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Autor Thema: BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG  (Gelesen 6493 mal)

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Offline RR-E-ft

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Die Frage der ausschließlichen Zuständigkeit gem. §§ 102, 108 EnWG ist bei Streitigkeiten über die Billigkeit einseitig festgesetzter Strom- und Gasentgelte streitig, vgl. den Besinnungsaufsatz der Verbraucheranwälte Wollschläger/ Beermann (BBH), IR 2010, 1 ff.


Das Amtsgericht Schwelm hatte mit Urteil vom 05.08.2008 Az. 20 C 88/08 die Zahlungsklage eines Versorgers wegen 303 € nach Unbilligkeitseinrede wegen der ausschließlichen Zuständigkeit gem. §§ 102, 108 EnWG als unzulässig abgeweisen.

Das LG Hagen hat auf die hiergegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 25.03.2009 Az. 7 S 84/08 eine ausschließliche Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen beim Landgericht abgelehnt und den Streit an das Amtsgericht zurückverwiesen. Gegen diese Entscheidung wurde vom Landgericht Hagen die Revision zugelassen, die beim BGH anhängig sein soll.

Nach der sog. Kompetenzkompetenz wie im Kartellrecht dürfte der Kartellsenat des BGH für die Revision zuständig sein.

Offline tangocharly

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BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG
« Antwort #1 am: 30. März 2010, 19:39:50 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Frage der ausschließlichen Zuständigkeit gem. §§ 102, 108 EnWG ist bei Streitigkeiten über die Billigkeit einseitig festgesetzter Strom- und Gasentgelte streitig, vgl. Wollschläger/ Beermann, IR 2010, 1 ff.
Das Amtsgericht Schwelm hatte mit Urteil vom 05.08.2008 Az. 20 C 88/08 die Zahlungsklage eines Versorgers wegen 303 € nach Unbilligkeitseinrede wegen der ausschließlichen Zuständigkeit gem. §§ 102, 108 EnWG als unzulässig abgeweisen.
Das LG Hagen auf die hiergegen gerichtete Berufung mit Urteil vom 25.03.2009 Az. 7 S 84/08 eine ausschließliche Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen beim Landgericht abgelehnt und den Streit an das Amtsgericht zurückverwiesen. Gegen diese Entscheidung wurde vom Landgericht Hagen die Revision zugelassen, die beim BGH anhängig sein soll.
Nch der sog. Kompetenzkompetenz wie im Kartellrecht dürfte der Kartellsenat des BGH für die Reviosion zuständig sein.

Habe mir gestattet, oben eine anschauliche Erklärung der Kompetenzkompetenz (nach Stoiber) einzufügen.

Sehe allerdings im referierten Fall weder einen positiven noch einen negativen Kompetenzkonflikt (zwei Gerichte sagen etweder \"Ja\" oder \"Nein\"). Dürfte auch wegen der Bindungswirkung gem. § 281 ZPO kaum mehr auftreten (vgl. LG Göttingen - OLG Braunschweig). M.E. dürfte da wieder einmal der VIII. Senat gefragt sein.
(Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in der Rechtspflege ein Bedürfnis daran besteht, alle Gasprotestfälle in die Fänge des VIII. Senats zu treiben    :D ).
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Offline RR-E-ft

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BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG
« Antwort #2 am: 30. März 2010, 19:45:15 »
Ich meine jene Kompetenzkompetenz (Seite 3) unter II.

Offline tangocharly

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BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG
« Antwort #3 am: 06. April 2010, 21:40:14 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Die Frage der ausschließlichen Zuständigkeit gem. §§ 102, 108 EnWG ist bei Streitigkeiten über die Billigkeit einseitig festgesetzter Strom- und Gasentgelte streitig, vgl. den Besinnungsaufsatz der Verbraucheranwälte Wollschläger/ Beermann (BBH), IR 2010, 1 ff.

Was denn ? Haben die das Lager gewechselt ?? (Na, das würde mich aber wundern).

Und hier noch eine Entscheidung zur Kompetenzkompetenz des BGH vom 20.08.2007, Az.: X ARZ 247/07.

Zitat
I. Der Bundesgerichtshof ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Dabei kann offenbleiben, ob sich die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs unmittelbar aus § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO oder, wie der vorlegende 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg angenommen hat, aus § 36 Abs. 3 ZPO ergibt. Für ersteres könnte eine gebotene teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 36 Abs. 2 ZPO sprechen. Denn da bei einem Zuständigkeitskonflikt zweier Oberlandesgerichte über ihre erstinstanzliche Zuständigkeit ein nach § 36 Abs. 2 zur Entscheidung berufenes Oberlandesgericht notwendigerweise - wie auch das vorlegende Oberlandesgericht im Streitfall angenommen hat - von der Rechtsauffassung eines der beteiligten Oberlandesgerichte abweichen muss, ergibt sich letztlich ohnehin zwangsläufig die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs, so dass eine vorgeschaltete oberlandesgerichtliche Zuständigkeit nur zu einer Verfahrensverzögerung führt.
[...]
An dieser Zuständigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass nach § 106 Abs. 1 EnWG die nach § 91 GWB bei den Oberlandesgerichten gebildeten Kartellsenate über die nach dem Energiewirtschaftsgesetz den Oberlandesgerichten zugewiesenen Rechtssachen sowie in den Fällen des § 102 EnWG über die Berufung gegen Endurteile und die Beschwerde gegen sonstige Entscheidungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten entscheiden. Denn § 106 Abs. 1 EnWG regelt wie § 91 GWB lediglich die funktionale Zuständigkeit des bei einem Oberlandesgericht zu bildenden Kartellsenats für die kartell- und energiewirtschaftsrechtlichen Streitverfahren, für die dieses Oberlandesgericht zuständig ist.
[...]
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat § 106 EnWG unter Berufung auf Kommentarliteratur entnommen, dass die Vorschrift eine Parallelität der Zuständigkeiten nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und dem Energiewirtschaftsgesetz gebiete. Es hat ferner angenommen, dass der Umstand, dass das bayerische Landesrecht keine Zuständigkeitskonzentration für Kartellverwaltungssachen enthalte, ohne Bedeutung sei, weil sich aus dem Sitz der Landeskartellbehörde in München ohnehin eine zu der ausschließlichen Zuständigkeit in Kartellzivilsachen parallele alleinige Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München ergebe. Wenn das Oberlandesgericht Nürnberg hieraus abgeleitet hat, dass in Bayern eine ausschließliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München für sämtliche Kartell- und Energiewirtschaftsrechtssachen bestehe, so kann dies noch nicht als willkürlich angesehen werden.
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Offline RR-E-ft

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BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG
« Antwort #4 am: 07. April 2010, 18:34:38 »
BBH sind selbstredend weiter Versorgeranwälte.
Als die Tagesschau am 24.03. von dem HEL- Entscheidungen des BGH berichtete, hatte sich auch ein Fehler eingeschlichen, so dass vermeldet wurde, der Bund der Energieversorger habe erfolgreich gegen die Klauseln geklagt. ;)

Offline tangocharly

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BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG
« Antwort #5 am: 07. April 2010, 19:07:41 »
Zitat
Original von RR-E-ft
BBH sind selbstredend weiter Versorgeranwälte.
Als die Tagesschau am 24.03. von dem HEL- Entscheidungen des BGH berichtete, hatte sich auch ein Fehler eingeschlichen, so dass vermeldet wurde, der Bund der Energieversorger habe erfolgreich gegen die Klauseln geklagt. ;)


Auch   :D
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« Antwort #6 am: 14. Juni 2010, 22:40:12 »
Nach Hinweisbeschluss des BGH v. 16.03.2010 VIII ZR 341/09

ist eine revisionsrechtliche Prüfung der Frage der sachlichen Zuständigkeit des Erstgerichts  (auch nach § 87 GWB/ § 102 EnWG) schlechthin ausgeschlossen.

Zitat
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil der aus Sicht des Berufungsgerichts klärungsbedürftigen Rechtsfrage der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts in der anhängigen Energielieferungssache die erforderliche Klärungsfähigkeit durch den Bundesgerichtshof fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2004 - V ZR 187/03, WM 2004, 1499, unter II 1 m.w.N.).

Denn nach § 545 Abs. 2 ZPO kann die Revision nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Dieser - gemessen am damit verfolgten Zweck sprachlich missglückten - Vorschrift hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs für eine Fallgestaltung, die der vorliegenden entspricht, mit Blick auf die aus den Gesetzesmaterialien ersichtliche Entstehungsgeschichte der Norm ein schlechthin bestehendes Verbot entnommen, eine in den Vorinstanzen angenommene oder verneinte sachliche Zuständigkeit revisionsgerichtlich nachzuprüfen (Beschluss vom 26. Juni 2003 - III ZR 91/03, NJW 2003, 2917, unter II).

Dieser Auffassung, wonach eine revisionsgerichtliche Nachprüfung der erstinstanzlichen örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit, zu der auch die hier in Rede stehende Zuständigkeitsabgrenzung nach § 87 GWB, § 102 EnWG zählt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2005 - KZR 28/03, NJW 2005, 1660, unter II 1 a; MünchKommZPO/Wenzel, 3. Aufl., § 545 Rdnr. 16), schlechthin ausgeschlossen ist, haben sich weitere Senate des Bundesgerichtshofs angeschlossen (Urteile vom 22. Februar 2005, aaO, unter II 1 d bb; vom 7. März 2006 - VI ZR 42/05, NJW-RR 2006, 930, Tz. 11; Beschlüsse vom 5. März 2007 - II ZR 287/05, NJW-RR 2007, 1509, Tz. 2; vom 5. November 2008 - XII ZR 103/07, NJW-RR 2009, 434, Tz. 8 f.).

So bleibt die Frage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung weiter offen.

Offline tangocharly

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BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG
« Antwort #7 am: 16. Juni 2010, 14:49:23 »
Nanü, der VIII. Senat in Bezug auf obiter dicita in Sprachlosigkeit verfallen ....... ?
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BGH sagt nichts zur sachlichen Zuständigkeit gem. § 102 EnWG
« Antwort #8 am: 16. Juni 2010, 16:31:57 »
Möglicherweise sind dem Senat verfassungsrechtliche Bedenken an solchen obiter dicta (Beantwortung von Rechtsfragen, die nicht zur Entscheidung standen) bekannt geworden. Nicht vollkommen ausgeschlossen, dass dem Senat sogar bewusst geworden ist, dass in der Vergangenheit in Leitsätze gegossene obiter dicta, wenn es wirklich einmal für eine Entscheidung auf die Beantwortung einer solchen Rechtsfrage  ankommt dann gar nicht haltbar sind. Auch bei der Justiz handelt es sich um ein lernfähiges System.

Nachtrag:

Die mit Revision angegriffene Entscheidung des LG Hagen

 

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