BGH, Urt. v. 28.06.11 KZR 75/10 Schadensersatz ndirekter Abnehmer gegen PreiskartellDer Kartellsenat führt aus:
Den Vorzug verdient die Ansicht, dass auch indirekten Abnehmern ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 101 AEUV zusteht, wenn sie durch das wettbewerbswidrige Verhalten einen Schaden erlitten haben.
Dafür bedarf keiner Entscheidung, ob das Unionsrecht zwingend dieses Ergebnis verlangt. Denn bereits die Auslegung des Schutzgesetzkriteriums in § 823 Abs. 2 BGB führt dazu, dass indirekte Abnehmer zu dem durch Art. 101 AEUV geschützten Personenkreis gehören und auch für sie ein Schadensersatzanspruch vom Normgeber gewollt ist (zu diesen Anforderungen an die Annahme eines Schutzgesetzes vgl. BGH, WuW/E DE-R 206, 208 - Depotkosmetik).
aa) Der mit der Anerkennung des Kartellverbots als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verfolgte Zweck erfordert, dass indirekte Abnehmer kartellrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen können.
Angesichts der Bedeutung des Kartellverbots für die Wirtschaftsordnung ist es geboten, denjenigen gesetzestreuen Marktteilnehmern deliktsrechtlichen Schutz zu gewähren, auf deren Kosten ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten praktiziert wird (vgl. im Zusammenhang mit dem Schutz von Wettbewerbern durch § 1 GWB aF: BGH, Urteil vom 4. April 1975 KZR 6/74, BGHZ 64, 232, 238 = WuW/E 1361, 1365 - Krankenhauszusatzversicherung).
Die schädlichen Wirkungen eines Kartells oder eines sonstigen nach Art. 101 AEUV verbotenen Verhaltens bleiben häufig nicht auf die unmittelbare Marktgegenseite begrenzt.
Je nach den Verhältnissen auf den Anschlussmärkten können auch oder sogar in erster Linie die Abnehmer auf nachfolgenden Marktstufen bis hin zu den Verbrauchern wirtschaftlich betroffen und in ihren Auswahl- und Entscheidungsmöglichkeiten beschränkt sein (vgl. K. Westermann, FS H.-P. Westermann, 1605, 1617 f.). Die mit Kartellen bezweckte Angebotsbeschränkung, Marktaufteilung oder Preisanhebung wirkt sich regelmäßig in Form höherer Preise und einer geringeren Angebotsvielfalt für die Verbraucher aus (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Januar 2004 C-204/00 u.a., Slg. 2004, I-123 = WuW/E EU-R 899 Rn. 53 - Aalborg). Denn die direkten Abnehmer werden versuchen, die Erhöhung ihrer Einstandspreise zumindest längerfristig an ihre Kunden weiterzugeben (vgl. Röhling in FS Huber, S. 1117, 1130). Gelingt ihnen dies, weil auch die Verhältnisse auf den Anschlussmärkten von dem durch das Kartell geschaffenen Preisniveau geprägt sind, entsteht der kartellbedingte Schaden erst auf der nächsten Marktstufe (MünchKomm.EuWettbR/Säcker/Jaecks, Art. 81 EG Rn. 891; Lettl, ZHR 167 (2003) 473, 489). Indirekte Abnehmer generell von der Anspruchsberechtigung auszunehmen, hätte mithin zur Folge, gerade jenen Ansprüche zu verwehren, die häufig in erster Linie durch Kartelle oder verbotene Verhaltensweisen geschädigt werden (Bornkamm in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., § 33 GWB Rn. 119 f.; ders. in Schadensersatzklagen gegen Kartellmitglieder, S. 51, 61; Bulst aaO, S. 11, 15).