Energiepreis-Protest > AggerEnergie

Ber.-Kammer LG Köln tendiert zug. Gaskunden

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vn-mini:
In der heutigen Berufungsverhandlung ging es um ein erstinstanzlichen Urteil des AG Gummersbach, durch das dem Kunden ein Rückforderungsrecht wegen überzahlter Gaspreise zugesprochen wurde.
Das Gericht setzte sich ausführlich mit dem BGH-Urteil vom Juli 2010 auseinander und tendierte im Ergebnis dazu, dem Gaskunden Recht zu geben; es ließ allerdings die Revision zu, nicht zuletzt in Erwartung einer eindeutigen Klarstellung durch den BGH.
Verkündungstermin ist am 24.11.2010.

bolli:
Ja, ja,
LG und OLG Köln waren ja in einigen ihrer bisherigen Urteile durchaus noch \"Versorgerfreundlich\" und da will man vielleicht nicht die letzte Tür zuschlagen, die der BGH in seinem Juli-Urteil für Sondervertragskunden bzw. Versorger mit Sonderverträgen offen gelassen hat:


--- Zitat --- BGH-Urteil vom 14.07.2010 VIII ZR 246/08 Rdnr. 52
Offen bleiben kann, ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn es sich um ein langjähriges Gasversorgungsverhältnis handelt, der betroffene Kunde den Preiserhöhungen und den darauf basierenden jahresabrechnungen über einen längeren Zeitraum nicht widersprochen hat (vgl. dazu auch unten unter II 1) und nunmehr auch für länger zurück liegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen (durch Feststellungsklage oder durch Klage auf Rückzahlung geleisteter Entgelte) geltend macht. Sind in einem solchen Fall die Gestehungskosten des Gasversorgungsunternehmens erheblich gestiegen und ergibt sich daraus für die betroffenen Zeiträume ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem Wert der von dem Unternehmen zu erbringenden Leistung und dem vereinbarten Preis, lässt sich die Annahme eines nicht mehr interessengerechten Ergebnisses jedenfalls hinsichtlich der länger zurück liegenden Zeitabschnitte nicht ohne weiteres mit der Begründung verneinen, dass eine Kündigungsmöglichkeit bestand. Denn für das Versorgungsunternehmen bestand in einem solchen Fall zunächst kein Anlass, eine Kündigung des Vertrages in Erwägung zu ziehen.
--- Ende Zitat ---

bolli:
Ha, das ist ja noch doller, als ich gedacht hab. Kölner Rundschau vom 04.11.2010/Oberbergischer Teil - Gericht will Kunden recht geben



--- Zitat ---Rüdiger Klein, der Anwalt des Klägers, sagte vorm Gerichtssaal, es deute sich ein Erfolg für seinen Mandanten an. Allerdings ist es in seinen Augen fraglich, ob auch die „schweigende Mehrheit“ am Ende davon profitiert. Damit sprach er die Fülle von Kunden der Aggerenergie an, die nicht gegen ihre Gebührenbescheide Widerspruch eingelegt haben. Ähnlich kommentierte Dr. Walter Klein, der Rechtsanwalt der Aggerenergie, den Verlauf der mündlichen Verhandlung. Für einen Erstattungsanspruch komme es darauf an, ob ein Kunde widersprochen hat. „Der Kunde muss etwas getan haben“, ergänzte Frank Röttger, Geschäftsführer der Aggerenergie. Und man habe auch gesehen, dass der Fall nicht so eindeutig ist. „Daher auch die Zulassung zur Revision.“
--- Ende Zitat ---

Ich bin mir ja nicht sicher, ob das Gericht tatsächlich die Meinung des Versorgers vertritt. Auf jeden Fall ist das meiner Meinung nach nicht die Frage, die der BGH in seinem Urteil vom 14.07.2010 246/08 offen gelassen hat.

In Rdnr. 57 des BGH-Urteils ist klar gesagt:

--- Zitat ---Bei einer einseitigen Preiserhöhung eines Gasversorgungsunterneh-mens aufgrund einer Preisanpassungsklausel, die unwirksam oder - beispiels-weise mangels ordnungsgemäßer Einbeziehung - nicht Vertragsbestandteil ist, kann die vorbehaltlose Zahlung des erhöhten Preises durch den Kunden nach Übersendung einer auf der Preiserhöhung basierenden Jahresabrechnung nicht als stillschweigende Zustimmung zu dem erhöhten Preis angesehen werden.
--- Ende Zitat ---
Wenn aber keine stillschweigende Zustimmung für ein Anerkenntnis eines höheren Preises vorhanden ist, ist auch kein höherer Preis vereinbart und somit eine höhere Zahlung Rechtsgrundlos erfolgt und somit besteht ein Rückforderungsanspruch. Auch ohne Widerspruch.

Fraglich aus Sicht des BGH kann aus meiner Sicht wohl nur sein, ob der Preis tatsächlich auf den Vertragseinstandspreis zurückfällt, wenn dieser Vertrag schon lange besteht und der ursprünglich vereinbarte Preis sehr niedrig liegt (unter den Einstandskosten). Im Fall der vor dem BGH verhandelt wurde hat man einen damals vier Jahre alten Preis so gesehen, dass es bei diesem nicht auf diese Fallkonstellation ankommt.

Aber hier wird mal wieder taktiert. Der Verbraucher ist verunsichert und bis der Fall beim BGH entschieden ist, sind die meisten Ansprüche wohl verjährt, da die Aggerenergie mittlerweile neue Verträge rausgeschickt hat und Verweigerern in den meisten Fällen gekündigt hat.

Insofern hat man zwar möglicherweise immer noch Verträge mit unwirksamen Preisanpassungsklauseln (zumindest sehe ich diejenigen so, die ich voriges Jahr zur Unterzeichnung zugeschickt bekommen habe), hat aber einen neuen Vertragsanfangspreis und das wird der AE schon mal reichen.

Mittlerweile sehen die Vertragsbedingungen wohl eine Preisanpassung gemäß den gesetzlichen Regelungen von §5 Abs 2 der GasGVV vor, die dem Vertrag vor Unterzeichnung wohl beiliegen sollen.

Bin ja mal gespannt, ob man es sich da nicht zu einfach macht. Der VIII. Senat hat das zwar so ähnlich formuliert (Übernahme des gesetzlichen Preisänderungsrechts) aber wie hier j aschon an anderer Stelle erläutert, ist das garnicht so klar, wie das sauber gehen soll. Möglicherweise hat der VIII. Senat da mal wieder zu kurz gedacht, wie in der vergangenheit beim Preissockel in der Grundversorgung auch.


Frage:Weiss jemand, welches Urteil hiermit


--- Zitat ---Deutlichere „Ausführungsbestimmungen“ versprechen sich Röttger und Klein von einem Urteil des BGH in zwei ähnlichen Fällen, das am 17. November verkündet werden soll.
--- Ende Zitat ---
gemeint sein soll. Ich kenne kein Verfahren, das schon verhandelt wurde, wo noch ein Urteil aussteht. Vielleicht haben die Herren RAe da noch mehr Überblick. Oder haben die Herren der AE und ihre Rechtsvertreter auch hier den Überblick verloren?  ;) Würde mich auch nicht allzusehr verwundern.

vn-mini:
Als Klägervertreter möchte ich mal klarstellen, dass diese Berufungskammer angedeutet hat, auch solchen Kunden Recht zu geben, die nicht widersprochen haben (der Kläger hatte konkret widersprochen). Nach meiner Auffassung besteht noch ein kleines Fragezeichen nur höherinstanzlich, wenn allein durch Zeitablauf \"uralte\" Preise bei Vertragsschluss \"in grauer Vergangenheit\" als Maßstab für die Höhe des Rückforderungsanspruchs herangezogen werden und der Kunde nicht widersprochen hat, siehe erstes posting von bolli.

Was die erwähnten BGH-Urteile angeht, dürfte es sich um solche handeln, die sich mit der Problematik der Entreicherung (§ 818 III BGB) befassen, die auch diskutiert wurde. Die Berufungskammer vertrat insoweit die Auffassung wie (u.a.) das AG Gummersbach, derzufolge die Voraussetzungen der Vorschrift insbesondere mangels Kausalität nicht vorlägen; d.h. der Versorger kann sich hierauf nicht stützen.

bolli:
Ah ha, das liest sich in dem Zeitungsartikel aber anders bzw. ist möglicherweise bewusst in anderem Zusammenhang dargestellt:


--- Zitat --- Kölner Rundschau vom 04.11.2010/Oberbergischer Teil

Rüdiger Klein, der Anwalt des Klägers, sagte vorm Gerichtssaal, es deute sich ein Erfolg für seinen Mandanten an. Allerdings ist es in seinen Augen fraglich, ob auch die „schweigende Mehrheit“ am Ende davon profitiert. Damit sprach er die Fülle von Kunden der Aggerenergie an, die nicht gegen ihre Gebührenbescheide Widerspruch eingelegt haben. Ähnlich kommentierte Dr. Walter Klein, der Rechtsanwalt der Aggerenergie, den Verlauf der mündlichen Verhandlung. Für einen Erstattungsanspruch komme es darauf an, ob ein Kunde widersprochen hat. „Der Kunde muss etwas getan haben“, ergänzte Frank Röttger, Geschäftsführer der Aggerenergie. Und man habe auch gesehen, dass der Fall nicht so eindeutig ist. „Daher auch die Zulassung zur Revision.“
--- Ende Zitat ---

Sowohl die zitierten Anwaltsworte (ob auch die \"schweigende Mehrheit\" am Ende davon profitiert) als auch die Zitate des RA der Aggerenergie sowie dessen Geschäftsführers (Für einen Erstattungsanspruch komme es darauf an, ob ein Kunde widersprochen hat. „Der Kunde muss etwas getan haben“, ergänzte Frank Röttger, Geschäftsführer der Aggerenergie.) deuten eher in eine andere Richtung der Eröffnung der Revisionsmöglichkeit.

Die aufklärenden Worte von vn-mini sind diesbezüglich schon mal hilfreich, wenn auch die Tatsache der Revisionsmöglichkeit, die die AE \"natürlich ausüben muss, um zu verhindern das unberechtigt Rückzahlungen geleistet werden\", wie die AE in Schreiben selbst betont, zu einer weiteren zeitlichen Verzögerung führen wird, in der weitere Rückzahlungsansprüche verjähren werden.

Übrigens wird am 17.11.2010 wohl am BGH kein Urteil verkündet, welches mehr Klarheit bringen wird (wie im Online-Artikel ausgeführt) sondern es wird zunächst einmal verhandelt siehe hier. Allerdings ist wohl auch dieser Fall wieder eine Spezialkonstruktion, da es sich laut Urteil des OLG Hamm \"in keinem Fall um den vertraglich zwischen den Parteien vereinbarten Ausgangspreis\" handelt, sondern um einen Preis mit Stand 2003. Daher ist hier wahrscheinlich immer noch keine befriedigende umfassende Entscheidung vom BGH zu erwarten, die sein \"Loch\" aus der Entscheidung vom 14.07.2010 - BGH VIII ZR 246/08 weiter stopft bzw. erhellt.
Des weiteren handelt es sich nicht um einen Einzelanspruch sondern die Verbraucherzentrale hat Rückzahlungsansprüche zahlreicher Kunden \"übernommen\" und diese dann eingeklagt. Ist also ein Sammelsurium von einzelnen Vertragsverhältnissen. Mal sehen, ob der BGH da Unterschiede macht.

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