Und nun völlig von der Rolle...
Professor Markert ...Preiserhöhungen auf der Kippe!
Zitat:
Für Sondervertragskunden hatte der BGH bereits am 9. Februar 2011 beim EuGH angefragt, ob das Preisanpassungsrecht der Gasversorger mit den Transparenzanforderungen des EU-Rechts vereinbar ist. (Beschluss vom 9. Februar 2011, VIII ZR 162/09). . Der BGH räumt selbst ein, dass die Vorschrift des § 4 Abs. 1 und 2 der AVBGasV – und auch die Nachfolge-Regelung in § 5 Abs. 2 der GasGVV - über Anlass, Voraussetzungen und Umfang eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Versorgers keinerlei Aufschluss gibt. Sie genügt damit schon nicht den Anforderungen, welche die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung an die Transparenz von Preisanpassungsklauseln stellt. Dies muss dann erst recht für die noch strengeren Transparenzanforderungen der EU-Binnenmarktrichtlinie Gas (Art. 3 und Anhang A Buchstabe c)) gelten. Die Aussicht, dass der EuGH das ebenso sieht, bewerte ich deshalb als sehr gut. Gleiches trifft übrigens auch für das vom BGH aus § 5 Abs. 2 der GasGVV gefolgerte Preisbestimmungsrecht in der Gasgrundversorgung und auch für die Stromversorgung zu.
….und weiter...
Wenn der EuGH das vom BGH aus § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und § 5 Abs. 2 GasGVV gefolgerte gesetzliche Preisanpassungsrecht der Tarifkunden- bzw, Grundversorger für EU-rechtswidrig hält, gilt das selbstverständlich auch für die Vergangenheit. Bei schon jetzt darauf gestützten Rückforderungsklagen von Verbrauchern wäre allerdings das Verfahren ebenso bis zur Entscheidung des EuGH auszusetzen wie bei Zahlungsklagen von Versorgern. Also vorerst keine „unabsehbaren Konsequenzen“. Im Übrigen wäre bei einem für die Verbraucher positiven EuGH-Urteil auch noch die dreijährige Verjährung von Rückforderungsansprüchen von Verbrauchern zu beachten. Die Situation wäre damit insgesamt nicht anders als bei unwirksamen Preisanpassungsklauseln in Sonderkundenverträgen, wie man jetzt am Beispiel der EWE ersehen kann, die das offenbar überlebt.
Dieter Baumann hingegen (gilt noch! als Kritiker der EWE in den eigenen Reihen) ...
Zitat:
„Ich habe mich in den vergangenen Wochen intensiv mit der erwarteten Gaspreiserhöhung auseinandergesetzt. Ich bin immer gerne bereit, ungerechtfertigte Preiserhöhungen zu kritisieren. In diesem Fall muss ich aber sagen, dass die Erhöhung gerechtfertigt ist. Leider ist die EWE durch langfristige Lieferverträge mit Ölpreisbindung festgelegt, sodass die aktuell günstigen Gaspreise an der Terminbörse für die EWE nichts bringen. Daher können auch andere Anbieter, die sich zum Teil vollständig über den Terminmarkt mit Gas versorgen, zurzeit erheblich billiger sein“.
Und...
Neue Meldung auf energieverbraucher.de zu der Erhöhung:
Zitat:
Der Energiewirtschaftler Gunnar Harms kommentiert die aktuelle Preiserhöhung der EWE:
Eine verlogenere Preispolitik ist kaum vorstellbar.
Die Ölpreise, auf deren Veränderungen die Gaspreise nach der in der Vergangenheit gebetsmühlenartig vorgetragener Argumentation zeitversetzt reagieren, würden in der Tat eine Preiserhöhung von ca. 5-10% zum 4. Quartal 2011 rechtfertigen. Nur: Davon ist diesmal – wo es angebracht wäre – überhaupt keine Rede mehr.
Also hat EWE sein Gas offenbar ölmarktunabhängig eingekauft. Dann jedoch wäre keine – und zwar überhaupt keine - Preiserhöhung gerechtfertigt, denn das Preisniveau am Handelsmarkt hat sich seit dem Frühjahr 2011 so gut wie überhaupt nicht verändert. Wo sollen denn die gestiegenen Einkaufskosten hergekommen sein?
Besonders interessant ist der zweite Teil der Mitteilung:
Man bietet den Kunden eine ungewöhnlich lange Festpreisgarantie von zwei Jahren an – und das sogar zu einem niedrigeren Preis, als es normalerweise erforderlich wäre. Wie kann das gehen ? Der Lieferant bieten dem Kunden einen niedrigeren Festpreis an und übernimmt auch noch das Preisänderungsrisiko in der Beschaffung? Das ist der Traum jedes Kunden...
Das widerspricht aber leider jeder Logik und bringt entsprechendes Licht in die Sache und damit in die Preispolitik der EWE:
EWE hat große Mengen, vermutlich sogar die gesamte Haushaltskundenmenge, am Handelsmarkt auf Termin eingekauft und nur noch kleine oder gar keine Mengen mehr ölgebunden im Beschaffungsportfolio. Damit ist EWE in der Lage, nahezu allen seinen Kunden ab September einen Preis anzubieten, der – wenn überhaupt - nur etwa um netto 0,3 Cent/kWh (40% der von EWE genannten 0,7 Cent/kWh) höher als bisher ist. Sonst könnte EWE das im zweiten Teil der Mitteilung vorgestellte Angebot überhaupt gar nicht machen.
Wer das Angebot nicht nutzt, bleibt beim bisherigen Tarif bzw. in der Grundversorgung und soll die 0,7 Cent/kWh einfach schlucken.
Den (noch) nicht wechselwilligen grundversorgten Kunden werden somit 0,4 Cent/kWh als notwendige Preiserhöhung wegen „deutlich gestiegener Einkaufskosten\" einfach untergejubelt, ohne dass es dafür eine Rechtfertigung gibt.
Ach ja, die 250 Millionen Rückzahlungsverpflichtungen aus den verlorenen Prozessen will man sich ja von den Kunden wieder zurückholen. Fast hätte ich es schon vergessen. Das ist der wahre Grund. Den nennt EWE aber nicht.
Die Juristen im Nordwesten werden nicht arbeitslos, solange EWE so weitermacht.
EWE sollte belegen (können), dass die Einkaufskosten tatsächlich im angegebenen Maße gestiegen sind – und wieso EWE dann trotzdem anbieten kann, das Gas billiger abzugeben – sogar für ungewöhnlich lange Zeit.
Wenn der Lieferant dem Kunden statt dem üblicherweise veränderlichen Preis, mit dem er Kostensteigerungen im Einkauf weitergeben kann, einen Festpreis garantiert, dann übernimmt er für die Laufzeit der Festpreisgarantie das Risiko, dass sich seine Beschaffung während dieser Zeit verteuert. Dieses Risiko, welches er wegen der Preisgarantie nicht mehr an den Kunden weitergeben kann, muss er nun selber tragen und entsprechend „einpreisen\".
Wie auch immer er sich selbst dagegen absichert – es verursacht in jedem Fall Kosten.
Deshalb muss ein Festpreis immer höher sein als ein unter sonst gleichen Bedingungen angebotener veränderlicher Preis. Die einzige Ausnahme davon ist eine extreme Backwardation (stark im zukünftigen Zeitverlauf fallende Terminpreise) – die wir aber derzeit nicht haben – im Gegenteil.
Was denn nun? Was ist denn hier los?