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Autor Thema: Stadtwerke stellen Atomstrom ab  (Gelesen 4615 mal)

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Stadtwerke stellen Atomstrom ab
« am: 18. März 2011, 16:17:10 »
Stadtwerke stellen Atomstrom ab

.. und geben sich ganz nebenbei als Samariter.

Zitat
Stadtwerke Energie Jena-Pößneck setzen ein Zeichen
Mehr Strom aus regenerativen Energien - kein Atomstrom mehr
Jena - Die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck setzen ein deutliches Zeichen zum konstruktiven Umbau ihres Stromangebots.

Bereits zum 1. April stellen sie ihren kompletten Strombezug um. Der Anteil atomar erzeugten Stromes (bisher 11 Prozent Anteil im Strommix) werde dabei vollständig durch Wasserkraft- und Windstrom ersetzt, teilte der Kommunalversorger mit.

Möglich sei dies durch die kurzfristige Annahme von Angeboten von Wasser- und Windkraftstromerzeugern. „Wir wollen als Stadtwerke Energie ein Zeichen in der aktuellen Energiedebatte setzen\", sagte Martin Fürböck, Geschäftsführer der Stadtwerke Energie Jena-Pößneck. Die höheren Kosten für den Wasser- und Windkraftstrom würden laut Fürböck nicht an die Kunden weiter gegeben. Mindestens für die Jahre 2011 und 2012 trage die Mehrkosten das Unternehmen selbst.

Möglich ist dies zunächst nur, weil man sich in Lichtstadt - um ein leuchtendes Beispiel zu geben- zu Jahresbeginn aus den Fängen des E.ON- Konzerns befreit und das Stromgeschäft wieder in die eigene Hand genommen hatte.

Sicher sein können sich die Stadtwerke nur, wenn sie keinen \"grauen\" Strom von der Börse oder von anderen Lieferanten beziehen.

Mehrkosten? Selbst getragen?
Die Stadtwerker gehen gewiss nicht unter die Samariter.

Damit können die Stadtwerke möglicherweise wohl ab dem 01.04.11 nach dem sog. Grünstrom-Privileg die EEG- Umlage vollständig aus ihrer Strompreiskalkulation streichen.


Zitat
Von wachsender Bedeutung für die Kostenentwicklung bei der Förderung erneuerbarer Energien ist auch das so genannte Grünstromprivileg: Derzeit sind Energieversorgungsunternehmen von der Zahlung der so genannten EEG-Umlage ausgenommen, wenn für mindestens 50 Prozent des gelieferten Stroms erneuerbare Energien eingesetzt werden und diese Strommenge nicht nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) vergütet, sondern direkt vermarktet wird. Von der Umlage befreit ist dann der gesamte gelieferte Strom. Durch den Anstieg der EEG-Umlage seit Jahresbeginn ist der Anreiz, das Grünstromprivileg zu nutzen, unverhältnismäßig gewachsen und begünstigt Mitnahmeeffekte, die zu Lasten der anderen Stromverbraucher gehen. Die Formulierungshilfe sieht daher vor, ab dem 1. Januar 2012 die Umlagebefreiung für die Unternehmen, die das Grünstromprivileg nutzen, auf die Höhe der EEG-Umlage im Jahr 2010 zu begrenzen.

Möglicherweise könnten damit unter dem Strich die bisher hohen Strompreise sogar gesenkt werden und müssten es demnach auch in der Grundversorgung.

Geschickte Einkaufspolitik, wo doch Atomstrom immer knapper wird und deshalb im Preis steigt.

Gehen alle Atomkraftwerke vom Netz und gibt es deshalb eine entsprechende Stromlücke, kommt bei den Stadtwerke- Kunden weiter der ganze Strom aus der Steckdose. Dass der keinen Atomstrom enthält, kann man mit einem Geigerzähler feststellen, den man im Servicecenter der  Stadtwerke gegen geringe Schutzgebühr ausleihen kann . Das allerdings ist ein vorgezogener Aprilscherz. :D

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Stadtwerke stellen Atomstrom ab
« Antwort #2 am: 22. März 2011, 10:21:36 »
Hinter dem Winzerlaer Kraftwerk wurde in den letzten Wochen ein großer Stahlzylinder errichtet, den man etwa aus der 9.Etage der Elfgeschosser am Autobahntunnel in Lobeda West gut erkennen kann, wenn man auf den Balkon vor dem Fahrstuhl tritt und den Blick stadteinwärts richtet.

Fast dachte man, es wäre ein \"Atomstromfilter\" nachdem die Stadtwerke berichteten, es gäbe in der Saalestadt bald nur noch Strom ohne Atomstrom bei den Stadtwerken, sinnigerweise ab 1.April.
Im Bundesgebiet mag man bei der vielbeachteten Meldung vielleicht an eines gedacht haben: Jena Paradies.

Aber worum handelt es sich bei dem großen Stahlzylinder?
Ist es der Kern eines neuen Kühlturmes oder einer neuen Esse, welche die zwei alten bald ersetzt?

Tatsächlich lässt sich der Atomstrom nicht rausfiltern.

Gerade, wer Strom an der Börse kauft, bekommt einen \"grauen\" Strommix.
Lediglich Ökostrom als solcher ist zuweilen zertifiziert.
Zertifizierten Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken findet sich ebensowenig wie zertifizierter Atomstrom auf dem Markt.

Der Atomausstieg der Jenaer Stadtwerke ist wohl ein Marketing- Gag.

Anfang des Jahrhunderts schüttelte Schwarzenegger für E.ON einen Kühlschrank und rief dabei \"Mix it, baby\".
Den Kunden wurde dabei suggeriert, sie könnten sich ihren Strommix selbst wählen.
So wie die Stadtwerke wohl suggerieren wollen, wer bei ihnen ab 1.April Strom beziehe, sorge dafür, dass in Deutschland Atomkraftwerke schneller vom Netz gehen, was bei Lichte betrachtet schlicht Unfug ist.

Selbst wenn die Stadtwerke einen Teil ihres Stroms zertifiziert aus Wasser- und Windkraftanlagen beziehen, ist die Herkunft des restlichen Stroms nicht sichergestellt, abgesehen davon, dass es sich sowieso um eine virtuelle Herkunft handelt. Auch wenn die Stadtwerke 100 Prozent Ökostrom beziehen, ändert sich der Strommix im Netz dadurch nicht automatisch. Selbst wenn alle Öksostrom beziehen wollten, verbliebe es dabei, dass ein Teil der Stromnachfrage immer noch mit Atomstrom gedeckt werden muss.

Auswirkungen hat es nur, wenn dadurch zusätzliche  sog. Erneuerbare Energien-  Erzeugungsanlagen ans Netz gehen und tatsächlich Stromerzeugung aus Atomkraftwerken dauerhaft aus dem Netz verdrängen. Das geschieht aber nicht dadurch, dass man Strom (virtuell) aus Wasserkraftwerken in Norwegen oder Windkraftanlagen in Dänemark bezieht, die ihren Strom auch bisher schon in das Netz einspeisten.

Der Strom im Großhandel hat einen Preis, der sich nach der sog. merit-order- Preisbildung am Markt herausbildet. Die Grenzkosten der zur Deckung der jeweiligen Nachfrage letzten (teuersten) Stromerzeugungseinheit bestimmt dabei den Preis.

Deshalb ist Atomstrom nie billig, sondern kostet ebensoviel wie Strom aus Gaskraftwerken oder Kohlekraftwerken.
Verteuert sich die Stromerzeugung in Kohlekraftwerken, weil sich die gesondert gehandelten CO2- Verschmutzungsrechte (Zertifikate) verteuern, so verteuert sich eben auch Atomstrom, der zum selben Preis auf dem Großhandelsmarkt, zB. an der Leipziger Strombörse  EEX gehandelt wird.  
Andererseits ist dort gehandelter Strom aus abgeschriebenen Wasserkraftanlagen oder neuen Windkraftanlagen auch nicht teurer als dort ebenso gehandelter Atomstrom. Es gibt auf der Großhandelsebene (an der Börse) halt immer nur den einen Strompreis für den jeweiligen Strommix.

Der kommunale Versorger in Potsdam (Energie und Wasser Potsdam) enstchied sich bereits, ab 1.Oktober 2010 keinen Atomstrom mehr an die eigenen Kunden zu liefern. Und ohne Zweifel setzen die Jenaer Stadtwerke - auch wenn sie mit der Idee nicht die ersten sind, ein Signal zum Nachdenken.

Die Sache kann sogar einen kapitalen Vorteil für die Stadtwerke bringen.

Beziehen diese mindestens 50 Prozent der abgesetzten Strommenge aus sog. erneuerbaren Energien, so wird deren gesamte Stromabsatzmenge von der EEG- Umlage befreit. Das sog. Grünstrom- Privileg bietet somit bis Jahresende erhebliche Mitnahme- Effekte:

BMU- Pressemitteilung vom 02.02.11: http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/46971.php

\"Von wachsender Bedeutung für die Kostenentwicklung bei der Förderung erneuerbarer Energien ist auch das so genannte Grünstromprivileg: Derzeit sind Energieversorgungsunternehmen von der Zahlung der so genannten EEG-Umlage ausgenommen, wenn für mindestens 50 Prozent des gelieferten Stroms erneuerbare Energien eingesetzt werden und diese Strommenge nicht nach dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) vergütet, sondern direkt vermarktet wird. Von der Umlage befreit ist dann der gesamte gelieferte Strom. Durch den Anstieg der EEG-Umlage seit Jahresbeginn ist der Anreiz, das Grünstromprivileg zu nutzen, unverhältnismäßig gewachsen und begünstigt Mitnahmeeffekte, die zu Lasten der anderen Stromverbraucher gehen. Die Formulierungshilfe sieht daher vor, ab dem 1. Januar 2012 die Umlagebefreiung für die Unternehmen, die das Grünstromprivileg nutzen, auf die Höhe der EEG-Umlage im Jahr 2010 zu begrenzen.\"

Die EEG- Umlage beträgt seit 01.01.2011 bundeseinheitlich 3,530 ct/kWh.

 Siehe

 http://www.50hertz-transmission.net/cps/rde/xchg/trm_de/hs.xsl/1531.htm?rdeLocaleAttr=de&rdeCOQ=SID-10B06919-F7565D64.

Wenn die Stadtwerke also diese Umlage komplett aus ihrer Strompreiskalkulation streichen könnten, selbst wenn sie nur 50 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien beziehen, die Strompreise der Kunden jedoch nicht entsprechend der komplett wegfallenden EEG- Umlage absenken, verbliebe unterm Strich ein riesiger Zusatzgewinn.

Die Preisdifferenz zwischen Strom aus Erneuerbaren Energien und dem \"grauen\" Strommix an der Börse - wenn es eine solche aus o. g. Gründen  überhaupt geben sollte - macht eben nicht 3,530 Ct/ kWh aus.

Der Preis an der Leipziger Strombörse EEX für Grundlaststrom (Base) bewegt sich zwischen 50 und 60 EUR/ MWh, bzw. 5 und 6 Ct/ kWh.

Bei den Kunden der Stadtwerke kommt ein ganz anderer Strompreis an, ohne dass sich die überaus große Preisdifferenz zwischen den Großhandelspreisen und den Letztverbraucherpreisen schlüssig erklären ließe.

In diesen ist wohl eine Menge Luft und Spielraum für Preissenkungen.

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