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Autor Thema: Hanseatische OLG Hamburg, B. v. 09.12.10 Az. 13 U 211/09 [E.ON Hanse soll nun erst mal offen legen]  (Gelesen 8724 mal)

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Zitat
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

Geschäftszeichen:
13 U 211/09
301 0 32/05   

Beschluss

In dem Rechtsstreit 1. - 54.
- Kläger und Berufungsbeklagt,
Anschlussberufungskläger -


Prozessbevollmächtigter zu 1-54):

gegen

E.ON Hanse Vertrieb GmbH,
vertreten durch ihre Geschäftsführer Roman Kaak und Otmar Cisler, Kühnehöfe 1-5, 22761 Hamburg
- Beklagte und Berufungsklägerin,
Anschlussberufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte:   

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 13. Zivilsenat, am 9. Dezember 2010 durch die Richter

Panten,   zur Verth,   Dr. Büßer:

1.)   Der auf den 22.12.2010 anberaumte Verkündungstermin wird aufgehoben, die mündliche Verhandlung wird wiedereröffnet.

2.)   Es soll durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis zu der Behauptung der Beklagten erhoben werden, die streitgegenständlichen Tariferhöhungen seien durch gestiegene Bezugskosten gerechtfertigt.

3.)   Der Senat beabsichtigt, einen noch zu bestimmenden Sachverständigen zunächst mit einer gutachtlichen Stellungnahme zu der Frage zu beauftragen, auf welcher Basis nach seiner sachverständigen Einschätzung eine Billigkeitskontrolle im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB erfolgen muss und welche Unterlagen der Beklagten hierzu vorgelegt werden müssen. Ausgehend hiervon wird sodann ein - soweit wie möglich — detaillierter Beweisbeschluss gefasst werden.

Hinsichtlich der Auswahl eines Sachverständigen beabsichtigt der Senat, an die Hauptgeschäftsstelle der Wirtschaftsprüferkammer mit der Bitte um Benennung von fünf auf dem Gebiet der Energiewirtschaft besonders erfahrenen Wirtschaftsprüfern heranzutreten, wobei zugleich darum gebeten werden wird, keine Wirtschaftsprüfer zu benennen, die bereits in geschäftlichen Beziehungen zur Beklagten oder deren Konzernmutter stehen bzw. gestanden haben. Die benannten Wirtschaftsprüfer werden sodann gebeten werden, sich zur Übernahme des Gutachtenauftrages zu erklären und mögliche Kosten zu beziffern.
Den Parteien bleibt es unbenommen, ihrerseits Sachverständige vorzuschlagen.

4.) Der Senat weist darauf hin, dass der bislang von der Beklagten zumindest favorisierte Zeugenbeweis für das genannte Beweisthema ungeeignet sein und sie nach materiellem Recht verpflichtet sein dürfte, ihre Kalkulation vollständig offenzulegen, wobei die Anforderungen im Detail durch den Sachverständigen zu bestimmen sein dürften.
Der Auftrag an den Sachverständigen bzw. der noch detailliert zu fassende Beweisbeschluss werden sich im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (insbesondere VIII ZR 36/06, Tz. 28 — 30 — zitiert nach juris) nicht auf die Angemessenheit des „Sockelpreises\" (hier mit Rücksicht auf die Widersprüche der Kläger per 01.10.2004) zum 30.09.2004, sondern ausschließlich die danach erfolgten Preisanhebungen beziehen.

Weiter wird darauf hingewiesen, dass aus der Durchführung der Beweisaufnahme ein ganz erhebliches Kostenrisiko auch für die Kläger resultieren dürfte; Kostenvorschüsse werden — von der Beklagten — auf Grundlage einer Kostenschätzung des Sachverständigen angefordert werden. Auf Grund der Erfahrungen des Senats im Zusammenhang mit Unternehmensbewertungen nach Maßgabe des IdW S1 erscheinen Kosten der Begutachtung im sechsstelligen Bereich nicht unrealistisch, da die hier durchzuführende Begutachtung nach dem bisherigen Vortrag der Beklagten zur Struktur ihrer Preisfindung kaum weniger komplex sein dürfte.

Gründe

1.) Hinsichtlich der Frage der Unbestimmtheit der von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin verwandten Preisänderungsklausel und auch der Frage eines Rückgriffs auf das Verordnungsrecht hält der Senat an der mit Beschluss vom 12.10.2010 mitgeteilten vorläufigen Rechtsauffassung weiter fest, insofern haben sich auch aus der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2010 keine wesentlichen neuen Aspekte ergeben.
 
2.) Nach nochmaliger Beratung und Bewertung insbesondere der Widerspruchsschreiben der Kläger sowie des Hinweises des Landgerichts in der ersten mündlichen Verhandlung vom 15.09.2005 gelangt der Senat nunmehr zu der Bewertung, dass für die Beklagte seinerzeit kein hinreichender Anlass für den Ausspruch von Kündigungen bestand.
Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der für die Frage, ob die ergänzende Vertragsauslegung eröffnet oder durch eine Möglichkeit der Vertragsbeendigung ausgeschlossen wird, ausdrücklich darauf abstellt, ob für das Versorgungsunternehmen Anlass bestand, auch eine Kündigung der Lieferverträge in Betracht zu ziehen (BGH VIII ZR 246/08, Tz. 51 — zitiert nach juris).

Die als Anlagenkonvolut B 99 vorgelegten Widerspruchsschreiben der Kläger bringen sämtlich zum Ausdruck, dass die Kläger sehr wohl annahmen, dass der Beklagten ein Erhöhungsrecht zustehe, sie dieses aber nicht in einer § 315 BGB entsprechenden Weise ausgeübt habe. Teilweise wird eine Anhebung um 2% für billig erachtet, teilweise wird ausdrücklich der Nachweis der Billigkeit gefordert. Hieraus konnte die Beklagte nur den Schluss ziehen, dass die Kläger einen nachgewiesen „billigen\" Preis auch künftig zahlen würden und ein entsprechendes Anhebungsrecht des Versorgers gerade nicht in Zweifel zogen.

Zudem ergibt sich aus dem Hinweis des Landgerichts Hamburg in der ersten mündlichen Verhandlung am 15.09.2005 — worauf die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat — in der Tat, dass die Kammer zwar die Preisänderungsklausel als unwirksam ansah, hiernach jedoch gerade zur Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB gelangte und in eine Billigkeitsprüfung eintreten wollte.

Da die Beklagte nach ihrem Vortrag seinerzeit — wie auch jetzt — davon ausging, die Billigkeit ihrer Preisanhebungen nachweisen zu können, bestand für sie damit kein Anlass, die Lieferverträge mit den Klägern zu kündigen. Insoweit kann nach Auffassung des Senats auch nicht der — wohl unstreitige — Umstand ausgeblendet werden, dass seinerzeit die Kündigung der Lieferverträge gegenüber den Klägern oder allen widersprechenden Kunden oder sogar sämtlichen Kunden mit entsprechenden Verträge ein verheerendes Echo in der Öffentlichkeit ausgelöst hätte, zumal die Kläger seinerzeit — wiederum unstreitig — kaum eine andere Möglichkeit gehabt hätten, als erneut mit der Beklagten zu kontrahieren, was ohne Zweifel den Vorwurf der Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung provoziert hätte.

Damit ist der Weg zu einer ergänzenden Vertragsauslegung — die dann wohl nur zu einem einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten nach Maßgabe des § 315 BGB führen könnte — eröffnet, sofern die Beklagte nachweisen kann, dass es ohne eine entsprechende Auslegung zu einer Verschiebung des Vertragsgefüges kommen würde, die den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise Rechnung trüge und vielmehr die Kunden völlig einseitig begünstigen würde (BGH VIII ZR 246/08, Tz. 50).

Dies wäre nach Auffassung des Senats jedenfalls dann der Fall, wenn die Beklagte ohne Preisänderungen — also bei fortdauerndem „Festpreis\" seit dem 01.10.2004 — zeitweise oder auch dauernd unter Einstandspreis hätte liefern müssen.
 
Insoweit ist die angeordnete Beweiserhebung geboten. Der von der Beklagten insoweit angebotene Zeugenbeweis ist - jedenfalls soweit die Kalkulation der Beklagten nachzuvollziehen und zu bewerten ist, wenn auch möglicherweise nicht hinsichtlich einzelner Bewertungsparameter — ein ungeeignetes Beweismittel. Die Bewertung der Preiserhöhungen erfordert vielmehr betriebswirtschaftlichen Sachverstand und Spezialwissen im Bereich der Energiewirtschaft, das dem Senat nur durch das angeordnete Sachverständigengutachten vermittelt werden kann.

3.) Das angeordnete „zweistufige\" Verfahren, in dem zunächst durch den Sachverständigen das konkrete Feld der Untersuchung abgesteckt und insbesondere geklärt werden soll, welche Unterlagen von der Beklagten offen zu legen sein werden, erscheint im Hinblick auf die Komplexität des Untersuchungsgegenstandes dringend geboten.

Der Senat ist offen für Vorschläge der Parteien zu einer sachgerechten Verfahrensgestaltung, insoweit besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

Panten   zur Verth   Dr. Büßer

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Anmerkung zu vorstehendem Beschluss des Hanseatischen OLG Hamburg vom 09.12.2010.



Die Beendigung des Rechtsstreits wird  nun erst einmal verzögert, vielleicht nur etwas. Am Ende wird das Ergebnis jedoch wohl eineutig ausfallen müssen, so wie bereits vor dem LG Hamburg.


Die beabsichtigte Vorgehensweise des Senats erscheint nicht sachdienlich und wird jedenfalls vor dem BGH wohl keinen Bestand haben, weil die damit verbundenen Rechtsfragen allesamt bereits mehrfach entschieden wurden, jeweils mit gutem Grund  zu Ungunsten des Gasversorgungsunternehmens.

Insbesondere BGH VIII ZR 274/06 (Regionalgas Euskirchen) betrifft einen Fall, wo die Kl. den Preisänderungen widersprochen und sich dabei nur auf die fehlende Billigkeit berufen hatten. Auch dort hatte das AG Euskirchen eine Billigkeitskontrolle erstinstanzlich abgelehnt, das Berufungsgericht (LG Bonn) eine Billigkeitskontrolle durchgeführt. Der BGH hatte jedoch zurecht ausgeführt, dass es auf deren Ausgang für die Streitentscheidung schon nicht ankommen konnte (BGH VIII ZR 274/06 Rn. 27).

Möglicherweise erledigt sich deshalb schon das ins Auge gefasste Brimborium kurzfristig allein durch eine entsprechende Stellungnahme des Klägervertreters auf diesen Beschluss.

 
Im Einzelnen:

Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung wäre zunächst, dass die Fortsetzung der Verträge für die Bekl. eine unzumutbare Härte dargestellt hätte.

Das ist schon dann nicht der Fall, wenn sich der Versorger durch ordnungsgemäße Kündigung in überschaubarer Zeit aus dem Vertragsverhältnis lösen konnte (BGH VIII ZR 274/06 Rn. 27; VIII ZR 246/08 Rn. 51, VIII ZR 81/08 Rn. 26 ff.)

Es ist schon nicht ersichtlich, dass es dem Versorger rechtlich nicht möglich gewesen wäre, die betroffenen Vertragsverhältnisse [insbesondere nach den Widersprüchen] ordnungsgemäß zu kündigen. Die besorgte \"schlechte Presse\" ist keinerlei tragfähiges Argument.

Selbst bei einer markbeherrschenden Stellung wäre es der Bekl. nicht verwehrt gewesen, Verträge, die keine wirksamen Preisänderungsbestimmungen enthielten, ordnungsgemäß zu kündigen. Denn auch das Kartellrecht gebietet nicht die Aufrechterhaltung derartiger Verträge mit unwirksamer Preisänderungsklauseln (siehe schon BGH KZR 2/07).

Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Recht zur ordentlichen Kündigung vertraglich ausgeschlossen war (BGH VIII ZR 241/08].
Nur darauf kommt es aber an (BGH VIII ZR 274/06 Rn. 25 f.).  

Darauf, ob das Versorgungsunternehmen dazu Veranlassung sah, kommt es nicht an, wenn das Unternehmen nur nach den erfolgten Widersprüchen die rechtliche Möglichkeit dazu hatte. Immerhin hatten die kl. bestritten, dass die Kl. überhaupt zu Preisänderungen berechtigt sei. Sie haben das entsprechende Klauselwerk als unwirksam gerügt und geltend gemacht, dass auch sonst nichts für ein Preisänderungsrecht ersichtlich sei. Darauf, dass die Entscheidung des Landgerichts schlussendlich zu dem ergbenis führe, dass der Bekl. überhaupt ein Preisänderungsrecht in den Vertragsverhältnissen zusteht, konnte die Bekl. nicht vertrauen. Sie musste vielmehr die entsprechenden Risiken aus dem Verfahren von Anfang an und über das gesamte Verfahren hinweg gewährtigen und konnte und durfte insbesondere auch nicht aus einer vorläufigen Rechtsauffassung der Kammer irgendein Vertrauen auf einen bestimmten Ausgang schöpfen, erst recht nicht nach den Entscheidungen des BGH vom 28.04.08 KZR 2/07 und vom 17.12.08 VIII ZR 274/06. Entsprechende Risiken wohnen jedem  Prozess von Anfang an inne. (Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.)  

Anders mag es allenfalls möglicherweise dann liegen, so der BGH,  wenn Kunden im Falle unwirksamer oder nicht wirksamer Klauseln nach langer Zeit - ohne vorher Preisänderungen widersprochen zu haben - Rückforderungen geltend machen, derer sich das Unternehmen deshalb nicht versehen musste, da es mangels Widersprüchen keine Veranlassung zur Vertragsbeendigung durch ordnungsgemäße Kündigung hatte (BGH VIII ZR 246/08 Rn. 51).

Um einen solchen Fall geht es jedoch vor dem Hanseatischen OLG Hamburg schon nicht. Denn die Kl. hatten Preisänderungen sogar schriftlich widersprochen. Unbeachtlich dürfte auch sein, wenn sie nur die Billigkeit bestritten hätten, denn jedenfalls ergab sich, dass sie die einseitigen Preisänderungen für unwirksam hielten (BGH VIII ZR 274/06 Rn. 27).

Der Senat will erst prüfen, ob eine unzumutbare Härte vorlag, um dann ggf. eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen. Es fehlt aber  schon deshalb an der unzumutbaren Härte als erster Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung weil die rechtliche Möglichkeit zur ordnungsgemäßen Kündigung bestand.

Ob eine unzumutbare Härte vorlag, will der Senat daran festmachen, ob E.ON seit 01.10.2004 unter der Voraussetzung dass kein Preisänderungsrecht bestand, zu einem Gaspreis an die Kl. liefern musste, der unterhalb des Einstandspreises lag.

Was ist der \"Einstandspreis\"?

Sind es die es die Gasbezugspreise im Einkauf der Bekl. die den Verkaufspreis gegenüber den Kl. überstiegen haben müssen?

Oder soll der Einstandpreis neben den Gasbezugspreisen alle weiter durch die Belieferung der Kl. notwendig abzudeckenden Kosten (Netzkosten, Personalkosten) umfassen?

Wollte man letzteres annehmen, müsste zunächst vorgetragen und unter Beweis gestellt sein, welche Kosten insoweit tatsächlich notwendig entstanden, die jeweils zu Grunde liegende Preiskalkulation vollständig offen gelegt werden.
 
Entsprechender Vortrag wurde wohl jedoch schon nicht gehalten.

Wurden schon die Anknüpfungstatsachen nicht substantiiert vorgetragen, würde ein gerichtliches Sachverständigengutachten- selbst wenn es als Beweismittel dafür aufgeboten worden wäre - einen unzulässigen Ausforschungsbeweis darstellen.

Zwar wären für die Kl. möglicherweise die seinerzeiteigen Bezugspreise oder gar die Gestehungskosten der Bekl. interessant, indes ist das kein Grund und keine Rechtfertigung für eine entsprechende Beweiserhebung.

Denn:

Selbst wenn man nach alldem dazu käme, dass eine unzumutbare Härte vorgelegen hätte, würde eine ergänzende Vertragsauslegung gleichwohl daran scheitern müssen, weil jedenfalls für die Ausfüllung der Lücke, die der Vertrag hinsichtlich der unwirksamen Preisänderungsklausel aufweist eine Vielzahl von Möglichkeiten in Betracht käme und gerade nicht festgestellt werden kann, auf welche derer mannigfaltigen Möglichkeiten sich die Parteien hypothetisch geeinigt hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel und die entsprechende Vertragslücke bekannt gewesen wäre (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46).

Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Parteien bei Vertragsabschluss auf eine vertragliche Preisbestimmungspflicht der Bekl. gem. § 315 BGB geeinigt hätten, die ihrerseits der Billigkeitskontrolle unterliegt.

Dafür müsste man zunächst die beim jeweiligen Vertragsabschluss getroffenen Preisvereinbarungen beiseite schieben, was unzulässig ist (BGH VIII ZR 320/07 Rn. 46)

Eine solche vertragliche Preisbestimmungspflicht liefe nicht auf die Wahrung eines ursprünglich vereinbarten Äquivalenzverhältnisses hinaus, sondern auf die Neubestimmung eines solchen. Die Bekl. hätte bei einer solchen wegen §§ 2, 1 EnWG nur Anspruch auf diejenigen Preise gehabt, die einer möglichst preisgünstigen leitungsgebundenen Versorgung mit Gas entsprachen (BGH VIII ZR 240/90 = NJW-RR 92, 183, 184 unter III 1).

Schließlich haben die Parteien auch nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen nach Vertragsabschluss neu vereinbart, dass die Bekl. nicht mehr an die ursprünglich bei Vertragsabschluss vereinbarten Preise gebunden sein soll, sondern dieser statt dessen fortan eine vertragliche Preisbestimmungspflicht auferlegt werde (BGH VIII ZR 81/08 Rn. 18].

 
Auch dafür gibt es wohl keinerlei Anhalt.

Die Bekl. hat wohl schon in dem Verfahren wor dem LG vehement bestreiten lassen, dass diese eine der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterfallende vertragliche Preisbestimmungspflicht träfe.

Sie hat wohl insbesondere (Dres. Kunth und Tüngler sei Dank) ausdrücklich bestritten, dass sie eine vertragliche Preisbestimmungspflicht unter Beachtung von § 1 EnWG  trifft, welche sie vertraglich auch zu Preissenkungen verpflichtet.

Entsprechender - entgegenstehender - neuer Vortrag in der Berufung wäre wenn nicht verspätet, so doch jedenfalls widersprüchlich und deshalb unbeachtlich.

Hält das OLG an seinem Beschluss fest, darf E.ON zunächst seine Bezugspreise vortragen, möglicherweise seine weiteren notwendigen Kosten und einen Gerichtskostenvorschuss in Höhe eines sechsstelligen Betrages auf den Tisch legen, damit ein vom Gericht zu bestellender Sachverständige umfangreiche Prüfungen vornähme.  Und sollte es nach alldem zu dem Ergbenis kommen, es läge eine unzumutbare Härte vor, müsste es nach seiner jüngsten Auffassung danach zunächst die jeweils angemessenen Preise bestimmen, um diese ggf. hiernach mit dem Klageantrag abzugleichen und danach würde dann erst eine Entscheidung getroffen werden. Sollte das Berufungsurteil dann - eher unwahrscheinlich - zu Lasten der Kl. ausfallen, würde dieses auf Revision der Kl. vom BGH aus genannten Gründen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wieder aufgehoben werden.

E.ON würde danach  nicht nur die Preiskalkulationen offen gelegt und von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen durchleuchtet lassen haben, vom Gericht nicht nur die lediglich angemessenen Gaspreise berechnet bekommen haben haben, sondern für dieses - dann erwiesenermaßen in der Sache - so teure wie sinnlose Unterfangen auch noch die Kosten zu tragen haben.

Na immerhin.  
Bei einem solchen Ausgang hätte dann wohl jeder, was er von Anfang an wollte.  


Wem fällt noch etwas dazu ein?



Thomas Fricke
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Die Kollegen Dres. Kunth und Tüngler sind auch in dem E.ON Hanse- Verfahren wiederholt in Erscheinung getreten, haben maßgeblich in den mündlichen Verhandlungen mitgeweirkt und sich auch bereits in der Presse zur ersten Forderung nach Offenlegung durch das LG Hamburg zu Wort gemeldet. Siehste hier.

Deshalb Folgendes:

Freshfields pp. lieferten wohl seinerzeit  in Zusammenarbeit mit dem BGW gegen kleines Geld bundesweit Vorlagen zu Klageerwiderungen.
Empfohlen dafür hatten sie sich wohl mit der BGW- Praxisinformation P 2005/01 Recht \"Gaspreisanpassung und Billigkeitskontrolle\".

In jenen Vorlagen für Klageerwiderungen hieß es unter der Überschrift \"Ausschluss des gesetzlichen Preisbestimmungsrechts durch den vertraglich vereinbarten Preis\" wie folgt:

Zitat
Die Kl. haben unter mehreren Preismodellen der Bekl. ein bestimmtes ausgesucht und mit der Bekl. sondervertraglich vereinbart. Das schließt ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht der Bekl. aus. ...Haben die Parteien wie hier das Preismodell und eine hierzu gehörende Preisänderungsklausel vereinbart, so scheidet die Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB aus.

Ferner:

Zitat
Hatten die Kl, sonach die Möglichkeit, auf andere Tarife bei Vertragsabschluss oder durch Änderungskündigungen auszuweichen, so können sie § 315 Abs. 3 BGB jetzt \"nicht für eine allgemeine richterliche Vertragshilfe geltend machen. [ Fn: OLG Stuttgart RdE 2005, 237, 238].


Unter der Überschrift \"Jedenfalls Kompensation durch ein Lösungsrecht\" hieß es dort ferner:

Zitat
Wenn sie dieses Vertragsrecht [zur Vertragskündigung] nicht wahrnehmen, dann bleiben die Kunden an den abgeschlossenen Vetrag kraft eigener Entscheidung gebunden.

Zutreffender hätten es auch die betroffenen Kunden (zu diesen zwei Punkten) nie zu Papier bringen lassen können:

Billigkeitskontrolle wegen Preisvereinbarung ausgeschlossen, wer nicht kündigt, bleibt an den Vertrag kraft eigener Willensentscheidung gebunden.
Nur, dass dies eben bei Verträgen für beide Vertragsteile geleichermaßen gilt. Für die Erkenntnis, dass  vertragliche Regelungen für beide Vetragsteile gleichermaßen Geltung beanspruchen, braucht es womöglich noch nicht einmal einer besonderen juristischen Ausbildung, weil es sich um althergebrachtes Allgemeingut handelt (Vertrag ist Vertrag, pacata sunt servanda). § 315 Abs. 3 BGB taugt nicht als allgemeine richterliche Vertragshilfe, egal wem diese Hilfe nützt.


Möglicherweise findet sich so etwas auch in der Klageerwiderung im Hamburger Fall der E.ON Hanse!

Sollte dies der Fall sein, so wäre wohl schon seit der Klageerwiderung  alles Entscheidende längstens gesagt:

Die Kunden befanden sich hinsichtlich einer gesetzlichen oder auch nur einer vertraglichen Preisbestimmungspflicht gem. § 315 BGB  im Irrtum und der Versorger weist über seine Anwälte schriftsätzlich selbst auf diesen und darauf hin, dass der vereinbarte Preis vom Vertragsabschluss weiter gilt und man daran kraft eigener Willensentscheidung gebunden bleibt, wenn man nicht vom Vertragsrecht zur Kündigung Gebrauch macht. § 315 Abs. 3 BGB taugt nicht als allgemeine richterliche Vertragshilfe, egal wem diese Hilfe nützt.


Schade um die viele Zeit, die man auf solche Fälle verwendet.
Schade auch um den Regenwald hinsichtlich der Papierberge.
Freshfields. Und gut.  

Entsprechender - entgegenstehender - neuer Vortrag in der Berufung wäre wenn nicht verspätet, so doch jedenfalls widersprüchlich und deshalb unbeachtlich.

Immerhin wüsste E.ON Hanse und die Gaswirtschaft, an wen man sich ggf. in Düsseldorf wegen möglicher Regressansprüche halten kann.

Die werden dann wohl behaupten, es handele es sich dabei um eine geplante Soll- Bruchstelle, um ohne Offenlegung der Kalkulation zu einem Urteil zu gelangen.
Was ja auch schon geklappt hätte,  wenn man nur nicht Berufung eingelegt und mit dieser an einen solchen Senat gelangt wäre, der dem Versorger einstweilen besondere  Freude bereiten will.

Haases Problem scheint, dass der Igel immer schon allhier ist.

Freshfields. Und gut.
Clifford Chance sind natürlich oft mindestens genauso gut.

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Das Hamburger Abendblatt berichtet am 25.10.11:

Zitat
Noch ist eine Musterklage der Verbraucherzentrale vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht aus dem Jahr 2005 anhängig. Das Gericht hat jetzt eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, die Preise des Versorgers auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Ein Urteil wird erst im Laufe des kommenden Jahres erwartet.

Offline RR-E-ft

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Der BGH teilt die Sichtweise dieses Senats des OLG Oldenburg wohl nicht:

BGH, B. v. 07.09.11 Az. VIII ZR 25/11 (Rückforderung bestätigt - Regionalgas Euskirchen)

Zitat
BGH, B. v. 07.09.11 Az. VIII ZR 25/11 Rn. 6:

Die Kläger haben bereits am 14. Januar 2005 der ersten streitgegenständlichen Preiserhöhungen widersprochen und sodann auch gegen alle weiteren Preiserhöhungen Widerspruch erhoben. Für die Beklagte bestand deshalb Anlass, eine Kündigung des mit den Klägern bestehenden Vertrages - etwa mit dem Ziel der Rückkehr in ein Tarifkundenverhältnis - in Betracht zu ziehen, um auf diese Weise einer unbefriedigenden Erlössituation zu begegnen. Soweit die Revision demgegenüber anführt, die Kläger hätten sich nur gegen die Billigkeit der Preiserhöhungen gewandt, rechtfertigt dies ebenfalls keine abweichende Bewertung. Auf die tatsächlichen oder von der Beklagten vermuteten Gründe für den Widerspruch kommt es nicht an.

Nach Auffassung des BGH kommt es dafür, dass der Versorger Veranlassung hatte, das Vertragsverhältnis ordentlich zu kündigen, allein darauf an, ob die betroffenen Kunden den Preisänderungen überhaupt widersprochen hatten. Auf die tatsächlichen oder vom Versorger vermuteten Gründe für den Widerspruch komme es dabei nicht an.

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BGH, B. v. 07.09.11 Az. VIII ZR 14/11 - Rückforderung bestätigt (Regionalgas Euskirchen)


Zitat
BGH, B. v. 07.09.11 Az. VIII ZR 14/11 Rn. 7, juris:

Der Kläger hat bereits gegen die erste im Revisionsverfahren noch streitgegenständliche Preiserhöhung der Beklagten Widerspruch erhoben. Für die Beklagte bestand deshalb Anlass, eine Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Vertrages - etwa mit dem Ziel der Rückkehr in ein Tarifkundenverhältnis - in Betracht zu ziehen, um auf diese Weise einer unbefriedigenden Erlössituation zu begegnen. Soweit die Revision demgegenüber anführt, der Kläger habe nur gegen eine Preiserhöhung Widerspruch erhoben sich darin auch nur gegen die Billigkeit gewandt, rechtfertigt dies ebenfalls keine abweichende Bewertung. Auf die tatsächlichen oder von der Beklagten vermuteten Gründe für den Widerspruch kommt es nicht an.

 

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