Es ließe sich wohl wie folgt zusammenfassen:
Der entsprechende Senat des OLG München ist der Auffassung, alle Gastarifänderungen der Erdgas Schwaben GmbH gegenüber ihren Tarifkunden seit 2003 bis zum 1.April 2009 waren unwirksam, weil der Gasversorger entgegen § 10 EnWG 1998 iVm. § 4 AVBGasV bzw. § 36 Abs. 1 EnWG iVm. § 4 AVBGasV/ § 5 Abs. 2 GasGVV die geänderten Allgemeinen Tarife nicht öffentlich bekannt gegeben hatte.
Nicht nur der Vorsitzende, sondern auch der Berichterstatter und die weitere Beisitzerin gaben ganz deutlich zu erkennen, dass sie sich umfassend und gewissenhaft mit den Inhalten der gewechselten Schriftsätze und den darin enthaltenen Argumenten auseinandergesetzt haben, undzwar in einer Gründlichkeit, wie man sie jeder Partei vor Gericht wünscht und von der insbesondere mit dem Vorverfahren Betraute wohl schon nicht mehr gerechnet hatten.
Der Anwalt des Versorgers hat sich in der Verhandlung recht ordentlich geschlagen und für manchen Beobachter wohl überraschend sehr viel Vortrag darauf vewendet, warum die Bekl. doch gar keine Tarifkunden der Kl. seien, dass mit diesen wohl eher Sonderverträge abgeschlossen worden seien, was er nie anders behauptet habe. Das Landgericht Augsburg habe diese Frage wohl falsch beuteilt. Weithin Schmunzeln im Saal.
Der betreffende Senat des OLG München geht nach unverändert vorläufiger Auffassung (auch nach intensiven Vorberatungen) davon aus, dass die Beklagten Tarifkunden sind. Dies schließt er daraus, dass der Vertrag allein durch Entnahme von Gas aus dem Versorgungsnetz zustande kam und aus der - einzigen - öffentlichen Bekanntmachung der Kl. hinsichtlich Allgemeiner Preise der Grundversorgung, gültig ab 01.04.2009, veröffentlicht in der Augsburger Allgemeinen vom 4.Febuar 2009, S. 25 unter der Rubrik \"Bekanntmachungen\", von den Beklagten in der Berufung vorgelegt.
Sollten die Beklagten Tarifkunden sein, käme es für die Wirksamkeit einseitiger Preisänderungen
zuallererst auf die öffentlichen Bekanntmachungen der (geänderten) Allgemeinen Tarife gem. § 10 EnWG iVm. § 4 Abs. 2 AVBGasV an.
Solche bestrittenen Bekanntmachungen hat die Kl. jedoch nicht nachgewiesen, sondern sich auf - bestrittene - Pressemitteilungen berufen, welche zu redaktionellen Beiträgen in den Medien geführt hätten.
Viel argumentativer Vortrag und Erörterungen mit dem Senat wurde darauf verwendet, was man wohl unter \"öffentlichen Bekanntgaben\" im Sinne des § 4 Abs. 2 AVBGasV zu verstehen habe. Die Bekl. verwiesen hierzu auf die einschlägige Kommentierung zu § 10 EnWG 1998, § 36 EnWG u.a.
Hempel in: Hempel/ Franke, Recht der Energie- und Wasserversorgung, § 36 EnWG Rn. 144 ff., wonach das gesamte Preisgefüge in der örtlichen Presse oder an einem \"Schwarzen Brett\" oder ähnlichen ortsüblichen Veröffentlichungsstellen veröffentlicht werden muss, was schon dafür notwendig ist, damit mit Neukunden gem. § 2 Abs. 2 AVBGasV/ GasGVV konkludent Verträge allein durch Energieentnahme aus dem Netz abgeschlossen werden können. Nach
Hempel, aaO. werden demgemäß nicht öffentlich bekannt gegebene geänderte Allgemeine Tarife nicht wirksam und nicht Vertragsbestandteil. Eine Nachholung ist nicht möglich.
Hierfür spricht auch BGH VIII ZR 36/06 Tz. 32:
An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn sich der bei Abschluss des Gaslieferungsvertrags von dem Versorgungsunternehmen geforderte Preis für die Gaslieferung aus dem jeweiligen allgemeinen Tarif für die leitungsgebundene Versorgung mit Gas ergab (vgl. § 10 Abs. 1 EnWG 1998; § 4 Abs. 1 AVBGasV). Auch in diesem Fall ist der von dem Kunden zu zahlende Preis durch den zuvor von dem Gasversorgungsunternehmen gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 veröffentlichten Tarif eindeutig bestimmt und als solcher mit dem Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien vereinbart (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - VIII ZR 144/06, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, ZIP 2007, 912, unter II 1 a, zum Stromlieferungsvertrag).
Dies setzt denknotwendig voraus, dass der öffentlich bekannt gegebene Allgemeine Tarif aus der Veröffentlichung gem. § 4 AVBGasV heraus eindeutig bestimmt sein muss.
Die Berufungkläger zeigten ein Einsehen darin, dass sie wohl doch Tarifkunden seien, was den Anwalt des Versorgers fast nötigte, sie vom Gegenteil zu überzeugen zu suchen. Hierfür verwies er auf die vom Vertreter der Bekl.
im Internet und andernorts vielfach vertretenen Auffassungen.
Der Senat gab zu erkennen, dass er (auch nach sehr intensiven Vorberatungen weiterhin vorläufig) sehr deutlich dahin tendiere, dass das, was die Kl. für ausreichende öffentliche Bekanntgaben halte, eben nicht den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AVBGasV genügen könne, es wohl allein deshalb zur Abänderung des Endurteils des Landgerichts Augsburg vom 27.01.09 unter Abweisung der Zahlungsklage des Versorgers käme, freilich nur soweit gegen dieses Urteil Berufung eingelegt wurde.
(Ein Beklagter hatte sich in der I.Instanz gar nicht ggen die Klage verteidigt, andere hatten keine Berufung gegen das Urteil des LG Augsburg eingelegt).
Wären die Beklagten hingegen Sondervertragskunden, könnten die Bedingungen der AVBGasV als Allgemeine Geschäftsbedingungen wirksam in die Verträge einbezogen worden sein, so der Senat. Dann würde man das Erfordernis der öffentlichen Bekanntgabe der geänderten Tarife ggf. weniger streng sehen und briefliche Mitteilungen an die Kunden möglicherweise genügen lassen können.
Für diesen Fall wird die Rechtsprechung des 29.Zivilsenats des OLG München in der Entscheidung vom 01.10.09 (Berufung in Sachen ESB) für überzeugend halten. Dann käme es wohl auf eine Billigkeitskontrolle an. Anders als in jener Entscheidung seien jedoch vorliegend wohl alle für die Billigkeit sprechenden behaupteten Umstände in zulässiger Weise vollständig bestritten, so dass über die streitigen Tatsachenbehauptungen der Kl. (Bezugskostenanstieg etc.) - hinreichende Beweisangebote vorausgesetzt - wohl erst Beweis durch das OLG erhoben werden müsste.
Der Senat ließ eindeutig erkennen, dass das Urteil des LG Augsburg
mit der von diesem gegebenen Begründung keinen Bestand haben könne, dass deshalb aber der sehr wahrscheinliche Ausgang des Verfahrens durch Klageabweisung in der Berufung nicht vollkommen sicher sei.
Soweit es streitendscheidend auf die Anforderungen abzustellen wäre, die an eine öffentliche Bekanntgabe Allgemeiner Tarife und geänderter Allgemeiner Tarife zustellen sind, bestünde zu dieser Frage wohl bisher noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Insoweit könnte sich der Senat vorstellen, für die Kl. im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen. Die Zulassung der Revision dürfte sich dann wohl allein auf diese Frage beschränken.
Das Gericht schlug den Parteien einen 30/ 70 - Vergleich unter der Maßgabe vor, dass auch die weiteren Beklagten, die keine Berufungskläger sind, in dem Vergleich mit bedacht werden. Ein Punkt, auf den die Beklagten unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten Wert legten.
Der hiernach in öffentlicher Verhandlung für beide Seiten widerruflich geschlossene Vergleich beinhaltet, dass die Berufungskläger 30 Prozent der von ihnen jeweils getrennt eingeklagten Forderung zahlen sollen und auch 30 Prozent der Kosten der I. und II. Instanz einschließlich der Kosten des Vergleiches (entsprechend ihres Anteils an der Klageforderung) tragen, der Rest bei der Kl. verbleibt.
Ausdrücklich als
Vertrag zugunsten Dritter wurde mit in den Vergleich aufgenommen, dass auch die Beklagten, die sich entweder nicht gegen die Klage verteidigt hatten oder keine Berufung eingelegt hatten, so gestellt werden, als wenn sie in der I. Instanz nur zu 30 Prozent unterlägen waren, sie deshalb nur 30 Prozent der titulierten Forderung und bisher dem Grunde nach titulierten Verfahrenskosten zu tragen haben, im Übrigen Kl. die Kosten zu tragen hat, und sollten jene Beklagten aufgrund des Urteils des Landgerichts Augsburg schon geforderte Zahlungen an die Kl. geleistet haben, diese nach jener Maßgabe von Kl. zurück erstattet bekommen.
Eine Lösung, die auf Solidarität gründet.
Sollte Berufungsbeklagte (Kl.) oder auch nur ein einzelner der Berufungskläger den Vergleich fristgemäß widerrufen, wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 11.03.10 bestimmt.
Die Berufungskläger (Bekl.) beantragten für den Fall des Widerrufes zu erkennen, das Urteil des LG Ausgburg vom 27.01.09 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit zu Lasten der Berufungskläger entschieden wurde.
Die Berufungsbeklagte (Kl.) beantragte, die Berufung zurückzuweisen.
Zunächst hatte der Vertreter der Kl. erklärt, er wisse noch nicht, welchen Antrag er für den Fall des Widerrufes stellen werde. Das Gericht wies darauf hin, dass niemand Anträge stellen, sondern nur die konsequenz nicht gestellter Anträge tragen müsse. Einen Verzicht, der gem. § 306 ZPO zu einem Verzichtsurteil hätte führen können, hatte die Kl. bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erklärt, obschon dem Klägervertreter eine solche Möglichkeit bewusst war.
Gerichtlich entschieden wurde vom OLG München in dieser Sache bisher nichts.
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Andere betroffene Kunden sind wohl gut beraten, sich in entsprechenden Auseindersetzungen mit dem Versorger unter vielem anderen und ggf. hilfsweise auf die fehlende öffentliche Bekanntgabe der einseitigen Tarifänderungen im Zeitraum 2004 - 2009 zu berufen.
@RuRo
Interna zu Abstimmungen der Beteiligten nicht öffentlich posten.
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Möglicherweise mag es Dritte - nicht am Verfahren Beteilgte - geben, die mit Rücksicht auf eigene Interessen erpicht auf eine Entscheidung des OLG München in der avisierten Richtung sind.
Diese sollten dann jedoch - solidarisch - einen Geldbetrag aufbringen, welche die am Verfahren (auf Beklagtenseite) Beteiligten im Unterliegensfalle - ggf. nach einer Revision am BGH - hinsichtlich der Klageforderung und der gesamten Verfahrenskosten vollständig schadlos halten.
Dass es im Falle eines Widerrufs zu der vom OLG München als sehr wahrscheinlich bezeichneten Entscheidung (Urteilsänderung und Klageabweisung) kommt, ist dabei jedoch noch nicht ausgemacht.