Energiepreis-Protest > Gerichtsurteile zum Energiepreis-Protest
BGH Urt. v. 06.04.11 VIII ZR 66/09 - Unwirksame Preisänderungsklausel Fernwärme
RR-E-ft:
Fraglich ist, worauf man beim Wärmemarkt, der den Fernwärmepreis begrenzen soll, abstellen sollte.
Stellt man auf Heizölpreise oder Kohlepreise ab, ist festezustellen, dass es einen Grundpreis für die Leistungsbereitschaft der Lieferanten nicht gibt, die Kosten der Leistungsbereitschaft vielmehr bereits in die Brennstoffkosten eingepreist sind.
Dann kann man bei Fernwärme unter Berufung auf einen Wärmemarkt nicht für die Leistungsbereitstellung verbrauchsunabhängig einen Grundpreis fordern und den verbrauchsabhängigen Arbeitspreis auch noch an Heizölpreisen ausrichten, in welche als Brennstoffkosten bereits die Kosten der Leistungsbereitschaft ebenfalls mit eingepreist sind.
Dies führt zwangsläufig dazu, dass der Fernwärmepreis mindestens im Umfange des Grundpreise jedenfalls über den jeweiligen Heizölpreisen bzw. Kohlepreisen liegt.
Einen verbrauchsunabhängigen Entgeltanteil für die Leistungsbereitstellung (Grundpreis) gibt es (noch?) bei der leitungsgebundenen Gasversorgung.
Wollte man sich mit den Preisen der Gasversorgung vergleichen, hätte man für Preisänderungen jedenfalls nicht auf HEL abzustellen, da HEL nicht den Marktpreis für Erdgas widerspiegeln kann (BGH VIII ZR 178/08 Rn. 31).
Der Gaspreis lässt sich wohl sachgerecht indexieren entweder auf den BAFA- Erdgasimportpreis oder an Spotmarktnotierungen an freien handelspunkten oder an den Gaspreisindex der EEX.
Dann müsste dies auch für die Fernwärme- Arbeitspreise gelten, wenn man davon ausgeht, dass Fernwärme gegen Erdgas auf einem gemeinsamen Wärmemarkt gegeneinander antritt.
Der Arbeitspreis müsste sich an den vergleichbaren Abnahmefällen bei der Gasversorgung orientieren (Großabnehmerpreise).
Geht man von einem bundesweiten Wärmemarkt aus, weil alle zum Wärmekauf bereiten Nachfrager bundesweit nachfragen und alle Anbieter bundesweit anbieten, so dass eine entsprechend große Nachfrage einem entsprechend großem Angebot gegenüber steht (was in der Realität nicht der Fall ist, weil es nur regional begrenzte Märkte für Gas, Fernwärme, Kohle und Heizöl gibt), stellt sich die Frage, wie man den marktgerechten Grundpreis ermitteln könnte/ sollte.
Es gibt keinen solchen Preis, der sich in einem wirksamen Wettbewerb herausgebildet hat.
Wollte man aber davon ausgehen, dass auf dem Heizölmarkt und auf dem Kohlemarkt wirksamer Wettbewerb besteht, würde man wohl dazu gelangen, dass ein verbrauchsunabhängiger Grundpreis entfallen muss, weil ein solcher auf einem Wettbewerbsmarkt offensichtlich nicht durchsetzbar ist.
Auf dem zunehmend Wettbewerb unterliegenden Gasmarkt ist ebenfalls zu beobachten, dass verbrauchsunabhängige Grundpreise entfallen, siehe nur E WIE EINFACH.
Wollte deshalb AGFW das Argument eines bundesweiten Wettbewerbsmarktes für Heizenergie ernst nehmen, kann dies wohl nur zur Folge haben, dass die verbrauchsunabhängigen Grundpreise auch bei der Fernwärme entfallen müssen.
RR-E-ft:
Beitrag von BBH
uwes:
Das LG Lübeck - Urteil ist aufgehoben worden. Siehe hier:
Die verwendeten Preisänderungsklauseln sind unwirksam.
und: die Einwendungen, die sich nicht auf bloße Abrechnungs- oder Rechenfehler beschränken, sondern die Grundlagen der Vertragsbeziehung betreffen, werden nicht vom Einwendungssausschluss erfasst.
RR-E-ft:
Die Entscheidungen des BGH dürften den Lobbyverband AGFW desillusioniert haben:
http://www.agfw.de/recht/preisprotest-ii/
Gestern hat die Branche noch gefeiert:
http://40jahre.agfw.de/start/frankfurt/aktuelles/
RR-E-ft:
Bemerkenswert ist, dass der Senat offensichtlich darauf abstellt, dass im Falle der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel im Vertrag auch im streitgegenständlichen Zeitraum der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis immer noch weiter galt.
Deshalb kam es zur Zurückverweisung, um zu klären, ob bei Zugrundelegung jenen Preises noch offene Forderungen für die erfolgten Energielieferungen bestehen.
Folgendes sollte beachtet werden:
Im Falle der Unwirksamkeit der verwendeten Preisänderungsklauseln und aller darauf gestützten Preisänderungen gelte der bei Vertragsabschluss ursprünglich vereinbarte Preis weiter, nur diesen müsse der betroffene Kunde zahlen.
Wurde über den tatsächlich vertraglich geschuldeten Preis hinaus mehr bezahlt, kann den betroffenen Kunden grundsätzlich ein Rückzahlungsanspruch für die letzten drei Jahre aus ungerechtfertigter Bereicherung zustehen.
Insoweit gelten die Grundsätze, die bisher schon von der Rechtsprechung für den Fall entsprechend unwirksamer Klauseln in Gaslieferungsverträgen entwickelt wurden.
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