Verhandlungen am 18.11.09 um 10:00 bzw. 11:00 Uhr.
Heute wurden zwei Termine abgehalten, in denen es um sogenannte Spannungsklauseln (SK) geht. Desweiteren wurde die Frage der Vergleichbarkeit von Heizöl mit Heizgas sowie die Frage diskutiert, ob es sich jeweils um eine Preisklausel (PK) (und damit Preisabrede) oder Preisanpassungsklausel (PAK) (und damit Preisnebenabrede) handele.
Da fast alle jeweiligen Prozeßbeteiligten (diesmal mit dabei: Dr. Aribert Peters) an beiden Terminen teilgenommen und die Rechtsanwälte ihre Ausführungen im zweiten Termin mit Blick auf den vorausgegangenen knapp gehalten haben, fasse ich beide Berichte hier zusammen.
Am Ende der heutigen Sitzung wird der Senat in beiden Verfahren entscheiden:
Jeweils entweder eine Verkündung oder einen Verkündungstermin.
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Aktenzeichen: BGH VIII ZR 178/08, OLG Köln 6 U 203/07, LG Köln 26 O 91/06
8. Zivilsenat: Ball, Frellesen, Achilles, Hermanns, Milger
Kläger: Bund der Energieverbraucher, RA Prof. Nirk, RA Dr. Schott
Beklagte: RheinEnergie AG, RA Prof. Krämer, RA Dr. Scholz
Ball schildert die Sachlage. Der BdE klagt auf Unterlassung der Verwendung einer PAK. Siehe Vorinstanzen. Eine Klausel besteht aus einer Formel zur Berechnung des Gaspreises aus dem HEL-Preis. Eine weitere Klausel definiert verschiedene Formeln gestaffelt nach Verbrauchsstufen.
Das OLG hat die Unterlassungsklage abgewiesen. Die Revision beanstandet die Klauseln als unangemessen benachteiligend, weil die Beklagte damit einen zusätzlichen Gewinn erzielen kann. Durch die Bindung des Preises an den HEL-Preis und rückläufige Kosten des Versorgers kann die Gewinnmarge ansteigen.
Bisher hatte sich der Senat nur mit Leistungsvorbehalts- oder Kostenelementeklauseln zu befassen. Hier stehen erstmals SK auf dem Prüfstand, in denen der Abgabepreis sich nicht nach den Selbstkosten des Versorgers sondern nach den Kosten eines vergleichbaren Wirtschaftsgutes richtet. Je nach Änderung des HEL-Preises folgt der Gaspreis. Dieser ist also von der Kostenentwicklung des Versorgers abgekoppelt.
SK sind grundsätzlich zulässig, wenn die betrachteten Wirtschaftsgüter vergleichbar sind. Der Senat hält Heizöl und Heizgas für vergleichbar, wenn auch nicht für gleichartig, da beides zum gleichen Zweck (Heizen) verwendet wird.
Gemäß Preisangabengesetz (PAG) sind SK währungspolitisch zulässig. Darüber hinaus können sie aber auch prüfbar gemäß einer Inhaltskontrolle sein. SK sind dann prüffähig, wenn es sich um PAK und nicht um direkte PK handelt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch dann bereits der Ausgangspreis wohl schon mit denselben Klauseln berechnet worden ist.
Nur Preisnebenabreden, nicht aber Preisabreden sind kontrollfähig.
Falls zunächst ein fester Preis sowie eine PAK vereinbart worden ist, dann ist die PAK kontrollfähig. Falls die Klausel kontrollfähig ist, dann stellt sich die Frage ob die bisher entwickelte Rechtsprechung zur Unangemessenheit von PAK auf die SK anwendbar ist. Höchstrichterlich ist dies noch nicht geklärt.
Die SK koppelt den Preis ab von den Kosten des Anbieters. Ist es nun (un)angemessen, den Preis an diesen anderen Referenzpreis (hier: HEL) anzubinden?
Ein weiterer Kritikpunkt der Revision: Die HEL-Preise enthalten bereits Steuern. Bei einer Anhebung derselben kommt es automatisch zu einer Anhebung der Gaspreise, sodaß Gaskunden quasi doppelt besteuert würden.
Der Heizölpreis ist allerdings ein Marktpreis. Fraglich ist daher, ob ein im Wettbewerb stehender Lieferant eine Steuererhöhung immer voll auf seinen Abgabepreis aufschlagen kann. Und selbst wenn, dann ist noch fraglich ob dies die Gaskunden unangemessen benachteiligen würde. Schliesslich gibt es auch andere Produkte, deren Preise sich nach dem Lebenshaltungskostenindex richten. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer hat dort dieselben Auswirkungen. Gegen eine unangemessene Benachteiligung spricht zudem, dass eine - wenn auch unwahrscheinliche - Steuersenkung [Anm.: allgemeines Kichern im Saal] automatisch ebenfalls zu einer Gaspreissenkung führen würde.
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Dr. Schott:
Die Energieträger Öl und Gas sind wohl unstrittig nicht gleichartig; allenfalls vergleichbar.
Der Kartellsenat führte aus, Güter seien nicht austauschbar, da es keinen einheitlichen Wärmemarkt gibt sondern getrennte Märkte für Heizöl und Gas. Eine andere Sichtweise würde zu Wertungswidersprüchen zum Kartellrecht führen.
Daher sind SK unabhängig von §1 Abs. 1 PAG prüffähig.
Heizöl und Gas sind auch nicht abstrakt austauschbar.
Eine Austauschbarkeit kann man evtl. bei erstmaliger Wahl des Energieträgers beim Neubau des Hauses annehmen. Bei einem Vertragsschluß zu diesem Zeitpunkt wäre eine Vergleichbarkeit wohl zu bejahen.
Verträge sind aber für alle Kunden da, insbesondere auch für Mieter, für die eine Austauschbarkeit niemals gegeben ist. Der §1 Abs. 2 PAG ist daher nicht anwendbar.
Selbst wenn die SK nach PAG währungspolitisch zulässig ist, dann ist es dennoch eine AGB-Klausel und unterliegt als solcher einer Inhaltskontrolle, falls es sich nicht um eine Preisabrede handelt. Die beanstandete Klausel ist laut Vorinstanzen unstreitig eine PAK, also eine Preisnebenabrede.
Gegenbeispiel: Eine Klausel mit zu Vertragsbeginn feststehenden Änderungen, etwa \"Der Preis erhöht sich jedes Quartal um 1%\" etwa wäre eine Preisklausel.
Selbst bei gegebener Vergleichbarkeit zwischen Heizöl und Gas darf die Klausel das Äquivalenzverhältnis nicht verletzen. Dies muß auch bei SK gelten; insbesondere auch da es sich nach wie vor um Monopolisten handelt. Daher ist eine Inhaltskontrolle wie bei den anderen PAK geboten.
Der Gesetzgeber wollte mit dem PAG nicht etwa die AGB-Regelungen im BGB aushebeln.
Die Ölpreisbindung bei den Bezugskosten, deren genaue Bestimmungen ja im Dunkeln liegen, kann zu einer ganz anderen Entwicklung der Kosten führen als die Abgabepreise. Die HEL-Preise haben sich in der Vergangenheit ja auch anders entwickelt als die Gasimportpreise.
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Prof. Krämer
Wie Ball korrekt ausgeführt hat, liegt mit den SK eine ganz andere Situation vor.
Es ist legitim, einen Vertrag zu schließen, in dem die nicht vorwegnehmbaren Kostenänderungen in Klauseln berücksichtigt werden. Wie aber formuliert man diese denn nun?
Bei den bisher beanstandeten Klauseln gab es Probleme mit der Berechtigung ohne Verpflichtung zur Preisanpassung. SK aber sind direkte Preisklauseln.
SK erlauben keine Ausweitung der Gewinnmarge, da der Versorger auf die Abgabepreise ja keinen Einfluss mehr hat. Die SK ist ein objektivierter Parameter. Im Mietrecht wurden SK bspw. als zulässig erkannt. Eine kundenfeindlichste Auslegung kann bei einer SK nicht zu einem abweichenden Ergebnis führen.
Versorger und Kunden können grundsätzlich Verträge miteinander abschließen und Preise verhandeln. Bisher gab es dabei das Problem des Vorbehalts zum Recht der Weitergabe von Preiserhöhungen. Hier wird stattdessen nun eine SK vereinbart.
Die HEL-Bindung wird zudem seit jahrzehnten praktiziert und hat sich bewährt.
Sogar die Monopolkommision äußert sich auf S.58 ihres Berichts positiv über die HEL-Bindung, da sie die Volatilität der Gaspreise dämpfe.
Eine Preisänderung durch Anwendung einer SK ist also keine Preisnebenabrede sondern das vereinbarte Preissystem.
Zur Frage der Abkopplung von Preisen von Kosten:
Ohne eine SK ist ja gerade fraglich, ob über die Weitergabe von Kostensteigerungen hinaus der Preis angehoben werden kann. Es ist einer SK immanent, dass der Preis - vertraglich vereinbart - dynamisch veränderlich sein soll.
Zur Doppelbesteuerung:
Aufgrund der objektivierbaren Parameter wirkt sich das nicht benachteiligend aus. Die Klausel ist transparent, da reine Mathematik.
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Dr. Schott:
Das OLG hat festgestellt, dass der Anfangspreis in Anlage 40, die PAK in Anlage 41 festgesetzt ist. Es handelt sich also um verschiedene Vertragsbestandteile.
Klauseln die währungspolitisch unbedenklich sind, sind nicht auch automatisch AGB-rechtlich unbedenklich.
Es ist nicht Aufgabe von mir oder den Kunden, den Versorgern Vorschläge für wirksame PAK zu machen. Und auch der Senat hat sich ja stets geweigert, dies zu tun. Das es auch anders geht, zeigt das Versicherungswesen. Dort entscheidet ein Treuhänder, ob eine Preiserhöhung zulässig ist; und zwar ohne dass der Versicherer seine Kalkulation offen legen muss.
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Ball:
Noch mal zur Vergleichbarkeit von Heizöl und Gas. Diese ist nicht gleichzusetzen mit Austauschbarkeit.
Im Kartellrecht kommt es wohl darauf an. Hier aber kommt es nicht auf die Austauschbarkeit an. Nach Ansicht des Senats war die Idee des Gesetzgebers folgende: Man betrachte einen Heizölkunden und einen Heizgaskunden. Beide müssen Energie für Heizzwecke besorgen. Darauf dürfte sich die Vergleichbarkeit von Heizöl und Gas beziehen.
SK koppeln sich von Kosten ab und Parteien, die eine SK vereinbaren, haben ein anderes Äquivalenzprinzip. Sie legen fest, dass das Äquivalenzverhältnis durch die Bindung an den Referenzpreis gewahrt bleiben soll. Fraglich ist, ob diese Äquivalenzvereinbarung unangemessen benachteiligend ist. Andererseits muss ein Äquivalenzverhältnis nicht unbedingt ein reines Kostenverhältnis sein.
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Dr. Schott:
Der Kunde kann sich dem aber doch nicht entziehen sondern unterwirft sich diesen Bestimmungen. Der Versorger formuliert ja die Klausel und kann damit eine Änderung des Verhältnisses aus Kosten und Abgabepreis erzielen.
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Aktenzeichen: BGH VIII ZR 304/08, OLG FF/M 11 U 60/07 (Kart), LG FF/M 3/12 O 32/07
8. Zivilsenat: Ball, Hermanns, Hessel, Fetzger, Bünger
Kläger: Stadtwerke Dreieich GmbH, RA Dr. von Mettenheim, RA. Dr. Toussaint
Beklagte: A. et. al. (30 Gaskunden), RA Prof. Nirk, RA Dr. Schott
Ball führt aus: Wie zuvor geht es um Wirksamkeit von PAK in Gas-Sonderverträgen
Die Kunden begehren noch die Feststellung der Unwirksamkeit der Preisanpassungsbefugnis.
Auch hier wird eine SK verwendet, in der sich der Arbeitspreis (AP) an den HEL-Preis anhängt. Das Berufungsgericht (BG) sieht keinen Verstoß gegen das PAG für gegeben. Währungspolitisch sei die Klausel unbedenklich. Erdgas und Heizöl dürften vergleichbar sein.
Falls es sich um eine Preisnebenabrede handelt, dann unterläge sie der Inhaltskontrolle. Gemäß vorliegender Formulierung ist es eine kontrollfähige Preisnebenabrede. Die Klausel ist transparent, da rein mathematisch und noch einfacher als in dem vorausgegangenen Verfahren.
Beanstandet wird das Fehlen der Bindung zwischen Preisanpassung und Kostenänderungen. Als SK bietet sie keinen Ansatzpunkt zur Weitergabe von rückläufigen Kosten in anderen Bereichen.
Resümiert die Rechtsprechung zu kostenorientierten Klauseln.
Fraglich auch hier: Ist diese übertragbar auf SK?
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von Mettenheim:
PAK für sich genommen sind notwendig zur Sicherung des Äquivalenzverhältnisses. Ein generelles Verbot von PAK würde zu Änderungskündigungen der Versorger führen. Die Übergangsphase hin zur Abschaffung von PAK würde durch Rückforderungen der Kunden gerade kleine Anbieter vom Markt drängen und so wieder zu einer Marktkonzentration führen. Dem Kunden brächte dies also garnichts.
Es gibt drei Klassen von Klauseln:
1) Leistungsvorbehaltklauseln
2) Kostenelementeklauseln
3) Spannungsklauseln
Leistungsvorbehaltklauseln sind problematisch falls sie eine Berechtigung ohne Verpflichtung zur Weitergabe von Kostenänderungen enthalten.
Kostenelementeklauseln sind nur zulässig wenn sie die Kostenstruktur vollständig und nachweisbar darstellen. In der Praxis ist dies nicht umsetzbar.
Würde man Spannungsklauseln wie Kostenelementeklauseln behandeln, dann wären diese faktisch verboten und damit praktisch alle denkbaren PAK verboten.
Zu prüfen ist, ob eine SK im Einzelfall benachteiligend ist. Dies führt letztlich zur Frage der Vergleichbarkeit von Heizöl und Gas. Diese ist gegeben, da sich der Nutzen und Wert beider Energieträger gleichartig verändern.
Durch die Abkopplung der Preise von den Kosten wird auch nicht das Äquivalenzverhältnis verschoben. Eine Erhöhung der Gewinnmarge ist zudem nicht unbedingt unzulässig; etwa wenn der Versorger diese durch Einsparungen oder eine effizientere Produktion erreicht.
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Dr. Schott:
Das BG hat die Vergleichbarkeit bejaht [Er wiederholt sich im wesentlichen].
Das BG stellte darauf ab, beides seien nicht erneuerbare fossile Energieträger.
Das ist aber auch bei Kohle der Fall. Zudem könnte eine SK ja auch auf erneuerbare Windenergie abstellen.
Das BG geht von einer PAK, nicht einer PK aus. Das ist hier wohl nicht streitig. PAK aber unterliegen AGB-rechtlicher Inhaltskontrolle.
Wenn die PAK verwendet wird, um zukünftig zusätzliche Gewinne zu erzielen, dann wird das Äquivalenzverhältnis gestört.
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Gruss,
ESG-Rebell.