Energiepreis-Protest > Grundsatzfragen
Gleichbehandlung aller Kunden
loragas:
Hallo an das Forum,
ich bin seit 2004 \"Gaspreisverweigerer\" (bei E.onWW) und warte im Moment auf die Klageschrift zum mir bevorstehenden Prozeß.
Jetzt frage ich mich, ob sich das Weitermachen überhaupt lohnt, weil ja bereits mehrere Prozesse laufen.
Meine Überlegung ist: sobald in EINEM dieser Prozesse die Preiserhöhungen für unbillig befunden werden, muß der Versorger doch die zu Unrecht kassierten Zahlungen an ALLE Kunden erstatten - oder etwa nicht?
Wenn das wirklich so ist, ist es dann doch sinnlos, dass einige hundert \"Verweigerer\" alle ihre Prozesse \"durchziehen\" und vielfache Prozesskosten auf sich nehmen, anstatt auf den Ausgang der bereits laufenden Verfahren zu warten. (Mir ist bewusst, dass das natürlich bedeutet, erstmal die ausstehenden Forderungen zu akzeptieren).
Mache ich irgendwo einen Denkfehler?
RR-E-ft:
Der Denkfehler liegt darin begründet, dass nicht beachtet wurde, dass ein Urteil immer nur unmittelbar die an dem rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsstreit Beteiligten betrifft. Der Ausgang des Verfahrens hängt gerade bei einer Billigkeitskontrolle vom Umfang der Darlegungen/ des Bestreitens im eigenen Prozess ab, so dass sich Urteile schlecht übertragen lassen. Sie können deshalb keine Bindungswirkung entfalten für andere (Parallel-) Fälle, weil es jeweils auf die Behauptungen und das Bestreiten im konkreten Prozess ankommt.
So hat insbesondere E.ON WW wohl vor dem Amtsgericht Paderborn bestimmten Vortrag nicht gehalten, den das Unternehmen nun meint, noch vor dem Landgericht in der Berufung nachholen zu können, dem jedoch § 531 ZPO entegenstehen könnte. Wenn der Versorger einen anderen Kunden wegen der nämlichen Gaspreiserhöhungen verklagt, könnte er in dem neuen Verfahren ja anderen, ggf. umfassenderen Vortrag halten und auch ganz andere Beweisangebote für den Fall eines Bestreitens aufbieten. Und auch der verklagte Kunde ist nicht auf das Bestreiten und die Beweisangebote beschränkt, auf welche sich andere verklagte Kunden in der Vergangenheit beschränkt hatten.
Bei jeder Klage ist der Ausgang deshalb grundsätzlich vollkommen neu offen.
Etwas anders verhält es sich mit der Übertragbarkeit von Urteilen, soweit es um Rechtsfragen, etwa die Wirksamkeit von in Erdgas- Sonderverträge einbezogene Preisänderungsklauseln geht.
loragas:
Aha.
Ich habe zwar nur die Hälfte verstanden, aber es hört sich an wie ein Schlaraffenland für Rechtsanwälte.
Es müßte doch einen Weg geben eine für den Versorger allgemeingültige Preisüberprüfung zu erzwingen.
RR-E-ft:
Das hat nichts mit einem Schlaraffenland für Rechtsanwälte zun tun.
Es ist ein elementarer Grundsatz, dass keine Entscheidung für eine Partei bindend sein darf, auf dessen Ausgang sie keinerlei Einfluss hatte, weil sie an dem Verfahren selbst nicht beteiligt war und sich deshalb selbst nicht mit eigenen Argumenten einbringen konnte.
Siehe auch hier.
Im Zivilprozess hinsichtlich der hier betroffenen Verfahren stellt das Gericht die Tatsachen nicht von Amts wegen fest, sondern die Feststellung streitentscheidender Tatsachen erfolgt durch das individuelle Wechselspiel zwischen Beahaupten, Bestreiten und ggf. Beweisen im konkreten Prozess. Deshalb darf an anderer Kunde des Versorgers nicht an das Maß des Bestreitens eines anderen Kunden in dessen Prozess und die dort darauf gefundene Entscheidung gebunden sein.
Je nachdem, was im eigenen Prozess behauptet, bestritten und ggf. bewiesen wird, kann am Ende ein vollkommen anderes Ergebnis stehen, weil der Entscheidung eben ein anderer (durch behaupten, bestreiten, beweisen) gebildeter Tatsachensachverhalt zu Grunde lag.
Zudem können die Parteien auch neue rechtliche Gesichtspunkte und Argumente eingeführt haben, die ein Gericht selbst bei identischem festgestellten Tatsachensachverhalt zu einer anderen Entscheidung finden lassen. Ein Zivilprozess führt nicht zu einem allgemeingültigen Ergebnis.
bolli:
--- Zitat ---Original von loragas
Aha.
Ich habe zwar nur die Hälfte verstanden, aber es hört sich an wie ein Schlaraffenland für Rechtsanwälte.
Es müßte doch einen Weg geben eine für den Versorger allgemeingültige Preisüberprüfung zu erzwingen.
--- Ende Zitat ---
Ist doch ganz einfach. Wenn ich (Versorger) heute vor Gericht nen Prozess gegen einen Kunden verliere, weil ich eine bestimmte Argumentation verfolge, dem das Gericht nicht folgt, kann ich morgen mit einer anderen, oder zumindest geänderten Argumentation einen neuen Prozess gegen einen ANDEREN Kunden anstrengen, auch wenn die zugrundeliegenden Lieferverhältnisse identisch sind. Weil ich \"vergessen\" habe, einen bestimmten Punkt vor Gericht zu erwähnen, habe ich beim ersten Mal verloren, beim zweiten Prozess aber gewonnen. Und so ist\'s auch auf Verbraucherseite: Wenn man bestimmte Sachverhalte des Vertragsverhältnisses nicht erwähnt und ggf. rügt, werden sie vom Gericht auch nicht bewertet. Deshalb ist auch nicht jedes Verfahren gleich.
Allerdings ist es z.B. bei den Sonderverträgen so, dass sich im Bereich der Preisanpassungsklauseln durch die BGH-Rechtssprechung in diesem Bereich, die auch bestimmte Kriterien benennt, die mit einer solchen Preisanpssungsklausel erfüllt sein müssen, schon sehr gute Abschätzungsmöglichkeiten über die Erfolgschancen bieten.
Bei der Billigkeit von Preisen, vor allem in der gesetzlichen Grundversorgung, sieht das schon anders aus, vor allem, wenn kein unabhängiges Sachverständigengutachten vorliegt. Da liegt einiges im ungewissen, was ich oder mein Anwalt rausarbeiten muss. Dementsprechend sieht dann die Bewertung der Chancen aus.
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