können.
Die ausgangs verlinkte Ankündigung einer Verfassungsklage bezieht sich ja auch ausdrücklich auf eine Kollision des Baurechts mit der zu kurzfristigen EEG-Änderung.
So einfach lässt sich das nicht rechtfertigen, wie Sie dies hier tun.
ciao,
sh
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