Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Ausschluß der Gaspreiskontrolle über § 315 BGB
RR-E-ft:
\"Noch\" bzw. \"bisher\" haben Sie wohl vergessen. ;)
RR-E-ft:
Ich möchte und darf auf den nun veröffentlichten Aufsatz Fricke\"Die gerichtliche Kontrolle von Preisbestimmungspflichten im Energiebereich: § 315 BGB...\" in ZNER 15/2/2011 Seite 130 ff. hinweisen, welcher die Diskussion weiter voranbringen möge.
tangocharly:
Weder der Ausschluß der Billigkeitskontrolle des § 315 BGB, noch der Sockel- oder Anfangspreis finden eine Rechtsgrundlage in der Gas-RiLi, die in der Neufassung 2009/73/EG inhaltsgleich fortgilt.
Wenn die Richtlinie im Inland ausgelegt werden soll und wenn man über Ermessen etc. auslegungstechnisch diskutiert, dann haben die primären und sekundären Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts Vorrang.
Die Protagonisten dieser Theorien (einschließlich des VIII.Senats) sollten bedenken, dass sich die Bundesrepublik (zu gegebener Zeit) über Art. 34 GG eine Packung abholen wird, wenn dieser europarechtliche Widerspruch aufrecht erhalten bleibt.
RR-E-ft:
Fricke vertritt in ZNER 15/2/2011 S. 130 ff. die Auffassung, dass im Bereich der Grundversorgung weder Anfangspreise noch Folgepreise vertraglich vereinbart werden dürfen, nach der gesetzlichen Regelung vielmehr eine über § 315 BGB gerichtlich zu kontrollierende Preisbestimmungspflicht des Grundversorgers besteht, welche die vertragliche Preishauptabrede ausmacht und ausmachen muss.
Zugleich wird die Auffassung vertreten, dass in Sonderverträgen als Preisnebenabrede kein Preisänderungsrecht bestehen kann, welches der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB unterliegt.
Letztere Auffassung bzw. deren Begründung wird m. E. vortrefflich abgerundet durch die Stellungnahme von Markert im selben Heft, S. 174 ff. zu BGH, B. v. 09.02.11 VIII ZR 162/09.
tangocharly:
Dennoch stellt sich immer noch die Frage der Effizienz dieser gerichtlichen Kontrolle, vornehmlich in der Grundversorgung, wo die Verbraucher reihenweise, mit gerichtlicher Billigung abgezockt werden.
Auch Prof. Markert beleuchtet diese Materie ständig schon seit Jahren unter dem europarechtlichen Blickwinkel in verschiedenen Aufsätzen und Anmerkungen.
Es ist dem Verbraucherrecht wenig zuträglich, wenn angeblich keine behördliche Kontrolle der Energiepreise erforderlich sein soll (abgesehen von den Netznutzungsentgelten). Und es ist zudem ein merkwürdiger Versuch, damit die \"Flöhe-unter-dem-Hut-zu-halten\", wenn die Gewinn- und Kostensituation auf der vorgelagerten Lieferstufe in der Billigkeitsprüfung außen vor bleiben soll.
Diese vertikale \"Quersubvention\" ist nicht minder europarechtswidrig, wie die horizontale, deren Verbot in der Gas-RiLi statuiert ist.
Aber es gibt auch Stimmen, die zum Ausdruck bringen, dass sich der europäische Gesetzgeber übermäßig in die nationale Autonomie einmische:
--- Zitat ---In einem Ausblick erkannten alle Juristen den zunehmenden Einfluss des Europarechts auf die nationalen Rechtsordnungen, die immer mehr zurückgedrängt werden. Der Deutsche Richterbund wendet sich allerdings gegen die diskutierte Vollharmonisierung des Verbraucherrechts. Es sei nicht akzeptabel, dass die EU über Richtlinien immer weiter in die nationalen Rechtsordnungen hineinwirke, so Christoph Frank weiter.
--- Ende Zitat ---
Quelle: beck-aktuell.beck.de
Interessant im vorstehend zitierten Beitrag ist auch die Feststellung, dass der Deutsche Richterbund kein Freund von Sammelklagen vor verbraucherrechtlichem Hintergrund sein soll.
Ergo präferiert man eher viele Tausend Einzelklagen und blockiert damit flächendeckend Ressourcen, die kaum besser zu bündeln und/oder zu konzentrieren wären, als durch Sammelklagen (zumindest von gleichgelagerten Fällen).
Diese Thematik bringt natürlich auch keine Lösung dazu, ob man in diesem Bereich bereit sein will, gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu respektieren oder ob nicht.
Wenn hierzu der Richterbund seine Stimme in besagter Richtung erhebt, dann muß man sich allerdings nicht darüber wundern, warum bei den Fragen gem. § 36 Abs. 1, § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 EnWG, § 5 Abs. 2 GasGVV, § 315 BGB, Europarecht regelmäßig (bis auf wenige Ausnahmen) ausgeblendet wird (besser: ignoriert wird).
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln