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Autor Thema: Terminsberichte BGH VIII ZR 178/08 (OLG Köln) und VIII ZR 304/08 (OLG FF/M)  (Gelesen 19198 mal)

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Offline Black

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Terminsberichte BGH VIII ZR 178/08 (OLG Köln) und VIII ZR 304/08 (OLG FF/M)
« Antwort #15 am: 20. November 2009, 10:42:40 »
Zitat
Original von RR-E-ft
Das Preisklauselgesetz betrifft eher Vertragsklauseln, in denen sich der Preis von Anfang an nach einer Berechnungsvorschrift errechnet.

Wo lesen Sie das im Gesetz?


Zitat
Original von RR-E-ft
Der Knackpunkt liegt möglicherweise weniger bei der Transparenz, denn bei der grundsätzlichen Rechtfertigung für die Verwendung solcher Klauseln.

Eine solche Rechtfertigung ist nicht zu erkennen.

Man braucht keine Rechtfertigung, aus welchem Grund eine Klausel erlaubt sein sollte, denn wir haben  Vertragsfreiheit. Diese Vertragsfreiheit ist durch Verbote punktuell eingeschränkt. Man muss also eher fragen unter welches Verbot eine solche Klausel fallen sollte.
Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden zu senden auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.

Matthäus, Kapitel 10, Vers 34

Offline RR-E-ft

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Terminsberichte BGH VIII ZR 178/08 (OLG Köln) und VIII ZR 304/08 (OLG FF/M)
« Antwort #16 am: 20. November 2009, 11:59:11 »
Die AGB- rechtlichen Bestimmungen beschränken die Vertragsfreiheit der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nicht verboten, jedoch gem. §§ 305 ff. BGB in bestimmten Konstellationen unwirksam. Mit der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen verfolgt der Verwender unter Abweichung von gesetzlichen Regelungen eigene Interessen. Mit formularmäßigen Preisänderungsklauseln wird von der gesetzlichen Regelung des § 433 BGB abgewichen, wonach beide Parteien gleichermaßen an den vertraglich vereinbarten Preis gebunden sind, st. Rspr. des BGH.

Der BGH betont in st. Rspr., dass Preisänderungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen  nicht grundsätzlich unwirksam sind, wenn aus Sicht des Verwenders ein Bedürfnis für solche bzw. aus Sicht der Rechtsprechung ein anerkanntes Interesse an solchen besteht. Ein solches Interesse erkennt die Rechtsprechung aus o. g. Gründen (Erhaltung des ungeschmälerten Gewinnanteils bei sich ändernden Kosten, keine Preisaufschläge wegen ungewisser Kostenentwicklung) bisher bei unbefristeten und langfristigen Dauerschuldverhältnissen an.



Zitat
BGH, Urt. v. 15.07.2009 - VIII ZR 225/07 Tz. 22

Das nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den Vorbehalt einer einseitigen Leistungsbestimmung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen erforderliche berechtigte Interesse des Verwenders (vgl. BGHZ 164, 11, 26 f. m.w.N.) ist bei Verträgen mit Normsonderkunden ebenso wie im Bereich der Tarifkundenversorgung (Grundversorgung) zu bejahen. Den Gasversorgungsunternehmen soll nach dem Willen des Verordnungsgebers der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden die Möglichkeit gegeben werden, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Kunden weiterzugeben, ohne die Verträge kündigen zu müssen (BR-Drs. 77/79, S. 34). Insofern ist eine sachliche Gleichbehandlung der Haushaltssonderkunden mit den Tarifkunden geboten. Die Haushaltssonderkunden der Beklagten werden auf der Grundlage des Vertrags \"G. -Aktiv\" ebenso wie die Tarifkunden aufgrund eines standardisierten Vertrages zu einheitlichen Preisen mit Gas beliefert. Der Vertrag ist auch trotz der besonderen Bestimmungen über die Vertragslaufzeit in § 14 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einem auf unbestimmte Zeit laufenden Tarifkundenvertrag vergleichbar. Denn es ist zwar das Kündigungsrecht beider Parteien jeweils für einen bestimmten Zeitraum ausgeschlossen; der Vertrag wird jedoch automatisch verlängert, wenn er von keiner der Parteien gekündigt wird. Es kann deshalb im vorliegenden Fall offen bleiben, ob dem Versorger auch dann ein berechtigtes Interesse an einer Preisänderung zuzugestehen ist, wenn der Sondervertrag von vornherein nur eine begrenzte Laufzeit hat.


Bei zeitlich befristeten Dauerschuldverhältnissen, die keine langfristigen sind, wird ein solches Bedürfnis schon nicht bestehen, so dass dabei Preisänderungsklauseln nicht zulässig sind. Schon wenn sich der Klauselverwender durch ordnungsgemäße Kündigung innerhalb von sechs Monaten aus dem Vertrag und der mit diesem verbundenen Preisvereinbarung selbst lösen kann, erscheint ein Bedürfnis nach einer Preisänderungsklausel bzw. anzuerkennendes Interesse an einer solchen fraglich.


Noch fraglicher erscheint ein Bedürfnis des Klauselverwenders bzw. anzuerkennendes Interesse an einer Preisänderungsklausel, die mit der Kostenentwicklung der preisbildenden Kostenfaktoen schlicht nichts gemein hat.

Offline jroettges

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Terminsberichte BGH VIII ZR 178/08 (OLG Köln) und VIII ZR 304/08 (OLG FF/M)
« Antwort #17 am: 20. November 2009, 12:33:49 »
Zitat
@RR-E-ft schrieb:

Bei zeitlich befristeten Dauerschuldverhältnissen, die keine langfristigen sind, wird ein solches Bedürfnis schon nicht bestehen, so dass dabei Preisänderungsklauseln nicht zulässig sind. Schon wenn sich der Klauselverwender durch ordnungsgemäße Kündigung innerhalb von sechs Monaten aus dem Vertrag und der mit diesem verbundenen Preisvereinbarung selbst lösen kann, erscheint ein Bedürfnis nach einer Preisänderungsklausel bzw. anzuerkennendes Interesse an einer solchen fraglich.

§41 EnWG verlangt aber Bestimmungen u.a. zur \"Preisanpassung\"
 
Zitat
(1) Verträge über die Belieferung von Haushaltskunden mit Energie außerhalb der Grundversorgung haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten über
1. die Vertragsdauer, die Preisanpassung, die Verlängerung und Beendigung der Leistungen und des Vertragsverhältnisses sowie das Rücktrittsrecht des Kunden
.....

Offline RR-E-ft

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Terminsberichte BGH VIII ZR 178/08 (OLG Köln) und VIII ZR 304/08 (OLG FF/M)
« Antwort #18 am: 20. November 2009, 12:58:42 »
Werden außerhalb der Grundversorgung formularmäßig  auf drei oder sechs Monate zeitlich befristete Verträge für Haushaltskunden angeboten, wird innerhalb solcher eine Preisänderungsklausel AGB- rechtlich unzulässig sein, weil der Kunde ein Interesse daran hat, dass bei solch kurzen Vertragsverhältnissen der vertraglich vereinbarte Preis auch tatsächlich für die gesamte (kurze) Vertragszeit gilt.

Die vertragliche Bestimmung über die Preisanpassung bei befristeten Verträgen mit so kurzer Laufzeit könnte etwa lauten, dass eine solche nicht erfolgt. Das ist auch eine vertragliche Bestimmung über die Preisanpassung.

Auch dabei sind wieder Individualverträge von Formularverträgen, zu unterscheiden, deren Klauseln einer AGB- rechtlichen Kontrolle unterliegen.

Schließlich steht auch außer Zweifel, dass außerhalb der Grundversorgung auch zeitlich auf ein oder zwei Jahre befristete Fixpreisverträge mit Haushaltskunden zulässig sind.

Offline jofri46

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Terminsberichte BGH VIII ZR 178/08 (OLG Köln) und VIII ZR 304/08 (OLG FF/M)
« Antwort #19 am: 20. November 2009, 13:37:22 »
Mit anderen Worten, eine Preisänderungsklausel, die es dem Verwender ermöglicht, den einmal bei Vertragsschluss kalkulierten Gewinnanteil zu erhöhen, ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung unwirksam.

Offenbar bereitet es den Versorgern erhebliche Schwierigkeiten, eine demnach zulässige Kostenelementeklausel zu formulieren und darzulegen, dass der bei Vertragsabschluss kalkulierte Gewinnanteil über die Dauer des Vertrages unverändert geblieben ist. Erforderlich dazu wäre eine zumindest im Ansatz nachprüfbare Darstellung, wie im Einzelnen sich der ursprüngliche Preis zusammensetzt, dass der einmal kalkulierte Gewinnanteil unverändert geblieben ist und wie sich die von der laufenden Kostenentwicklung abhängigen Preisbestandteile im Laufe des Vertrages verändert haben. Mit einer vollständigen Offenlegung der Kalkulation hat eine solche Darstellung noch nichts zu tun. Trotzdem sah sich mein Versorger bisher nicht in der Lage, eine solche nachprüfbare Darstellung vorzulegen.

Ich bin gespannt, wie der BGH diese seine Rechtsprechung in Übereinstimmung bringt mit einer Preisänderungsklausel, die es unabhängig von der laufenden Kostenentwicklung ermöglicht, während der Laufzeit eines Vertrages Gewinnsteigerungen zu erzielen.

Selbst wenn die hier betroffenen HEL-KLauseln ausreichend transparent  und nachvollziehbar sein sollten im Hinblick darauf, wie sich der Preis künftig berechnet, dürfte es aber bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar und damit nicht zuverlässig einzuschätzen sein, wie sich die in der Klausel genannten Faktoren künftig entwickeln und damit welche Preise künftig zu zahlen sind. Darin liegt m. E. die unangemessene Benachteiligung des Kunden. Damit das nicht so ist, geht das m. E. nur, wenn eine solche Klausel im Falle einer Preiserhöhung mit einem sofortigen und uneingeschränkten Lösungsrecht verbunden ist.

Offline tangocharly

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Terminsberichte BGH VIII ZR 178/08 (OLG Köln) und VIII ZR 304/08 (OLG FF/M)
« Antwort #20 am: 21. November 2009, 18:35:09 »
Zitat
Original von jofri46
Offenbar bereitet es den Versorgern erhebliche Schwierigkeiten, eine demnach zulässige Kostenelementeklausel (sil.: -KEK-) zu formulieren und darzulegen, dass der bei Vertragsabschluss kalkulierte Gewinnanteil über die Dauer des Vertrages unverändert geblieben ist.

Das ist ja das Schöne an Spannungsklauseln (sil.: -SK-), weil sie im Gegensatz zur KEK kein Hirnschmalz benötigen, einen nachvollziehbaren Preis (nach Änderung) zu definieren (und auch den Begriff \"Gewinn\" vermeiden).

Zitat
Erforderlich dazu wäre eine zumindest im Ansatz nachprüfbare Darstellung, wie im Einzelnen sich der ursprüngliche Preis zusammensetzt, dass der einmal kalkulierte Gewinnanteil unverändert geblieben ist und wie sich die von der laufenden Kostenentwicklung abhängigen Preisbestandteile im Laufe des Vertrages verändert haben. Mit einer vollständigen Offenlegung der Kalkulation hat eine solche Darstellung noch nichts zu tun.

Diese Tür kriegen sie, jedenfalls mit Ball, derzeitig nicht auf. Die frühere RSpr. des VIII. Senats hatte ja längst an diesem Punkt operiert. Erst nach dem 13.06.2007 tauchte die Position der grundsätzlichen Billigkeit auf, wenn nur belegt werden konnte, dass die erhöhten Bezugskosten die Preisänderung rechtfertigen sollten, obgleich keine sonstigen Kosteneinsparungen existierten.
Den Gedanken finde ich aber dennoch gut und richtig, weil ja in der höchstrichterlichen RSpr. ständig das Argument auftaucht, dass Preisänderungsklauseln eben nicht die Möglichkeit geben dürfen, Gewinne auf Kosten der Kunden zu steigern. Wie will man denn sonst diese marginale Frage überprüfen, wenn mit der Rspr. des VIII. Senats  solche Positionen der Kalkulation und der ominöse \"Sockelpreis\" geradewegs als \"rohe Eier\" behandelt werden sollen.

 
Zitat
Trotzdem sah sich mein Versorger bisher nicht in der Lage, eine solche nachprüfbare Darstellung vorzulegen.
Ich bin gespannt, wie der BGH diese seine Rechtsprechung in Übereinstimmung bringt mit einer Preisänderungsklausel, die es unabhängig von der laufenden Kostenentwicklung ermöglicht, während der Laufzeit eines Vertrages Gewinnsteigerungen zu erzielen.

Das beantwortet sich aus § 2 Abs. 3 PrKG mit dem Kriterium der \"Angemessenheit\"

Zitat
Selbst wenn die hier betroffenen HEL-KLauseln ausreichend transparent  und nachvollziehbar sein sollten im Hinblick darauf, wie sich der Preis künftig berechnet, dürfte es aber bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar und damit nicht zuverlässig einzuschätzen sein, wie sich die in der Klausel genannten Faktoren künftig entwickeln und damit welche Preise künftig zu zahlen sind.

Ja, spannende Frage. Diejenigen Amtsrichter sind mir noch nicht begegnet, die in ihr Urteil pinseln, dass die Berechnung des Bezugspreises richtig erfolgt sei und dann auch noch darlegen, wie sie sich selbst von der Richtigkeit der Formel und von der Richtigkeit des  darauf basierenden Ergebnisses überzeugt haben (d.h. dass dieses mathematische Chinesisch verstanden wurde).

Zu @RR-E-ft würde mich noch interessieren, ob seiner Meinung nach im Falle des PrKG auch der \"Anfangspreis\" einer Prüfung und Korrektur unterzogen werden können soll (§ 2 Abs. 3 PrKG) oder ob er sohin richtig verstanden wird, dass im Falle der Prüfung einer SK nach PrKG halt eben auch der Anfangspreis einbezogen werden muss.
<<Der Preis für die Freiheit ist die Verantwortung>>

Offline RR-E-ft

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« Antwort #21 am: 24. November 2009, 18:24:53 »
Eine mathematische Preisbestimmungsklausel, die auch die Bestimmung des Anfangspreises (dessen Berechnung) umfasst ist  - im Gegensatz zu einer Preisänderungsklausel, nach welcher ein zunächst vertraglich vereinbarter Preis (hier nach einer mathematischen Berechnungsvorschrift) abgeändert wird - wohl keine nach § 307 BGB kontrollfähige Preisnebenabrede, sondern eine AGB-rechtlich kontrollfreie Preisabrede.

 

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