Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen

§4 AVBGasV

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RR-E-ft:
Zweifeln Sie wirklich daran, dass der Grundversorger nach der gesetzlichen Regelung berechtigt und verpflichtet ist, die Allgemeinen Preise der Grundversorgung zu bestimmen, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grund- und ersatzversorgte Kunden zu beliefern?

Zweifeln Sie wirklich daran, dass der Grundversorger die Bestimmung unter Beachtung des § 1 EnWG zu treffen hat?

Zweifeln Sie wirklich daran, dass die Bestimmung der Allgemeinen Preise der Grund- und Ersatzversorgung durch den Grundversorger nach dem Willen des Gesetzgebers weder willkürlich noch nach freiem Ermessen erfolgen darf?

Das OLG Oldenburg hat das Leistungsbestimmungsrecht des Versorgers nicht in Abrede gestellt. Es hat ausgeführt, dieses müsse sich schon andernorts ergeben, es würde sich nicht erst aus § 4 AVBV ergeben, mit jener Vorschrift begründet werden sollte. Das meine ich ja auch, siehe oben.

Den Entscheidungen des OLG Oldenburg liegen gar keine Tarifkunden- Fälle der gesetzlichen Versorgungspflicht zu Grunde, sondern Sonderverträge, bei denen Sonderpreise bei Vertragsabschluss vereinbart wurden.

Und für diese hat auch der BGH entschieden, dass das gesetzliche Tarifbestimmungsrecht nicht gilt (BGH KZR 2/07 Rn. 29).

Opa Ete:
nein, daran zweifele ich wirklich nicht. Ich finde es nur komisch, dass sich noch nie jemand an diesen Formulierungen gestört hat. Man könnte doch gleich  klar und deutlich in §4 schreiben: Der Versorger hat dass Recht und die Pflicht (nach dem Massstab der Billigkeit) die Preise zu erhöhen und zu senken.

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von Opa Ete
Man könnte doch gleich  klar und deutlich in §4 schreiben: Der Versorger hat dass Recht und die Pflicht (nach dem Massstab der Billigkeit) die Preise zu erhöhen und zu senken.
--- Ende Zitat ---


Ich habe versucht, begreiflich zu machen, dass sich dies bereits aus der gesetzlichen Regelung § 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG iVm. § 1 EnWG, § 315 BGB  von selbst ergibt, selbst wenn es die AVBV und die GVV gar nicht geben würde (BGH KZR 29/06 Rn. 19 f.)

Das (mit Pflichten verbundene) gesetzliche Tarifbestimmungsrecht ergibt sich aus dem EnWG selbst (BGH KZR 29/06 Rn. 20). Bei vereinbarten Preisen gilt es nicht (BGH KZR 2/07 Rn. 29).

§ 4 AVBV und § 5 GVV regeln insoweit schließlich nur, dass es zur Ausübung des (mit Verpflichtungen verbundenen) gesetzlichen Leistungsbestimmungsrechts (Tarifbestimmungsrechts) keines Zugangs einer unwiderruflichen Willenserklärung gem. §§ 315 Abs. 2, 130  BGB beim Kunden bedarf, sondern statt dessen die öffentliche Bekanntgabe des Versorgers maßgeblich sein soll. Wäre nach der gesetzlichen Regelung  der Zugang einer Erklärung beim Kunden maßgeblich, müsste der Versorger diesen im Zweifel beweisen. Das wollte der Gesetzgeber nicht.

Die aufgrund des Tarifbestimmungsrechts vom Versorger gebildeten Allgemeinen Preise müssen so öffentlich bekannt gegeben sein, dass allein durch die Entnahme von Energie aus dem Netz zu diesen bestimmten Allgemeinen Preisen der Versorgungsvertrag zustande kommen kann.

Unsere Gesetze orientieren sich am Abstraktionsprinzip, weshalb in keinem Gesetz geregelt ist, wie ein Mann, Vater dreier Kinder und Großvater von zwei Enkelkindern mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Supermarkt in die Pedalen zu treten hat. Könnte man gesetzlich genauer regeln, braucht man aber nicht.  Es bestünde sogar die Gefahr, dass bei der genaueren gesetzlichen Regelung der Fall unberücksichtigt bliebe, dass der Mann etwaig einen fünf Kilo schweren Rucksack auf dem Rücken bei sich führt. Fraglich auch, was gilt, wenn ein Enkelkind hinzukäme.  Ich würde es komisch finden, wenn das gesetzlich genauer geregelt würde. :D

Im Preußischen Allgemeinen Landrecht versuchte man noch, für alles und jedes einen eigenen Paragrafen zu bilden. Blick zurück.

Warum der Verordnungsgeber gut beraten ist, die Regelung abstrakt zu halten, weil sie auf jeden Fall passen muss und passend bleiben muss, liest man hier.


--- Zitat ---Sofern man aus § 5 Abs. 2 Strom/GasGVV noch kein materielles Preisänderungsrecht ableitet, sondern ein solches, wie oben vertreten, erst formuliert werden muss, besteht das Risiko, dass im Laufe der Zeit Kostenfaktoren entstehen, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht absehbar waren und von der Formulierung der vereinbarten Preisanpassungsklausel nicht mehr gedeckt sind. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Kostenfaktoren, die in der ursprünglichen Preisanpassungsklausel zwar Berücksichtigung gefunden haben, in einem Umfang ansteigen, der nach der ursprünglichen Klauselassung nicht mehr in einem angemessen Verhältnis umgelegt werden kann. In beiden Fällen würde sich das ursprüngliche Äquivalenzverhältnis verschieben, so dass eine Preisanpassungsklausel das von ihr bezweckte Ziel der Wertsicherung nicht mehr erfüllen könnte. Zur Behebung derartiger Äquivalenzstörungen ist die Änderungskündigung ein gängiges Instrument da sie den ursprünglichen Vertrag auflöst und einen neuen Vertrag, der neue Kostenfaktoren berücksichtigt, von der Zustimmung des Kunden abhängig macht. Diese Lösung scheitert hier allerdings daran, dass gemäß § 20 Strom/GasGVV eine ordentliche Kündigung alleine dem Kunden vorbehalten ist.
--- Ende Zitat ---

Die Kostenkalkulation gestaltet sich schließlich bei jedem Versorger anders, so dass man keine für alle gültige Kostenklausel formulieren kann. hinzu tritt, dass sie auch noch hinsichtlich der Gewichtung von Kostenfaktoren Veränderungen unterliegen können, so dass der Verordnungstext dann nicht mehr passt (wie bei dem Radfahrer mit dem fünf Kilo- Rucksack).

Lothar Gutsche:

--- Zitat --- Original von Opa Ete
Wortwörtlich kann ich da nichts lesen und mit viel Fantasie kann ich da jede Menge rauslesen.
--- Ende Zitat ---
In dem Aufsatz \"Die Anwendung des deutschen und europäischen Kartellrechts und der zivilrechtlichen Preiskontrolle nach §§ 307, 315 BGB im Strom- und Gassektor in zweiten Jahrzehnt der Marktliberalisierung\", ZNER Heft 3/2009, Seite 193 - 204 äußert sich Professor Dr. Kurt Markert wie folgt zu der Frage, die Opa Ete stellt:

\"Dass der Wortlaut des § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV und des § 5 Abs. 2 GasGVV für die Annahme eines Preisbestimmungsrechts des Versorgers im Grunde nichts hergibt, hat der Senat selbst eingeräumt. Aus der sehr detaillierten, bis zum EnWG von 1935 zurückreichenden Analyse der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften im Urteil des OLG Oldenburg vom 5. September 2008 ergibt sich, dass bei allen Entscheidungen des Gesetz- und Verordnungsgebers das Preisbestimmungsrecht des Versorgers immer nur als bereits bestehend und allgemein anerkannt und praktiziert vorausgesetzt wurde und der Verordnungsgeber zwar die allgemeinen Versorgungsbedingungen regeln wollte, nicht jedoch die Tarifgestaltung der Energieversorger.\"

Mit dem \"Urteil des OLG Oldenburg vom 5. September 2008\" bezieht sich Professor Markert auf die Entscheidung 12 U 49/07, die in Heft 4 der ZNER 2008 auf Seite 385 - 391 abgedruckt ist, siehe online unter http://www.ponte-press.de/pdf/U9_200804.pdf. Auf den Seiten 386 rechte Spalte - 388 linke Spalteder ZNER 2008 zeigt das OLG Oldenburg, dass das Recht des Versorgers zur Preisanpassung als \"eine sich aus der Natur der Sache ergebende Befugnis\" anzusehen ist. Auch in den gesetzlichen Regelungen, die RR-E-ft aus dem EnWG 1935, 1998 und heute zitiert, sind Aussagen zur Preisgestaltung nur implizit enthalten. Ein wörtlich, klar definiertes Recht der Versorger wird vorausgesetzt, aber nicht explizit formuliert.

Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es gar kein gesetzliches Recht zur Bestimmung und Änderung von Gaspreisen gibt, sondern dass es sich vielmehr um ein Gewohnheitsrecht handelt. Die gesetzlichen Regelungen aus dem EnWG und der AVBGasV beschäftigen sich nur mit der Form und der Gültigkeit von Preisbekanntmachungen und Preisänderungen, aber nicht mit der eigentlichen Preisbestimmung.

Viele Grüße
Lothar Gutsche

RR-E-ft:

--- Zitat ---Original von Lothar Gutsche

Vor dem Hintergrund glaube ich, dass es gar kein gesetzliches Recht zur Bestimmung und Änderung von Gaspreisen gibt, sondern dass es sich vielmehr um ein Gewohnheitsrecht handelt. Die gesetzlichen Regelungen aus dem EnWG und der AVBGasV beschäftigen sich nur mit der Form und der Gültigkeit von Preisbekanntmachungen und Preisänderungen, aber nicht mit der eigentlichen Preisbestimmung.

Viele Grüße
Lothar Gutsche
--- Ende Zitat ---

Die Glaubensfreiheit ist im Grundgesetz verankert.
Ein Blick ins Gesetz möge uns die Rechtsfindung erleichtern.


--- Zitat --- § 36 Abs. 1 Satz 1 EnWG

Energieversorgungsunternehmen haben für Netzgebiete, in denen sie die Grundversorgung von Haushaltskunden durchführen, Allgemeine Bedingungen und Allgemeine Preise für die Versorgung in Niederspannung oder Niederdruck öffentlich bekannt zu geben und im Internet zu veröffentlichen und zu diesen Bedingungen und Preisen jeden Haushaltskunden zu versorgen.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---§ 2 Abs. 1 EnWG

Energieversorgungsunternehmen sind im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu einer Versorgung im Sinne des § 1 verpflichtet.
--- Ende Zitat ---


--- Zitat ---§ 1 Abs. 1 EnWG

Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas.
--- Ende Zitat ---

Hier ist klar eine gesetzliche Verpflichtung, Allgemeine Preise zu bilden, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu beliefern, geregelt.

Schon aus § 1 EnWG folgt, dass sich  Allgemeinen Preise mit den Kosten einer effizienten Betriebsführung  ändern müssen, was das Recht zu Preiserhöhungen im Umfange von Kostensteigerungen bei effizienter Betriebsführung ebenso einschließt wie die Verpflichtung zu Preissenkungen, wenn die Kostenentwicklung bei effizienter Betriebsführung solche zulässt.

Es handelt sich folglich um das gesetzliche Recht und die Pflicht, Allgemeine Preise zu bilden, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu versorgen.

Die gesetzliche Tarifbestimmungsrechtspflicht unter Berücksichtigung von § 1 EnWG durch öffentliche Bekanntgabe ist von Anbeginn an Teil der gestzlichen Versorgungspflicht gem. § 6 Abs. 1 EnWG 1935, § 10 Abs. 1 EnWG 1998, § 36 Abs. 1 EnWG (BGH KZR 29/06 Rn. 19, 20).

Der Versorger hat durch öffentliche Bekanntgabe die vom Kunden für Energielieferungen innerhalb der gesetzlichen Versorgungspflicht geschuldete Gegenleistung zu bestimmen. Es handelt sich deshalb um ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB, auf welches die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle unmittelbare Anwendung findet.

Dass der Grundversorger die Allgemeinen Preise der Grundversorgung durch öffentliche Bekanntgabe zu bestimmen hat, ist keinesfalls Ausfluss eines Gewohnheitsrechts, sondern - wie aufgezeigt -  von Anfang an Teil der gesetzlichen Versorgungspflicht nach dem EnWG.

Wenn der Versorger gesetzlich verpflichtet ist, Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben, dann muss er doch (denknotwendig) zunächst einmal die öffentlich bekannt zu gebenden Allgemeinen Preise zuvor bestimmen.

Es besteht ein gesetzliches Tarifbestimmungsrecht, wie jedes einseitige Leistungsbestimmungsrecht verbunden mit einer entsprechenden Verpflichtung, vorliegend der gesetzlichen Verpflichtung, die Allgemeinen Preise unter Berücksichtigung der Verpflichtung aus §§ 1, 2 EnWG zu bestimmen, öffentlich bekannt zu geben und zu diesen Preisen grundversorgte Kunden zu beliefern.
 
Wie man darauf kommen wollte, Preisänderungen bei einer Belieferung im Rahmen einer gesetzlichen Versorgungspflicht, seien lediglich eine (lässliche) Angewohnheit der Versorger, die sich durch hinreichend  lange Übung zu einem Gewohnheitsrecht verdichtet habe, ist nicht nachvollziehbar. Seit Inkrafttreten einer gesetzlichen Versorgungspflicht mit  § 6 Abs. 1 EnWG 1935 sind die Allgemeinen Tarife gesetzlich an den Maßstab der Billigkeit gebunden, was die Verpflichtung des Versorgers  zur Preisabsenkung bei rückläufigen Kosten mit einschließt.

Es sollte eigentlich selbst auffallen, dass es eine gesetzliche Versorgungspflicht zu unveränderlichen Preisen bei Kosten der Belieferung, die naturgemäß Änderungen unterworfen sind, nicht geben kann. So krumm hat auch der Gesetzgeber des EnWG von Anfang an nicht gedacht.

Wenn es Vertreter geben sollte, die tatsächlich glauben, die gesetzliche Versorgungspflicht nach EnWG beinhaltete oder beinhaltet, einmalig Allgemeine Preise öffentlich bekannt zu geben und fortan Kunden zu diesen einmal öffentlich bekannt gegeben Allgemeinen Preisen allezeit zu beliefern, ist es vielleicht doch ganz gut, dass § 4 Abs. 1 AVBV, § 5 Abs. 1 GVV eine (eigentlich nicht erforderliche) Klarstellung enthält, dass die Belieferung zu den \"jeweiligen\" Allgemeinen Tarifen bzw. Allgemeinen Preisen erfolgt.  ;)  

(Preisstopp- VO vom 26. November 1936 (RGBl. I, S. 955) bleibt außen vor)

Ich glaube an den Menschenverstand, der weder durch akademische Weihen noch das Überstreifen einer Robe verloren geht.

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