Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB

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RR-E-ft:
Gerade wegen §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG müssen gewälzte Kosten nach der Rechtsprechung ja der effizienten Versorgung entsprechen, dürfen nicht jedwede (beliebige) Kosten zB. von der Vorlieferantenebene weitergewälzt werden.


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 19.11.08  VIII ZR 138/07 Rn. 43:

Das schließt allerdings nicht aus, dass jedenfalls die Weitergabe solcher Kostensteigerungen im Verhältnis zum Abnehmer als unbillig anzusehen ist, die der Versorger auch unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden unternehmerischen Entscheidungsspielraums ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden hätte. Das Recht zur Preiserhöhung nach § 4 AVBGasV kann, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, angesichts der sich aus § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 EnWG ergebenden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas nicht dazu dienen, dass es zu beliebigen Preisen einkauft, ohne günstigere Beschaffungsalternativen zu prüfen (Markert, RdE 2007, 263, 265; Säcker, ZNER 2007, 114, 115), und im Verhältnis zu seinem Vorlieferanten Preisanpassungsklauseln und -steigerungen akzeptiert, die über das hinausgehen, was zur Anpassung an den Markt und die Marktentwicklung im Vorlieferantenverhältnis erforderlich ist (vgl. zu einer entsprechenden Einschränkung des Änderungsrechts von Banken bei Zinsänderungsklauseln in Kreditverträgen BGHZ 97, 212, 217 ff., 222; 158, 149, 155).
--- Ende Zitat ---

Vorgeschichte

Ausgangssituation

Wir bleiben bei dem Thema am Ball.

RR-E-ft:
Billigkeitskontrolle im Gasbereich


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09 Rn. 36

Dies hat zur Folge, dass im Gassektor durch die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB und bei Sonderkunden darüber hinaus durch eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB sicherzustellen ist, dass die Preisanpassung das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahrt, also das Versorgungsunternehmen Preisanpassungen nicht dazu nutzen kann, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben, um nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 25, und vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 56/08, aaO Rn. 26 [für Tarifkunden]; vom 24. März 2010 - VIII ZR 178/08, BGHZ NJW 2010, 2789 Rn. 35, zur Veröffentlichung vorgesehen in BGHZ 185, 96; VIII ZR 304/08, aaO Rn. 43 [für Sonderkunden]).
--- Ende Zitat ---

Natürlich muss die Billigkeitskontrolle bei grundversorgten Tarifkunden zumindest auch sicherstellen, dass es nicht zu einer nachträglichen Erhöhung des Gewinnanteils am Preis  dadurch kommt, dass entgegen gesetzlicher Verpflichtung gesunkene Kosten bei preisbildenden Kostenfaktoren nicht unverzögert und umfänglich, mindestens aber nach gleichen Maßstäben durch Preisanpassungen zugunsten der betroffenen weitergegeben werden (vgl. BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18].

Kein Einwendungsausschluss in Bezug auf Unbilligkeitseinrede


--- Zitat ---BGH, Urt. v. 06.04.11 Az. VIII ZR 273/09 Rn. 52

Ebenso wenig wird durch die genannte Bestimmung die Möglichkeit ausgeschlossen, die Billigkeit einer einseitigen Preisbestimmung des Versorgungsunternehmens (§§ 315, 316 BGB) zu bestreiten (vgl. Senatsurteile vom 11. Oktober 2006 - VIII ZR 270/05, NJW 2007, 210 Rn. 18; vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO Rn. 28, 29; vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, aaO [zu § 30 AVBWasserV]; vom 6. Dezember 1989 - VIII ZR 8/89, aaO; vom 19. Januar 1983 - VIII ZR 81/82, aaO; aA Berkner/Topp/Kuhn/Tomala, ET 2005, 952, 953 f.; ferner BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, NJW 2005, 2919 unter II 2 b bb, insoweit in BGHZ 163, 321 nicht abgedruckt; KG, GE 2004, 887 f. [jeweils für den Fall von
vertraglichen Leistungsbedingungen in einem Abfallentsorgungsvertrag]). In beiden Fällen entfällt die bei einem Vertrag normalerweise bestehende Gewissheit über Inhalt und Umfang der Leistung, welche aus der Einigung der Parteien hierüber folgt (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO Rn. 28; vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, aaO; vom 19. Januar 1989 - VIII ZR 81/82, aaO unter II 2 b). Es geht hier nicht um Fehler der konkreten Abrechnung, sondern um die Feststellung der vertraglichen Grundlagen für Art und Umfang der Leistungspflicht des Abnehmers (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2006 - VIII ZR 138/05, aaO, und vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, aaO).
--- Ende Zitat ---

tangocharly:

--- Zitat ---Original von RR-E-ft
[...]
Wir bleiben bei dem Thema am Ball.
--- Ende Zitat ---

Oh, das wird den Herrn aber sicher freuen    :]

jofri46:
Schön und gut, was der BGH da im Urteil vom 06.04.2011 unter Rn. 36 geschrieben hat. Ich fürchte, es wird die Versorger beflügeln, konkrete Kostensteigerungen beim Versorgungsunternehmen entstehen zu lassen, die auf den Verbraucher abgewälzt werden können, anderswo im Konzern aber zu zusätzlichem Gewinn führen (Stichwort \"konzerninterne Verrechnungspreise\"). Das braucht nicht auf \"gestiegene\" Energiebezugspreise beschränkt zu sein, es kann Leistungen jeder Art betreffen, die im Konzern für das Versorgungsunternehmen erbracht und diesem dann belastet werden (z. B. Kosten einer zentralen Rechtsabteilung). Da stellt sich schon die Frage, wie effizient eine Billigkeits- bzw. Inhaltskontrolle sein kann.

RR-E-ft:
@jofri46

Fürchten sollte man dabei grundsätzlich nichts. ;)

Wir sollten uns bei der Betrachtung auf den Bereich der Grundversorgung beschränken, wo unzweifelhaft eine gesetzliche und vertraglich implementierte Preisbestimmungspflicht des Versorgers besteht, die der Billigkeitskontrolle in unmittelbarer Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegt (BGH KZR 2/07 Rn. 26, VIII ZR 81/08 Rn. 18],  bei welcher wiederum  die Verpflichtung aus §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG Berücksichtigung finden muss (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43).

Bei der Inhaltskontrolle von Preisänderungsklauseln stellen sich regelmäßig ganz andere Probleme, insbesondere als eine Preisänderungsklausel gem. § 307 BGB regelmäßig nur wirksam oder unwirksam sein kann. Sieht man von der umstrittenen und zur Überprüfung durch den EuGH stehenden \"Übernahmethese\" des VIII. Zivilsenats ab, erfordert die Wirksamkeit einer Preisänderungsklausel nach deutschem Recht regelmäßig, dass die ursprüngliche Preiskalkulation in der Preisänderungsklausel offen gelegt wird und dabei also bereits alle relevanten Kostenbestandteile und -faktoren auftauchen (BGH III ZR 247/06 Rn. 10), so dass nachträglich keine hinzugedichtet werden können.

Bleiben wir also bei der Billigkeitskontrolle in der Grundversorgung.

Das Problem nicht verursachungsgerechter Kostenschlüsselung in der Kostentstellen- und Kostenträgerrechnung ist gewiss nicht neu (vgl. Fricke, Energiedepesche Sonderheft Nr. 1, April 2006, S. 18].
Es besteht schon immer und betrifft v.a. sog. Verwaltungsgemeinkosten bzw. Overheadkosten, wofür es schon keines Konzernverbundes bedarf.

Allerdings ist es aus buchhalterischen/ bilanziellen Gründen nicht möglich, Kostenpositionen beliebig hin und her zu schieben. Nach einer buchhalterischen Entflechtung der einzelnen Aktivitäten (vgl. §§ 9, 9 a EnWG 2003/ § 10 EnWG), erst recht nach einer gesellschaftsrechtlichen oder gar eigentumsrechtlichen Entflechtung tritt dieses Problem zunehmend in den Hintergrund.  Die bestehenden buchhalterischen/ bilanziellen Spielräume wurden immer mehr eingeschränkt.  

Tatsächliche Kosten künstlich zu erschaffen ist jedenfalls nicht zielführend, weil ja selbst die Weiterwälzung eines tatsächlichen Kostenanstiegs mit Rücksicht auf §§ 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 EnWG Restriktionen unterliegt (BGH VIII ZR 138/07 Rn. 43). Dies liegt an der vom Gesetzgeber geforderten Preisgünstigkeit und (Kosten-) Effizienz.

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