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Autor Thema: OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.04.11 VI-2 U (Kart) 3/09 zur Abgrenzung Tarifkunde/ Billigkeitskontrolle  (Gelesen 6588 mal)

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Offline RR-E-ft

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OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.04.11 Az. VI-2 U (Kart) 3/09

Die Berufung eines Gaskunden hatte keinen Erfolg.

In der Berufungsinstanz fand eine Zeugenvernehmung statt, die zur Überzeugung des Senats die Billigkeit der Preisänderungen der Stadtwerke Geldern erbrachte.

Das OLG Düsseldorf befasst sich erneut mit der Frage der Abgrenzung Tarifkunde/ Sondervertragskunde und kam dabei im betroffenen Einzelfall zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem konkret betroffenen Vertragsverhältnis mit den Stadtwerken Geldern um eine Grundversorgungsvertragsverhältnis handele.

Tarifpreise der Stadtwerke Geldern


Ferner befasste sich das OLG differenziert mit der Frage, ob jede Preisänderung gesondert der Billigkeitskontrolle unterliegt oder bei der Billigkeitskontrolle auch eine Gesamtbetrachtung über einen längeren Zeitraum in Betracht kommt.

Die Revision wurde mit der Begründung zugelassen, dass eine gesicherte Rechtsprechung des Bundesdesgerichtshofs zur Europarechtskonformität von § 4 Abs. 1 AVBGasV bzw. § 5 GasGVV sowie zum Maßstab der Billigkeitsüberprüfüng noch nicht bestehe.

Anzumerken ist, dass diese Entscheidung vor den EuGH- Vorlagebeschlüssen BGH v. 18.05.11 VIII ZR 71/10 und v. 29.06.11 VIII ZR 211/10 erging, welche die Wirksamkeit der gesetzlichen Regelung betrifft, welche den Gasversorgern gegenüber grundversorgten Tarifkunden ein Preisänderungsrecht einräumt.

Ob die zugelassene Revision eingelegt wurde oder aber das Berufungsurteil in Rechtskraft erwachsen ist, ist hier nicht bekannt.

Offline RR-E-ft

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Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, wie das OLG auf Nachfrage mitteilte.

Ist die Revision zulässig und fristgerecht begründet und kommt der Senat ebenfalls zu der Überzeugung, dass es sich bei dem betroffenen Vertragsverhältnis um einen Grundversorgungsvertrag handelt, erscheint eine Aussetzung und EuGH- Vorlage wie bei VIII ZR 71/10 und VIII ZR 211/10 möglich.

Offline RR-E-ft

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Offline tangocharly

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Auf eine wohl in der genannten Entscheidung unbeachtet gebliebene Passage des Urteils (OLG Düdo) soll an dieser Stelle hingewiesen werden. Die Versorgeranwälte \"treiben wieder eine neue Sau durch\'s Dorf\", wenn es darum gilt, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu hintertreiben :

Zitat
II.3.a
Dem Beklagten ist zwar zuzugestehen, dass er keinen Einblick in die Kostenstruktur der Klägerin hatte und damit entgegen der Auffassung des Landgerichts die Richtigkeit ihrer Behauptungen mit Nichtwissen bestreiten konnte. Der Senat hat daher über die entsprechenden Behauptungen der Klägerin Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben. Angesichts der Geringfügigkeit der streitgegenständlichen Beträge bedurfte es einer weitergehenden Beweisaufnahme, insbesondere der Einholung eines Sachverständigengutachtens, nicht. Die damit verbundenen Kosten hätten zu der Höhe der streitigen Forderung der Klägerin in keinem Verhältnis gestanden, § 287 Abs. 2 ZPO.

Obgleich nicht ganz einleuchtet, warum das OLG Düdo meinte diese Bremse ziehen zu müssen, folgende Argumentationshilfe:

Zitat
Die Bestimmungen des § 287 Abs. 2 ZPO sind vorliegend nicht einschlägig. Um zur Anwendung der Bestimmungen zu gelangen, wird voraus gesetzt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit der Antwort auf die Beweisfrage (vgl. BGH NJW 1993, 734; BGH NJW 2008, 1381; BGH NJW-RR 1992, 997). Ferner eine schlüssige Darlegung der Ausgangs- und Anknüpfungstatsachen (vgl. BGH NJW 1996, 775;). Werden diese Tatsachen bestritten, so ist Vollbeweis anzutreten (vgl. BGH NJW 1988, 3016; BGH NJW-RR 1998, 331, 333;). Eine Schätzung ist unzulässig, wenn die festgestellten Umstände keine genügende Grundlage für eine Schätzung abgeben und diese daher mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (vgl. BGH NJW-RR 2003, 1569, 1571; BGH NJW-RR 1992, 1077, 1078;).  Insoweit ist dem Gericht im Rahmen von § 287 ZPO auch gestattet, einen angebotenen Zeugenbeweis abzulehnen, wenn hinreichend erkennbar ist, dass die verfügbaren Beweismittel nicht ausreichen werden, das zur Beurteilung gestellte Wissen fachlich nachzuvollziehen (vgl. BGH NJW 1996, 2501, 2502; BVerfG NJW-RR 2003, 1216;). Hierzu hat der BGH (vgl. BGH, 20.04.2005, Az.: VIII ZR 110/04 = NJW 2005, 2074, 2075;) entschieden, dass es darauf ankommt, ob neben dem Rückgriff auf Anhaltspunkte aus verlässlichen Grundlagen (in diesem Fall ein Mietpreisspiegel zwecks Ermittlung der örtlichen Vergleichsmiete) noch eine Verbreiterung der Tatsachengrundlagen zu erwarten ist.  Jedenfalls kann aber auf dem Wege gem. § 287 Abs. 2 ZPO nicht die allgemeine Befugnis entnommen werden, eine Schätzung vorzunehmen, mag auch die genaue Feststellung der Tatsachen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein (vgl. BGH NJW-RR 1992, 1077;).
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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Zitat
Original von RR-E-ft
Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, wie das OLG auf Nachfrage mitteilte.

Ist die Revision zulässig und fristgerecht begründet und kommt der Senat ebenfalls zu der Überzeugung, dass es sich bei dem betroffenen Vertragsverhältnis um einen Grundversorgungsvertrag handelt, erscheint eine Aussetzung und EuGH- Vorlage wie bei VIII ZR 71/10 und VIII ZR 211/10 möglich.

Wie erwartet:

BGH, B. v. 24.01.12 VIII ZR 158/11 Aussetzung bei Tarifkunden bis zur Entscheidung des EuGH

 

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