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Autor Thema: LG Frankfurt/ Oder, Urt. v. 02.12.10 Az. 31 O 78/10 Zahlungsklage Gasversorger abgewiesen (EWE)  (Gelesen 6257 mal)

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Offline RR-E-ft

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LG Frankfurt/ Oder, Urt. v. 02.12.10 Az. 31 O 78/10 Gaspreiszahlungsklage abgewiesen (EWE)

Die gut begründete und deshalb lesenswerte Entscheidung wird die unterlegene EWE erfahrungsgemäß nicht davon abhalten, die zulässige Berufung zum Brandenburgischen OLG einzulegen.

Offline uwes

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Das Landgericht sagt zu der (offenbar stillschweigend angenommenen) sachlichen Zuständigkeit nichts. Gibt es einen derart selbstverständlichen Grund?
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Der selbstverständlichste Grund- der oft keine Erwähnung erfährt - ist ein bindender Verweisungsbeschluss eines anderen Gerichts, hier eines Amtsgerichtes.

Offline tangocharly

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Zitat
Das Landgericht sagt zu der (offenbar stillschweigend angenommenen) sachlichen Zuständigkeit nichts. Gibt es einen derart selbstverständlichen Grund?

Die stillschweigende Bejahung der Zuständigkeit reicht (vgl. BGH NJW 2000, 2822; BGH MDR 1998, 177; Musielak/Ball, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 6.A., 2008, § 513 Rnr. 10 ).

Nur wenn das Ausgangsgericht die Zuständigkeitsfrage offen gelassen hat, ist der Anwendungsbereich gem. § 513 Abs. 2 ZPO nicht tangiert (vgl. Zöller/Heßler, Zivilprozessordnung, 27. A., § 513 Rnr. 11 )
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Offline uwes

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Meine Frage zielte nicht auf dogmatische Erklärungen ab, sondern auf die praktische Handhabung.
So hatten bis vor wenigen Wochen die Amtsgerichte hier im Umland zwischen Delmenhorst bis Aurich auf eine Zuständigkeitsrüge hin die Sachen jeweils zum LG Oldenburg verwiesen.

Nach dem das OLG Celle - wie bekannt - die Zuständigkeitsfragen anders beurteilte, geben die Amtsgerichte jetzt häufig - wie schon das AG Zeven  die Sachen nicht mehr ab, sondern wollen selbst entscheiden.

Wie das dann aussieht, ist an Hinweisbeschlüssen eines Delmenhorster Amtsrichters ersichtlich, der bei einer Klage gegen einen Tarifkunden darauf hinweist, dass die Beweislast ja noch gar nicht geklärt sei.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Es reicht nicht mehr aus, die sachliche Unzuständigkeit zu rügen. Man muss sich auch mit den Beschlüssen des OLG Celle inhaltlich auseinandersetzen.

Es gibt sehr gute Argumente dafür, dass das EnWG - entgegen der Ansicht des OLG Celle - nicht nur das \"ob\" der Belieferung regelt, sondern auch das \"wie\". Letzteres ergibt sich schon aus §§ 2, 1 EnWG. Für die Belieferung grundversorgter Kunden gelten etwa §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG.

Offline uwes

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Ich sehe das wie Sie, jedoch muss auch ich hier einen Hinweis aus meiner täglichen Praxis auch erteilen dürfen.

So meint ein Amtsgericht beispielsweise, aus den §§ 1und 2 ENWG ergäbe sich kein individueller Anspruch für den Kunden. Es handele sich dabei lediglich um einen Rechtsgrundsatz.

Das selbe Amtsgericht sagt mir, Kartellrecht sei nicht anwendbar, auch wenn die marktbeherrschende Stellung und der Preismissbrauch daraus folgend vorgetragen seien.

Das ist die Praxis.
Mit freundlichen Grüßen

Uwes
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Offline RR-E-ft

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Wir können diese - oft zu beobachtende -  Praxis beklagen oder uns vornehmen, noch besser zu werden und noch überzeugender zu argumentieren.
Andere Möglichkeiten haben wir ja nicht.
Auf´s Wehklagen wollen wir uns besser nicht verlegen.

Offline tangocharly

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Schön, wir hören (lesen) gespannt ......

Wenn der Richter einmal seine Anspruchsgrundlage gefunden hat (§ 433 Abs. 2 BGB), dann ist es für ihn gelaufen. Den Rest (den vereinbarten Preis) findet er ja im Vertrag - oder wo ...... ?

Wer mit den GVV argumentiert, muß auch auf §§ 39 Abs. 1 u. 36 Abs.1 EnWG stoßen.

Wer das Leistungsbestimmungsrecht sucht, wird im § 315 BGB nicht fündig.
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Offline RR-E-ft

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@tangocharly

Logisch findet sich das Leistungsbestimmungsrecht nicht in § 315 BGB.
§ 315 BGB setzt ein solches ja vielmehr voraus.
Da muss man energiewirtschaftsrechtlich und zivilrechtlich  schon etwas tiefer schürfen.

Und dann kann man darauf stoßen, dass in der Grundversorgung nach der gesetzlichen Regelung Preisvereinbarungen mit einzelnen Kunden sogar unzulässig sind.

Nach der gesetzlichen Regelung ist in der Grund- und Ersatzversorgung der für § 433 II BGB maßgebliche jeweilige Preis gem. §§ 36 Abs. 1 , 2, 1 iVm. § 6 Abs. 1 Satz 2 GVV vom Grundversorger von Anfang an einseitig zu bestimmen.

Man wird deshalb auch einem Amtsrichter erklären können und müssen, dass nach der gesetzlichen Regelung  der §§ 36 Abs. 1, 2, 1 EnWG iVm. §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 2 GVV die gesetzlichen Bestimmungen - entgegen OLG Celle u.a. -  nicht nur das \"ob\", sondern auch das \"wie \" der Versorgung regeln, der vom Gesetzgeber bezweckte besondere Schutz der Haushaltskunden sogar eine besondere gesetzliche Regelung zum \"wie\" erforderte, diese u.a. in der konkreten gesetzlichen Verpflichtung in §§ 2, 1 EnWG ihren Niederschlag fand und es insbesondere auch in dem zur Entscheidung vorliegenden  Fall gerade auch darum geht, ob den gesetzlichen Verpflichtungen des EnWG vom Versorger insoweit tatsächlich Genüge getan wurde.

Das ist originäre Aufgabe der Verbraucheranwälte.

Ebenso ist es Aufgabe der Verbraucheranwälte, dem vertreten Verbraucher eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, ob man nun über das GWB zu einem Kartellgericht und einer dortigen Wettbewerbskammer oder aber über §§ 108, 102 EnWG zu einer davon zu unterscheidenden Kammer für Handelsachen kommen will, um den Streit im Sinne des Mandanten erfolgreich entscheiden zu lassen. Dafür wird es wohl  darauf ankommen, wieviel man hinsichtlich eines vom Kunden darzulegenden und zu beweisenden Kartellrechtsverstoßes im konkreten Einzelfall in der Hand hat. Das Kartellgericht ist zuständig, wenn ein streitentscheidender Kartellrechtsverstoß hinreichend substantiiert dargelegt wurde. Oftmals erbringt erst die Berufung gegen ein Zwischenurteil das gewünschte  Ergebnis, so jüngst geschehen durch ein Berufungsurteil des LG Magdeburg gegen ein Zwischenurteil des AG Wernigerode.

Andererseits gab es auch schon Situationen, wo der Versorger beim Kartellgericht klagte und man tunlichst von dort zur Zivilkammer eines anderen Gerichts das Weite zu suchen hatte.
Es kommt eben auch darauf an, die Stimmung vor Ort zu erspüren.

Offline tangocharly

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So (in der Frage des \"Ob\" einer Versorgung) hatte ja schon das LG Göttingen seinerzeit argumentiert, in der Entscheidung, welche damals vom OLG Braunschweig aufgehoben wurde.

Aber es bleibt wohl in den Köpfen der unteren Instanzen verhaftet und erst recht wenn das gemeinsame Obergericht hierzu den Steigbügel hält.

Die Ausgangsfragestellung @uwes war aber die, wie er dem richterlichen Argument begegnen soll, dass dieser im EnWG keine Anspruchsgrundlage finden könne.

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht ist keine Anspruchsgrundlage, sondern ein Gestaltungsrecht. Wenn aber nicht gefragt wird, woher das Gestaltungsrecht kommt und wo es seine Wurzeln hat, dann bleibt man halt - wie ein Rohrkrepierer - auf halbem Weg stecken.

Wie @uwes richtig beschreibt und wie wir alle wissen (und dies damit gleichfalls bestätigen können), findet sich kein Grundversorgungsurteil, in dem nicht ausgiebig zu der AVBGas und/oder GasGVV argumentiert wird, weil ja genau dort das Gestaltungsrecht begründet sein soll.

Man muß sich ja offenbar erst einmal dieses (angeblich dort gefundene) Gestaltungsrecht hinweg denken und dann die Frage nach dem \"vereinbarten Preis\" (§ 433 Abs. 2 BGB) beantworten.

Ob das Gestaltungsrecht seine Grundlage in § 36 EnWG hat oder in § 5 Abs. 2 GVV ist eigentlich nicht so wichtig. Denn auch die GVV ist nichts ohne die Rechtsgrundlage im EnWG.

Wenn der Amtsrichter seine Zuständigkeit damit bejaht, dass er seine Anspruchsgrundlage in § 433 Abs. 2 BGB gefunden habe und nicht im EnWG, dann aber seinen vereinbarten Preis (und mit ihm der VIII. BGH-Senat im weitesten Sinne) aus der GVV herleitet, dann ist dies nichts anderes wie Tautologie.
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Eine andere Sicht der Dinge können doch nur die Verbraucheranwälte mit ihrer Argumentation bewirken, wobei sie sich mit den Argumenten der Gegenseite dezidiert auseinandersetzen und auch einen guten Einstieg finden, in dem zB. bei einer Zahlungsklage des Versorgers der Anspruch dem Grunde und der Höhe nach deshalb bestritten wird, weil auch die mit den streitgegenständlichen Verbrauchsabrechnungen zur Abrechnung gestellten Entgelte weder bei Vertragsabschluss noch später vertraglich vereinbart wurden, zudem auch nicht der Billigkeit entsprechen. Denn bei einem solchen Bestreiten ist es Sache des klagenden EVU, darzulegen, woraus sich die Kaufpreisforderung überhaupt ergeben soll, bestrittene Preisvereinbarungen (wann/ wie)  bzw. ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht und die Billigkeit der Ausübung (wann/ wie)  zu beweisen. Hier sollen nicht weiter Eulen nach Athen getragen werden.

Inbesondere bei diesem Bereich des Forums soll es sich auch nicht um ein Betroffenen- Trost- Forum handeln.  ;)

 

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