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BGH, Urt. v. 24.03.10 VIII ZR 304/08 HEL-Klausel unzulässig
RR-E-ft:
--- Zitat ---Verhandlungstermin: 18. November 2009
VIII ZR 304/08
LG Frankfurt am Main – Entscheidung vom 3. August 2007 – 3/12 O 32/07
OLG Frankfurt am Main - Entscheidung vom 4. November 2008 – 11 U 60/07 (Kart)
Die Kläger beziehen von der Beklagten, einem kommunalen Versorgungs-unternehmen, auf der Grundlage von Sonderverträgen leitungsgebunden Gas. In den jeweiligen Vertragsverhältnissen gelten die von der Beklagten vorformulierten \"Bedingungen des Sondervertrages für Gaslieferungen\", deren Ziffer III auszugs-weise wie folgt lautet:
\"c) Als Heizölpreis im Sinne von Ziffer 2 des Vertrages gilt das aus 8 Monatswerten gebildete arithmetische Mittel der vom Statistischen Bundesamt erhobenen und veröffentlichten monatlichen Preisnotierung für extra leichtes Heizöl in € je 100 Liter frei Verbraucher in Frankfurt bei Tankkraftwagen-Lieferungen von 40 bis 50 hl pro Auftrag einschließlich Verbrauchssteuer. Der Arbeitspreis (AP) errechnet sich deshalb nach folgender Formel:
AP (Cent je kWh) = 0,092 HEL
d) Änderungen der Gaspreise aufgrund der Bindung an das Heizöl (HEL) treten jeweils zum 1.4. und 1.10. eines jeden Jahres ein. Für die Bildung der Gaspreise wird jeweils der Durchschnitt des veröffentlichten Heizölpreises zugrunde gelegt, und zwar
- am 1. April die Durchschnittspreise für die Monate Juli bis Dezember des Vorjahres und Januar bis Februar des laufenden Jahres,
am 1. Oktober die Durchschnittspreise der Monate Januar bis August des laufenden Jahres.\"
Die Beklagte erhöhte den Arbeitspreis zum 1. Oktober 2005 von 3,60 Cent/kWh auf 4,31 Cent/kWh; die Kläger widersprachen der Preiserhöhung. Mit der Klage haben sie unter anderem beantragt festzustellen, dass die von der Beklagten in Ziffer III der Lieferbedingungen verwendete Klausel unwirksam ist.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen. Dagegen haben 36 der ursprünglich 42 Kläger Berufung eingelegt und sich gegen die Abweisung des Antrags auf Feststellung der Unwirksamkeit der Klausel in Ziffer III der Lieferbedingungen gewendet. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat festgestellt, die von der Beklagten gegenüber den Berufungsklägern verwendete Klausel in Ziffer III Buchstaben c und d der Lieferbedingungen sei unwirksam. Die Preisanpassungsklausel halte einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 BGB nicht stand, weil sie die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Das ergebe sich daraus, dass die Beklagte eine Preisanpassung nicht von einer Preiserhöhung oder einer Preissenkung ihrer Vorlieferanten abhängig mache, sondern nur an die Entwicklung des \"HEL\"-Preises im Referenzzeitraum knüpfe, unabhängig davon, ob mit dieser Preisentwicklung tatsächlich Kostensteigerungen für die Beklagte verbunden seien. Zwar spreche viel dafür, dass Änderungen des \"HEL\"-Preises Änderungen des von der Beklagten zu zahlenden Preises für den Bezug des Erdgases zur Folge hätten. Zwingend sei dies jedoch nicht, denn die Preisanpassungsklausel knüpfe nicht an den konkreten Bezugspreis an.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
--- Ende Zitat ---
RR-E-ft:
Terminsbericht
Urteilsverkündung für den 27.01.2010 angekündigt.
RR-E-ft:
Verkündungstermin: 27. Januar 2010 - verlegt auf 24. März 2010
(Verhandlungstermin: 18. November 2009)
VIII ZR 304/08
LG Frankfurt am Main – Entscheidung vom 3. August 2007 – 3/12 O 32/07
OLG Frankfurt am Main - Entscheidung vom 4. November 2008 – 11 U 60/07 (Kart)
RR-E-ft:
PM des BGH
Die Entscheidung betrifft auch Verträge zwischen Gasversorgern un deren Vorlieferanten, soweit in jenen entsprechende Preisänderungsklauseln in AGB enthalten sind. § 307 BGB gilt auch zwischen Unternehmen.
RR-E-ft:
Urteilstext veröffentlicht
Die Entscheidung befasst sich allein mit der Unwirksamkeit einer Preisänderungsklausel in einem Gaslieferungsvertag, bei welcher der Arbeitspreis sich zu bestimmten Terminen nach einer mathematischen Berechnungsvorschrift allein aus dem Wert für extraleichtes Heizöl (HEL) (neu) ergibt, d.h. der ursprünglich vereinbarte Gaspreis geändert wird.
Zumeist scheitern Preisänderungsklauseln Preisänderungsklauseln am Transparenzgebot. Dies war im entschiedenen Fall nicht der Fall. Auch wurden Preisänderungen nach unten und nach oben - entsprechend der jedes Ermessen ausschließenden mathematischen Berechnungsvorschrift - nach gleichen Maßstäben an die Kunden weitergegeben.
Dem Gasversorger fehlte vielmehr schon das notwendige berechtigte Interesse an der Verwendung der inkrimnierten konkreten Preisänderungsklausel, weil diese jedenfalls nicht ausschließlich dazu diente, eine nachträgliche Gewinnschmälerung in Folge von nachträglichen Kostenänderungen auszugleichen, dem Versorger eine nachträgliche (verdeckte) Erhöhung seines Gewinnanteils am Preis ermöglichte, wie der Senat umfassend begründet.
--- Zitat ---BGH VIII ZR 304/08 Rn. 36
Denn im Streitfall scheitert die Wirksamkeit der von den Klägern angegriffenen Klausel bereits daran, dass die Beklagte kein schutzwürdiges Interesse für deren Verwendung vorweisen kann.
--- Ende Zitat ---
Hier im Forum wurde bereits umfassend erörtert, dass eine Preisänderungsklausel, mit welcher vom Grundsatz des dispotiven Rechts, wonach eine Preisvereinbarung für die gesamte Vertragslaufzeit für beide Vertragsteile bindend ist, abgewichen wird, stets einer inneren Rechtfertigung, mithin eines schutzwürdigen Interesses des Klauselverwenders bedarf.
--- Zitat ---BGH VIII ZR 304/08 Rn. 34
Daher hat die höchstrichterliche Rechtsprechung Preisänderungsklauseln nicht generell für unwirksam erachtet.
Sie stellen vielmehr ein geeignetes und anerkanntes Instrument zur Bewahrung des Gleichgewichts von Preis und Leistung bei langfristigen Verträgen dar. Denn sie dienen dazu, einerseits dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation abzunehmen und ihm seine Gewinnspanne trotz nachträglicher ihn belastender Kostensteigerungen zu sichern, und andererseits den Vertragspartner davor zu bewahren, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich schon bei Vertragsschluss durch Risikozuschläge aufzufangen versucht (BGHZ 172, 315, Tz. 22; 176, 244, Tz. 14; 180, 257, Tz. 23; jeweils m.w.N.). Ein berechtigtes Interesse, Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit an die Endkunden weiterzugeben, wird auch bei Gasversorgungsunternehmen anerkannt, die mit Normsonderkunden Verträge mit unbestimmter Laufzeit schließen (vgl. Senatsurteile vom 15. Juli 2009 - VIII ZR 225/07, WM 2009, 1717, zur Veröffentlichung in BGHZ 182, 59 vorgesehen, Tz. 22, und VIII ZR 56/08, WM 2009, 1711, zur Veröffentlichung in BGHZ 182, 41 vorgesehen, Tz. 24).
--- Ende Zitat ---
Nicht Gegenstand der Entscheidung ist die Wirksamkeit von einzelnen Preisänderungen, die auf eine solche unwirksame Klausel gestützt wurden. Letztere ergibt sich wohl mit Rücksicht auf die weitere Senatsrechtsprechung (VIII ZR 225/07, VIII ZR 320/07, VIII ZR 81/08] ohne weiteres. Jedoch müssen etwaige Rückforderungsansprüche ggf. gesondert gerichtlich verfolgt werden.
Der Senat lässt im Ergebnis offen, ob es überhaupt ein berechtigtes Interesse an einer - von der konkreten Kostenentwicklung losgelösten - Spannungsklausel geben kann.
Die Zulässigkeit einer Spannungsklausel jedenfalls als formularmäßige Preisänderungsklausel begegnet grundsätzlichen methodischen Bedenken schon deshalb, weil bei Vertragsabschluss ja oft nicht der Marktpreis schlechthin vereinbart wird, sondern ein besonderer Preis, auf den sich die Parteien bei Vertragsabschluss konkret geeinigt hatten. Der vereinbarte Preis und nicht schlechthin ein Marktpreis bildet folglich auch das - während der Vertragslaufzeit zu wahrende - konkrete Äquivalenzverhältnis. Wird der Vertrag auf einem Markt mit wirksamen Wettbewerb geschlossen, kann der bei Vertragsabschluss vereinbarte Preis - abhängig vom Verhandlungsgeschick des einen oder anderen Teils - (möglicherweise sogar deutlich) über oder aber unter dem Marktpreis liegen. [20 Prozent auf alles, außer auf Tiernahrung].
Der Senat führt aus, dass es für Endkunden nach wie vor mangels wirksamen Wettbewerbs keinen durch Angebot und Nachfrage gebildeten Marktpreis für Gas gibt.
Darin darf wohl nun die nachhaltige Abkehr von der These von einem Wettbewerb auf einem angeblich bestehenden einheitlichen Wärmemarkt gesehen werden, wie sie der Senat noch in der Entscheidung vom 13.06.2007 Az. VIII ZR 36/06 vertreten hatte und wofür er von vielen billig und gerecht Denkenden sehr gescholten wurde. (Wer noch billiger und weniger gerecht dachte, klatschte wohl seinerzeit Beifall).
--- Zitat ---BGH VIII ZR 304/08 Rn. 39
Bezogen auf leitungsgebundenes Gas scheitert die erforderliche Prognose indes bereits daran, dass ein - durch die Spannungsklausel zu wahrender - Marktpreis für Gas nicht feststellbar ist, weil es auf dem Markt für die Lieferung von leitungsgebundenem Gas an Endverbraucher nach wie vor an einem wirksamen Wettbewerb fehlt. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend.
Dass sich faktisch der Gaspreis vielfach parallel zum Preis für leichtes Heizöl entwickelt, beruht nicht auf Markteinflüssen, sondern darauf, dass die Ölpreisbindung der Gaspreise einer gefestigten Praxis entspricht (vgl. Senatsurteil vom heutigen Tag - VIII ZR 178/08]. Eine Spannungsklausel, die allein an die Entwicklung der örtlichen Heizölpreise anknüpft, würde daher dazu dienen, überhaupt erst einen Preis für leitungsgebundenes Gas herauszubilden. Dieser wäre aber gerade nicht durch Angebot und Nachfrage auf dem Gassektor bestimmt. Daher kann die verwendete Klausel das möglicherweise mit ihr verfolgte Ziel, die Anpassung an einen für leitungsgebundenes Gas bestehenden Marktpreis zu gewährleisten, von vorneherein nicht erreichen.
--- Ende Zitat ---
Die Entscheidung erscheint auf Vorlieferantenverträge übertragbar, soweit in diesen formularmäßig entsprechende HEL- Klauseln Verwendung fanden bzw. finden.
Auch auf dem Großhandelsmarkt fällt es mangels wirksamen Wettbewerbs schwer, einen durch Angebot und Nachfrage gebildten Marktpreis für leitungsgebundenes Gas festzustellen. Vor dem Entstehen der Spotmärkte und virtuellen Handelspunkte gabe es nur die vom BAFA monatlich veröffentlichten Erdgasimportpreise, die den Wert der Ware Erdgas an der deutschen Grenze abbilden. Der Erdgasimport ist nach wie vor preisbestimmend. In den Importverträgen bestehen jedoch keine HEL- Bindungen, sondern die Abrechnung erfolgt zumeist in US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter und der Gaspreis ist dabei nach verschiedensten Formeln an den Preis für Rohölnotierungen gekoppelt, neuerdings zu einem geringen Teil auch an Spotmarktnotierungen.
Formelgebundene Gaspreise haben mithin auf den verschiedenen Lieferstufen nichts mit Marktpreisen für leitungsgebundenes Gas zu tun, die sich in einem wirksamen Wettbewerb über Angebot und Nachfrage herausbilden.
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