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Autor Thema: Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?  (Gelesen 62039 mal)

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Offline Black

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #15 am: 11. Februar 2011, 17:29:48 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Kann es nicht sein, dass ein Versorger, der auf Zahlung klagt und dabei stolz behauptet, seine tarife wären entsprechend gesetzlicher Verpflichtung gebildet worden - ohne dies zuvor genau geprüft zu haben- sich wegen zumindest  versuchten Prozessbetruges strafbar machen kann?

Nicht unbedingt.

Wie ich bereits mit der Kommentierung versucht habe aufzuzeigen ist diese \"gesetzliche Verpflichtung\" ja mehr als schwammig.

Genauer gesagt muss man ja das OB und das WIE der tariflichen Bestimmung unterscheiden. Natürlich besteht eine gesetzlich vorgegebene Pflicht zu Preisanpassungen in allg. Tarifen (=OB) gleichzeitig besteht die Pflicht nicht nur irgendwie anzupassen, sondern \"billig\" (=WIE).

Während also das \"OB\" unstreitig ist, besteht über das \"WIE\" ein Ermessen und keine klare gesetzliche Vorgabe.

Der Gesetzgeber hat weder in § 36 EnWG noch in § 315 BGB geregelt, wann denn eine billige Festsetzung vorliegt und wann nicht. Diese Kriterien hat erst die Rechtsprechung (und auch nicht abschließend) aufgestellt.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #16 am: 11. Februar 2011, 17:51:33 »
Zitat
Original von Black

Nicht unbedingt.

Bedingter Vorsatz genügt.

§ 36 Abs. 1 EnWG betrifft eine gesetzliche Tarifbestimmungspflicht, die den betroffenen Kunden eine möglichst sichere, preisgünstige, effiziente leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten muss.

Es handelt sich um die Umsetzung der Art. 3 Abs. 3 Satz 1 Richtlinie 2003/54/EG und 2003/55/EG in nationales Recht, welche den Kleinkunden einen besonderen Schutz gewähren muss.

Der Versorger muss selbst ständig kontrollieren, ob seine getroffene Tarifbestimmung (überhaupt und ggf. noch) seiner gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG  entspricht bzw. neujustiert werden muss.

Die nach gesetzlicher Verpflichtung zu treffende Tarifbestimmung darf nicht nach Belieben erfolgen, sondern innerhalb eines Ermessensspielraums undzwar nach Maßstäben, die sich gem. § 315 BGB auch gerichtlich kontrollieren lassen.

Es muss also fortlaufend eine interne Kontrolle darüber stattfínden, ob und wie die Tarifbestimmung neu getroffen werden muss, um der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG zu entsprechen.

Nicht anders war es bei der BSR, die ihre Tarife auch immer wieder zu kontrollieren und nach dem Ergebnis dieser Kontrolle insgesamt neu festzulegen hatte.

Die Frage war, nach welchen Kriterien und Maßstäben (Richtlinien) die Versorger ihre gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung treffen und kontrollieren.

Ihre Antwort darauf war doch nicht etwa:  \"schwammig\"?!

Denn diese Kriterien und Maßstäbe (Richtlinien), nach welchen die Versorger selbst ihre gem. §§ 36 Abs. 1, 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung treffen und kontrollieren, gilt es ja - ggf. auch gerichtlich - zu kontrollieren, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Bereits seit Inkrafttreten des EnWiG 1935 schon trifft die Energieversorger eine gesetzliche Tarifbestimmungspflicht, die sie schon immer zu erfüllen hatten.
Und schon immer war die getroffene Tarifbestimmung dabei unter Beachtung der gesetzlichen Verpflichtung aus § 1 EnWG zu treffen und  gerichtlich kontrollierbar, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB  (BGH, Urt. v. 02.10.1991 VIII ZR 240/90 unter III 2).
Das Urteil wurde bekanntlich veröffentlicht in NJW-RR 1992, 183.
Hat sich bisher keiner drum geschert?    

Wir reden von ernsten strafrechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen gesetzwidriger Tarifbestimmungen!
Und Sie kommen immer noch mit Larifari?

Sie kennen doch auch mittlerweile die wirtschaftlichen Konsequenzen gesetzwidriger Preisbestimmungen im Sonderkundenbereich, siehe EWE und Main-Kinzig-Gas.

Bei EWE ist mittlerweile in der Presse von Rückforderungen in Milliardenhöhe die Rede, bei der Main-Kinzig-Gas ist von Rückforderungen in Höhe von 46 Mio. € und Existenzgefährdung die Rede.

Beide Unternehmen wurden womöglich nicht nur glücklos beraten und vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer, um genauer zu sein besonders von den Kollegen Dres. Bernd Kunth und Stefan Tüngler, EWE darüber hinaus von Clifford Chance, die bei Rückforderungprozessen der Kunden bisher  ersichtlich keine Chance hat.  

Die genannten Summen sind jeweils die Beträge, welche die extern beratenen Unternehmen von den Kunden rechtsgrundlos vereinnahmt haben sollen, also als Nichtschuld den Kunden zur Abrechnung gestellt und von den gutgläubigen Kunden eingezogen bzw. von diesen gezahlt  worden sein sollen. Es entspricht wohl zugleich den Schäden, die den Kunden bisher durch rechtswidrige Praktiken allein dieser Versorger entstanden sein sollen.

Nicht minder wirtschaftlich schwerwiegend kann sich die Situation für Kunden und Versorger bei gesetzwidrigen, unbilligen Tarifbestimmungen aufgrund gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht erweisen, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Da verwundert es schon, wenn gerade  Sie als Spezialist für § 315 BGB im Versorgerlager, der Sie selbst die Folgen unbilliger Tarifbestimmungen gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nachweislich klar und eindeutig erkannt haben, nach wie vor eher  leichtfüßig dahergehen und meinen, es sei halt alles irgendwie etwas \"schwammig\".
A bisserl was geht alleweil....

Sowohl für die Versorger wie auch für deren Kunden geht es um Milliardenbeträge!  

Es gibt klare gesetzliche Regeln und klare persönliche Verantwortlichkeiten, durchaus auch externer Berater der Versorger.  

Die strafrechtlichen Konsequenzen erarbeiten Sie sich wohl gerade erst noch.

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #17 am: 11. Februar 2011, 19:14:24 »
@Black

Zitat
Original von RR-E-ft

6.

Bei der gesetzlich geschuldeten Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht muss die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG berücksichtigt werden.

Bereits bestätigt durch BGH VIII ZR 240/90 unter III 2 a), VIII ZR 138/07 Rn. 43.

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #18 am: 11. Februar 2011, 20:03:57 »
Zitat
Karl-Heinz Feldmann
Chief Compliance Officer
E.ON AG

E.ON Platz 1
D-40479 Düsseldorf
per Fax: 0211/ 45 79 446


Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Feldmann,

ich wende mich an Sie in Ihrer Funktion als Chief Compliance Officer der E.ON AG.
Die strengen internen Compliance- Richtlinien der E.ON AG sind mir bekannt und werden von mir begrüßt.
Leider haben sich  bisher noch nicht alle Energieversorger solch strenge Regeln auferlegt.

Mich und viele andere sorgen Bedenken, ob die E.ON AG, und deren Market Units die gesetzlichen Bestimmungen des EnWG tatsächlich einhalten.

Konkret geht es um die Verpflichtung zur möglichst preisgünstigen Versorgung gem. §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG
aber auch um die damit einhergehende  gesetzliche Preisbestimmungspflicht gem. § 36 Abs. 1 EnWG, ausgeübt u.a. von E.ON Thüringer Energie AG und E.ON Vertrieb Deutschland GmbH für deren Gliederungen.

Ich habe meine juristische Ausbildung auch im E.ON Konzern bzw. der Bayernwerk- Gruppe absolviert und war auch in der Rechtsabteilung von Konzernunternehmen auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts beruflich tätig.

Nach meiner fachlichen Einschätzung verhält es sich mit der gesetzlichen Preisbestimmungspflicht folgendermaßen:

1.

In Deutschland gibt der Gesetzgeber die materielle Rechtslage vor.

2.

Auch Gerichte sind daran gebunden.

3.

Grundversorger trifft gesetzlich eine Tarifbestimmungspflicht, § 36 Abs. 1 EnWG.

4.

Die getroffene Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht unterliegt der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 BGB, denn dieser gilt auch für gesetzliche Leistungsbestimmungspflichten.

5.

Auch Grundversorger sind als Energieversorger gesetzlich verpflichtet, eine möglichst preisgünstige, effiziente leitunsgsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen zu gewährleisten, § 2 Abs. 1 EnWG.

6.

Bei der gesetzlich geschuldeten Tarifbestimmung in Ausübung der gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht muss die gesetzliche Verpflichtung aus §§ 2, 1 EnWG berücksichtigt werden.

7.

Die getroffene Tarifbestimmung darf wegen § 2 Abs. 1 EnWG für den Grundversorger nicht vorteilhaft sein.
Sie muss vielmehr für die Kunden möglichst vorteilhaft sein, § 1 Abs. 1 EnWG, weil sie diesen entsprechend des Schutzzweckes der gesetzlichen Bestimmung eine möglichst preisgünstige Versorgung gewährleisten muss.

8.

a)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung aufgrund seiner gesetzlichen Tarifbestimmungspflicht keine Tarife bestimmen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

b)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung keine Tarife zur Abrechnung stellen, die deshalb gesetzwidrig sind, weil sie dessen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

c)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden keine individuellen Preisvereinbarungen treffen, § 36 Abs. 1 EnWG.

d)

Der Grundversorger darf im Bereich der Grundversorgung mit einzelnen Kunden insbesondere keine Preise individuell vereinbaren, die gesetzwidrig sind, weil sie der gesetzlichen Verpflichtung des Grundversorgers aus §§ 1, 2 EnWG widersprechen.

9.

Die Billigkeitskontrolle der infolge gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht getroffenen Tarifbestimmung des Grundversorgers richtet sich nach § 315 Abs. 3 BGB.

Diese kann gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nur ergeben, dass die getroffene Tarifbestimmung entweder der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres verbindlich ist oder nicht der Billigkeit entspricht und deshalb für die betroffenen Kunden ohne weiteres unverbindlich ist.

Ist sie unverbindlich, kann nach der gesetzlichen Regelung des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB eine gerichtliche Ersatzbestimmung getroffen werden.
Dies setzt einen entsprechenden Antrag an das ordentliche Gericht voraus (Klageantrag gem. § 308 ZPO).

Bis zur Rechtskraft des entsprechenden Gestaltungsurteils verbleibt es dabei, dass das Versorgungsunternehmen keinen durchsetzbaren Zahlungsanspruch gegen den Kunden hat (BGH X ZR 60/04 unter II.1).

10.

Der betroffene Kunde kann selbst nicht erkennen, ob die gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung des Versorgers unter Beachtung von §§ 1, 2 EnWG in gesetzmäßiger Weise getroffen wurde, der Billigkeit entspricht oder jedoch eine gesetzwidrige Tarifbestimmung vorliegt, die gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB zur Unverbindlichkeit und Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB führt.

11.

Erkennt der Versorger, dass seine gesetzlich geschuldete Tarifbestimmung bisher in gesetzwidriger Weise getroffen wurde, weil sie ihm und nicht den Kunden vorteilhaft ist, so ist er gesetzlich verpflichtet, für die Zukunft schnellstmöglich eine neue Tarifbestimmung zu treffen, die tatsächlich seiner gesetzlichen Verpflichtung entspricht.

12.

Für die Zeit davor ist er wegen § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht mehr berechtigt, die unbilligen Tarife von den Kunden weiter zu fordern.
Er kann nur eine gerichtliche Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB beantragen.

Schlag 13.

a)

Stellt der gesetzlich zur Tarifbestimmung verpflichtete Versorger seinen betroffenen Kunden weiter unbillige Tarife zur Abrechnung, deren Unbilligkeit und Unverbindlichkeit er bzw. dafür besonders verantwortliche Mitarbeiter erkannt haben, lässt man alles wie bisher weiter laufen, so kann darin eine Betrugsstrafbarkeit begründet liegen.

b)

Eine Beteiligung an der Haupttat der Verantwortlichen durch Compliance Officers des Unternehmens und andere juristische Berater ist möglich. Wurden externe sachverständige Berater vom Versorger mit der Beurteilung der Billigkeit der getroffenen Tarifbestimmung besonders beauftragt, können diese in diejenige Garantenstellung einrücken, welche die Strafbarkeit begründet (Ingerenz).


Bitte lassen Sie kontrollieren, ob die aufgrund gesetzlicher Preisbestimmungspflicht in Ihrem Konzern getroffenen Preisbestimmungen mit der gesetzlichen Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1 , 1 Abs. 1 EnWG tatsächlich im Einklang stehen und den betroffenen Kunden tatsächlich eine möglichst preisgünstige leitungsgebundene Versorgung zu verbraucherfreundlichen Bedingungen gewährleisten oder nicht doch vielleicht gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB für die betroffenen Kunden bis zur gerichtlichen Ersatzbestimmung gem. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB unverbindlich sind.

Sichergestellt werden muss jedenfalls, dass gegenüber den betroffenen Kunden nicht etwa infolge von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB zur Abrechnung gestellt wird, was nach der Rechtsprechung des BGH eine Betrugsstrafbarkeit zur Folge haben kann (BGH 5 StR 394/08].

Auch soweit in Sonderverträgen Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt wurden, dürfen die unwirksam einseitig erhöhten Preise den Kunden nicht mehr zur Abrechnung gebracht werden, da auch insoweit eine Nichtschuld vorliegt.

Bitte informieren Sie mich über das Ergebnis der entsprechenden internen Kontrollen.

Weitere Hintergründe können Sie hier lesen:   Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?





Freundliche kollegiale Grüße



Thomas Fricke
Rechtsanwalt

Freshfields Bruckhaus Deringer steht jetzt wohl ein Prüfauftrag ins Haus.

@all

Ich lade jeden Energieverbraucher ein, den Text zu kopieren und die Geschäftsführung des eigenen Versorgers schriftlich per Einschreiben/ Rückschein/ per Fax aufzufordern, eine entsprechende Kontrolle über die Einhaltung der Bestimmungen des Energiewirtschaftgesetzes  dringend zu veranlassen.

@Black

Wenn Sie die Unternehmen nicht entsprechend beraten wollen, informiere ich diese gern bzw. lasse informieren.

Offline kamaraba

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #19 am: 11. Februar 2011, 20:58:59 »
Ich mische mich ja ungern in Fachgespräche ein, aber hier mal eine konkrete Frage:
Wenn der örtliche Grundversorger im Grundversorgungstarif die Grundpreise um 40% erhöht (er gehörte zuvor schon in Baden-Württemberg zu den Versorgern, die mit die höchsten Grundpreise verlangt), diese Erhöhung öffentlich in Kundenanschreiben und in der hiesigen Stadtzeitung als moderate Preisanpassung bezeichnet und im Folgejahr die Gewinne vor Steuern von 8,5 auf 11,4 Mio. steigert (so ziemlich genau die Summe die ich bei der Grundpreiserhöhung errechnet habe).
Ist dies bereits an strafrechtlicher Tatbestand und wenn ja – welcher – Betrug? Ungerechtfertigte Bereicherung? Wucher?
Gruss aus der EnBW-Hauptstadt Karlsruhe
www.Faire-Energiepreise.de

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #20 am: 11. Februar 2011, 21:03:12 »
@kamaraba

Das ist noch nicht strafbar.

Strafbar kann es sein, nicht geschuldete Entgelte zur Abrechnung zu stellen und den Kunden über eine tatsächlich nicht bestehende Zahlungspflicht zu täuschen.

Letzteres kann dann der Fall sein, wenn der Versorger aufgrund einer Eigenkontrolle selbst erkennt, dass seine getroffene Tarifbestimmung bei bestehender gesetzlicher Tarifbestimmungspflicht bisher gesetzwidrig erfolgt war  und deshalb für den Kunden gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB ohne weiteres unverbindlich ist, eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB darstellt.

Die Erhöhung des Grundpreises kann allenfalls dann gem. § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB der Billigkeit entsprechen und verbindlich sein, wenn die durch die Belieferung des Kunden entstehenden und abzudeckenden Kosten um diesen Betrag seit der vorhergehenden Tariffestsetzung tatsächlich gestiegen sind. Fraglich ist jedoch, welche Kosten insgesamt überhaupt mit dem Grundpreis abzudecken sind und in welchem Verhältnis diese abzudeckenden Kosten überhaupt zum geforderten Grundpreis stehen, § 2 Abs. 1 EnWG.

Wenn der Versorger durch gebotene Eigenkontrolle erkennt, dass er den Grundpreis entgegen gesetzlicher Verpflichtung aus §§ 36 Abs. 1 , 2 Abs. 1 EnWG so festgesetzt hat, dass er ihm und nicht den Kunden vorteilhaft ist, kann er sich womöglich strafbar machen.


Das diskutieren Sie bitte an anderer Stelle weiter.

P.S.: Sie sind von mir auch eingeladen.

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #21 am: 11. Februar 2011, 21:50:34 »
Zitat
StGB § 263

Ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB liegt schon dann vor, wenn der Anspruchsverpflichtete tatsächlich davon ausgeht, eine Abrechnung sei ordnungsgemäß vollzogen worden, auch wenn er deren Grundlagen nicht kennt.

BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 5 StR 394/08

Zitat
StGB § 13 Abs. 1

Den Leiter der Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Rechts kann eine Garantenpflicht treffen, betrügerische Abrechnungen zu unterbinden.

BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08

Grundversorger nehmen einen öffentlichen Versorgungsauftrag wahr.

Sie trifft eine besondere gesetzliche Preisbestimmungspflicht im Interesse der Allgemeinheit.

Ihre Kunden müssen sich darauf verlassen können, dass die Abrechnungen, deren Grundlagen die Kunden naturgemäß nicht kennen können, ordnungsgemäß erfolgen.

Dies betrifft auch die Tarifbildung des Versorgers, die für die Kunden meist verborgen bleibend jedenfalls in gesetzmäßiger Weise erfolgen muss.

Besonders Stadtwerke können betroffen sein.

Lesen:

BGH, Urt. v. 17.07.09 Az. 5 StR 394/08

BGH, B. v. 09.06.09 Az. 5 StR 394/08

BBH-Blog: Unternehmensjuristen in der Zange

Jedem Versorger soll die Chance gegeben werden, selbst noch einmal Nachschau zu halten, ob es nicht doch im Interesse der Kunden entsprechend der gesetzlichen Verpflichtung noch preisgünstiger geht, bevor andere kommen. Möglicherweise wurde die Eigenkontrolle bisher sträflich vernachlässigt.

10.Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes und Bundesnetzagentur sind unterrichtet.

Offline Kampfzwerg

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #22 am: 11. Februar 2011, 22:16:53 »
Zitat
Original von RR-E-ft
...
Ich habe meine juristische Ausbildung auch im E.ON Konzern bzw. der Bayernwerk- Gruppe absolviert und war auch in der Rechtsabteilung von Konzernunternehmen auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts beruflich tätig.
...
Sichergestellt werden muss jedenfalls, dass gegenüber den betroffenen Kunden nicht etwa infolge von § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Nichtschuld im Sinne des § 812 BGB zur Abrechnung gestellt wird, was nach der Rechtsprechung des BGH eine Betrugsstrafbarkeit zur Folge haben kann (BGH 5 StR 394/08].

Auch soweit in Sonderverträgen Preisänderungsklauseln für unwirksam erklärt wurden, dürfen die unwirksam einseitig erhöhten Preise den Kunden nicht mehr zur Abrechnung gebracht werden, da auch insoweit eine Nichtschuld vorliegt.
...

@RR-E-ft

sorry  ;) aber die Vorlage ist einfach zuuu gut:
Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche  :D

Ansonsten hatte ich gerade ein deja vu, diese Problematik, soweit sie SV betrifft,  hatten wir bereits vor vier Jahren im \"alten\" Forum angeschnitten.
Aber - was lange währt...führt bekanntermaßen vielleicht irgendwann tatsächlich einmal zum Erfolg  :)
Ich würde mich freuen.

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #23 am: 11. Februar 2011, 22:19:53 »
Am Anfang stand das Wort, aber nun zählt die Tat.
Nun Du Zwerg erhebe Dich.  ;)

Offline RR-E-ft

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« Antwort #24 am: 12. Februar 2011, 10:53:24 »
@Black

Schon Erstsemester müssen wissen, dass bei bestehender Preisbestimmungspflicht eines Vertragsteils von diesem  gtroffene einseitige Preisbestimmungen gem. § 315 Abs. 2 BGB keine Anträge im Sinne von § 145 BGB darstellen können.

Das ergibt sich vollkommen eindeutig aus § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Ein folgenreicher Kunstfehler, der jedoch so grob ist, dass sich niemand auf einen Irrtum berufen kann, selbst wenn er sich deshalb rechtlich beraten ließ.

Der Versorger weiß doch, dass er den Preis aufgrund gesetzlicher Verpflichtung durch eigene Ermessensentscheidung selbst bestimmt.

Es ist doch gerade seine Absicht, denjenigen Preis einseitig zu bestimmen, den einseitig zu bestimmen er gesetzlich verpflichtet ist, den er also selbst ständig, selbständig und eigenverantwortlich und deshalb wirtschaftlich persönlich haftend, aufgrund Ermessensentscheidung einseitig bestimmen muss.

Wer soll damit noch für dumm verkauft und getäuscht werden?!

Offline RR-E-ft

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« Antwort #25 am: 12. Februar 2011, 11:17:33 »
Mittlerweile liegt die Lesebstätigung des Chief Compliance Officer der E.ON AG vor.

Zitat
Ihre Nachricht wurde gelesen am Samstag, 12. Februar 2011 09:49:02 (GMT+01:00) Amsterdam, Berlin, Bern, Rom, Stockholm, Wien.

Final-recipient: RFC822; karl-heinz.feldmann@eon.com
Disposition: automatic-action/MDN-sent-automatically; displayed
X-MSExch-Correlation-Key: ZL06yHU2G0iev/QmRZTBfA==
Original-Message-ID: <54BFCA4F6F764DE8AB563C8B03F81959@LEVIATHANII>
X-Display-Name: Feldmann, Karl-Heinz

Dieser informiert sich wohl gerade hier im Forum.

Zitat
Original von E.ON

In meinem Beruf sind Zuverlässigkeit und Präzision entscheidend.
Bei meinem Energieversorger auch.

Richtig erkannt.

Offline RR-E-ft

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« Antwort #26 am: 12. Februar 2011, 14:06:35 »
Bei Lichte betrachtet kann es so sein:

Der Grundversorger übernimmt mit der Übernahme der gesetzlichen Versorgungsaufgabe die jenige Verpflichtung, die den gesetzlich besonders geschützten Haushaltskunden eine möglichst sichere preisgünstige, effiziente leitungsgebunde Versorgung mit Elektrizität und Gas zu verbraucherfreundlichen Bedingungen ermöglichen muss.
Dies gilt auch für die Ersatzversorgung.

Wenn nicht schon zu diesem Zeitpunkt, dann aber wohl spätestens mit Abschluss des Grundversorgungsvertrages übernimmt der Versorger vertraglich die Gewährleistungspflicht dafür, den entsprechenden Kunden eine enstprechende möglichst preisgünstige Versorgung zu gewährleisten.

Dabei kann es sich um eine Garantenstellung im Sinne des § 13 StGB durch vertragliche Gewährsübernahme handeln (Dreher/ Tröndle, StGB, § 13 Rn. 7 ff.).

Wenn dies der Fall ist, können sich die für die Tarifbildung beim Versorger besonders Verantwortlichen strafbar machen, wenn sie entgegen der vertraglichen  Gewährsübernahme Preise bzw. Tarife  bilden, die nicht für die Kunden, sondern für den Versorger vorteilhaft sind, weil sie zuvörderst entgegen gesetzlicher Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 EnWG dem  Gewinnstreben des Versorgers dienen.

Dies kann eine eigene Betrugsstrafbarkeit im Sinne des § 263 StGB durch Unterlassen begründen.

Dabei können sowohl das Unterlassen der Kontrolle der Tarif- und Preisbestimmung darauf, ob diese der gesetzlichen Verpflichtung des Versorgers aus § 2 Abs. 1 EnWG entspricht, wie auch das Unterlassen einer dem Versorger möglichen und den Kunden günstigen Tarif- bzw. Preisanpassung die Strafbarkeit begründen und nicht erst auch das zur Abrechnung stellen gesetz- und vertragswidrig bestimmter Tarife und Preise, weil die Kunden aufgrund der besonderen Gewährleistungsübernahme in ihrem Vertrauen darauf  geschützt sein müssen, dass die Abrechnungen des Versorgers  gesetzmäßig und ordnungsgemäß sind, diesen Abrechnungn deshalb die Erklärung über die Ordnungsgemäßheit  der Tarif- und Preisbestimmung selbst stillschweigend innewohnt, und wo diese tatsächlich nicht gegeben ist, eine Täuschung der Kunden über diese Tatsache erfolgt.

Das sind aber genau jene Voraussetzungen für eine Betrugsstrafbarkeit gem. § 263 StGB, die der Bundesgerichtshof aufgestellt hat (BGH 5 StR 394/08].
Die Strafbarkeit nach § 263 StGB kann jeden treffen und nicht allein Amtsträger (§§ 352, 353 StGB).

Offline Lothar Gutsche

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #27 am: 12. Februar 2011, 14:36:40 »
Was soll dieser Aufruf zu Schreiben an die Compliance Officers hier und in einem Parallel-Thread mit dem Titel \"Schreiben an Chief Officer Compliance der E.ON AG wegen Kontrolle der Einhaltung §§ 2 Abs. 1 EnWG\"? Von Strafanzeigen kann ich nach meiner Erfahrung mit deutschen Staatsanwaltschaften nur abraten. Denn viele Staatsanwälte halten sich nicht an Recht und Gesetz, sondern entwickeln ihre eigenen Rechtsmaßstäbe, um bestimmte Kreise vor Strafverfolgung von Wirtschaftsdelikten zu schützen. Man nennt das Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt, aber diese beiden Straftaten existieren in Deutschland praktisch nicht mehr.

Ich hatte bereits in dem Thread \"Anhörung im Bundestag: Für und Wider Rekommunalisierung in der Energiewirtschaft\" über erste Erfahrungen mit meiner Betrugsanzeige berichtet. Am 18.6.2010 hatte ich die Verantwortlichen der Stadtwerke Würzburg, die ich hier nicht namentlich nenne, wegen Betrugs durch überhöhte Energiepreise angezeigt. Meine Strafanzeige hat einen Umfang von 12 Seiten und begründete die Täuschungshandlung auf drei Arten:
[list=1]
  • Die Preissetzung verstößt gegen § 1 und § 2 des Energiewirtschaftsgesetzes, weil die Stadtwerke eine Eigenkapitalrendite von 28% bis 38% erzielen und das nicht mit der gesetzlichen Forderung nach \"Preisgünstigkeit\" aus dem EnWG vereinbar sei.
  • Die Preissetzung des Energieversorgungsunternehmens verstößt gegen § 19 GWB die Kostenorientierung der Preise, die in § 29 Nr. 2 GWB gefordert wird; die Stadtwerke gelten im Raum Würzburg als regional marktbeherrschend. Zum Nachweis wird auf die Kapitel 1 und 2 im Schriftsatz von 21.01.2010 verwiesen, der im Zivilstreit zwischen den Stadtwerken Würzburg und dem Antragsteller am Landgericht Würzburg am 21.1.2010 zu Aktenzeichen 42 S 1337/09 eingebracht wurde, siehe im Internet auf der Homepage der Würzburger Kanzlei Bohl & Coll. unter http://www.ra-bohl.de/SS_vom_21.01.2010.pdf. Die darin zitierten Schriftsätze aus dem vorangehenden Gerichtsverfahren sind ebenfalls auf der Homepage der Kanzlei unter http://www.ra-bohl.de/html/strompreise.html abrufbar.
  • Die Gewinnerzielung der Stadtwerke in dem erheblichen Umfang von zweistelligen Millionenbeträgen pro Jahr ist mit den Kommunalgesetzen und der Verfassung unvereinbar, denn Artikel 87 Absatz 1 der bayerischen Gemeindeordnung verbietet den Zweck der Gewinnerzielung ebenso wie das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl. Kapitel D II unter http://www.proratus.com/Infrastruktur-Recht/3_kap_Privatfinanzierung.htm ) und die Grundsätze des Steinkohlepfennigurteils, BVerfG 2 BvR 633/86 vom 11.10.1994.
    [/list=1]
    Zum Vorsatz der Beschuldigten hatte ich ausführlich vorgetragen. U. a. hatte ich alle beteiligten Vorstände, Aufsichtsräte und Stadtratsfraktionen wie auch die Kommunalaufsicht durch zahlreiche Eingaben auf die drastische Überhöhung der Energiepreise und auf die Gesetzwidrigkeit der Preisgestaltung aufmerksam gemacht. Außerdem streiten die Stadtwerke mit mir seit 2,5 Jahren über die Billigkeit, die Kartellrechtswidrigkeit und Kommunalrechtswidrigkeit ihrer Preise für Strom, Gas und Wasser. Eines meiner zentralen Argumente zum Vorsatz ist die Diskussion zur Quersubvention mit den Stadtwerken als Finanzquelle.

    Nun gebe ich ein paar Kostproben von den Qualitäten der Volljuristen, die sich mit meiner Strafanzeige bislang auseinandersetzten. Dazu zitiere ich einige Passagen aus meiner Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg.
     
    Die Staatsanwaltschaft Würzburg, immerhin Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, stellt mit Bescheid vom 16.9.2010 das Verfahren nach § 152 Abs. 2 StPO ein, da es an einer Täuschungshandlung der Verantwortlichen gegenüber den Kunden der Stadtwerke Würzburg fehlen würde. Die Staatsanwaltschaft Würzburg begründet ihre Auffassung, dass keine Täuschungshandlung vorliegt, auf Seite 1 ihres Bescheides vom 16.9.2010 wie folgt: „Die Forderung eines überhöhten Preises enthält nämlich für sich allein in der Regel keine konkludente Erklärung seiner Angemessenheit (Fischer, 57. Auflage 2010, Rdn. 36 zu § 263 StGB unter Hinweis auf BGH NJW 1990, S. 2005 f). Sowohl beim Ankauf als auch beim Verkauf von Wirtschaftsgütern gilt, dass das Fordern eines überhöhten Verkaufspreises noch keine Täuschung beinhaltet (OLG Stuttgart NStZ 2003, S. 554).“. Demnach dürfte es das BGH-Urteil 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 zu der Berliner Straßenreinigung gar nicht geben. Um den scheinbaren Widerspruch aufzulösen, habe ich die beiden von der Staatsanwaltschaft zitierten Entscheidungen näher analysiert.

    „BGH NJW 1990, S. 2005 f“
    Die Quelle „BGH NJW 1990, 2005 f“ befasst sich mit der Entscheidung 2 StR 252/89 des Bundesgerichtshofes vom 16.6.1989. In dem Beschluss geht es um den Verkauf von billigeren Sonderausgaben von Büchern zu einem Preis, der über dem üblichen Marktpreis der Sonderausgaben liegt. Laut BGH erregt ein solcher Buch-Verkauf keinen Irrtum, der zu einem Vermögensschaden im Sinne von § 263 StGB führt. In der Urteilsbegründung weist der BGH jedoch auf zahlreiche Ausnahmefälle hin, in denen der Verkäufer mit dem überhöhten Preis sehr wohl betrügerisch handelt, und zwar unter anderem dann, wenn der „Fordernde die mangelnde Sachkunde sowie das ihm entgegengebrachte Vertrauen des Vertragspartners zur Erzielung eines überhöhten Entgelts ausnutzt (BGH, LM, StGB, § STGB § 263 Nr. 5, mit Anm. Krumme = Amtlich festgesetzte Rollgeldsätze; RGSt 42, RGST Jahr 42 Seite 147 = Arzneimitteltaxen).

    Die Stadtwerke Würzburg genießen als Kommunalunternehmen und als Nutzer eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts ein hohes Vertrauen seitens der Kunden. Im vorliegenden Fall der Stadtwerke Würzburg können die Energiekunden mangels Sachkunde die Energiepreise auch nicht auf Billigkeit und Gesetzeskonformität prüfen. Das konnte im Zivilverfahren 30 C 2420/08 am Amtsgericht Würzburg, einem Zahlungsprozess der Stadtwerke Würzburg gegen mich wegen ausstehender Rechnungsbeträge für Energie und Trinkwasser, nicht einmal der Richter Dennis Peikert, als er die Billigkeit der Preiserhöhungen von Strom, Gas und Trinkwasser nach § 315 BGB beurteilen musste.

    „OLG Stuttgart NStZ 2003, S. 554“
    Die Literaturstelle „OLG Stuttgart NStZ 2003, S. 554“ führt auf den Beschluss 1 Ws 15/03 des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13.2.2003. Das OLG Stuttgart beschäftigte sich mit der Preisbildung im Gebrauchtwagenhandel, wo ein Autohändler gebrauchte Fahrzeuge deutlich unterhalb des Händlerpreises nach der „Schwacke-Liste“ einkaufte. Selbst ein pflichtwidriges Unterlassen des Autohändlers, den Verkäufer des Gebrauchtwagens über die Angemessenheit und Üblichkeit des Preises aufzuklären, begründet laut OLG Stuttgart keine Täuschung bei der Preisgestaltung, wenn der Geschäftspartner die Vertragskonditionen hätte überprüfen können. In der Randnummer 10 der Urteilsgründe führt das OLG Stuttgart aus: Nach der seit langem bestehenden Rechtsprechung des Senats „besteht bei der Begründung einer Garantenstellung nach Treu und Glauben für einen Schutz des unerfahrenen Geschäftspartners kein Anlass, solange dieser Gelegenheit hat, sich eine Überlegungsfrist auszubedingen und sich bei einer sachkundigen Stelle von der Angemessenheit des Preises bzw. der vertraglichen Regelung der Preisbestimmung zu überzeugen.

    Eine solche sachkundige Stelle existiert für die Energiekunden der Stadtwerke Würzburg offenkundig nicht. Es besteht nur die Möglichkeit, mit dem Risiko hoher Prozess- und Gutachterkosten, an einem Gericht die Preise der Stadtwerke kartellrechtlich, kommunalrechtlich oder auf Billigkeit nach § 315 BGB überprüfen zu lassen.

    Darüber hinaus hat das OLG Stuttgart in Randnummer 8 seiner Urteilsbegründung bekräftigt, dass eine strafrechtlich relevante Aufklärungspflicht in allgemeinen Vertragsverhältnissen mit gegenseitigen Leistungspflichten unter „besonderen Umständen“ besteht. „Die Rechtsprechung hat solche besonderen Umstände bei engen laufenden Geschäftsbeziehungen, bei denen ein Vertragsteil auf Abruf oder auf weitere Bestellung ständig Waren oder Leistungen auf laufende Rechnung geliefert erhält, angenommen (vgl. BGH wistra 1988, WISTRA Jahr 1988 Seite 262).“ Eine derartige „laufende Geschäftsbeziehung“ liegt zwischen den Stadtwerken Würzburg und ihren Energiekunden vor.

    Besonderheiten in der Preisgestaltung von Energie
    Nach diesen Analysen hatte ich noch die Besonderheiten in der Preisgestaltung von Energie beschrieben, weil die Preisgestaltung von Büchern und Gebrauchtwagen eben doch anderen gesetzlichen Regeln folgt als die Preisbildung für Energie:
    [list=a]
  • Energie besteht nicht aus einem einmaligen Austausch von Leistung und Gegenleistung wie bei Büchern und Gebrauchtwagen, sondern wird in Dauerschuldverhältnissen verkauft.
  • Energie ist im Unterschied zu Büchern und Gebrauchtfahrzeugen ein Gut der kommunalen Daseinsvorsorge.
  • Energiepreise sind nicht nur einfach das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, wo ein Marktteilnehmer wie im Autohandel oder im nicht preisgebundenen Buchhandel seine bessere Information oder überlegene Sachkunde zu seinem Vorteil ausnutzen darf. Vielmehr fordert der Gesetzgeber in § 1, § 2 EnWG von Energieversorgungsunternehmen wie den Stadtwerken Würzburg eine möglichst preisgünstige Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.
  • Energieversorger wie die Stadtwerke Würzburg üben in der Grundversorgung ein gesetzlich geregeltes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht aus, in Sonderverträgen außerhalb der Grundversorgung vereinbaren sie oft ein solches und dürfen dann insbesondere die Energiepreise einseitig festlegen. Dafür müssen die Preise der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entsprechen.
  • Regional marktbeherrschende Energieversorger wie die Stadtwerke Würzburg müssen bei der Preisgestaltung kartellrechtliche Vorgaben beachten, u. a. § 29 GWB und § 19 GWB.
  • Als Kommunalunternehmen unterliegt die Stadtwerke Würzburg AG dem kommunalrechtlichen Verbot der Gewinnerzielung, dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und dem Verbot der Quersubvention,
  • [/list=a] Demnach resultieren aus dem verkauften Produkt, aus den Vertragskonditionen, aus der Marktstruktur mit der regional marktbeherrschenden Stellung der Stadtwerke und aus den kommunalen Eigentümerverhältnissen „
besondere Umstände“ im Sinne der Rechtsprechung, die von der Staatsanwaltschaft Würzburg in ihrem Bescheid zitiert wurde. Deshalb besteht die Notwendigkeit, den Energiekunden der Stadtwerke Würzburg „strafrechtlichen Schutz vor einer überhöhten Preisforderung zu gewähren“, wie es der 2. Strafsenat des BGH in Abschnitt II 1. seines Urteils 2 StR 252/89 vom 16.6.1989 formulierte.

Staatsanwaltschaft verfälscht Darstellung des BGH-Urteils 5 StR 394/08
Die Staatsanwaltschaft Würzburg versuchte in extrem verzerrender Weise, den Betrug durch überhöhte Preise bei der Berliner Straßenreinigung (BSR) auf einen \"Rechenfehler\" zu reduzieren, der im Falle der Stadtwerke Würzburg gar nicht existiert und von mir auch nicht angezeigt worden war. Nachdem die Staatsanwaltschaft Würzburg das BGH-Urteil 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 entsprechend verfälscht wiedergegeben hatte, heißt es nämlich im Bescheid der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 16.9.2010: „Im Falle der Stadtwerke Würzburg AG - die Richtigkeit des Vortrags des Anzeigeerstatters zur Überhöhung der von den Stadtwerken verlangten Entgelte unterstellt - wurden die gesetzlichen Vorgaben, deren Nichtbeachtung der Anzeigenerstatter moniert, gerade nicht und zwar gar nicht und damit auch nicht rechenfehlerhaft zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht.“ Damit suggeriert die Staatsanwaltschaft Würzburg, dass es ohne „Rechenfehler“ auch keine Täuschungshandlung geben könne.

Nachdem bei der BSR der Rechenfehler erkannt worden war, wurde er weder rückwirkend korrigiert noch für die Zukunft behoben. Die zu hohe Bemessungsgrundlage, die auch Straßen ohne Anlieger erfasste, erhöhte die Einnahmen und Gewinne der BSR erheblich. Man hat bewusst entgegen der eindeutigen gesetzlichen Vorgaben des Berliner Straßenreinigungsgesetzes die Preise für die Straßenreinigung überhöht. Genauso haben die Stadtwerke Würzburg die eindeutigen Rechtsvorschriften aus dem EnWG, GWB, BGB, BayGO, BayKAG sowie Verfassungsgerichtsentscheidungen missachtet und ihre Energiepreise überhöht.

Um das Verhalten der BSR zu bewerten, griff der BGH mit Verweis auf BVerfGE 108, 1, 19 ff. unter anderem auf das Kostendeckungsprinzip zurück, an das die BSR gebunden war, da sie öffentlichrechtlichen Gebührengrundsätzen unterlag. Das Kostendeckungsprinzip fordern im Falle der Stadtwerke Würzburg § 29 GWB, Art. 87 Abs. 1 BayGO und Art. 8 Abs. 2 BayKAG, wie in den Abschnitten 1.2 und 1.3 der Strafanzeige vom 18.6.2010 dokumentiert wurde. So wie die vereinnahmten Gebühren für die Straßenreinigung nicht zu einer Gewinnsteigerung bei der BSR führen durften, genauso wenig hätten die überhöhten Energiepreise die Gewinne der Stadtwerke in die Höhe treiben dürfen.

Eine weitere Parallelität zwischen den Fällen der BSR in Berlin und der Stadtwerke in Würzburg ist in dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB zu sehen. Darauf bezog sich der BGH in juris-Randnummer 19 und stellte fest: „Da die BSR aufgrund ihrer Stellung zu einer einseitigen Leistungsbestimmung gemäß § 315 BGB berechtigt war, könnte aufgrund dieses hierin begründeten Näheverhältnisses eine vermögensschädigende Verfügung zu Lasten der Eigentümer der Anliegergrundstücke zu sehen sein (vgl. BGH NStZ 1997, 32; wistra 1992, 299; Hefendehl in MünchKomm § 263 Rdn. 286 ff.). Die einzelnen Rechnungsstellungen wären dann (mitbestrafte) Nachtaten.

Die von der Staatsanwaltschaft Würzburg beabsichtigte Reduktion des Falles BSR in Berlin auf einen „Rechenfehler“ passt auch gar nicht zu dem 2. Leitsatz des BGH, den der Antragsteller bereits in seiner Strafanzeige zitiert hatte: „Ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB liegt schon dann vor, wenn der Anspruchsverpflichtete tatsächlich davon ausgeht, eine Abrechnung sei ordnungsgemäß vollzogen worden, auch wenn er deren Grundlagen nicht kennt.“ Den Gehalt des BGH-Urteils 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 verdeutlichen auch die beiden folgenden nichtamtlichen Leitsätze aus der Online-Zeitschrift HRRS der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Strate und Venzke, siehe http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/08/5-394-08.php:
  • Eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB kann auch konkludent erfolgen, indem der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt. Welcher Inhalt der Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten.
  • Der Verkehr erwartet im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs vor allem insoweit eine wahrheitsgemäße Darstellung, als die dargestellten Tatsachen wesentlich für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs sind und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne weiteres überprüfen kann, sodass der Erklärende zwangsläufig sein Vertrauen in Anspruch nimmt.
Die Bedeutung des BGH-Urteils 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 liegt demnach nicht in der Erkenntnis, dass ein „Rechenfehler“ und nur ein „Rechenfehler“ eine Täuschung begründen kann, wie die Staatsanwaltschaft Würzburg glauben machen will. Vielmehr begründet die Missachtung der Rechtsnormen, die bei der Preisbildung und Abrechnung einzuhalten sind, die Täuschungshandlung.

unterlassene Prüfung von Rechtsverstößen
Laut Bescheid vom 16.9.2010 prüfte die Staatsanwaltschaft Würzburg einen Kernpunkt der Strafanzeige vom 18.6.2010 nicht, nämlich das Argument, dass die Stadtwerke Würzburg die genannten gesetzlichen Vorschriften aus dem Energiewirtschaftsrecht, dem Kartellrecht und Kommunalrecht zu Unrecht missachteten. Nach der im vorigen Abschnitt diskutierten Aussage, dass „die gesetzlichen Vorgaben, deren Nichtbeachtung der Anzeigenerstatter moniert, gerade nicht und zwar gar nicht und damit auch nicht rechenfehlerhaft zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht“ wurden, fährt der Bescheid vom 16.9.2010 fort: „Unabhängig davon, ob dies zu Recht oder zu Unrecht unterblieb, wurde …“. Die Feststellung, dass die Energiepreise der Stadtwerke Würzburg in gesetzwidriger Weise überhöht wurden, ist entscheidend für den Betrugsvorwurf. Denn nur dann, wenn die Preisüberhöhung und deren Gesetzwidrigkeit feststehen, kann die Abrechnung der Energie über die konkludent miterklärten Tatsachen einen Irrtum beim Stadtwerke-Kunden erregen.

Aus dem Bescheid der Staatsanwaltschaft lässt sich u. a. die folgende Feststellung herauslesen: „Im Falle der Stadtwerke Würzburg AG … wurden die gesetzlichen Vorgaben … gerade nicht und zwar gar nicht … zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht.“ Dabei handelt es sich quasi um ein Geständnis der Täuschungshandlung und einen Beleg für zumindest bedingten Vorsatz. Das wurde von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beurteilung im Hinblick auf den Betrugsvorwurf überhaupt nicht berücksichtigt.

unrichtige Perspektive der Staatsanwaltschaft
Der Bescheid der Staatsanwaltschaft Würzburg führt aus: „Unabhängig davon, ob dies zu Recht oder zu Unrecht unterblieb, wurde seitens der Stadtwerke auch weder ausdrücklich, noch konkludent behauptet, die – laut Anzeigeerstatter – heranzuziehenden gesetzlichen Vorgaben seien der Kalkulation zugrunde gelegt worden So wurde beispielsweise und insbesondere nicht behauptet, es finde innerhalb des WVV-Konzerns keine Quersubventionierung statt. Im Gegenteil wurde diese Praxis – wie der Anzeigeerstatter auf S. 10 seiner Strafanzeige vorträgt – öffentlich angesprochen.“ Damit nimmt die Staatsanwaltschaft eine falsche Perspektive zur Beurteilung des Sachverhalts ein, und zwar die Perspektive der Stadtwerke.

Denn nach dem 2. amtlichen Leitsatz und den oben zitierten nichtamtlichen Leitsätzen der HRRS ist einzig die Sicht des Kunden als Rechnungsempfänger für die Frage relevant, ob und was die Stadtwerke durch ihr Verhalten konkludent miterklärt haben. In Randnummer 15 der Urteilsgründe zum BGH-Urteil 5 StR 394/08 vom 9.6.2009, heißt es:
Zwar enthalten die an die Eigentümer gerichteten Schreiben unmittelbar keine falsche Tatsachenbehauptung. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 51, 165, 169 f.; 47, 1, 3). Welcher Inhalt der Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten. Diese werden regelmäßig durch den normativen Gesamtzusammenhang geprägt sein, in dem die Erklärung steht (vgl. BGHSt 51, 165, 170). Deshalb hat der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass ein Kassenarzt mit seiner Abrechnung gegenüber der Kasse nicht nur erklärt, dass die abgerechnete Leistung unter die Leistungsbeschreibung der Gebührennummer fällt, sondern auch, dass seine Leistung zu den kassenärztlichen Versorgungsleistungen gehört und nach dem allgemeinen Bewertungsmaßstab abgerechnet werden kann (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 12; vgl. auch Täuschung 9, 11).

Relevant ist also im Fall der Stadtwerke Würzburg die Sicht der Rechnungsempfänger. Aus deren Perspektive erklären die Stadtwerke mit der jährlichen Abrechnung konkludent mit, dass ihre Energiepreise allen gesetzlichen Vorgaben genügen.

Fehlinterpretation der Quersubvention
Die Staatsanwaltschaft Würzburg schreibt in ihrem Bescheid vom 16.9.2010: „So wurde beispielsweise und insbesondere nicht behauptet, es finde innerhalb des WVV-Konzerns keine Quersubventionierung statt. Im Gegenteil wurde diese Praxis – wie der Anzeigeerstatter auf S. 10 seiner Strafanzeige vorträgt – öffentlich angesprochen.“ Auf diese Aussage habe ich mich im Zusammenhang mit der Täuschungshandlung überhaupt nicht bezogen. Vielmehr stützte meine Strafanzeige vom 18.6.2010 den Nachweis des Vorsatzes auf die Kenntnis der Quersubvention, insbesondere auf die rechtswidrige Herkunft ihrer Finanzquellen.  

Im Übrigen ist anzumerken, dass die Quersubvention in der Abrechnung gegenüber den Kunden nicht erläutert wird. Auf den Abrechnungen findet sich kein Hinweis, ob und in welcher Höhe die Stadtwerke mit dem konkreten Rechnungsbetrag vom Rechnungsempfänger Gewinne erzielt. In der Abrechnung wird auch nicht erläutert, zu welchem Zweck die Gewinne verwendet werden, nämlich zur Quersubventionierung von Verlusten aus dem öffentlichen Nahverkehr in Würzburg. Die Verantwortlichen der Stadtwerke Würzburg bzw. der WVV erklären auf den Abrechnungen auch nicht, dass die aus den überhöhten Gewinnen finanzierte Quersubvention verfassungswidrig ist. Damit wird ungeachtet der Publikationen im Geschäftsbericht und in der Presse aus Sicht des Rechnungsempfängers ein Irrtum erregt, die Energiepreise würden alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen.


Bei Gelegenheit werde ich berichten, was die Volljuristen von der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg am 3.11.2010 aus dieser Beschwerdepunkten machten und wie die Richter des 3. Strafsenats am OLG Bamberg mit dem zugehörigen Klageerzwingungsantrag vom 19.11.2011 umgingen. Deutlich erkennbar ist bei allen beteiligten Volljuristen der Strafverfolgungsbehörden der Wille, keine Anklage vor einem ordentlichen Gericht zuzulassen.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

Offline RR-E-ft

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #28 am: 12. Februar 2011, 15:01:34 »
Vielen Dank für den umfangreichen Erfahrungsbericht, der nur zu deutlich zeigt, dass nicht jeder Gesetzesverstoß zugleich auch eine Straftat begründet, wie viele Verfechter meinen, und sich deshalb immer wieder neu die Finger wund schreiben und bei den Staatsanwaltschaften fortlaufend Strafvereitelung im Amt kafkaesk vermuten  und sich einer bösartigen Verschwörung gegenüber wähnen.

Nicht ersichtlich, dass dabei aber überhaupt auf die mögliche Garantenstellung durch Gewährsübernahme eines Grundversorgers und danach auf die Rechtsprechung des BGH Az. 5 StR 394/08 eingegangen wurde.
 
Für die Täuschung im Sinne des § 263 StGB kommt es wirklich darauf an, dass bei den Verantwortlichen die Fehlkakulation erkannt wurde und die falsche Kalkulation zu Lasten der Kunden fortbesteht. Dafür bedarf es greifbarer Anhaltspunkte. Man sollte diese Entscheidungen gelesen haben, bevor man sich über die Volljuristen hier und dort ereifert.

Nicht ersichtlich, dass bei den Stadtwerken Würzburg überhaupt jemals eine interne Kontrolle der Tarifbestimmungen anhand der einschlägigen gesetzlichen Regelungen je veranlasst war, welche überhaupt nur zum Ergebnis gehabt haben könnte, dass die Tarifkalkulationen gesetzwidrig und somit fehlerhaft waren. Dann aber fehlt es von Anfang an  an greifbaren Anhaltspunkten für die Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Tarifkalkulation. Das können die dazu berufenen  Volljuristen so oft schreiben, wie sie wollen, ohne dass dieser maßgebliche  Umstand von Eiferern überhaupt im Kern zur Kenntnis genommen wird.

Der Chief Compliance Officer soll kontrollieren lassen, ob die Tarif- und Preiskalkulationen des Konzerns bisher den gesetzlichen Anforderungen entsprechen oder nicht doch eine Anpassung zugunsten der Kunden dem Konzern möglich und deshalb erforderlich und geboten ist.

Das Ergebnis einer solchen internen Eigenkontrolle bleibt abzuwarten.

Ich habe vollstes Vertrauen, dass der Chief Compliance Officer  wie auch alle anderen Chiefs  dafür Sorge trägt, dass alle gesetzlichen Bestimmungen eingehalten werden, denn dafür sind sie persönlich haftbar auch im strafrechtlichen Sinne (BGH 5 StR 394/08].
Das wird auch dort sehr ernst genommen.

P.S.:

Im Gegensatz zu Eiferern ist der VIII. Zivilsenat des BGH zum Umdenken durchaus Willens und in der Lage, siehe Vorlagenbeschluss vom 09.02.11.

Offline Lothar Gutsche

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Machen sich Versorger durch unbillige Preisbestimmungen strafbar?
« Antwort #29 am: 12. Februar 2011, 16:04:12 »
@RR-E-ft
Mit dem Beitrag dokumentieren Sie, dass Sie - als ein weiterer Volljurist - offenbar die Entscheidungen des BGH auch nicht zu lesen wissen. Deshalb auch für Sie ganz langsam: Unter dem Aktenzeichen 5 StR 394/08 gibt es insgesamt drei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes, die beiden für diese Diskussion wichtigen datieren vom 9.6.2009 und vom 17.7.2009. In der Entscheidung vom 17.7.2009 ist tatsächlich der Compliance Officer und dessen Garantenpflicht aufgrund dienstlicher Stellung Gegenstand. In dem Urteil wird die Beihilfe (durch Unterlassen) zum Betrug bestätigt. Deshalb lautet der Leitsatz des 5. Strafsenats vom 17.7.2009 auch: \"Den Leiter der Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Rechts kann eine Garantenpflicht treffen, betrügerische Abrechnungen zu unterbinden.\"

Dagegen taucht in der Entscheidung des BGH vom 9.6.2009 das Wort Garantenpflicht überhaupt nicht auf. Hier ging es um die Strafbarkeit eines Vorstandes wegen Betrugs. Deshalb lautet der 2. Leitsatz dieser BGH-Entscheidung auch: \"Ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB liegt schon dann vor, wenn der Anspruchsverpflichtete tatsächlich davon ausgeht, eine Abrechnung sei ordnungsgemäß vollzogen worden, auch wenn er deren Grundlagen nicht kennt.\"

Zitat
Original von RR-E-ft
Nicht ersichtlich, dass dabei aber überhaupt auf die mögliche Garantenstellung durch Gewährsübernahme eines Grundversorgers und danach auf die Rechtsprechung des BGH Az. 5 StR 394/08 eingegangen wurde.
Die Frage nach einer Garantenpflicht ist in der BGH-Entscheidung vom 9.6.2009 überhaupt nicht relevant und wird auch nicht in den Urteilsgründen vom BGH-Strafsenat erörtert.

Wer die Unterschiede zwischen den beiden Entscheidungen nicht sieht, sollte sich von strafrechtlichen Empfehlungen und Wertungen besser fernhalten

Zu dem unsachlichen Beitrag

Zitat
Original von RR-E-ft
Vielen Dank für den umfangreichen Erfahrungsbericht, der nur zu deutlich zeigt, dass nicht jeder Gesetzesverstoß zugleich auch eine Straftat begründet, wie viele Verfechter meinen, und sich deshalb immer wieder neu die Finger wund schreiben und bei den Staatsanwaltschaften fortlaufend Strafvereitelung im Amt kafkaesk vermuten und sich einer bösartigen Verschwörung gegenüber wähnen, möglicherweise bis zum Präsidenten des Bundesgerichtshofes hoch reichend. (Bundespräsident und Bundeskanzlerin wohl auch für verstrickt gehalten).

verbietet es meine Erziehung zu antworten.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email: Lothar.Gutsche@arcor.de

 

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