Was soll dieser Aufruf zu Schreiben an die Compliance Officers hier und in einem Parallel-Thread mit dem Titel \"
Schreiben an Chief Officer Compliance der E.ON AG wegen Kontrolle der Einhaltung §§ 2 Abs. 1 EnWG\"? Von Strafanzeigen kann ich nach meiner Erfahrung mit deutschen Staatsanwaltschaften nur abraten. Denn viele Staatsanwälte halten sich nicht an Recht und Gesetz, sondern entwickeln ihre eigenen Rechtsmaßstäbe, um bestimmte Kreise vor Strafverfolgung von Wirtschaftsdelikten zu schützen. Man nennt das Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt, aber diese beiden Straftaten existieren in Deutschland praktisch nicht mehr.
Ich hatte bereits in dem Thread \"
Anhörung im Bundestag: Für und Wider Rekommunalisierung in der Energiewirtschaft\" über erste Erfahrungen mit meiner Betrugsanzeige berichtet. Am 18.6.2010 hatte ich die Verantwortlichen der Stadtwerke Würzburg, die ich hier nicht namentlich nenne, wegen Betrugs durch überhöhte Energiepreise angezeigt. Meine Strafanzeige hat einen Umfang von 12 Seiten und begründete die Täuschungshandlung auf drei Arten:
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- Die Preissetzung verstößt gegen § 1 und § 2 des Energiewirtschaftsgesetzes, weil die Stadtwerke eine Eigenkapitalrendite von 28% bis 38% erzielen und das nicht mit der gesetzlichen Forderung nach \"Preisgünstigkeit\" aus dem EnWG vereinbar sei.
- Die Preissetzung des Energieversorgungsunternehmens verstößt gegen § 19 GWB die Kostenorientierung der Preise, die in § 29 Nr. 2 GWB gefordert wird; die Stadtwerke gelten im Raum Würzburg als regional marktbeherrschend. Zum Nachweis wird auf die Kapitel 1 und 2 im Schriftsatz von 21.01.2010 verwiesen, der im Zivilstreit zwischen den Stadtwerken Würzburg und dem Antragsteller am Landgericht Würzburg am 21.1.2010 zu Aktenzeichen 42 S 1337/09 eingebracht wurde, siehe im Internet auf der Homepage der Würzburger Kanzlei Bohl & Coll. unter http://www.ra-bohl.de/SS_vom_21.01.2010.pdf. Die darin zitierten Schriftsätze aus dem vorangehenden Gerichtsverfahren sind ebenfalls auf der Homepage der Kanzlei unter http://www.ra-bohl.de/html/strompreise.html abrufbar.
- Die Gewinnerzielung der Stadtwerke in dem erheblichen Umfang von zweistelligen Millionenbeträgen pro Jahr ist mit den Kommunalgesetzen und der Verfassung unvereinbar, denn Artikel 87 Absatz 1 der bayerischen Gemeindeordnung verbietet den Zweck der Gewinnerzielung ebenso wie das verfassungsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl. Kapitel D II unter http://www.proratus.com/Infrastruktur-Recht/3_kap_Privatfinanzierung.htm ) und die Grundsätze des Steinkohlepfennigurteils, BVerfG 2 BvR 633/86 vom 11.10.1994.
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Zum Vorsatz der Beschuldigten hatte ich ausführlich vorgetragen. U. a. hatte ich alle beteiligten Vorstände, Aufsichtsräte und Stadtratsfraktionen wie auch die Kommunalaufsicht durch zahlreiche Eingaben auf die drastische Überhöhung der Energiepreise und auf die Gesetzwidrigkeit der Preisgestaltung aufmerksam gemacht. Außerdem streiten die Stadtwerke mit mir seit 2,5 Jahren über die Billigkeit, die Kartellrechtswidrigkeit und Kommunalrechtswidrigkeit ihrer Preise für Strom, Gas und Wasser. Eines meiner zentralen Argumente zum Vorsatz ist die Diskussion zur Quersubvention mit den Stadtwerken als Finanzquelle.
Nun gebe ich ein paar Kostproben von den Qualitäten der Volljuristen, die sich mit meiner Strafanzeige bislang auseinandersetzten. Dazu zitiere ich einige Passagen aus meiner Beschwerde an die Generalstaatsanwaltschaft Bamberg.
Die Staatsanwaltschaft Würzburg, immerhin Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität, stellt mit Bescheid vom 16.9.2010 das Verfahren nach § 152 Abs. 2 StPO ein, da es an einer Täuschungshandlung der Verantwortlichen gegenüber den Kunden der Stadtwerke Würzburg fehlen würde. Die Staatsanwaltschaft Würzburg begründet ihre Auffassung, dass keine Täuschungshandlung vorliegt, auf Seite 1 ihres Bescheides vom 16.9.2010 wie folgt: „Die Forderung eines überhöhten Preises enthält nämlich für sich allein in der Regel keine konkludente Erklärung seiner Angemessenheit (Fischer, 57. Auflage 2010, Rdn. 36 zu § 263 StGB unter Hinweis auf BGH NJW 1990, S. 2005 f). Sowohl beim Ankauf als auch beim Verkauf von Wirtschaftsgütern gilt, dass das Fordern eines überhöhten Verkaufspreises noch keine Täuschung beinhaltet (OLG Stuttgart NStZ 2003, S. 554).“. Demnach dürfte es das BGH-Urteil 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 zu der Berliner Straßenreinigung gar nicht geben. Um den scheinbaren Widerspruch aufzulösen, habe ich die beiden von der Staatsanwaltschaft zitierten Entscheidungen näher analysiert.
„BGH NJW 1990, S. 2005 f“
Die Quelle „BGH NJW 1990, 2005 f“ befasst sich mit der Entscheidung 2 StR 252/89 des Bundesgerichtshofes vom 16.6.1989. In dem Beschluss geht es um den Verkauf von billigeren Sonderausgaben von Büchern zu einem Preis, der über dem üblichen Marktpreis der Sonderausgaben liegt. Laut BGH erregt ein solcher Buch-Verkauf keinen Irrtum, der zu einem Vermögensschaden im Sinne von § 263 StGB führt. In der Urteilsbegründung weist der BGH jedoch auf zahlreiche Ausnahmefälle hin, in denen der Verkäufer mit dem überhöhten Preis sehr wohl betrügerisch handelt, und zwar unter anderem dann, wenn der „Fordernde die mangelnde Sachkunde sowie das ihm entgegengebrachte Vertrauen des Vertragspartners zur Erzielung eines überhöhten Entgelts ausnutzt (BGH, LM, StGB, § STGB § 263 Nr. 5, mit Anm. Krumme = Amtlich festgesetzte Rollgeldsätze; RGSt 42, RGST Jahr 42 Seite 147 = Arzneimitteltaxen).“
Die Stadtwerke Würzburg genießen als Kommunalunternehmen und als Nutzer eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts ein hohes Vertrauen seitens der Kunden. Im vorliegenden Fall der Stadtwerke Würzburg können die Energiekunden mangels Sachkunde die Energiepreise auch nicht auf Billigkeit und Gesetzeskonformität prüfen. Das konnte im Zivilverfahren 30 C 2420/08 am Amtsgericht Würzburg, einem Zahlungsprozess der Stadtwerke Würzburg gegen mich wegen ausstehender Rechnungsbeträge für Energie und Trinkwasser, nicht einmal der Richter Dennis Peikert, als er die Billigkeit der Preiserhöhungen von Strom, Gas und Trinkwasser nach § 315 BGB beurteilen musste.
„OLG Stuttgart NStZ 2003, S. 554“
Die Literaturstelle „OLG Stuttgart NStZ 2003, S. 554“ führt auf den Beschluss 1 Ws 15/03 des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13.2.2003. Das OLG Stuttgart beschäftigte sich mit der Preisbildung im Gebrauchtwagenhandel, wo ein Autohändler gebrauchte Fahrzeuge deutlich unterhalb des Händlerpreises nach der „Schwacke-Liste“ einkaufte. Selbst ein pflichtwidriges Unterlassen des Autohändlers, den Verkäufer des Gebrauchtwagens über die Angemessenheit und Üblichkeit des Preises aufzuklären, begründet laut OLG Stuttgart keine Täuschung bei der Preisgestaltung, wenn der Geschäftspartner die Vertragskonditionen hätte überprüfen können. In der Randnummer 10 der Urteilsgründe führt das OLG Stuttgart aus: Nach der seit langem bestehenden Rechtsprechung des Senats „besteht bei der Begründung einer Garantenstellung nach Treu und Glauben für einen Schutz des unerfahrenen Geschäftspartners kein Anlass, solange dieser Gelegenheit hat, sich eine Überlegungsfrist auszubedingen und sich bei einer sachkundigen Stelle von der Angemessenheit des Preises bzw. der vertraglichen Regelung der Preisbestimmung zu überzeugen.“
Eine solche sachkundige Stelle existiert für die Energiekunden der Stadtwerke Würzburg offenkundig nicht. Es besteht nur die Möglichkeit, mit dem Risiko hoher Prozess- und Gutachterkosten, an einem Gericht die Preise der Stadtwerke kartellrechtlich, kommunalrechtlich oder auf Billigkeit nach § 315 BGB überprüfen zu lassen.
Darüber hinaus hat das OLG Stuttgart in Randnummer 8 seiner Urteilsbegründung bekräftigt, dass eine strafrechtlich relevante Aufklärungspflicht in allgemeinen Vertragsverhältnissen mit gegenseitigen Leistungspflichten unter „besonderen Umständen“ besteht. „Die Rechtsprechung hat solche besonderen Umstände bei engen laufenden Geschäftsbeziehungen, bei denen ein Vertragsteil auf Abruf oder auf weitere Bestellung ständig Waren oder Leistungen auf laufende Rechnung geliefert erhält, angenommen (vgl. BGH wistra 1988, WISTRA Jahr 1988 Seite 262).“ Eine derartige „laufende Geschäftsbeziehung“ liegt zwischen den Stadtwerken Würzburg und ihren Energiekunden vor.
Besonderheiten in der Preisgestaltung von Energie
Nach diesen Analysen hatte ich noch die Besonderheiten in der Preisgestaltung von Energie beschrieben, weil die Preisgestaltung von Büchern und Gebrauchtwagen eben doch anderen gesetzlichen Regeln folgt als die Preisbildung für Energie:
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- Energie besteht nicht aus einem einmaligen Austausch von Leistung und Gegenleistung wie bei Büchern und Gebrauchtwagen, sondern wird in Dauerschuldverhältnissen verkauft.
- Energie ist im Unterschied zu Büchern und Gebrauchtfahrzeugen ein Gut der kommunalen Daseinsvorsorge.
- Energiepreise sind nicht nur einfach das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, wo ein Marktteilnehmer wie im Autohandel oder im nicht preisgebundenen Buchhandel seine bessere Information oder überlegene Sachkunde zu seinem Vorteil ausnutzen darf. Vielmehr fordert der Gesetzgeber in § 1, § 2 EnWG von Energieversorgungsunternehmen wie den Stadtwerken Würzburg eine möglichst preisgünstige Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.
- Energieversorger wie die Stadtwerke Würzburg üben in der Grundversorgung ein gesetzlich geregeltes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht aus, in Sonderverträgen außerhalb der Grundversorgung vereinbaren sie oft ein solches und dürfen dann insbesondere die Energiepreise einseitig festlegen. Dafür müssen die Preise der Billigkeit im Sinne des § 315 BGB entsprechen.
- Regional marktbeherrschende Energieversorger wie die Stadtwerke Würzburg müssen bei der Preisgestaltung kartellrechtliche Vorgaben beachten, u. a. § 29 GWB und § 19 GWB.
- Als Kommunalunternehmen unterliegt die Stadtwerke Würzburg AG dem kommunalrechtlichen Verbot der Gewinnerzielung, dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und dem Verbot der Quersubvention,
[/list=a] Demnach resultieren aus dem verkauften Produkt, aus den Vertragskonditionen, aus der Marktstruktur mit der regional marktbeherrschenden Stellung der Stadtwerke und aus den kommunalen Eigentümerverhältnissen „
besondere Umstände“ im Sinne der Rechtsprechung, die von der Staatsanwaltschaft Würzburg in ihrem Bescheid zitiert wurde. Deshalb besteht die Notwendigkeit, den Energiekunden der Stadtwerke Würzburg „
strafrechtlichen Schutz vor einer überhöhten Preisforderung zu gewähren“, wie es der 2. Strafsenat des BGH in Abschnitt II 1. seines Urteils 2 StR 252/89 vom 16.6.1989 formulierte.
Staatsanwaltschaft verfälscht Darstellung des BGH-Urteils 5 StR 394/08Die Staatsanwaltschaft Würzburg versuchte in extrem verzerrender Weise, den Betrug durch überhöhte Preise bei der Berliner Straßenreinigung (BSR) auf einen \"Rechenfehler\" zu reduzieren, der im Falle der Stadtwerke Würzburg gar nicht existiert und von mir auch nicht angezeigt worden war. Nachdem die Staatsanwaltschaft Würzburg das BGH-Urteil 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 entsprechend verfälscht wiedergegeben hatte, heißt es nämlich im Bescheid der Staatsanwaltschaft Würzburg vom 16.9.2010: „
Im Falle der Stadtwerke Würzburg AG - die Richtigkeit des Vortrags des Anzeigeerstatters zur Überhöhung der von den Stadtwerken verlangten Entgelte unterstellt - wurden die gesetzlichen Vorgaben, deren Nichtbeachtung der Anzeigenerstatter moniert, gerade nicht und zwar gar nicht und damit auch nicht rechenfehlerhaft zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht.“ Damit suggeriert die Staatsanwaltschaft Würzburg, dass es ohne „
Rechenfehler“ auch keine Täuschungshandlung geben könne.
Nachdem bei der BSR der Rechenfehler erkannt worden war, wurde er weder rückwirkend korrigiert noch für die Zukunft behoben. Die zu hohe Bemessungsgrundlage, die auch Straßen ohne Anlieger erfasste, erhöhte die Einnahmen und Gewinne der BSR erheblich. Man hat bewusst entgegen der eindeutigen gesetzlichen Vorgaben des Berliner Straßenreinigungsgesetzes die Preise für die Straßenreinigung überhöht. Genauso haben die Stadtwerke Würzburg die eindeutigen Rechtsvorschriften aus dem EnWG, GWB, BGB, BayGO, BayKAG sowie Verfassungsgerichtsentscheidungen missachtet und ihre Energiepreise überhöht.
Um das Verhalten der BSR zu bewerten, griff der BGH mit Verweis auf BVerfGE 108, 1, 19 ff. unter anderem auf das Kostendeckungsprinzip zurück, an das die BSR gebunden war, da sie öffentlichrechtlichen Gebührengrundsätzen unterlag. Das Kostendeckungsprinzip fordern im Falle der Stadtwerke Würzburg § 29 GWB, Art. 87 Abs. 1 BayGO und Art. 8 Abs. 2 BayKAG, wie in den Abschnitten 1.2 und 1.3 der Strafanzeige vom 18.6.2010 dokumentiert wurde. So wie die vereinnahmten Gebühren für die Straßenreinigung nicht zu einer Gewinnsteigerung bei der BSR führen durften, genauso wenig hätten die überhöhten Energiepreise die Gewinne der Stadtwerke in die Höhe treiben dürfen.
Eine weitere Parallelität zwischen den Fällen der BSR in Berlin und der Stadtwerke in Würzburg ist in dem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB zu sehen. Darauf bezog sich der BGH in juris-Randnummer 19 und stellte fest: „
Da die BSR aufgrund ihrer Stellung zu einer einseitigen Leistungsbestimmung gemäß § 315 BGB berechtigt war, könnte aufgrund dieses hierin begründeten Näheverhältnisses eine vermögensschädigende Verfügung zu Lasten der Eigentümer der Anliegergrundstücke zu sehen sein (vgl. BGH NStZ 1997, 32; wistra 1992, 299; Hefendehl in MünchKomm § 263 Rdn. 286 ff.). Die einzelnen Rechnungsstellungen wären dann (mitbestrafte) Nachtaten.“
Die von der Staatsanwaltschaft Würzburg beabsichtigte Reduktion des Falles BSR in Berlin auf einen „Rechenfehler“ passt auch gar nicht zu dem 2. Leitsatz des BGH, den der Antragsteller bereits in seiner Strafanzeige zitiert hatte: „
Ein Irrtum im Sinne des § 263 StGB liegt schon dann vor, wenn der Anspruchsverpflichtete tatsächlich davon ausgeht, eine Abrechnung sei ordnungsgemäß vollzogen worden, auch wenn er deren Grundlagen nicht kennt.“ Den Gehalt des BGH-Urteils 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 verdeutlichen auch die beiden folgenden nichtamtlichen Leitsätze aus der Online-Zeitschrift HRRS der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei Strate und Venzke, siehe
http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/5/08/5-394-08.php: - Eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB kann auch konkludent erfolgen, indem der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt. Welcher Inhalt der Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten.
- Der Verkehr erwartet im Zusammenhang mit der Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruchs vor allem insoweit eine wahrheitsgemäße Darstellung, als die dargestellten Tatsachen wesentlich für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs sind und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne weiteres überprüfen kann, sodass der Erklärende zwangsläufig sein Vertrauen in Anspruch nimmt.
Die Bedeutung des BGH-Urteils 5 StR 394/08 vom 9.6.2009 liegt demnach nicht in der Erkenntnis, dass ein „Rechenfehler“ und nur ein „Rechenfehler“ eine Täuschung begründen kann, wie die Staatsanwaltschaft Würzburg glauben machen will. Vielmehr begründet die Missachtung der Rechtsnormen, die bei der Preisbildung und Abrechnung einzuhalten sind, die Täuschungshandlung.
unterlassene Prüfung von RechtsverstößenLaut Bescheid vom 16.9.2010 prüfte die Staatsanwaltschaft Würzburg einen Kernpunkt der Strafanzeige vom 18.6.2010 nicht, nämlich das Argument, dass die Stadtwerke Würzburg die genannten gesetzlichen Vorschriften aus dem Energiewirtschaftsrecht, dem Kartellrecht und Kommunalrecht zu Unrecht missachteten. Nach der im vorigen Abschnitt diskutierten Aussage, dass „
die gesetzlichen Vorgaben, deren Nichtbeachtung der Anzeigenerstatter moniert, gerade nicht und zwar gar nicht und damit auch nicht rechenfehlerhaft zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht“ wurden, fährt der Bescheid vom 16.9.2010 fort: „
Unabhängig davon, ob dies zu Recht oder zu Unrecht unterblieb, wurde …“. Die Feststellung, dass die Energiepreise der Stadtwerke Würzburg in gesetzwidriger Weise überhöht wurden, ist entscheidend für den Betrugsvorwurf. Denn nur dann, wenn die Preisüberhöhung und deren Gesetzwidrigkeit feststehen, kann die Abrechnung der Energie über die konkludent miterklärten Tatsachen einen Irrtum beim Stadtwerke-Kunden erregen.
Aus dem Bescheid der Staatsanwaltschaft lässt sich u. a. die folgende Feststellung herauslesen: „
Im Falle der Stadtwerke Würzburg AG … wurden die gesetzlichen Vorgaben … gerade nicht und zwar gar nicht … zur Grundlage der Preiskalkulation gemacht.“ Dabei handelt es sich quasi um ein Geständnis der Täuschungshandlung und einen Beleg für zumindest bedingten Vorsatz. Das wurde von der Staatsanwaltschaft in ihrer Beurteilung im Hinblick auf den Betrugsvorwurf überhaupt nicht berücksichtigt.
unrichtige Perspektive der StaatsanwaltschaftDer Bescheid der Staatsanwaltschaft Würzburg führt aus: „
Unabhängig davon, ob dies zu Recht oder zu Unrecht unterblieb, wurde seitens der Stadtwerke auch weder ausdrücklich, noch konkludent behauptet, die – laut Anzeigeerstatter – heranzuziehenden gesetzlichen Vorgaben seien der Kalkulation zugrunde gelegt worden So wurde beispielsweise und insbesondere nicht behauptet, es finde innerhalb des WVV-Konzerns keine Quersubventionierung statt. Im Gegenteil wurde diese Praxis – wie der Anzeigeerstatter auf S. 10 seiner Strafanzeige vorträgt – öffentlich angesprochen.“ Damit nimmt die Staatsanwaltschaft eine falsche Perspektive zur Beurteilung des Sachverhalts ein, und zwar die Perspektive der Stadtwerke.
Denn nach dem 2. amtlichen Leitsatz und den oben zitierten nichtamtlichen Leitsätzen der HRRS ist einzig die Sicht des Kunden als Rechnungsempfänger für die Frage relevant, ob und was die Stadtwerke durch ihr Verhalten konkludent miterklärt haben. In Randnummer 15 der Urteilsgründe zum BGH-Urteil 5 StR 394/08 vom 9.6.2009, heißt es:
„
Zwar enthalten die an die Eigentümer gerichteten Schreiben unmittelbar keine falsche Tatsachenbehauptung. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass eine Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB auch konkludent erfolgen kann. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt (BGHSt 51, 165, 169 f.; 47, 1, 3). Welcher Inhalt der Erklärung zukommt, bestimmt sich ganz wesentlich durch den Empfängerhorizont und die Erwartungen der Beteiligten. Diese werden regelmäßig durch den normativen Gesamtzusammenhang geprägt sein, in dem die Erklärung steht (vgl. BGHSt 51, 165, 170). Deshalb hat der Bundesgerichtshof auch entschieden, dass ein Kassenarzt mit seiner Abrechnung gegenüber der Kasse nicht nur erklärt, dass die abgerechnete Leistung unter die Leistungsbeschreibung der Gebührennummer fällt, sondern auch, dass seine Leistung zu den kassenärztlichen Versorgungsleistungen gehört und nach dem allgemeinen Bewertungsmaßstab abgerechnet werden kann (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 12; vgl. auch Täuschung 9, 11).“
Relevant ist also im Fall der Stadtwerke Würzburg die Sicht der Rechnungsempfänger. Aus deren Perspektive erklären die Stadtwerke mit der jährlichen Abrechnung konkludent mit, dass ihre Energiepreise allen gesetzlichen Vorgaben genügen.
Fehlinterpretation der QuersubventionDie Staatsanwaltschaft Würzburg schreibt in ihrem Bescheid vom 16.9.2010: „
So wurde beispielsweise und insbesondere nicht behauptet, es finde innerhalb des WVV-Konzerns keine Quersubventionierung statt. Im Gegenteil wurde diese Praxis – wie der Anzeigeerstatter auf S. 10 seiner Strafanzeige vorträgt – öffentlich angesprochen.“ Auf diese Aussage habe ich mich im Zusammenhang mit der Täuschungshandlung überhaupt nicht bezogen. Vielmehr stützte meine Strafanzeige vom 18.6.2010 den Nachweis des Vorsatzes auf die Kenntnis der Quersubvention, insbesondere auf die rechtswidrige Herkunft ihrer Finanzquellen.
Im Übrigen ist anzumerken, dass die Quersubvention in der Abrechnung gegenüber den Kunden nicht erläutert wird. Auf den Abrechnungen findet sich kein Hinweis, ob und in welcher Höhe die Stadtwerke mit dem konkreten Rechnungsbetrag vom Rechnungsempfänger Gewinne erzielt. In der Abrechnung wird auch nicht erläutert, zu welchem Zweck die Gewinne verwendet werden, nämlich zur Quersubventionierung von Verlusten aus dem öffentlichen Nahverkehr in Würzburg. Die Verantwortlichen der Stadtwerke Würzburg bzw. der WVV erklären auf den Abrechnungen auch nicht, dass die aus den überhöhten Gewinnen finanzierte Quersubvention verfassungswidrig ist. Damit wird ungeachtet der Publikationen im Geschäftsbericht und in der Presse aus Sicht des Rechnungsempfängers ein Irrtum erregt, die Energiepreise würden alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen.
Bei Gelegenheit werde ich berichten, was die Volljuristen von der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg am 3.11.2010 aus dieser Beschwerdepunkten machten und wie die Richter des 3. Strafsenats am OLG Bamberg mit dem zugehörigen Klageerzwingungsantrag vom 19.11.2011 umgingen. Deutlich erkennbar ist bei allen beteiligten Volljuristen der Strafverfolgungsbehörden der Wille, keine Anklage vor einem ordentlichen Gericht zuzulassen.
Viele Grüße
Lothar Gutsche
Email:
Lothar.Gutsche@arcor.de